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Neunzehntes Kapitel.

In diesem Augenblicke erhielt er den Befehl zur Herzogin zu kommen. Da haben wir's! rief Flämmchen, und lief schluchzend fort. Er ging bestürzt zur Fürstin. Sie war sehr bewegt. Vergebens suchte sie heiter und unbefangen zu erscheinen. Sie fragte ihn, ob es wahr sei, daß er reise? Ihre Stimme zitterte, sie machte sich mit Blumen und Büchern allerhand zu schaffen. Er versetzte, daß er sich nur fortbegebe, um ein Geschäft abzumachen, daß er aber, wenn es ihm erlaubt werde, in wenigen Tagen zurückzukehren wünsche.

Wir sehen Sie also wieder? rief sie freudig. Sie holte tief Athem, als ob eine Last von ihrer Brust gehoben sei. Dann versank sie wieder in eine stille Verlegenheit, knüpfte ein Gespräch über gleichgültige Dinge an, ließ es fallen, schien kaum zu hören, was er erwiederte. Es war, als ob sie ihm etwas vertrauen wolle, und gleichwohl die Mittheilung scheue.

Er befand sich in der peinlichsten Stimmung. Der Boden glühte unter ihm. Und als ob ein Dämon heute sein Spiel triebe, plötzlich öffnete der unbescheidene Vogel im Käficht seinen Schnabel, und 138 wiederholte ein Dutzendmal die Worte, welche Flämmchens Eifersucht schon früher vernommen hatte. Er sprach sie mit dem rauhen und unverständlichen Tone dieser Thiere. Hermann hatte früherhin auf sein Geschwätz nicht geachtet, nun aber aufmerksam gemacht, konnte er nicht zweifeln, daß der Vogel zum Verräther an den einsamen Stunden und Selbstgesprächen seiner Gebieterin werde.

Unwillkührlich sah er nach dem Schwätzer, dann warf er einen scharfen, fliegenden Blick auf die Fürstin. Sie erröthete, und deckte einen Teppich über den Käficht. Er spricht recht deutlich, sagte Hermann, um nur etwas zu sagen. Man hatte ihn schon diese Worte gelehrt, als ich ihn kaufte, versetzte sie, mit dem Teppich beschäftigt, ohne sich umzuwenden. – Reisen Sie glücklich!

Der alte Erich brachte ihm draußen die Nachricht, daß heute keine Fuhre zu haben sei. So mußte er sich denn entschließen, noch einen Tag zu verweilen. Es wäre ihm nicht möglich gewesen, dem gewohnten Kreise zu nahen, und eben so unmöglich fiel es ihm, einsam zu bleiben. Er suchte sich selbst, er suchte den Bildern zu entfliehen, die in stürmender Eile an seiner Seele vorüberjagten.

In dieser Verfassung war es ihm recht, daß der Hausgeistliche sich zu ihm fand. Die gemeinschaftliche Erinnerung an Rom verknüpfte beide Männer; auch heute war es wieder jene Weltstadt, welche Hermann wenigstens auf eine Zeitlang über sich und die Gegenwart erhob.

Der Geistliche gehörte zu denen, welche dort ein neues Glaubensbekenntniß wählten. Scheu, zurückgezogen, mit äußerster Strenge die Gebräuche seiner Kirche übend, stand dieser junge Mann sehr einsam unter den neuen Glaubensgenossen da. Man kennt den Spott, womit bereits in Rom die sogenanten Nazarener verfolgt wurden; unser armer Proselyt hatte auch diesseits der Alpen nur Achselzucken und Zweifel an seiner Gesinnung gefunden.

Der Herzog duldete ihn, als vom Vater ererbt, Wilhelmi hielt ihn für einen Thoren, und der Arzt für einen Heuchler. Er ertrug Kälte, verdeckte und offenbare Angriffe mit musterhafter Geduld, und hatte schon mehrere Vorschläge zu Veränderungen seiner Lage, die ihm nur zum Nutzen gereichen konnten, abgelehnt, weil er nach der Weise solcher Charaktere den Aufenthalt in diesem Schlosse für eine gottverhängte Schickung und Buße ansah.

139 Hermann war ihm immer freundlich begegnet, und der Geistliche, dem diese sanfte Berührung wohlthat, hatte sich gegen ihn mehr, als gegen irgend Jemand aufgeschlossen. Unser Freund hatte bei dieser Gelegenheit eine nur unsrer Zeit eigenthümliche Gemüthsart kennen gelernt; eine Individualität, die sich mehr fühlen als beschreiben läßt, und von der wir nur den allgemeinsten Umriß angeben, wenn wir sie weibliche Männlichkeit nennen.

Er war über die Abreise seines Freundes sehr betrübt. Sie gehen fort, rief er, und wenn Sie auch noch einmal wiederkehren, wie lange wird das dauern? Ich werde Sie bald verlieren, ich werde bald wieder ganz allein sein. Der Mensch ist eine schwache Creatur; es ist, als könne er den holden Schall menschlicher Rede nicht entbehren. Wie fest hatte ich mir vorgenommen, nur in stummen Gesprächen mit Gott meine Tage hinzubringen! Sie haben mich verwöhnt! Werde ich leben können ohne Sie? Von Niemand geachtet zu werden, o es ist ein ödes schreckliches Gefühl! Aufzustehn mit der Ueberzeugung: Wieder einmal ist der Tag angebrochen, der den Andern Liebe, Traulichkeit, Theilnahme bringt, und Dir bringt er nichts, als trostlose Versenkung in Dich selbst, als ein unendliches Brüten über den grauenvollen und unergründlichen Tiefen der Gottheit! Sich niederzulegen mit der Bitte: Vater, laß diese Nacht die letzte sein! und zu erwachen im Dunkel, und schaudernd zu wissen, daß man sein erstorbenes Dasein weiterzuschleppen verdammt ist.

Armer Mann! sagte Hermann, den die Klage des Priesters, der sich selbst kein Heil wußte, rührte. Wie ich Sie kenne, haben Sie den Schritt welcher Sie aus der Mitte Ihrer Verhältnisse riß, reinen Herzens gethan, und das sollte Sie trösten, wenn Andere Sie kalt oder lieblos beurtheilen.

Es ist nicht das, seufzte der Geistliche. Reinsten Herzens, ja wohl, so that ich diesen Schritt. Hören Sie die Geschichte meiner Bekehrung; es kommt weder von Heilandscassen noch von Zeichen und Wundern etwas darin vor; ach, und sie hat mir nichts eingetragen, als Schmerzen und Dornen! 140



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