Washington Irving
Die Alhambra
Washington Irving

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Befehlshaberschaft der Alhambra.

Die Alhambra ist eine alte Veste oder ein ummauerter Palast der maurischen Könige von Granada, wo sie über ihr gerühmtes irdisches Paradies geboten, und wo ihre Herrschaft über Spanien am längsten währte. Der Palast nimmt nur einen Theil der Vestung ein, deren Mauern, mit Thürmen besetzt, sich unregelmäßig um den ganzen Kamm eines stattlichen Hügels ziehen, der die Stadt überschaut, und ein Vorsprung der Sierra Nevada oder des schneeigen Gebirges ist.

Zu den Zeiten der Mauren konnte die Vestung ein Heer von vierzig tausend Mann in ihrem Umfang einschließen, und diente gelegentlich als fester Platz für die Herrscher gegen ihre aufrührerischen Unterthanen. Als das Königreich in christliche Hände gekommen war, blieb die Alhambra ein königliches Besitzthum, und wurde zuweilen von den kastilischen Monarchen bewohnt. Karl der Fünfte begann ein kostbares Gebäude in ihrem Umkreis aufzuführen; wiederholte Erdstöße aber schreckten ihn von der Vollendung ab. Die letzten königlichen Bewohner waren Philipp V. und die schöne Königin Elisabeth von Parma, am Anfange des achtzehnten Jahrhunderts. Man machte große Vorbereitungen zu ihrer Aufnahme. Der Palast und die Gärten wurden einigermaßen hergestellt, eine neue Reihe von Gemächern gebaut, und von italienischen Künstlern ausgeschmückt. Der Aufenthalt des Herrscherpaars war vorübergehend, und nach ihrer Abreise wurde der Palast wieder öde und verlassen. Doch wurde der Platz mit einigem militärischen Prunk erhalten. Der Statthalter hatte ihn unmittelbar von der Krone; seine Gerichtsbarkeit erstreckte sich auf die Vorstädte hinab, und war unabhängig von dem Oberbefehlshaber von Granada. Eine bedeutende Garnison wurde beibehalten, der Kommandant hatte seine Zimmer auf der Vorderseite des alten maurischen Palastes, und kam nie ohne ein militärisches Geleite nach Granada. Die Veste war freilich eine kleine Stadt an sich, da sie mehrere Straßen mit Häusern innerhalb ihrer Mauern hatte, sowie ein Franziskanerkloster und eine Pfarrkirche.

Die Entfernung des Hofes war jedoch ein Unglück für die Alhambra. Ihre schönen Säle wurden öde, und einige verfielen in Trümmer; die Gärten wurden verwüstet, und die Brunnen hörten auf zu springen. Allmählig füllten sich die Wohnungen mit einer zweideutigen und gesetzlosen Bevölkerung; mit Schleichhändlern, welche die unabhängige Gerichtsbarkeit des Platzes in Anspruch nahmen, um ihr Schmuggler-Gewerbe dreist und ausgedehnt zu betreiben; mit Dieben und Schurken aller Art, welche hierher flüchteten, um Granada und seine Umgebungen von diesem Punkte aus zu plündern. Die Regierung schritt zuletzt kräftig ein; die ganze Gemeinde wurde einer durchgehenden Prüfung unterworfen; niemand durfte bleiben, als der, welcher einen ehrbaren Charakter und ein gesetzliches Recht des Aufenthaltes hatte; der größere Theil der Häuser wurde niedergerissen, und es blieb ein bloßes Dörfchen mit der Pfarrkirche und dem Franziskanerkloster. Als Granada, während der neuen Unruhen in Spanien, in den Händen der Franzosen war, lag eine französische Besatzung in der Alhambra, und die Oberoffiziere bewohnten zuweilen den Palast. Mit jenem erleuchteten Geschmacke, der die französische Nation stets bei ihren Siegen auszeichnete, wurde dieß Monument maurischer Eleganz und Größe von dem gänzlichen Ruin und der Zerstörung, der es anheim gegeben war, gerettet. Die Dächer wurden hergestellt, die Säle und Galerieen vor dem Wetter geschirmt, die Gärten angebaut, die Wasserleitungen wieder hergestellt, die Brunnen versendeten wieder ihre glänzenden Wasserstrahlen; und Spanien darf seinen Eroberern danken, daß sie ihm das schönste und anziehendste seiner historischen Monumente erhalten hat.

Bei der Abreise der Franzosen sprengten sie einige Thürme an der äußern Mauer, und ließen die Vestung in einem kaum haltbaren Zustande. Seit dieser Zeit hat die militärische Wichtigkeit des Platzes ein Ende. Die Besatzung besteht aus einer handvoll Invaliden, deren Hauptdienst darin besteht, einige der äußern Thürme, die gelegenheitlich als Staatsgefängniß dienen, zu bewachen; und der Statthalter verläßt die luftige Höhe der Alhambra, und wohnt, zu bequemerer Erledigung seiner Dienstpflicht, in der Mitte von Granada. Ich kann diese kurze Nachricht von dem Zustand der Veste nicht schließen, ohne der ehrenvollen Bemühungen ihres jetzigen Statthalters, Don Francisco de Gerna, zu gedenken, der alle die beschränkten Hülfsmittel, über die er zu gebieten hat, benützte, um den Palast in wohnlichem Stande zu erhalten, und durch seine kluge Vorsicht seinen zu gewissen Verfall verzögert hat. Wären seine Vorgänger den Pflichten ihres Postens mit gleicher Treue nachgekommen, so wäre die Alhambra noch fast in ihrer früheren Schönheit geblieben; unterstützte die Regierung ihn mit Mitteln, welche seinem Eifer gleich kämen, so dürfte dieses Gebäude noch erhalten werden, um das Land zu schmücken, und die Neugierigen und Aufgeklärten jedes Himmelstriches manche Lebensalter hindurch anzuziehen.


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