Washington Irving
Die Alhambra
Washington Irving

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Die Alhambra im Mondlichte.

Ich habe ein Gemälde meiner Zimmer bei meiner ersten Besitznahme derselben gegeben; wenige Abende haben eine gänzliche Veränderung in der Scene und in meinen Gefühlen hervorgebracht. Der Mond, der damals unsichtbar war, hat allmählig Gewalt über die Nacht erlangt und zieht jetzt in vollem Glanze über den Thürmen hin und streut eine Masse sanften Lichtes in jeden Hof und Saal. Der Garten unter meinem Fenster ist lieblich beleuchtet; die Orangen- und Citronenbäume sind mit Silber getüpft; der Brunnen funkelte in den Mondstrahlen und selbst das Erröthen der Rose ist schwach sichtbar.

Ich saß stundenlang an meinem Fenster, trank die Süße des Gartens in mich und dachte über das launenvolle Loos derer nach, deren Geschichte in den zierlichen Denkmälern rundum sich trüb abzeichnet. Zuweilen ging ich um Mitternacht, wenn alles ruhig war, hinaus und durchwanderte das ganze Gebäude. Wer kann eine Mondscheinnacht unter einem solchen Himmel und an einem solchen Orte genug preißen? Die Temperatur einer andalusischen Sommer-Mitternacht ist wahrhaft himmlisch. Wir scheinen in eine reinere Atmosphäre emporgehoben; es ist eine Heiterkeit der Seele, eine Schwungkraft des Geistes, eine Elastizität des Körpers, welche das bloße Daseyn zu einem Freudegenuß macht. Auch auf die Alhambra wirkt das Mondlicht wie ein Zauber. Jeder Riß, jede Spalte des Alters, jede zerstäubende Farbe und jeder Wetterflecken verschwindet; der Marmor nimmt seine ursprüngliche Weiße wieder an; die langen Säulenreihen glänzen in den Mondstrahlen; die Säle sind mit sanftem Glanze gefüllt, bis uns zuletzt das ganze Gebäude wie ein bezauberter Palast aus den arabischen Mährchen vorkömmt.

Zu einer solchen Zeit stieg ich auf den kleinen Pavillon, welcher die Toilette der Königin genannt wird, um mich an seiner mannichfaltigen und ausgedehnten Aussicht zu ergötzen. Rechts glänzten die schneeigen Gipfel der Sierra Nevada wie Silberwolken gegen das dunklere Firmament und alle Umrisse des Gebirgs erschienen gesänftigt und doch zart angedeutet. Meine größte Wonne jedoch war es, mich über die Brustwehr des Tocador zu lehnen und auf Granada hinabzublicken, das wie eine Karte unter mir ausgebreitet lag, in tiefe Ruhe begraben, und seine weißen Paläste und Klöster gleichsam im Mondenschein schlafend.

Zuweilen hörte ich die schwachen Klänge der Castagnetten einer Tanzgesellschaft, die noch in der Alameda weilte; ein anderes Mal drang der ungewisse Klang einer Guitarre zu mir und die Töne einer einzelnen Stimme erhoben sich aus einer einsamen Straße und malten mir irgend einen jungen Ritter, der vor dem Fenster seines Liebchens ein Ständchen bringt – eine artige Sitte früherer Tage, die jetzt leider überall in Abnahme kommt, die entlegenen Städte und Dörfer Spaniens ausgenommen. Dieser Art waren die Scenen, welche mich so manche Stunde in den Höfen und auf den Balkons des Schlosses weilen ließen, und wo ich mich jener Mischung von Träumerei und Empfindung erfreute, welche in den südlichen Himmelsstrichen die Tage hinwegstiehlt, und der Morgen war oft nahe, wenn ich mein Bett aufsuchte und mich von den fallenden Wassern des Brunnens der Lindaraxa in Schlaf wiegen ließ.


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