Washington Irving
Die Alhambra
Washington Irving

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Hängenden Gärten, Orangen- und Citronen-Wäldchen entlang, welche das schöne Guadalquivirthal überschauen, nahten sie der Stadt. Als sie an dem Thore ankamen, flog die Eule in ein dunkles Loch in der Mauer hinauf, und der Prinz ging weiter, um den Palmbaum aufzusuchen, den der große Abderahman in uralten Zeiten gepflanzt hatte. Er stand in der Mitte des Hofes der großen Moschee, über Orangen- und Zipressenbäume hervorragend. Derwische und Fakire saßen in Gruppen unter den Säulen des Hofes, und viele der Gläubigen verrichteten ihre Reinigungen an dem Brunnen, bevor sie die Moschee betraten.

Am Fuße des Palmbaums war eine Menge Menschen versammelt, und lauschte den Worten eines Redners, der mit großer Geläufigkeit zu sprechen schien. »Dieser muß,« sagte der Prinz zu sich, »der berühmte Reisende seyn, der mir Nachrichten von der unbekannten Prinzessin geben soll.« Er mischte sich in die Menge, sah aber zu seinem Erstaunen, daß sie alle einem Papageien zuhörten, welcher mit seinem hellgrünen Rock, seinem vorwitzigen Auge und seiner bündigen Kopfschleife das Ansehen eines Vogel hatte, der mit sich selbst im vortrefflichen Vernehmen stand.

»Wie kömmt es,« sagte der Prinz zu einem der Umstehenden, »daß so viele ernste Männer an der Geschwätzigkeit eines schnarrenden Vogels Gefallen finden können?«

»Ihr wißt nicht, von wem Ihr sprecht,« sagte der Andere; »dieser Papagei ist der Abkömmling des berühmten persischen Papagei's, berühmt wegen seiner Erzählergabe. Er hat alle Weisheit des Morgenlandes an der Spitze seiner Zunge, und kann Gedichte eben so schnell hersagen, als er sprechen kann. Er hat viele fremde Höfe besucht, wo man ihn als ein Orakel der Gelehrsamkeit angesehen hat. Er war auch der allgemeine Liebling des schönen Geschlechtes, welches eine ungemeine Bewunderung für gelehrte Papageien hat, die Gedichte hersagen können.«

»Genug!« sagte der Prinz; »ich will eine geheime Unterredung mit diesem großen Reisenden haben.«

Er bemühte sich um eine geheime Zwiesprache, und setzte die Ursache seiner Wanderschaft auseinander. Er hatte dieselbe kaum genannt, als der Papagei in ein trocknes, heischeres Lachen ausbrach, das ihm Thränen in die Augen lockte. »Entschuldige meine Heiterkeit,« sagte er; »aber ich muß immer lachen, wenn ich von Liebe reden höre.«

Der Prinz war über diese unzeitige Heiterkeit unwillig, und sagte: »Ist die Liebe nicht das große Geheimniß der Natur, das geheime Prinzip des Lebens, das allgemeine Band des Gleichgefühls?«

»Larifari!« rief der Papagei ihn unterbrechend; »sage mir nur, woher du dieses sentimentale Kauderwelsch hast? Glaube mir, die Liebe ist ganz außer Cours; man hört in Gesellschaft schöner Geister und feingebildeter Leute nicht mehr von ihr reden.«

Der Prinz gedachte der ganz verschiedenen Sprache seiner Freundin, der Taube, und seufzte. Aber, dachte er, dieser Papagei hat am Hofe gelebt; er ahmt das Wesen eines geistreichen und feinen Herrn nach; er weiß nichts von dem Dinge, das Liebe genannt wird. Da er das Gefühl, welches sein Herz erfüllte, nicht mehr dem Spotte preisgeben wollte, richtete er seine Nachforschungen auf den unmittelbaren Grund seines Besuches.

»Sage mir,« sprach er, »hochgebildeter Papagei, der du allenthalben zu den geheimsten Lauben der Schönheit Zutritt hattest, begegnete dir während deiner Reise das Vorbild zu diesem Porträt?«

Der Papagei nahm das Gemälde in seine Krallen, neigte den Kopf hin und her, und betrachtete es neugierig bald mit dem bald mit jenem Auge. »Auf meine Ehre,« sagte er, »ein sehr schönes Gesicht; sehr schön; allein man sieht so viele schöne Frauengesichter auf seinen Reisen, daß man sich kaum – doch halt! – Ei, ei! Ich muß es noch einmal ansehen – ohne alle Frage, es ist die Prinzessin Aldegonda; wie konnte ich ein Wesen vergessen, das ich so ungemein hoch hielt?«

»Die Prinzessin Aldegonda?« wiederholte der Prinz, »und wo kann man sie finden?«

»Langsam, langsam!« sagte der Papagei; »sie ist leichter zu finden, als zu bekommen. Sie ist die einzige Tochter des christlichen Königs, der zu Toledo herrscht, und man hat sie bis zu ihrem siebzehnten Geburtstag von der Welt abgeschlossen, wegen einer Prophezeihung dieser zudringlichen Bursche, der Astrologen. Du kannst ihrer nicht ansichtig werden – kein Sterblicher kann sie sehen. Ich bin vor sie gelassen worden, um sie zu unterhalten, und versichere dich auf das Wort eines Papageis, der die Welt gesehen hat, ich habe schon mit viel einfältigeren Prinzessinnen gesprochen.«

»Ein Wort im Vertrauen, mein lieber Papagei,« sagte der Prinz; »ich bin der Erbe eines Königreichs, und werde eines Tags einen Thron einnehmen. Ich sehe, du bist ein Vogel von Talent, und kennst die Welt. Hilf mir in den Besitz dieser Prinzessin, und ich werde dich zu einer ausgezeichneten Stelle am Hofe befördern.«

»Von ganzem Herzen,« sagte der Papagei; »aber laß es, wenn möglich, ein Faulamt seyn, denn wir schönen Geister haben gegen das Arbeiten einen großen Widerwillen.«

Die Uebereinkunft wurde alsbald getroffen. Der Prinz verließ Cordova durch dasselbe Thor, durch welches er gekommen war, rief die Eule aus dem Mauerloch, stellte sie seinem neuen Reisegenossen als eine Mitgelehrte vor, und man trat nun die Reise an.

Es ging bei weitem nicht so schnell, als die Ungeduld des Prinzen es wünschte; allein der Papagei war an das vornehme Leben gewöhnt, und hatte es nicht gern, daß man ihn früh Morgens störte. Auf der andern Seite schlief die Eule gern um Mittag, und verlor viele Zeit mit ihren langen Siesta's. Auch war ihr antiquarischer Geschmack hinderlich; denn sie bestand darauf, bei jeder Ruine anzuhalten, und sie zu beschauen, und hatte lange märchenhafte Geschichten von jedem alten Thurm und jedem Schlosse in dem Lande zu erzählen. Der Prinz hatte gehofft, sie und den Papagei, beide Vögel von Gelehrsamkeit, würden in ihrer gegenseitigen Gesellschaft Freude finden, allein er hatte sich nie mehr geirrt. Sie waren ewig im Streit. Der eine war ein Schöngeist, der andere ein Philosoph. Der Papagei citirte Poesien, kritisirte neue Lesearten, und war über kleine Punkte der Gelehrsamkeit beredt; die Eule behandelte alles dieß Wissen als nichtig, und fand an nichts Geschmack, als an Metaphysik. Dann sang der Papagei Lieder, wiederholte gute Einfälle, und riß Witze auf seinen feierlichen Nachbarn, und lachte schmählich über seine eignen Späße; welches ganze Benehmen die Eule als einen empfindlichen Eingriff in ihre Würde ansah, und schmollte, zürnte und sich erboßte, und einen ganzen langen Tag stumm blieb.

Der Prinz beachtete die Zänkereien seiner Gefährten nicht, da er in den Träumen seiner eignen Phantasie und der Betrachtung des Porträts der schönen Prinzessin verloren war. Auf diese Weise reisten sie durch die rauhen Pässe der Sierra Morena, über die sonnenverbrannten Ebenen der Mancha und Castiliens, und die Ufer des goldnen Tajo entlang, der seine zauberischen Irrwege durch halb Spanien und Portugal windet. Endlich kamen sie zu einer festen Stadt mit Mauern und Thürmen, die auf einen felsigen Bergvorsprung gebaut war, um dessen Fuß der Tajo mit lärmender Heftigkeit kreiste.

»Sieh,« rief die Eule, »die alte und berühmte Stadt Toledo, eine wegen ihrer Alterthümer berühmte Stadt. Sieh diese ehrwürdigen Dome und Thürme, grau von der Zeit und mit sagenreicher Größe umgeben, die Scene des Nachdenkens so vieler meiner Ahnen.«

»Still!« rief der Papagei, ihr feierliches antiquarisches Entzücken unterbrechend. »Was gehen uns Alterthümer und Sagen und deine Ahnen an? Sieh das, woran hier mehr liegt – sieh die Wohnung der Jugend und Schönheit – sieh endlich, o Prinz, die Wohnung deiner lange gesuchten Prinzessin.«

Der Prinz sah in der von dem Papagei angezeigten Richtung, und erblickte in einer herrlichen grünen Aue an den Ufern des Tajo einen stattlichen Palast, der aus dem Laubwerk eines köstlichen Gartens emporstieg. Der Ort stimmte ganz genau mit der Beschreibung zusammen, welche ihm die Taube gegeben hatte. Er sah mit klopfendem Herzen hin. »Vielleicht,« dachte er, »spielt die schöne Prinzessin in diesem Augenblick unter jenen schattigen Laubengängen, oder durchschreitet mit zartem Tritte jene schöne Terassen, oder ruht unter jenen hohen Dächern!« Als er genauer hinsah, bemerkte er, daß die Gartenmauern sehr hoch waren, so daß sie jedem Zugang trotzten, während Schaaren bewaffneter Wachen um sie kreisten.

Der Prinz wendete sich zu dem Papageien: »Vollkommenster aller Vögel,« sagte er, »du hast die Gabe der menschlichen Rede. Eile in jenen Garten, suche das Idol meiner Seele, und sage ihr, Prinz Ahmed, ein Liebespilger, und von den Sternen geführt, sey, sie suchend, an den blumigen Ufern des Tajo angekommen.«

Stolz auf seine Gesandtenrolle, flog der Papagei dem Garten zu, schwang sich über seine hohen Mauern, schwebte eine Zeitlang über die Gänge und Alleen desselben, und ließ sich auf dem Balkon eines Pavillons, der auf den Fluß ging, nieder. Hier sah er, als er durch ein Fenster blickte, die Prinzessin auf ein Lager hingegossen, und das Auge auf ein Papier geheftet, während Thränen sich sachte über ihre blassen Wangen herabstahlen.

Der Papagei putzte seine Flügel einen Augenblick, machte seinen hellgrünen Rock zurecht, hob seine Kopfschleife, und setzte sich mit einem zierlichen Wesen neben ihr nieder; dann nahm er einen zärtlichen Ton an und sagte: »Trockne deine Thränen, schönste der Prinzessinnen, ich komme, deinem Herzen Trost zu bringen.«

Die Prinzessin erschrack, als sie eine Stimme neben sich hörte, drehte sich aber um, und da sie nichts sah, als einen kleinen grünröckigen Vogel, der sich vor ihr neigte und beugte, sagte sie: »ach, welchen Trost kannst du geben, da ich sehe, daß du nur ein Papagei bist?«

Den Papagei ärgerte diese Frage. »Ich habe zu meiner Zeit manche holde Dame getröstet,« sagte er. »Doch nichts davon. Jetzt komme ich als Gesandter eines königlichen Prinzen. Wisse, daß Ahmed, der Prinz von Granada, hier angekommen ist, dich zu suchen, und daß er eben jetzt auf den blumigen Ufern des Tajo gelagert ist!«

Die Augen der schönen Prinzessin funkelten bei diesen Worten heller, als die Diamanten in ihrer kleinen Krone. »O lieblichster der Papageien,« rief sie, »wonnig sind in der That deine Nachrichten, denn ich war zag und verdrüßlich, und fast todtkrank aus Ungewißheit über Ahmeds Treue. Begib dich zurück, und sag ihm, die Worte seines Briefes seyen in mein Herz gegraben, und seine Gedichte seyen die Nahrung meiner Seele gewesen. Sag ihm aber auch, er müsse sich rüsten, seine Liebe durch die Kraft der Waffen zu bewähren; morgen ist mein siebenzehnter Geburtstag, wo der König, mein Vater, ein großes Turnier hält; mehrere Prinzen werden in den Schranken erscheinen, und meine Hand wird der Preis des Siegers seyn.«

Der Papagei machte sich, durch das Gebüsch rauschend, davon, und flog zu dem Prinzen zurück. Das Entzücken Ahmeds, das Original seines angebeteten Porträts gefunden zu haben, und sie hold und treu zu wissen, begreifen nur die begünstigten Sterblichen, welche das Glück gehabt haben, Tagträume verwirklicht und Schatten in Wesenheit verwandelt zu sehen. Aber Eines mäßigte noch sein Entzücken – dieses bevorstehende Turnier. In der That, die Ufer des Tajo glänzten schon von Waffen, und hallten von den Trompeten der vielen Ritter wieder, die mit stolzem Gefolge Toledo entgegen zogen, um dem Feste beizuwohnen. Derselbe Stern, der das Schicksal des Prinzen lenkte, hatte auch über das der Prinzessin bestimmt, und bis zu ihrem siebenzehnten Jahre war sie von der Welt abgeschlossen gewesen, um sie vor der zärtlichen Leidenschaft zu bewahren. Der Ruf von ihren Reizen war aber durch diese Abschließung eher erhöht als verdunkelt worden. Mehrere mächtige Fürsten hatten sich um ihre Hand beworben; ihr Vater, ein König von wunderbarer Schlauheit, wollte sich keine Feinde machen, indem er für einen derselben entschied, und verwieß sie auf die Entscheidung durch die Waffen. Unter den Mitbewerbern waren mehrere wegen ihrer Kraft und Tapferkeit berühmt. Welch ein Zustand für den unglücklichen Ahmed, der nicht mit Waffen versehen und in den Künsten des Ritterthums nicht geübt war. »Unseliger Prinz, der ich bin,« sagte er, »daß ich in der Abgeschiedenheit unter den Augen eines Philosophen auferzogen wurde! Was nützen mir nun Algebra und Philosophie in Liebesangelegenheiten? Ach, Eben Bonabben, warum hast du es versäumt, mich in dem Gebrauch der Waffen zu unterrichten?« Bei diesen Worten brach die Eule ihr Schweigen, und ließ ihrer Rede einen Ausruf vorangehen, denn dieser Vogel war ein frommer Muselmann.

»Allah Akbar! Gott ist groß!« rief sie. »In seinen Händen sind alle geheimen Dinge – er allein regiert das Geschick der Prinzen! – Wisse, o Prinz, daß dieses Land voller Geheimnisse ist, welche nur denen erschlossen sind, die, wie ich, im dunkeln nach den Wissenschaften tappen können. Wisse, daß in den benachbarten Bergen eine Höhle ist; in dieser Höhle nun ist ein eiserner Tisch, und auf diesem eisernen Tisch liegt eine vollständige magische Rüstung, und neben dem Tisch steht ein bezaubertes Pferd, was alles viele Geschlechter hindurch dort abgeschlossen ist.«

Der Prinz war außer sich vor Staunen, während die Eule, mit ihren großen runden Augen blinzelnd, und ihre Hörner spitzend, fortfuhr.

»Vor vielen Jahren begleitete ich meinen Vater bei einer Reise durch seine Besitzungen in diese Gegenden, und wir übernachteten in jener Höhle, und so wurde ich mit dem Geheimniß bekannt. Es ist eine Sage in unserer Familie, welche ich von meinem Großvater hörte, als ich nur erst ein kleines Eulchen war, diese Rüstung gehöre einem maurischen Zauberer, der sich in die Höhle geflüchtet, als Toledo von den Christen eingenommen worden, und dort gestorben war, Roß und Wehr unter einem Zauberbann lassend, daß nur ein Moslem sie gebrauchen solle, und dieser nur von Sonnenaufgang bis zum Mittag. Wer sie aber während dieser Zeit gebraucht, werde jeden Gegner besiegen.«

»Genug! laß uns diese Höhle aufsuchen!« rief Ahmed.

Von seinem sagenreichen Begleiter geführt, fand der Prinz die Höhle, welche in einer der wildesten Schluchten dieser Felsklippen waren, die um Toledo aufsteigen; nur das mausende Auge einer Eule oder eines Antiquars hätte den Eingang finden können. Eine Todtenlampe mit nie sich verzehrendem Oel verbreitete ein feierliches Licht in der Höhle. Auf einem eisernen Tisch in der Mitte der Höhle lag die magische Rüstung, die Lanze war daran gelehnt, und darneben stand ein arabisches Roß, zum Kampfe aufgezäumt, aber regungslos wie eine Statüe. Die Rüstung war glänzend und hell, wie sie in früherer Zeit geleuchtet hatte; das Roß in einem so guten Zustand, als käm es eben von der Weide, und als Ahmed seine Hand auf seinen Hals legte, stampfte es den Boden, und ließ ein lautes Wiehern der Freude hören, welches die Wände der Höhle erschütterte. So stattlich mit Roß und Waffen versehen, beschloß der Prinz, sich dem Kampfe in dem bevorstehenden Turnier zu stellen.

Der entscheidende Morgen kam. Die Schranken für den Kampf waren in der Vega oder Ebene grade unter den auf Klippen erbauten Mauern Toledo's hergerichtet, und Bühnen und Galerieen mit reichen Tapeten bedeckt, und durch seidene Dächer vor der Sonne geschützt, für die Zuschauer erbaut. Auf diesen Galerieen waren alle Schönheiten des Landes versammelt, während unten schmucke Ritter mit ihren Pagen und Knappen prunkten; hier stachen vorzüglich die Prinzen hervor, welche in dem Turnier kämpfen sollten. Alle Schönheiten des Landes aber wurden verdunkelt, als die Prinzessin Alvegonda in dem königlichen Zelt erschien, und sich zum ersten Mal den Blicken einer bewundernden Welt darstellte. Ein Murmeln des Staunens über ihre unvergleichliche Schönheit lief durch die Menge, und die Prinzen, welche sich blos auf den Ruf ihrer gerühmten Reize um ihre Hand beworben hatten, entbrannten jetzt in zehnfacher Glut für den Kampf.

Die Prinzessin aber sah traurig aus. Ihre Wangen erblaßten und rötheten sich, und ihr Auge irrte mit einem ruhelosen und unzufriedenen Ausdruck über die schmucken Schaaren der Ritter hin. Die Trompeten sollten eben zum Kampfe rufen, als der Herold die Ankunft eines fremden Ritters ankündigte, und Ahmed sich den Schranken näherte. Ein gestählter Helm, mit Edelsteinen besetzt, erhob sich über seinem Turban; sein Panzer war mit Gold ausgelegt; Säbel und Dolch waren aus den Werkstätten von Fez, und funkelten von kostbaren Steinen. Ein runder Schild hing an seiner Schulter, und in seiner Hand trug er die mit Zauberkraft begabte Lanze. Die Decke seines Arabers war reich gestickt, und fiel bis zum Boden nieder, und das stolze Thier bäumte sich und schnobberte die Luft und wieherte vor Freude, die Kampfreihen noch einmal zu sehen. Die stolze und anmuthige Haltung des Prinzen fesselte jedes Auge, und als man ankündigte, daß er sich den »Liebespilger« nenne, wurde eine allgemeine Unruhe und Bewegung unter den schönen Fräuleins auf den Galerieen bemerklich.

Als Ahmed sich aber an den Schranken darstellte, schlossen sich diese vor ihm; nur Prinzen, hieß es, würden zum Kampfe zugelassen. Er nannte seinen Namen und Rang. »Noch schlimmer!« Er war ein Moslem, und konnte an einem Turnier nicht Theil nehmen, dessen Preis die Hand einer christlichen Prinzessin war.

Die prinzlichen Bewerber umringten ihn mit stolzen und drohenden Mienen; und einer von unverschämtem Benehmen und herkulischer Gestalt verlachte höhnisch seine leichte und jugendliche Form, und spottete über seinen Liebes-Beinamen. Der Zorn des Prinzen war rege. Er forderte seinen Nebenbuhler zum Kampfe heraus. Sie stellten sich an, umkreisten sich, und begannen den Kampf; und bei der ersten Berührung der magischen Lanze war der sennige Spötter aus dem Sattel geworfen. Der Prinz hätte jetzt gern eingehalten – aber ach, er hatte es mit einem dämonischen Pferd und gleichen Waffen zu thun – wenn sie einmal im Kampfe waren, konnte nichts sie zügeln. Das arabische Roß schoß in das dichteste Gedräng; die Lanze warf alles, was ihr vorkam, nieder; der sanfte Prinz wurde wie toll auf dem Kampfplatz umhergerissen, und bedeckte ihn mit hoch und niedrig, adlig und schlicht, und betrübte sich über seine eignen unfreiwilligen Heldenthaten. Der König stürmte und wüthete über diese Schmach an seinen Unterthanen und Gästen. Er ließ alle seine Wachen ausziehen – so schnell sie herankamen, wurden sie aus dem Sattel geworfen. Der König warf seine Staatsgewänder ab, ergriff Schild und Lanze, und ritt heraus, den Fremdling mit der Gegenwart der Majestät selbst zu schrecken. Ach! es erging der Majestät nicht besser, als dem Pöbel – das Roß und die Lanze achtete der Personen nicht, und zu Ahmeds Betrübniß wurde er in vollem Lauf gegen den König getragen, und in einem Augenblick waren die königlichen Fersen in der Luft, und die Krone rollte in den Staub.

In diesem Augenblick erreichte die Sonne die Mittagshöhe; der magische Bann nahm seine Kraft zurück; der Araber durchflog die Bahn, setzte über die Schranken, stürzte in den Tajo, schwamm durch dessen wilde Strömung, trug den Prinzen athemlos und außer sich in die Höhle, und stand wieder neben dem eisernen Tische wie eine Statüe. Der Prinz stieg recht froh ab, und legte die Rüstung an ihre Stelle, um der ferneren Bestimmungen des Schicksals zu harren. Dann setzte er sich in der Höhle nieder, und dachte über den verzweifelten Zustand nach, in welchen ihn dieses teuflische Roß und die Waffen gebracht hatten. Er durfte es nicht wagen, sich zu Toledo sehen zu lassen, nachdem er eine solche Schmach über dessen Ritterschaft gebracht, und dessen König so schwer beleidigt hatte. Und was dachte wohl die Prinzessin von einem so rohen und stürmischen Beginnen? Voller Unruhe sandte er seine gefiederten Boten aus, um Nachrichten zu sammeln. Der Papagei begab sich an alle öffentlichen Orte und besuchten Plätze der Stadt, und kehrte bald mit einer Menge Geplauder zurück. Ganz Toledo war in Bestürzung. Die Prinzessin war ohnmächtig in den Palast getragen worden; das Turnier hatte in Verwirrung geendigt; alle Welt sprach von der plötzlichen Erscheinung, den wunderbaren Thaten und dem sonderbaren Verschwinden des Moslem-Ritters. Einige erklärten ihn für einen maurischen Zauberer; Andere hielten ihn für einen Teufel, der menschliche Gestalt angenommen, während Andere Sagen von bezauberten Kämpen, die in den Höhlen der Berge versteckt seyen, erzählten und glaubten, es könne einer derselben gewesen seyn, der plötzlich aus seiner Höhle losgebrochen sey. Alle waren darüber eins, daß kein gewöhnlicher Sterblicher solche Wunder verrichten oder solche vollkommene und tapfere christliche Ritter aus dem Sattel heben könnte.

Des Nachts flog die Eule fort, schwebte über der nächtlichen Stadt und setzte sich auf die Dächer und Schornsteine. Dann nahm sie ihren Weg empor zu dem königlichen Palast, der auf der felsigen Höhe von Toledo stand, und schlich um seine Zinnen und Terrassen, an jeder Spalte lauschend und mit ihren dicken glotzigen Augen in jedes Fenster, wo ein Licht war, schielend, so daß ein oder zwei Staatsfräulein in Ohnmacht fielen. Aber erst, als die graue Dämmerung über die Berge schaute, kehrte sie von ihrer nächtlichen Wanderung zurück und erzählte dem Prinzen, was sie gesehen hatte.

»Während ich um einen der höchsten Thürme des Palastes strich,« sagte sie, »sah ich durch ein Fenster eine schöne Prinzessin. Sie war auf ein Lager gelehnt, Dienerinnen und Aerzte um sie, allein sie wollte nichts von ihrem Dienste und ihrer Hülfe wissen. Als sie weg waren, sah ich, wie sie einen Brief aus ihrem Busen zog, ihn las und küßte und in laute Klagen ausbrach, worüber ich, so sehr ich auch Philosoph bin, nicht anders als gerührt seyn konnte.«

Ahmed's zärtliches Herz betrübten diese Nachrichten sehr. »Zu wahr waren deine Worte, o weiser Eben Bonabben,« rief er. »Sorge und Kummer und schlaflose Nächte sind das Loos der Liebenden. Allah bewahre die Prinzessin vor dem verderblichen Einfluß dieses Dings, das Liebe genannt wird.«

Fernere Kunde aus Toledo bestätigte die Nachricht der Eule. Die Stadt war eine Beute der Unruhe und der Verwirrung. Die Prinzessin war in den höchsten Thurm des Palastes gebracht worden, und jeder Zugang zu demselben wurde streng bewacht. Mittlerweile hatte eine verzehrende Schwermuth sich ihrer bemächtigt, deren Grund niemand errathen konnte – sie wieß jede Nahrung von sich und wendete ihr Ohr jedem Trost ab. Die geschicktesten Aerzte hatten vergeblich ihre Kunst versucht; man glaubte, irgend ein Zauber sey an ihr geübt worden, und der König ließ öffentlich bekannt machen, wer sie heilen könne, sollte den reichsten Juwel in dem königlichen Schatze erhalten.

Als die Eule, die träumerisch in einer Ecke saß, von dieser Bekanntmachung hörte, rollte sie ihre großen Augen und blickte geheimnißvoller denn je.

»Allah Akbar!« rief sie: »glücklich der Mann, dem diese Heilung gelingt, wenn er nur weiß, was er in dem königlichen Schatz wählen soll.«

»Was meinst du, höchst ehrenwerthe Eule?« sagte Ahmed.

»Höre, o Prinz, was ich dir berichten will. Wir Eulen, mußt du wissen, bilden eine gelehrte Gilde und sind dunkelm und ständigem Forschen sehr ergeben. Während meiner letzten nächtlichen Streiferei um die Dome und Thürme Toledo's, entdeckte ich eine Gesellschaft antiquarischer Eulen, welche ihre Zusammenkünfte in einem großen gewölbten Thurm halten, wo der königliche Schatz aufbewahrt wird. Hier besprachen sie die Gestalten und Inschriften und Zeichen auf alten Gemmen und Juwelen, auf goldenen und silbernen Gefäßen, welche, Beweise des Geschmacks aller Länder und Zeiten, in dem Schatz aufgehäuft sind; am eifrigsten aber behandelten sie gewisse Reliquien und Zaubermittel, welche seit den Zeiten Roderichs des Gothen in der Schatzkammer lagen. Unter diesen war ein Kistchen von Sandelholz, welches durch Stahlbande von orientalischer Arbeit geschlossen und mit mystischen nur wenigen Gelehrten bekannten Charakteren überschrieben war. Dieses Kistchen und seine Inschrift hatte die Gesellschaft mehrere Sitzungen beschäftigt und viele lange und ernste Streitigkeiten herbeigeführt. Zur Zeit meines Besuches saß eine sehr alte Eule, die neulich aus Aegypten gekommen war, auf dem Deckel des Kistchens und hielt über die Inschrift einen Vortrag, in welchem sie bewies, das Kistchen enthalte den seidnen Teppich von dem Throne Salomon's des Weisen, der ohne Zweifel von den Juden, welche sich nach dem Sturz von Jerusalem nach Toledo geflüchtet hatten, mitgebracht worden sey.«

Als die Eule ihre antiquarische Rede geschlossen hatte, blieb der Prinz eine Zeitlang in Gedanken verloren. »Ich habe,« sagte er, »von dem weisen Eben Bonabben von den wunderbaren Eigenschaften dieses Talismans gehört, welcher bei dem Falle Jerusalems verschwand und für das menschliche Geschlecht verloren zu seyn schien. Ohne Zweifel bleibt er für die Christen von Toledo ein geschlossenes Geheimniß. Wenn ich in den Besitz dieses Teppichs kommen kann, ist mein Glück gewiß.«

Am nächsten Tage legte der Prinz seine reiche Tracht bei Seite und kleidete sich in das einfache Gewand eines Arabers der Wüste. Er gab seinem Gesicht eine dunkle Farbe und niemand hätte in ihm den glänzenden Krieger erkannt, der so viel Bewunderung und Unheil bei dem Turnier veranlaßt hatte. Den Stab in der Hand, an der Seite die Tasche und eine kleine Hirtenpfeife, begab er sich nach Toledo, stellte sich an dem Thore des königlichen Palastes dar und kündigte sich als einen Mitbewerber um den Lohn an, der für die Wiederherstellung der Prinzessin geboten worden. Die Wachen wollten ihn mit Schlägen wegtreiben und sagten: »was vermag ein herumziehender Araber, wie du, in einem Falle, an welchem die Gelehrtesten des Landes scheiterten?« Aber der König hörte den Lärm und befahl, den Araber vor ihn zu bringen.

»Mächtigster König,« sagte Ahmed, »du siehst einen Bedouinen vor dir, der den größten Theil seines Lebens in den Einöden der Wüste hingebracht hat. Es ist bekannt, daß diese Einöden von Dämonen und bösen Geistern besucht werden, die uns arme Hirten bei unserer einsamen Wachen befangen, in unsere Schafe und Heerden fahren und zuweilen selbst das geduldige Kamel wüthend machen; gegen diese ist unser Zauber die Musik und wir haben alte Weisen, welche von Geschlecht zu Geschlecht auf uns kamen, und die wir singen und pfeifen, um diese bösen Geister zu vertreiben. Ich gehöre einem begabten Stamme an und besitze diese Kraft in ihrer vollsten Stärke. Wenn ein böser Einfluß dieser Art deine Tochter bezaubert hat, so setze ich meinen Kopf zum Pfand, daß ich diesen Bann löse.«

Der König war ein Mann von Verstand und wußte, welche wunderbare Geheimnisse diese Araber besaßen; die zuversichtliche Sprache des Prinzen erfüllte ihn daher mit Hoffnung. Er führte ihn sogleich zu dem hohen, durch mehrere Thüren vermachten Thurm, auf dessen höchster Höhe das Gemach der Prinzessin war. Die Fenster gingen auf einen Gang mit Geländern und hatten die Aussicht auf Toledo und die Umgegend. Die Fenster waren verhängt, denn die Prinzessin lag drinnen, die Beute eines verzehrenden Kummers, der jede Erleichterung von sich wieß.

Der Prinz setzte sich auf den Gang und blies auf seiner Hirtenpfeife mehrere wilde arabische Weisen, die er von seinen Dienern in dem Generalife zu Granada gelernt hatte. Die Prinzessin blieb gefühllos und die Doctoren, die zugegen waren, schüttelten ihre Köpfe, und lächelten ungläubig und verächtlich. Endlich legte der Prinz die Pfeife bei Seite und sang in einer einfachen Melodie die Liebesverse, durch welche er in dem Briefe seine Leidenschaft erklärt hatte.

Die Prinzessin erkannte die Worte – eine rasche Freude stahl sich in ihr Herz; sie erhob ihr Haupt und lauschte; Thränen brachen aus ihren Augen und strömten über ihre Wangen nieder; ihr Busen hob sich und fiel in dem Aufruhr der Gefühle. Sie hätte gern begehrt, daß der Sänger vor sie gebracht werde, aber jungfräuliche Scheu hielt sie zurück. Der König errieth ihren Wunsch und auf seinen Befehl wurde Ahmed in das Gemach geführt. Die Liebenden waren klug; sie wechselten nur Blicke, aber diese Blicke sprachen unendlich viel. Der Triumph der Musik war nie vollständiger. Die Rose kehrte auf die sanfte Wange der Prinzessin zurück, die Frische auf ihre Lippen und das thauige Licht in ihre schmachtenden Augen.

Alle anwesenden Aerzte starrten einander verwundert an. Der König betrachtete den arabischen Sänger mit einem Gemisch von Bewunderung und Ehrfurcht. »Wunderbarer Jüngling!« rief er aus, »du sollst fortan der erste Arzt meines Hofes seyn und kein anderes Recept will ich brauchen als deinen Gesang. Für jetzt empfange deinen Lohn, den kostbarsten Juwel in meiner Schatzkammer.«

»O König,« versetzte Ahmed: »Ich setze keinen Werth auf Silber, Gold oder Edelstein. Eine Reliquie hast du in deiner Schatzkammer, welche von den Moslemin, denen einst Toledo gehörte, herstammt – ein Kistchen von Sandelholz, welches einen seidenen Teppich enthält: gib mir dieses Kistchen und ich bin zufrieden.«

Alle Anwesenden staunten über die Genügsamkeit des Arabers; dies war noch mehr der Fall, als das Kistchen von Sandelholz gebracht und der Teppich hervorgezogen wurde. Er war von schöner grüner Seide, mit hebräischen und chaldäischen Charakteren bedeckt. Die Hofärzte blickten einander an, zuckten die Schultern und lächelten über die Einfalt dieses neuen Arztes, der sich mit einem so elenden Lohn begnügte.

»Dieser Teppich,« sagte der Prinz, »deckte einst den Thron Salomons des Weisen; er ist werth, daß man ihn zu Füßen der Schönheit legt.«

Bei diesen Worten breitete er ihn auf dem Gang, unter einer Ottomanne aus, die für die Prinzessin gebracht worden war; dann setzte er sich ihr zu Füßen und sagte:

»Wer wird hindern, was in dem Buche des Schicksals geschrieben steht? Seht, die Weissagung der Astrologen ist erfüllt. Wisse, o König, daß deine Tochter und ich uns lange insgeheim liebten. Sieh in mir den Liebespilger.«

Diese Worte waren kaum von seinen Lippen, als der Teppich sich in die Luft erhob und den Prinzen und die Prinzessin entführte. Der König und die Aerzte blickten ihm mit offenem Munde und weit geöffneten Augen nach, bis er ein kleiner Fleck an der weißen Brust einer Wolke wurde und dann an dem blauen Himmelsgewölbe verschwand.

Der König war in Wuth und ließ seinen Schatzmeister kommen: »Wie kömmt es,« rief er, »daß du einen Ungläubigen in den Besitz eines solchen Talismans kommen ließest?«

»Ach, Herr, wir kannten seine Kraft nicht und konnten die Inschriften auf dem Kistchen nicht entziffern. Wenn es wirklich der Teppich des Throns des weisen Salomon ist, so besitzt er magische Kraft und kann seinen Besitzer von Ort zu Ort durch die Luft tragen.«

Der König sammelte ein mächtiges Heer und brach nach Granada auf, die Flüchtigen verfolgend. Der Weg war lang und mühselig. Auf der Vega ließ er Halt machen und schickte einen Herold ab, um die Rückgabe seiner Tochter zu verlangen. Der König selbst kam ihm mit seinem ganzen Hof entgegen. In dem König sah er den leibhaften Sänger, denn Ahmed war nach dem Tode seines Vaters König geworden und die schöne Aldigonda war seine Sultanin.

Der christliche König war leicht zufrieden gestellt, als er sah, daß seine Tochter ihren Glauben beibehalten hatte: nicht als wenn er besonders fromm gewesen wäre; aber die Religion ist immer ein Gegenstand des Stolzes und der Etiquette bei den Fürsten. Statt blutigen Schlachten folgten sich jetzt Feste und Ergötzlichkeiten, nach welcher der König sich ganz vergnügt nach Toledo zurückbegab, und das junge Paar eben so glücklich als weise in der Alhambra zu regieren fortfuhr.

Es muß bemerkt werden, daß die Eule und der Papagei gesondert dem Prinzen in kleinen Tagreisen nach Granada folgten; jene reiste bei Nacht und hielt in den verschiedenen erblichen Besitzungen ihrer Familie an; dieser glänzte in den fröhlichen Kreisen jeder Stadt und Burg, die er auf seiner Reise berührte.

Ahmed vergalt die Dienste dankbar, die sie ihm bei seiner Pilgerschaft geleistet. Er machte den Weisheitsvogel zu seinem ersten Minister, den Papagei zu seinem Ceremonienmeister. Es ist unnöthig zu bemerken, daß nie ein Land weiser regiert oder ein Hof mit pünktlicherer Sorgfalt in Ordnung gehalten wurde.


 << zurück weiter >>