Hartmann von der Aue
Iwein mit dem Löwen
Hartmann von der Aue

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Das Alles war nach Wunsche da.
Also die Hochzeit nun geschah:

2435   Der Todte ist vergessen,
Der Lebende hat besessen
Beides seine Ehr und sein Land;
Viel wohl war das ihm zugewandt.
Weder vor dem noch nach der Zeit
2440   War so stattliche Festlichkeit
Im Lande nimmermehre:
Da war Wonne und Ehre,
Freud' und trefflich Ritterspiel,
Und aller guten Dinge viel,
2445   Der man zum Leben begehrte.
Ihr Lanzenstechen währte
Bis in das Land hinfuhr
Der König Artus, wie er schwur,
Zum Bronnen mit seinem Heer.
2450   Da bedurft' er guter Wehr,
Zum Hüter taugt' ihm da kein Zage.
Nie kamen dahin an einem Tage
Guter Ritter so mancherlei.
Nun war recht wohlgemuth Herr Key,
2455   Weil er allda zu spotten fand:
Er sprach: »Sagt, Herr Kalogreant,
Euer Neffe, wohin wohl mocht' er ziehn?
Es scheint noch jetzt, wie mirs da schien,
Und wähn' ich, es bleibt wohl bei dem Schein,
2460   Aus seiner Rede sprach der Wein,
Als Er Euch so viel versprach.
Wie er da hieb und wie er stach.
Wär' ihm ein Becher noch gebracht,Es war Sitte nach dem Essen ein »Trinken« zu reichen; so im Parcival 33. 10.
Zwölf Riesen hätt' er umgebracht.
2465   Seiner Mannheit ist zwar viel;
Doch dünkt mich, wenn er Euch rächen will
Zu viel Muße nimmt er sich;
Der Euch noch rächen wird, bin ich.
Ich muß vor den Riß mich stellen,
2470   Wie ich in solchen Fällen
Schon oft für meine Freunde stund.
Ich sehe nicht den Grund
Warum mancher sich brüsten will,
Und rühmt mit Worten überviel
2475   Was Großes von ihm verrichtet sei,
Wenn auch Keiner ihm pflichtet bei.
Wo keiner schlägt den Gegenhieb,
Da ist Fechten bequem und lieb.
Nun zog er in alle Lande,
2480   Und entwich uns mit großer Schande:
Ihm bangte, wär' er gekommen,
Und hätte sichs angenommen,
Er müsse zuerst das Werk anfassen:
Das hätt' ich ihm doch viel gern erlassen.

2485  

    Manch alltäglicher nichtger MannKeye's ruhmredige Geschwätzigkeit, das Hin- und Herspringen und stete Zurückkommen auf seine Person sind höchst charakteristisch.
Setzt den Tapfern herab wo er kann;
Er selbst vollbringt nichts Kühnes je,
Und ist ihm doch in der Seele weh,
Wird Jemand Ehre wo erwiesen.

2490   Nein, ich zähle mich nicht zu diesen;
Denn Jedem gönnt' ich allezeit
Seinen Ruhm und ohne Neid,
Ich preis' ihn wo er das Rechte thut,
Und verschweige die Schwächen, so ists gut.
2495   Drum muß mir alles gerathen,
Denn von künftigen Thaten
Spricht Niemand minder gern als ich,
Doch damit fördern die andern sich,
Indem sie selber sich loben:
2500   Denn keiner ist so verschroben,
Der ihre Armuth preise.
Herr Iwein ist nicht weise,
Sonst schwieg er lieber gleich mir.«
Die Rede däucht sie ergötzlich schier,
2505   Daß Key sich rühmt' um Güte;
Denn von so falschem Gemüthe
War Keiner, noch so schadenfroh.
Drum sprach mein Herr Gawein also:

    »Wie nun, mein Herr Key?

2510   Ihr rühmt ja doch Euch frei
Von böser Rede; wie zeigt sich das?
Ihr tadelt mit allzugroßem Haß
Diesen jungen Gesellen:
Ich muß zur Red' Euch stellen.
2515   Er sprach von Euch nie anders denn wohl,
Wie ein Ritter vom Andern soll:
Und daß er nicht zugegen ist,
Das war ihm vielleicht in dieser Frist
Durch solche Unmuße benommen
2520   Daß er nicht konnte kommen; –
Bei Gott, drum schweigt, das bitt' ich Euch.«

    Herr Key erwiedert ihm: »Also gleich;
Ich wähnt', ich red'te recht daran.
Nun wie Ihr wollt! – Da mag ein Mann

2525   Unrecht thun so gern als wohl;
Wenn Niemand von ihm reden soll,
Erwähn' ich seiner nicht mehre. –
Das also nennt Ihr Ehre?« –

    Der König Artus nahm in die Hand,

2530   Und füllte wie ers da hangen fand
Mit dem Bronnen klar das Becken;
Er wollte genau entdecken,
Ob jene selbige Märe
Lüg' oder Wahrheit wäre,
2535   Um die er sich wagt' in solche Fahr;
Und rasch begoß er den Stein alldar.
Da ward das Wasser also groß,
Daß es alle die verdroß,
Die mit im Zug gewesen:
2540   Daß Gott sie möcht' erlösen
Deß verzweifelten sie beinah.
Alsbald legt man Herrn Iwein da
Den guten Harnisch um die Brust,
Denn dessen war er sich wohl bewußt,
2545   Beschirm' er nicht den Bronnen,
So werd' er ihm abgewonnen.
Da hielt nun auch Herr Key
Also gewaffnet dabei,
Der hatte der ersten Tjost begehrt,
2550   Und ward ihm vom König das gewährt.

Nun kam Herr Iwein balde
Dort aus jenem Walde
Zu Felde gallopiret,
Nach Engelweise gezieret.Auch im Frauendienst heißt es von Herrn Ottacker von Wolkenstein: »er glänzte geziemirt als ein Engel.« (44.).

2555   Ihn hinderte weder Roß noch Muth,
Denn beide waren ihm stark und gut.
Seinem Herzen viel Freude geschah,
Als er jenen halten sah,
Der alles Gute verkehrte;
2560   Und als ihn Gott so ehrte,
Daß er ihm möge vergelten
Sein übergroßes Schelten,
Und seinen täglichen Hohn und Spott:
Deß lobte der Ritter Gott.
2565   Auch sag' ich Euch das dabei:Hartmann in seiner Gutmüthigkeit kann doch nicht umhin, selbst an dem neidischen vorlauten prahlerischen Keye eine gute Seite auszufinden. Auch Wolfram will ihn nicht ganz fallen lassen; er nennt ihn einen Merker, der es mit seinem Herrn wohl meine, und wünscht dem Landgrafen Herrmann von Thüringen einen gleich strengen Aufseher über sein verwildertes buntgemischtes Hofgesinde. Parc. 297.
Wie boshaft immer sich zeigte Key,
Doch war er beherzt, zum Kampf nie faul:
Und hätt' er nicht solch' böses Maul,
War am Hof kein kühnrer Degen.
2570   Das könnt Ihr selbst erwägen
Durch das Amt schon, daß er pflag:
Ihn hätte sonst nicht einen Tag
König Artus als Truchseß wohl
Behalten im Schloß zu Caridoel.

2575  

    Nun war Herrn Key's und Herrn Iweins
Willen genau sich gleich und Eins,
Jedweder der beiden mit aller Macht
Nur auf des Gegners Fall bedacht:
Doch war der Erfolg ungleich.

2580   Die Tjost war gut und reich;Eine reiche Tjost, ein wohlangebrachter herrlicher Stoß.
Und dem Herren Key,
Wie gering ihr wähnet, daß er sei,
Der Speer bis an die Hand zerspellt:
Nur ward er auch zugleich geschnellt
2585   Aus seinem Sattel wie ein Sack,
Daß er nicht wußte wo er lag.
Doch wollt' ihm Herr Iwein nichts mehre
Erweisen zur Unehre,
Als daß er lachend ihn neckt,
2590   Da er ihn sieht zu Boden gestreckt,
Und fragt ihn: »Was liegt Ihr da, um Gott?
Nun war doch der stets Euer Spott,
Dem ohne Schuld ein Ding mißlang;
Fielt Ihr ohne Euern Dank? –
2595   Mich trüge denn mein Wahn,
So habt Ihrs mit Fleiß gethan;
Es konnt' Euch nimmer sonst geschehn:
Ihr wolltet selber sehn
Wie's mit dem Falle beschaffen sei:
2600   Ruhm ist weiter nicht viel dabei.«

    Er nahm das Roß da ers gewann,
Und führt' es vor den König dann.
Er sprach: »Dies Pferd hab' ich gewonnen,
Heißet nun Jemand kommen,

2605   Von Euerm Gesinde einen Garzun,
Und den Gaul in den Stall hinthun;
Eure Habe wollt' ich nicht erbeuten.
Die müßt ich in anderm Kampf erstreiten.«
Deß zeigte der König Dank dem Herrn,
2610   Und sprach: »Euern Namen wüßt ich gern!«
»Ich bins, Iwein.« – »Behüt' uns Gott!« –
»Herr, es ist wahr und sonder Spott.«

    Nun berichtet' er ihm die Märe
Wie er geworden wäre

2615   Fürst in selbigen Lande.
Seiner Ehre und Keyens Schande
Waren sie alle froh:
Doch war keiner vergnügt also,
Als mein Herr Gawein:
2620   Denn es war unter ihnen Zwein
Geschlossen ein Freundesbund,
Und um so höher im Preise stund
Ihr Lob in jeglichem Munde.
Da ward zur selben Stunde
2625   Herr Key verspottet von Allen;
Denn er war hingefallen
Kopfüber und lag im Sande.
Ja wäre solche Schande
An einem redlichen Mann gesehn,
2630   (Wie sie Herrn Key schon oft geschehn)
Der noch für Spott empfindlich war,
Der hätte gewißlich und wahr
Die Welt geflohen allezeit.
Herrn Key war zwar der Leib zerbläut,
2635   Das dünkt' ihm aber wie ein Bast;
Denn es hatt' ihm der Schande Last
Den Rücken schon überladen.
So spürt' er wenig Schaden,
Und ließ sich nicht bethören,
2640   Daß es ihn sollte stören
Und ärgern wenn ihn wer verhöhnt,
Denn an Spott war er längst gewöhnt.

    Also thät sein Mißlingen
Den Streit zu Ende bringen

2645   Mit Gelächter und lautem Schalle. –
Die Andern aber Alle
Gönnten Herrn Iwein Bronnen und Land
Und lobtens daß er fand
So stattlichen Ruhm und Ehren,
2650   Und möchtens lieber ihm mehren.
Von Keinem ward anders da gedacht:
So hatt' er sie alle sich Freund gemacht.

    König Artus auf seine Bitten
War zur Burg mit ihm geritten.

2655   Da war Vermögen und williger Muth,
Reicher Empfang und Willkomm gut,
Daß der König außer seinem Land
Nimmer wohl bessre Kurzweil fand;
Dem freilich war nichts vergleichbar,
2660   Und wär' auch unerreichbar,
Daß Schön'res irgend auf Erden
Möchte gefunden werden.

    Die Königin war des Gastes froh.
Zu Herren Iwein da sprach sie also:

2665   »Trauter Gesell und Herre werth,
Mit höchstem Dank sei'st Du geehrt
Für unsern Gast allhie;
Und in Wahrheit, Du hast noch nie
Bessern Lohn verdient um mich.«
2670   Mit Recht nun freute sie sich,
Denn all ihr Glück bis zu der Zeit
War Hoffen und Glauben, nicht Sicherheit;
Jetzt aber dünkte sies kein Wahn.
Nun erst gefiel ihr recht der Mann,
2675   Als ihr die Ehre geschah,
Daß sie den König durch ihn ersah.
Da mochte sie klar verstehn,
Daß ihr alles Gute war geschehn,
Und daß er den Zauberbronnen
2680   Wie er durch Mannheit ihn gewonnen,
Ihn auch vertheidigt als ein Held.
Sie dacht': Ich habe gut gewählt. –

    Der Gast wird bald gewahr,
(Ist er nicht thöricht gar)

2685   Wie der Wirth ihm sei geneigt.
Wenn der dem Fremden zeigt
Was ihm verdrießlich und lästig sei,
War sein Kommen ihm überlei;
Fand aber Herberg' ein Mann,
2690   Wo ihms der Wirth wohl gann,
Erquickt ihn gastlicher Heerd
Und Scherz und Gespräche werth.
Auch gelingt das Empfangen nimmer gut
Ohne willigen Muth:
2695   Hier aber fand Artus nach Begehr
Werk und Willen, so sagt die Mär.

    Auch mein Herr Gawein,
Der stets von aller Falschheit rein
Nie anders erschien als höfisch und gut,

2700   Erzeigte viel getreuen Muth
Seinem Gesellen Herrn Iwein:
Wie alle Weisen stimmen ein,
Das sei das allerstärkste Band,
Wenn Freunde, nicht durch Blut verwandt,
2705   Sich wenden auf das Gute;
Und sei'n in ihrem Muthe
Getreu und einig die Beiden,
Während sich Brüder scheiden.
So war es unter ihn Zwein:
2710   Der Wirth und Herr Gawein
Waren einander lieb genug,
So daß jedweder von ihnen trug
Des Freundes Lieb und Leid.
Hier zeigt' all' seine Höfischheit
2715   Herr Gawein adlich und courtois;
Ich sag' Euch lautre Wahrheit da.

    Die Magd, Lunete war sie genannt,
Die so verständig und gewandt
Aus großer Gefahr und Sorgen

2720   Herrn Iwein hatte geborgen
Mit ihrer Weisheit und klugem Sinn,
Zu der nun setzt' er sich hin,
Und sagt ihr Dank viel sehre,
Daß sie so manche Ehre
2725   Herrn Iwein, seinem Gesellen bot:
Denn daß er aus mißlicher Noth
Ohne Bedrängniß war entführt,
Und da zu Land' als Herr regiert,
Das war von ihren Schulden.
2730   Herr Gawein dankt ihrs mit Hulden.
Es ist in Wahrheit allzeit gut,
Wenn Einer gern das Rechte thut,
Soll man ihm danken wies ihm gebührt,
Auf daß er nicht Lieb' und Lust verliehrt,
2735   (Denn Mühe kostet's und fordert Muth)
Und wer mit Vorsatz Schlechtes thut,
Daß man dem zürn' und dräue;
Das bringt ihn vielleicht zur Reue.

    Herr Gawein sprach: »Viel edle Magd,

2740   Euer Rath und Bitte unverzagt
Hat mir Liebes viel gethan
An dem besten Freund den ich gewann.
Ich weiß wie Ihr ihn habt befreit,
Und wie gewandt und dienstbereit
2745   Ihr All' die Ehr' ihm habt gefügt,
Die ihm nun völlig auch genügt.
Er empfing von Euch ein schönes Weib,
Ein reiches Land und Leben und Leib,
Und weß ein Mann von der Welt begehrt.
2750   Wär' ich so biderbe und so werth,
Daß durch mich geehrt sich fänd' ein Weib, –
Ich habe nichts als Leben und Leib,
Die gäb' ich Euch zum Lohne
Für meines Genossen Krone;
2755   Das sag' ich Euch bei meinem Eid.«
Da ward mit fester Sicherheit
Ein Bund geschlossen unter den Zwein. –
Frau Laudine und Herr Iwein,
In ihrem Hause schufen die
2760   Dem guten König Artus allhie
Solche Ehre wie sie Allen
Mußte gar wohl gefallen.

    Sieben Tage weilten sie auf der Veste;
Da verlangte nach Haus die Gäste.

2765   Als nun Urlaub nehmen wollten,
Die da weiter reiten sollten,
Führt Herr Gawein, der treue Mann
Herrn Iwein heimlich hindann,
Von den Leuten gesondert und spricht:
2770   »Lieber, mich wundert nicht,
Wenn einem glücklichen Mann,
Der solches Ziel erstreben kann,
Und dem Tugend und Kraft bescheert,
Wenn dem viel Ehre widerfährt.
2775   Es ringet Mancher Tag für Tag
So viel er irgend kann und vermag,
Dem doch nimmer Ehre geschicht,
Weil ihm das Glück gebricht;
Euch aber ists wohl gelungen,
2780   Ihr habt Euch Heil errungen;
Ihr habt erworben durch Eure Hand
Ein schönes Gemahl und reiches Land,
Da Ihr es nun so wohl vollbracht,
So habt deß treulich acht,
2785   Daß um der Frauen Schöne
Euch nimmer die Welt verhöhne.

    Ich warn' Euch bei Zeiten und ohne Hehl,
Daß ihr nicht fallt in deren Fehl,
Die im Hause müssig und verlegen

2790   Einrosten ihrer Frauen wegen.
Wendet nicht alles an Euer Gemach,
Wie dem Herrn Erek das geschach,Hartmann erzählt im Erek, wie der Held aus übergroßer Minne sich verweichlicht und verdirbt. Er legt schon früh am Morgen sich auf ein Ruhbett und kos't mit Enite, bis man zur Messe läutet; dann steht er auf, nimmt sie bei der Hand und geht mit ihr zur Kapelle bis man zur Messe gesungen. Darauf wird der Imbiß eingenommen, und dann herzt er sie wieder bis sie Abends zu Tisch gehn. Das treibt er so lange bis alle Ritter und Knechte ihn verachten und die Stunde verwünschen, in welcher er Eniten heimgeführt, so daß diese selbst endlich ihren Kummer nicht länger vor ihm verbirgt.
Der auch sich Jahr und Tag
Um Frau Enitens Willen verlag.
2795   Hätt' er sich nicht zuletzt entrafft,
Wie einem Ritter ziemt, mit Kraft,
So wars geschehn um seine Ehre:
Der minnete zu sehre.

    Ihr habt, was Euch genügen soll:

2800   Dabei lehr' ich Euch wohl
Eure Ehre bewahren.
Ihr sollt mit uns von hinnen fahren:
Wir müssen turniren wie vordem,
Es wär mir sonst nimmer genehm
2805   Kunde von Euch zu gewinnen,
Müßt Eure Ritterschaft zerrinnen.

    Viel mancher sich damit helfen möcht'
Und spricht: Das sei des Hauses Recht;
Wer sich Hof und Hausfrau gewann,

2810   Derselbe dürf' als Ehemann
Weder den Beutel ziehn, noch steigen zu Pferd;
Er müsse leben dem eigenen Heerd.
Er entsagt und begiebt sich beider,
Der Festlichkeiten und Kleider,
2815   Die nach ritterlichen Sitten
Sind gestaltet oder geschnitten;
Und was er Warmes angelegt,
Sei, spricht er, wie's ein Hauswirth trägt.
Er wills am Munde sich sparen,
2820   Geht einher mit sträubenden Haaren,
Mit nackten Beinen und barfuß:
Und immer ist das der zweite Gruß
Mit dem er seinen Gast erfreut,
Er sagt: »Wahrhaftig, seit der Zeit
2825   Da ich das erste Haus erstand,
(Das glaubt mir so leicht Niemand)
Kam ich kein Jahr noch davon frei,
Daß ich nicht, eh sechs Monden vorbei,
Mir mußte kaufen das Korn.
2830   Heuer bin ich nun ganz verlohrn;
Mich verdrießt, daß ichs Euch muß klagen;
Mir hat der Hagel zerschlagen
Die beste Saat, die ich bestellt,
Ich fürcht' aufgeben muß ich das Feld.
2835   Ich selber fristete noch den Leib,
Müßt' ich nicht auch versorgen mein Weib;
Gott weiß es, wo ich bleibe mit der.
Es leidet wahrhaftig viel Beschwer
Wer eine Wirthschaft führen soll.
2840   Ja es mag Niemand wissen wohl
Was es muß kosten im Jahr!
Ich machte manches mit fürwahr,
Und sorgte für mein Vergnügen,
Müßt' ich nicht schier erliegen.

2845  

    So beginnt er auf Neu zu klagen,
Und seinem Gast zu sagen
So manche ärmliche Mär,
Daß jenem lieber wär,
Er hätte nimmer besucht den Wirth.

2850   Der spricht halb wahr und halb verwirrt.
Freilich kostet ein Hausstand viel,
Und wer ihn mit Fleiß verwalten will,
Muß hüten was sein eigen.
Dann soll er aber zeigen,
2855   Ob ihm noch Muth geblieben,
Und nie ganz von sich schieben
Seinen Beruf zur Ritterschaft,
Der er nachstreben soll mit Kraft.

    Ich rede wie ichs gewißlich weiß.

2860   Für Wen denn möchte mit Fleiß
Ein Held den Werth sich mehren,
Als seinem Weibe zu Ehren?
Konnt' er dem Ruhm entsagen
In trägen müssigen Tagen,
2865   Und entschuldet sich dann
Gleich einem geringen Mann,
Ihr zu Liebe thu' er's also,
Deß wird er selber nimmer froh;
Denn ihr ist von Herzen leid
2870   Sein Verrosten und seine Müssigkeit.
Wie gern sie ihn auch immer sah,
Es quält sie, bleibt er stets ihr nah.
Manche schon aus Furcht vor dem Mann
Nahm den Schein sich an,
2875   Als ob sie's nicht verdrieße;
Doch was er selber dann genieße
Wenn er alles verlernt und verlegen,
Das gönn' ich ihm meinetwegen.

    Ihr habt erworben durch Eure Hand

2880   Eine Königin und ein Land.
Sollt Ihr nun verderben dabei,
So wähn' ich, daß noch reicher sei
Ohne Hufe ein wackrer Mann.
Herr Iwein, gedenkt daran,
2885   Und fahrt mit uns von hinnen;
Gewinnet erst mit Minnen
Wenn Ihr gelegne Zeit gefunden
Einen Urlaub zu guter Stunden,
Und befehlt der Königin Leut' und Land.
2890   Eine Fraue, die man hat erkannt
Von also stetem Muth,
Bedarf nicht andrer Hut
Als ihre eignen Ehren.
Man soll die Sorg' und Aufsicht kehren
2895   An solche Frau'n und junge Kind
Die also einfältig sind,
Daß eines alten Weibes Rath
Sie bringen mag zur Missethat.

    Ihr habt also gelebt bisher,

2900   Daß ich keinen Wandel an Euch begehr';
Ihr war't in Ehren ein frommer Knecht.
Nun habt Ihr erst ein volles Recht,
Daß sich Euch Ruhm und Ehre
Noch verbreit' und mehre.
2905   Hindert Euch etwa Hab und Gut
Mehr denn Neigung und frischer Muth,
So mögt Ihr diesmal das Gut
Nachsetzen Euerm Muth.
Nun haltet Euch kühn und wohlgemuth,
2910   So wird die Ritterschaft noch gut
In manchem Lande von uns Zwein:
Darin folgt mir, Herr Iwein.«

    An die Fraue sofort sich wandt' er,
Und was er da suchte fand er.

2915   Denn als er seine Bitte gethan,
Da hatte sie deß keinen Wahn,
Daß er um etwas sie bäte
Als was sie willig thäte.
Es reute sie gleich, da sie's gewährt,
2920   Als er Urlaub von ihr begehrt,
Auf Lanzenstechen auszufahren.
Sie sprach: »Ich hätte mich sollen wahren;
Nun darf ich mein Wort nicht brechen.«
Da mußte sie Urlaub ihm versprechen
2925   Ein Jahr zu reiten auf Abentheuer.
Doch gelobte sie hoch und theuer,
Blieb' er länger als ein Jahr,
Verzeihen werde sie's nimmerdar.
Er aber schwur, deß Lieb' ihn zwang,
2930   Und sprach: »Mich dünkt das Jahr zu lang;
Ich säume gewiß nicht einen Tag,
Und komme früher wenn ichs mag;
Es hindre denn rechtsgültge Noth,Ehaft nòt ist der Rechtsausdruck für legitima impedimenta; deren sind drei: Krankheit, Herrndienst und Tod eines nahen Verwandten.
Siechthum, Gefängniß oder Tod.«
2935   Sie sprach: »Euch ist das wohl erkannt,
Daß unsre Ehr' und unser Land
Auf der Wage schweben fort und fort;
Und haltet Ihr nicht treulich Wort,
Wie manches uns gefährden mag.
2940   Heut ist genau der achte Tag
Nach der Sonnenwenden;
Da soll die Jahresfrist enden.
So kommt dann pünktlich oder ehr,
Sonst harr' ich Euer nicht länger mehr:
2945   Und laßt dies goldne Ringelein
Einen Zeugen der Rede sein;
Ich war nie einem Mann so hold,
Daß ich ihm diesselbe Gold
Wollte je leihen oder geben.
2950   Der muß wohl desto seliger leben
Der es trägt und vor Augen sicht.
Herr Iwein, nun verliehrt es nicht:
Seines Steines Kraft ist gut:
Er giebt Euch Glück und leichten Muth,
2955   Und wer ihn trägt, hat gute Zeit.«

    Nun war der König Artus bereit,
Der schied mit Urlaub hindann.
Da ritt die Frau mit ihrem Mann
Drei Meilen wohl noch oder mehr.

2960   Das Scheiden that ihr im Herzen weher
Als ihre Gebärden mochten zeigen.
Auch Iwein suchte den Schmerz zu schweigen,
Und barg ihn in der Seele Grunde.
Mit lächelndem Munde
2965   Trübte sich ihm der Blick:
Nur daß die Scham ihn hielt zurück,
Weint' er gern die hellen Thränen:
Ihr sollt das nicht erlogen wähnen.

    König Artus zog gen Bretagne nieder,

2970   Die Frau zu ihrer Burg hinwieder.

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