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Ueber das nachfolgende Büchlein zu dem Leser.

All Ding der Papst sich unterwindt,
        So töricht, daß es merkt ein Kind.
Er gibt sich aus so groß allein,
        Als ob er dächt, den Sonnenschein
Und ander Ding am Himmel hoch
        Zu beugen unter päpstlich Joch.
Drum wird hier angezeigt mit Schimpf,
        Daß er der Sachen hab kein Glimpf
Und nimmt sich vor, was er nit kann;
        Das kann wohl merken jedermann;
Drum muß er diese Strafe han!

 

In das nachfolgende Gesprächbüchlein
Herrn Ulrichs von Hutten,
»Die Anschauenden«
genannt,
Vorrede und Auslegung.

Da dies folgende Büchlein etwas mehr als die vorigen in poetischer Form geschrieben ist. so will ich bemerken, daß hier als Sprechende eingeführt werden: Sol, das ist die Sonne oder der Sonnengott, den die Alten auch Apollo oder Phöbus nannten, und dessen Sohn Phaëton, der den Sagen nach für den Fuhrmann des Sonnenwagens gehalten wurde. Die Poeten sagen von ihm, daß er in seiner Jugend eines Tages seinen Vater aus Vorwitz gebeten habe, er möchte ihn einmal den Sonnenwagen lenken lassen. Der Vater erlaubte dies. Weil er aber, Roß und Wagen zu lenken, nicht die Kraft hatte, irrte er am Himmel hin und her, kam dann tief und tiefer und zündete endlich das ganze Erdreich an. Darüber ergrimmte Jupiter und schleuderte ihn durch seinen Blitz in den Po. Da ward er, wie etliche sagen, zu einem Schwan: nach Lucian ist er in den Himmel als ein Gott versetzt worden. Dies hat seine besondere Bedeutung. Hier wird Phaëton als Lenker des Sonnenwagens genannt, ein Sohn der Erde wird im Sprichwort einer genannt, der von so dunkelm Ursprung und Herkommen ist, daß er Vater und Mutter kaum oder gar nicht kennt. Centauren sind ein Volk in Griechenland gewesen, so gar rauh, hart und unfreundlich, daß man sie, weil sie immerzu Pferde saßen, mit dem Gaul zusammengewachsen wähnte und auch so malte, darum spricht man heute noch von centaurischen Leuten, wenn man grobe viehische Gesellen meint. Centauren und Lapithen haben sich aus einer Hochzeit, als sie trunken waren, jämmerlich und blutig geschlagen, daher die Redensart: Centaurenwirtschaft und Centaurenzeche, wie die tollen und vollen Bauern heutzutage oft tun. Ebenso sagt man von den schlemmenden und trunksüchtigen Leontinern. die auf Sizilien wohnen: allorts stecken die Leontiner hinter den Flaschen. Eine Purganz von Nieswurz stärkt die Sinne des Menschen, darum nimmt man sie zu Zeiten, von der Sonne endlich, die mit ihrer Wärme die Luft gut oder schlecht beeinflußt, behaupten die Dichter, daß Apollo mit Pfeilen herabschieße und auf diese weise Krankheiten verbreite, z. B. die Pestilenz.

 

Dialogus oder Gesprächbüchlein
Herrn Ulrichs von Hutten,
Die Anschauenden
genannt.

 

Unterreder: Sol, der Sonnengott,
Phaëton, sein Sohn,
Lajetan, des Papstes Legat.

 

Sol. Seit wir in der Mitte des Himmels angelangt sind und nun gemächlicher fahren können.

Phaëton. So wollen wir, während sich die Pferde erholen, etwas miteinander plaudern.

Phaëton. Wenn es dir gefällt. Vater, so wollen wir die Wolken da entfernen und das Tun und Treiben der Menschen anschauen, die gegen Mitternacht wohnen, Denn seit langer Zeit haben wir, wie es doch sonst unsre Gewohnheit ist, nicht auf die Händel der sterblichen Menschen geachtet, sondern stets eine dicke Wolkendecke vorgezogen, damit wir um so weniger sähen, wie sie hin und wieder laufen, einige zu Schiffe, andre in Kriege verwickelt, wie sie oft um eines nichtigen Dinges wegen, wie wenn einer dem andern vorwitzig einen unnützen Titel entzogen hat, große Heere daherführen und sich untereinander töten.

Sol. Du sprichst wahr. Es verdroß mich, fernerhin solche Dinge noch zu schauen, weil ich sehe, daß sie auch Sachen, worin sie irren, ungeschickt treiben. Vor allem sind die Italiener in Kriegssachen ganz unerfahren, man findet kaum einen oder zwei, die sich recht wappnen, die ihre Harnische richtig anlegen, die Spieße beim Reiten schwingen, noch unter dem Fähnlein Ordnung halten können; die geschickt sind, irgend etwas, was die Kriegsordnung erheischt, zu verrichten, so daß man in Vergleich mit den alten Römern sagen kann, es ist kein Italiener in Italien, und von dem Samen welschen Stammes ist bis auf diese Zeit nichts übrig geblieben; nur noch bei den Venetianern findet man anschlägige Leute, auch einer aus Columna hat sich neulich bei Verona tapfer gehalten, weil er mit Geschick benutzt hat, was ihn die Deutschen lehrten. Mark Antonio Colonna hielt Verona für den Kaiser und seinen Enkel Karl gegen die mit Venedig verbündeten Franzosen unter Lautrec vom Sommer 1519 an, bis im Dezember Maximilian dem Traktat von Noyon beitrat und gegen eine Entschädigung von 200 000 Dukaten Verona aufgab. (Strauß.)

Phaëton. Ich habe noch weniger von den Deutschen gehalten, denn mich dünkt, sie können nichts ausrichten, außer wenn sie trunken und voll sind. So seh ich anfangs bei ihnen viel Ungestüm und Hitze, sobald aber diese erkaltet, werden sie unbrauchbar. Darum hinterging sie auch der venetianische Hauptmann Bartholomäus del Viano auf wunderliche Weise, der sie in Haufen mit zehn oder zwanzig Welschen zusammen zechen und einander zutrinken fand, da sie meinten, die Venetianer wären schon geschlagen, und so mußten sie sich bei viertausend Mann schmachvoll ergeben. Dies geschah 1508 bei Cadore.

Sol. Aber daran tat er nicht recht, daß er sie hinterher gegen seine Zusage ohne Wehr wie das Schlachtvieh totschlug. Denn er hatte ihnen zugesichert, wenn sie ihre Waffen ablegten, sie ungefährdet ziehen zu lassen, und sie vor dem Landvolk, das von allen Orten herzudrang, bis in die kaiserliche Landschaft zu geleiten. Als sie aber entwaffnet waren, schlug er sie schändlich tot.

Phaëton. Das laß ich ihn verantworten. Warum aber trieben sie Kurzweil in einer ernstlichen Lage und belustigten sich mit Zutrinken in der Feinde Land, ehe sie zu ihrem Heere stießen, und hatten ihrer Sachen nicht acht? Ich sehe sie eben immer mit großem Ungestüm beginnen und nichts vollbringen.

Sol. Das ist allerdings, wie du sagst, ein Fehler an ihnen; aber nichtsdestoweniger sind sie in Kriegssachen bis auf diese Zeit die erfahrenste Nation und mit den Waffen unüberwindlich, nur zum Regiren sind sie ungeschickt. Denn es genügt ihnen, wenn sie andre überfallen, jagen, bewältigen, berauben, ausbrennen und verwüsten. Dann haben sie fröhlichen Mut und denken nicht weiter daran, die gewonnenen Städte und Flecken zu behalten. Ihre Freude ist nur, fremde Gebiete zu bezwingen, und dazu besitzen sie auch die Kraft, aber sie zu behalten und zu verfechten, tragen sie weiter keine Sorge. Sie verstehen also zu überwinden, wissen aber den Sieg nicht zu benutzen. Nach Livius XXII, 51 machte der Reiteroberst Maharbal dem Hannibal nach der Schlacht bei Cannä diesen Vorwurf.

Phaëton. Das hat man in den letztvergangenen Jahren an Padua, Vincenz und Tervis ausreichend gesehen; diese Städte vermochten sie zu halten, ließen sie aber ohne Besatzung stehen. Deshalb wurden sie denn von den Venetianern ohne Mühe zurück erobert.

Sol. Wie klug hielten sie nicht Verona? Diese Begebenheiten ereigneten sich in dem Feldzuge, den Kaiser Max 1513 gegen Italien unternahm und in dem auch Hutten als Söldner im kaiserlichen Heere an der Belagerung von Padua teilnahm.

Phaëton. Wie unklug verloren sie es nicht? – Was hältst du aber von den Spaniern? Was sind das für Krieger?

Sol. Sohn, vor allen sind es gewandte Diebe, aber im Felde redlich wie irgend jemand. Denn sie sind geübt, des Krieges erfahren und überdies herzhaft und ausdauernd. – Jetzt aber wollen wir Deutschland beschauen, denn dort herrscht gerade jetzt ein großer Aufruhr, wie vormals nie gewesen ist. Treib die Wolken hinweg! So! ... Ich seh schon den Rhein, ein großes Denkmal meiner Macht. Keine Nation, gen Mitternacht gelegen, möchte wohl den so breiten Fluß mit einer Brücke überspannen; ich hab ihn in wenig Stunden nahezu ausgebrannt, zu der Zeit, als du unerfahren dich unterfingst, diesen Wagen zu lenken, und fast die ganze Welt anzündetest.

Phaëton. Ach Vater, wie vermagst du mich nur an mein Unglück wieder zu erinnern!

Sol. Deshalb, weil du dadurch zu einem Gott geworden bist. Denn hättest du damals nicht geirrt, wärst du nicht in den Po geworfen und verjüngt worden, so wüßtest du noch auf diesen Tag nicht, der Sonne Wagen sicher zu lenken. Phaëton wurde wegen seiner Vermessenheit durch einen Blitz des erzürnten Jupiter in den Po geschleudert. (Siehe auch Huttens Vorbemerkung.)

Phaëton. Das laß ich sein. – Was ist aber für ein Aufruhr im deutschen Land? Wiche seh ich gewappnet, etliche eilen, andre sind wohl müßig, aber alle kommen sie zusammen. Und da seh ich einige in der Reihe sitzen und ohne Sorge schlemmen und prassen; andre sich beraten über tapfre Dinge, andre pflegen beider zugleich oder eins nach dem andern.

Sol. Es ist eine Versammlung und ein Rat der Fürsten zum Wohle der deutschen Nation.

Phaëton. Hui! welch ein Rat! Oder pflegen sie, wie in den Schlachten des Krieges, im Frieden des Rates in der Trunkenheit?

Sol. Genau so. Du siehst aber auch etliche darunter nüchtern all ihre Sachen verrichten, darum werden sie von ihren Landsleuten für Ausländer gehalten und verachtet.

Phaëton. Ich glaub von denen, die ich wohl gekleidet seh in gefärbten Wämmsern, mit gepufften Hosen und goldnen Halsketten; von denen, Vater, mit den langen Schenkeln, die großen Leibes und wohlgestaltet sind?

Sol. Ja, von denen und dem ganzen trunknen Haufen.

Phaëton. Warum treiben denn diese Nüchternen nicht die Vollen hinaus, erstlich weil sie solchen Unsitten frönen, zweitens weil sie den Weisen und Vernünftigen hinderlich sind?

Sol. Was möchten die Wenigen gegen die Vielen? Doch strafen sie die mit Worten und nicht ohne Erfolg. Denn ihrer viele bekehren sich, weil sie sehen, daß sie durch die Völlerei an der Gesundheit ihres Leibes geschädigt werden.

Phaëton. Um ihres Leibes Wohlfahrt willen bekehren sie sich; daß ihnen aber das unmäßige Leben Gemüt und Vernunft verdirbt, das kümmert sie nicht?

Sol. Sie verstehen es noch nicht. Denn diesem Volke ists leichter, zu erkennen, was zum Körper, als was zum Gemüt gehört.

Phaëton. Ist aber zu erwarten, daß sie mehr und mehr auch die Güte des Gemüts verstehen werden?

Sol. Gewiß. Die Mäßigen besitzen Scharfsinn und viele Vorzüge des Herzens. Bedenke, die Magern, obwohl am Leibe schwach, sind mächtig und unüberwindlich an Verstand und verstehen seine Künste bei ihrem Wassertrinken, denn sie haben ein scharfes Verständnis.

Phaëton. Ich seh sie von erleuchteten Sinnen und darum wert, daß sie von den Trunknen unbelästigt bleiben und alles Verdrusses überhoben sind.

Sol. Es sind auch unter den regirenden Fürsten einige, etwa einer oder zwei, von Verstand und Gelehrsamkeit. Aber die Vollen erzeigen den Gelehrten und Nüchternen Ehre und Achtung, wenn sie auch noch nicht begreifen, was an ihnen zu erheben ist, von andern Nüchternen haben sie gehört, es seien bedeutend geschickte Leute.

Phaëton. Gott behüte die kleinen Großen! – Doch wir wollen unsre Augen wieder zu der Versammlung wenden. Hilf Gott! Welch ein Gepolter und Geräusch, welche Sauferei, welch großes und verdrießliches Geschrei! Was ist dort für eine große Menge Volk, das da mitten hineintapst? Und sag mir zunächst, wie heißt die Stadt?

Sol. Die Stadt heißt Augsburg; hier versammeln sich die Fürsten des Reichs, um von großen Dingen zu beraten. Die Versammlung des Volks da ist eine Prozession, die den päpstlichen Legaten aus seiner Herberge führt.

Phaëton. Welchen Legaten, Vater? Und wo führen sie ihn hin? Da du alle Dinge weißt und dir niemand etwas verhehlen kann, so sag mir, was werden sie denn großes beratschlagen, wenn sie berauscht und vom Wein erhitzt sind?

Sol. Den Legaten führen sie aus das Rathaus, wo er ihnen den Auftrag des Papstes vortragen wird. Sie beratschlagen nämlich, wie man einen Krieg wider den Türken beginne; den will Papst Leo X. in der Hoffnung auf Gewinn anzetteln und schickt nun den Cajetan her, der bewerkstelligen soll, daß die Deutschen nichts andres und nichts eher als diesen Krieg unternehmen.

Phaëton. Welchen Gewinn erwartet er denn davon? Er wird vielleicht mit gegen den Türken ziehen, in der Hoffnung, dort etwas zu rauben?

Sol. Er wird sich hüten. Von den Türken redet er nur, aber seine Gedanken liegen weit ab davon. Denn in Wahrheit trachtet er nur nach der Deutschen Geld, er hat im Sinn, sie zu plündern und ihnen auszuschroten, was sie noch an Geld ihr eigen nennen.

Phaëton. Daran tut er Unrecht. Wird er das aber auch vermögen bei einem so streitbaren und trotzigen Volk?

Sol. Dies zu tun, hat er ein Recht. Er wird es auch können, sofern er Kunst, statt Gewalt braucht.

Phaëton. Das versteh ich nicht.

Sol. Er gibt sich für einen Hirten aus, wie Christus gewesen ist, und spricht: alle Christen seien seine Schafe, vor allen andern aber die Deutschen, zu denen er jetzt diesen Legaten schickt, ihm seine Schafe zu scheren und die Wolle mit sich über das Gebirge zu nehmen. Hat er da Unrecht?

Phaëton. Beim Zeus, Vater, nein! wo anders sie seine Schafe sind und er sie werdet.

Sol. Er werdet sie aber nur auf ihre Kosten, und ihnen dünkt, es sei eine Weide.

Phaëton. Ist es denn damit genug, daß ihnen das dünkt?

Sol. Ihnen genügt es.

Phaëton. So scher er, schind er sie auch, wo es ihm gefällt, weil sie solche Weide willig annehmen!

Sol. Er tut es auch; und jetzt schert er sie bis aufs Blut, der habgierige Schinder!

Phaëton. Lassen sie sich denn so scheren und schinden?

Sol. Künftig werden sie es nicht mehr wollen; denn sieh an, wie sie ihre grimmigen Augen auf ihn geworfen haben. Und kenn ich sie recht, so wird es nicht mehr lange währen, bis es ihm übel ergeht. Sie sind ihm feind, weil sie seine Bosheit kennen, trotzdem er sich so fromm und bieder gibt.

Phaëton. Das tut er wirklich, der Betrüger; er verwandelt sich wie ein Gaukler und täuscht sie, so daß keiner, der ihn sieht, glauben möchte, er wäre böse, denn seinen Gebärden, Stirn, Augen, Schultern, Reden, Gang und allem weiß er den Schein der Frömmigkeit zu geben.

Sol. Doch sie werden ihm noch kein Leids tun. Vor ihm haben viele derlei auch getan. Einfältige Leute sind die Deutschen, sie haben sich so oft betrügen lassen, daß sie sich nun darauf verstehen, betrogen zu werden.

Phaëton. So ist dieser Erzhallunke nicht zur rechten Zeit gekommen?

Sol. Bewahre! Denn wär er zur rechten Zeit gekommen, so möcht er reich von bannen ziehen. Aber nun sind ihm viel andre zuvorgekommen und seine Betrügerei findet keinen Glauben.

Phaëton. Mich dünkt, er merkt selbst, daß er umsonst arbeitet.

Sol. Augenscheinlich.

Phaëton. Ich seh ihn deshalb traurig und betrübt wie einen Wolf, dem man das Fleisch aus den Zähnen gerissen hat. Nun muß er einen andern Weg finden.

Sol. Das tut er jetzt: er dichtet, sucht und trachtet, wie ers auf einen andern Weg bringe, da es auf diesem nicht gegangen ist; er wird List anwenden, er wird eine andre Hoffnung aufrichten, sobald ihm die eine zu Boden gefallen. Fürwahr, er wird einen fuchslistigen Trug ersinnen; strengt all seine Kraft an, das einfache Völkchen zu erforschen; ist ihm schon das Gold entflogen, er wird ihm schon nachfolgen, hat sich etwas davon zerstreut, er wirds zusammentreiben. Etliche schlafen, er wird sie aufwecken. Der Aberglaube ist kalt geworden, er wird ihn wieder anzünden. Mit vorsichtigen Erforschungen und ernstem Nachdenken wird er schon etwas zu stande bringen.

Phaëton. Nun seh ichs ihm an, daß er so etwas auszuführen versteht. Sag mir aber, ist er von gutem Geschlecht und eines redlichen, ehrbaren Gemüts, daß ihn Rom vor andern ausgeschickt hat?

Sol. Um zu Rom groß zu werden, ists nicht nötig, edel und voller Tugenden, zu sein; aber wer sich in Betrug und bösen Tücken hervorzutun weiß, der hilft sich schon. Ich glaube, daß dieser kaum seinen eignen Vater kennt, und doch kommt er mit solchem Gepränge von Rom her übers Gebirge, um andre selig zu machen, denn er hat viel Ablaßzettel zu sich gesteckt, und läßt sich Kisten und Gepäck mit reichem Inhalt nachfahren.

Phaëton. Er wird aber leer aus dem Lande gejagt werden. Ich vermute, daß die Deutschen, wenn sie schon ihr Geld nach Rom schicken wollten, es diesem Sohn der Erde Vgl. Huttens Vorrede: »Ein Sohn der Erde wird im Sprichwort einer genannt, der von so dunkelm Ursprung ist, daß er selbst seinen Vater oder seine Mutter kaum oder gar nicht kennt.« nicht anvertrauen würden.

Sol. Wohl möglich. Doch er ist äußerst geschickt zum Handel und wird etwas versuchen; jetzt sinnt er auf wunderliche Künste, der Bösewicht zimmert einen Betrug, daß die Deutschen Not haben werden, Rat zu finden, wie sie seinen Fallstricken entweichen.

Phaëton. Wenn er nun erlangte, daß alle Völker des Nordens einträchtig in den türkischen Krieg ziehen wollen, würde er sonst noch was begehren, Vater?

Sol. Er denkt doch aus nichts weniger als darauf, diesen Krieg zu führen. Es ist ihm ums Gold zu tun, dem frönt er, das begehrt er; und eben schwur er, daß ers, wenn mans ihm gäbe, zu nichts als zum Türkenkrieg verwenden würde. Wer sobald ers hätte – ich rede die Wahrheit – würde ers nach Rom zum Verprassen schicken.

Phaëton. Lieber, sage mir, wie lange wird er dies Spiel treiben?

Sol. Bis die Deutschen, die jetzt durch der Römer Betrug ganz zu Narren gemacht und zum Misglauben verderbt sind, klug werden.

Phaëton. Ist es nah daran, daß sie klug werden?

Sol. Ich hoffe. Denn unter allen Legaten ist dieser der erste, den sie leer von sich ziehen lassen zum großen Schrecken der Stadt Rom: man hätte dort nicht geglaubt, daß die Barbaren dies jemals zu tun wagten.

Phaëton. Werden denn die Deutschen noch für Barbaren gehalten?

Sol. Nach Roms Urteil nicht weniger als die Franzosen und alle andern Völker, ausgenommen die Italiener. Will man aber gute Sitten, Achtung der Friedfertigkeit, sowie Liebe zur Tugend, Beständigkeit des Gemüts und Redlichkeit ins Auge fassen, so ist die deutsche eine wohlgesittete Nation, dagegen die römische in die äußerste Barbarei versunken. Denn erstlich sind sie durch Verweichlichung und weibisches Leben verdorbene Leute, und zweitens herrscht bei ihnen großer Wankelmut und mehr als weibische Unbeständigkeit, an Betrug und Bosheit übertreffen sie alle.

Phaëton. Mir gefällts wohl, Vater, was du von den Deutschen sagst; es ist nur zu wünschen, daß sie, die sonst so geschickt sind, von der Trunkenheit ließen.

Sol. Mit der Zeit werden sie auch mäßig werden, und mir ists ganz, als würde es bald geschehen; denn ich seh sie je länger je weniger trinken und bemerke, daß die beständig Trunkenen von den andern, die auch nicht ganz nüchtern sind, verachtet werden.

Phaëton. Sag mir eins: trinken auch ihre Fürsten?

Sol. Wär diese Unart nicht auch in dem fürstlichen Stande heimisch, die ganze Gesellschaft der Trinker wär längst zergangen. Sie grade bestärken dieses Misleben durch ihr böses Beispiel, und vor allen folgen ihnen darin die Sachsen Hutten hat die Niedersachsen im Sinn; anderswo spricht er gelegentlich von den Sachsen am Meere. nach, die dort, wie du siehst, sich ganz der Trunkenheit ergeben haben. Diese allein unter allen Deutschen haben noch von ihrer alten Weise nicht abgelassen, sie widersetzen sich aller Vermahnung und halten an ihrer Väter Unsitte fest.

Phaëton. O Himmel und Erde, welch eine Gesellschaft seh ich da! Welche Trünke! Welche Rülpse! Welch ein Speien! Da frißt und säuft man unmäßig, überhäuft die Gerichte, trägt das Brot in großen Körben auf und den Trank in schweren Flaschen, schreit, ruft und heult. Von ihnen kann ich dasselbe sagen, was der Poet Lucilius Aus einem Fragment des Lucilius, römischen Satirendichters, der 148–103 v. Chr. lebte. sagt:

Also benehmt ihr Schlucker euch,
Ihr Weinschläuch und ihr vollen Bäuch!

Die Prasserei möchte ich der Zecherei vergleichen, die einst die beiden Völker der Centauren und Lapithen Centauren und Lapithen gerieten bei der Hochzeitsfeier des thessalischen Königs Pirithous mit der Hippodame untereinander in Streit, worin die Centauren den kürzeren zogen. unter einander anstellten. Hier kann man wie die Griechen in ihrer Sprache von den Leontinern Leontini ist eine Stadt auf der Ostseite Siziliens. (Vgl. auch Huttens Vorrede.) sagen: »überall hocken die Leontiner hinter den Flaschen,« jetzt von den Sachsen sagen auf Lateinisch, damit es jedermann versteht: »überall hocken die Sachsen hinter den Flaschen!« Beim Bacchus, sie müssen viel Wein vertilgen.

Sol. Sie trinken nicht Wein.

Phaëton. Wie, werden sie denn von Wasser so voll?

Sol. Ja, von Wasser.

Phaëton. Haben sie denn auch, wie die Paphlagonier, Brunnen im Lande, wovon die Leute trunken werden?

Sol. Auch nicht. Denn wenn das wäre, so würden sie vom Trinken bersten; sie kochen einige Kräuter und Früchte hinein, und von diesem Getränk werden sie berauscht.

Phaëton. Das ist gut erfunden. Wie wollte man auch für solche, die so viel schlucken, Weins genug finden!

Sol. In Deutschland nicht.

Phaëton. Haben diese auch, wie andre Leute, Sinne und Verstand?

Sol. Wie andre, und einen guten Verstand.

Phaëton. Und speien, was sie getrunken haben, ohne Schaden wieder aus?

Sol. So ists. Bei keinem Volke findest du wie hier die Städte so gut regirt, so daß jedermann in Sicherheit lebt und vor fremder Gewalt geschützt ist: Die Sachsen sind unüberwindliche Kriegsleute.

Phaëton. Meinst du, daß sie je von der Völlerei lassen werden?

Sol. Daran zweifle ich fast.

Phaëton. Ob sie ihre Vorzüge behielten, wenn sie von der Trunkenheit abließen?

Sol. Wenn sie sie behalten und dabei nüchtern leben, so wüßt ich ihnen kein Volk gleich zu setzen.

Phaëton. Wie sind sie von Leibesbildung?

Sol. So gesund, stark, gewandt und leistungsfähig wie keine andern. Ja, sie allein von allen Deutschen wissen nichts von den Ärzten; sie sind überdies selten krank. Und die Juristen jagen sie mit Geschrei und großer Verachtung von sich.

Phaëton. Wie sprechen sie denn Recht?

Sol. Nach alter Gewohnheit und weislich. Nirgends widerfährt einem weniger Gewalt und Unrecht; anstatt geschriebner Rechte gebrauchen sie das alte Herkommen.

Phaëton. Ein Wunder ists – oder dünkts dich nicht? – daß sie trotz ihrer Trunksucht besser werden.

Sol. Das will ich nicht behaupten. Aber es weist sich darin aus, daß sie viele Angelegenheiten rätlicher tun und gescheiter ausrichten als irgendwo die Nüchternen. Sie haltens mit dem Sprichwort, das bei ihnen gemein ist: abends zechen, morgens beraten. Denn nach dem Abendessen trinken sie bis in die tiefe Nacht, morgens gehen sie nüchtern zum Beraten und handeln von tapfern und das Gemeinwohl fördernden Dingen. Aus Tacitus Germania, 22.

Phaëton. Ich seh daraus, daß ihnen ihr Trinken nichts schadet, und vielleicht ist ihnen diese Gewohnheit derart zur Natur geworden, daß man fürchten muß, sie würden, wenn sie sich im Trinken mäßigten, auch aufhören recht zu leben.

Sol. Das könnte sein.

Phaëton. Außer diesen haben mir trunkene Leute nie gefallen. – Aber wir wollen die andern auch anschauen. Dort seh ich einige nackend, Frauen und Männer vermischt, miteinander baden; ich glaube, daß das ohne Schaden für ihre Zucht und Ehre nicht zugeht.

Sol. Ohne Schaden.

Phaëton. Ich seh sie sich doch küssen.

Sol. Freilich.

Phaëton. Und freundlich sich umfassen.

Sol. Ja, sie pflegen auch beieinander zu schlafen.

Phaëton. Vielleicht haben sie die Gesetze Platos In dem Idealstaate Platos, wie er ihn in seiner »Republik« schildert, herrscht bei den Fürsten und Königen Güter- und Weibergemeinschaft. angenommen und halten die Weiber gemeinschaftlich.

Sol. Nicht gemeinschaftlich; sondern darin zeigt sich ihr Vertrauen. An keinem Ort, wo man die Frauen hütet, kannst du die weibliche Ehrbarkeit unversehrter finden, als bei diesen, die keine Aufsicht über sie führen. Es fällt auch nirgends seltener Ehebruch vor, nirgends wird die Ehe strenger und fester gehalten denn hier.

Phaëton. Du sagst, daß sie übers Küssen, Umfassen und Zusammenschlafen nicht hinausgehen, Vater? Und noch dazu bei Nacht?

Sol. Ja, so ist es.

Phaëton. Das geschieht auch ohne allen Verdacht? Und wenn sie sehen, daß ihre jungen Weiber und Töchter von andern also behandelt werden, fürchten sie da nicht für deren Ehre?

Sol. Sie denken nicht einmal daran; denn sie vertrauen einander und leben in gutem Glauben, frei und redlich, ohne Trug und Untreu, sie wissen auch von keiner Hinterlist.

Phaëton. O dies Volk, es ist immer hoch zu achten! Die Italiener dagegen sieht man zu allen Zeiten gehässig, karg und geizig, begehrlich, gewinnsüchtig, betrügerisch, wortbrüchig und hinterlistig, sich durch Haß und Mißgunst einander schaden, sich heimlich morden, sich vergiften, überall auf Betrug sinnen und mit Untreu umgehen; sie glauben einander nicht, sie tun nichts offen und aufrichtig, und darum, glaub ich, sind sie von so bleicher Farbe.

Sol. Einige aus diesem, andere aus anderm Grunde. Vielleicht tuts auch die Luft.

Phaëton. Fürwahr, die Deutschen haben überall rote Farbe, denn sie leben in Freuden und gutem Vertrauen; sie enthalten sich der Dinge, die das Gemüt verbrennen, das Herz beschweren und das Blut verdünnen; ich seh sie sich nicht viel Sorge machen, in Ängsten mager werden oder sich selbst verzehren. Sie haben auch keinen Staatsschatz, sie folgen der alten Gewohnheit der Lacedämonier, daß sie zum Kriege einzeln zusammensteuern und jeder etwas zu seinem Aufwand hergibt.

Sol. Das ist auch hübsch von ihnen. Sie leben so frei, sinnen weder in der Ruhe auf Geschäfte, noch sind sie im Frieden besorgt vor Krieg, und in dieser Ruheseligkeit beachten sie nicht Gefahr noch Glücksfall.

Phaëton. Und machen nicht vorher Kriegspläne?

Sol. Mitten im Kriege ratschlagen sie, denn ihre Kühnheit und Verwegenheit gerät ihnen oft zu großer Weisheit. Sie wissen von keinem Betrug und wenden ihn auch nicht in ihren Schlachten an, sondern handeln mit offener Tat.

Phaëton. Billig soll man sie darum loben. – Damit ich aber alles wisse, Vater, so berichte mir kurz von ihren Regirungszuständen.

Sol. Zunächst ist es ihre Natur, daß sie nicht wollen untertänig und beherrscht sein; sie dienen aber doch den Fürsten, die unter ihnen sind, in Freimütigkeit und großem Vertrauen, der eine diesem, der andre jenem. Aber alle insgesamt erkennen jenen Alten, der von ihnen Kaiser genannt wird, als ihren Herrn an. Den halten sie, weil er ihnen Recht tut, in hohen Ehren, fürchten ihn aber nicht. Darum sind sie nicht immer gehorsam; oft erhebt sich Aufruhr und Streit unter ihnen, und das ist der Grund, daß sie sich nicht um den gemeinen Nutzen bekümmern.

Phaëton. Jetzt beraten sie doch darüber.

Sol. Aus Uneinigkeit werden sie keinen Beschluß finden. Denn es ist ihre Gewohnheit, häufig viele Monate hindurch über einen Fall zu beraten, aber nichts zu beschließen. Mittlerweile halten sie Bankette ab, prassen und treiben Kurzweil, den Ernst beiseite legend.

Phaëton. Das gebürt ihnen gar nicht, die über andre herrschen sollten.

Sol. Nein, es kommt ihnen ganz und gar nicht zu, aber sie tun es dennoch.

Phaëton. Deshalb taugen sie auch nicht zum Regiren, vielleicht besser zu andern Dingen. Ihre verwegnen Taten übertreffen oft die klügsten Pläne der andern.

Sol. Ganz recht. Unter den Fürsten nun sind einige von Geburt edel, einige durch die Wahl erhoben, wie die Bischöfe und Geistlichen.

Phaëton. Und wie mich dünkt, sind diese am gewaltigsten.

Sol. Das sind sie auch; sie sind an Zahl, an Reichtum und Macht überlegen. Ich kann fürwahr sagen, daß mehr als halb Deutschland von Pfaffen besetzt ist.

Phaëton. Wie haben es denn ihre Vorfahren dazu kommen lassen?

Sol. Als sie den Christenglauben annahmen, haben sie allzu verschwenderisch und mehr als nützlich und billig war, von dem Ihrigen an die Kirche gegeben.

Phaëton. Wodurch ihre Nachkommen in Armut geraten sind?

Sol. Ja, und müssen nun Herren dulden, die für ihr väterliches Erbe erkauft sind.

Phaëton. Dazu hat sie die Achtung vor der Geistlichkeit gebracht?

Sol. Wahrlich, Achtung! Es ist der finsterste Aberglaube gewesen, der sie dazu verführt hat. Auch zwischen diesen Fürsten herrscht Zwietracht und unaufhörlich heimlicher Krieg, wodurch sie sich verderben.

Phaëton. Kann denn der Kaiser dem nicht Einhalt gebieten?

Sol. Sollte ders, da sie ihm dadurch so nützlich sind? Denn wenn sie sich nicht untereinander verdürben, wären sie ihm viel zu mächtig.

Phaëton. Wer kommt nächst den Fürsten?

Sol. Die sogenannten Grafen. Die sind dem Range nach weniger als Fürsten, und doch mehr als der gemeine Adel.

Phaëton. Was ist gemeiner Adel?

Sol. Das ist der Ritterorden, eine große Macht und Stärke der deutschen Nation, denn ihrer sind viele und kriegsgeübte. Überdies sieht man bei ihnen noch einen Rest alter Tugend, gute Sitten und die den Deutschen angeborne Redlichkeit, sie haben noch Gefallen an der alten deutschen Weise und hassen alle fremden Sitten, wo sie bei ihnen auftauchen.

Phaëton. Ich sehe aber doch, daß sie viel Untaten begehen.

Sol. Das tun sie freilich, mein Sohn.

Phaëton. Daß sie andern das Ihrige mit Gewalt nehmen, Krieg und Aufruhr erwecken selbst wider die Fürsten, und vor allem verfolgen sie die Kaufleute.

Sol. Dadurch machen sie sich viele zu Feinden, die die Ritter für schädlich halten, die man nicht dulden dürfte.

Phaëton. Warum jagt man sie denn nicht fort?

Sol. Weil ein Teil dies nicht will, ein andrer es nicht kann, wenn ers auch wollte.

Phaëton. Wer will es denn nicht?

Sol. Die Fürsten, denn sie haben jene nötig zum Schutze ihrer Macht; ja, ich kann sagen, auf ihnen beruht aller Fürsten Macht. Darum sucht sich der eine mit ihrer Hilfe des andern zu erwehren.

Phaëton. So gebraucht sie der eine zum Verderben des andern, Vater?

Sol. So ist es!

Phaëton. Und aus diesem Grunde herrscht denn bei den Deutschen Räuberei, Unsicherheit und Nachstellung, werden die Straßen verlegt und viel Unfrieden gestiftet?

Sol. Meist aus diesem, mitunter auch aus einem andern Grunde.

Phaëton. Aus welchem?

Sol. Aus Haß gegen die Kaufleute und gegen die sogenannten freien Städte.

Phaëton. Warum hassen sie die Kaufleute?

Sol. Weil diese ausländische Waren zu ihnen bringen, wie Spezereien, Seide, Purpur und dergleichen, was zu nichts als zu unnützer Pracht und Schwelgerei dient, die besten und gepriesensten Sitten der Nation verdirbt und fremde Gewohnheiten und eine verweichlichende Lebensart einführt, was der deutschen Art von Natur zuwider und mit Recht verhaßt ist.

Phaëton. Das ist allerdings Grund genug. Ich kann mir denken, daß bei wenigen die Achtung der strengen Tugend bleibt, da ihrer viele sich so verzärteln und verweichlichen. Wenn auf solche Weise ihre alten Gewohnheiten und angeborenen Tugenden schwinden, so wird bald Neuerungssucht und ausländischer Brauch bei ihnen aufkommen; denn mich dünkt schon, daß einige von ihnen sich selbst unähnlich sind, besonders in der Kleidung, woraus man ohne Zweifel vermuten kann, daß es ihnen nicht frommen wird, wenn sie ihre Sitten derartig verändern.

Sol. Sie haben sich schon ganz verändert.

Phaëton. Darum also berauben sie die Kaufleute; warum verfolgen sie aber die freien Städte? Vielleicht weil die Edeln in Städten gewohnt haben, aber von den Gemeinden vertrieben sind, und nun meinen, sich ewig an ihnen rächen zu müssen?

Sol. Der Ortsadel hat nie in Städten gewohnt, sondern hat zu allen Zeiten, wie jetzt auf dem Lande, zerstreut gehaust. Daß die Edeln den Städtern feind sind, hat einen andern Grund.

Phaëton. Diese Ursache ihrer Feindseligkeit möcht ich gern von dir erfahren.

Sol. Du sollst sie hören. Wiederum aus Tacitus Germania, 16 ff. Anfangs nämlich gab es gar keine Städte im deutschen Lande, alle Gehöfte waren von einander weit abgesondert, und jeder hat seine Wohnung für sich und allein gehabt.

Phaëton. Das ist mir bekannt.

Sol. In diesen Zeiten kamen keine Kaufleute zu ihnen, die fremde Erzeugnisse gebracht hätten. Sie begehrten deren auch nicht, sondern begnügten sich mit dem, was bei ihnen wuchs. Ihre Kleidung bestand aus Häuten und Pelzen der einheimischen wilden Tiere, ihre Speise war der heimatlichen Erde entwachsen, unter ihrer Sonne gereift, sie wußten nichts von fremden Gütern, und keiner wurde damals von Krämern und Kaufleuten betrogen; es herrschte nur strenge Ehrbarkeit, auf die jedermann hielt. Geld wurde bei ihnen nicht gesehen, sie hatten weder Silber noch Gold.

Phaëton. Das ist die beste Zeit der Deutschen gewesen.

Sol. In der Folge haben sich die Ausländer von Tag zu Tag mehr ihnen zugesellt. Sie landeten zuerst bei den Bewohnern der Meeresgestade und begannen dort zu handeln; dann sind sie weiter ins Land gekommen, und die neuen Dinge haben erst den Taugenichtsen, Trägen und Putzsüchtigen gefallen, dann hat der gemeine Haufe diese Gewohnheit der Üppigkeit angenommen. Das hat ihnen Veranlassung gegeben, erst Dörfer, dann Städte zu bauen, die sie bald mit Mauern, Bollwerken, Türmen und Gräben befestigten, in die sie sich einschlössen. In solchen Zusammenschluß haben alle Trägen, Faulen und Unkriegerischen eingewilligt. Was aber von edelm Stamme und tapferm Gemüt war, das hat hartnäckig an seiner väterlichen Weise und Gewohnheit festgehalten, sich trotzig jenem Ärgernis widersetzt und die schändliche Einführung fremder Sitten für unbillig erachtet mit dem Vorsatz, den Brauch der Alten fest und streng zu handhaben und von der eignen Natur in nichts abzuweichen. Wer dieser Meinung gewesen ist, der hat den Krieg geliebt, hat das Geld verachtet, das Jagen geübt, die Ruhe und Stille gehaßt, den Müßiggang gescholten und verschmäht. Daher ist die Trennung entstanden: die Städter haben Neuerungen angenommen, die Edeln, solcher Unsitte feind, haben an dem alten Herkommen festgehalten.

Phaëton. Und bei diesem Gegensatz sind sie bis zu den Waffen gekommen, in denen sie noch jetzt wider einander schwitzen.

Sol. Leider ja; die Starkmütigen verdrießt es, daß ein verweichlichtes Leben bei ihnen Nachahmung findet und jeder seinen Fleiß auf die Üppigkeit richtet. Außerdem gibt es in den Städten Kaufleute und allerhand geschickte Männer, die zum Überfluß verhelfen. Darum hassen sie die Edeln.

Phaëton. Warum vertreiben sie denn diese nicht?

Sol. Das hätten sie längst getan, wären sie nicht durch Mauern und Festungen geschützt. Da nun die Müßigen hierzu ihre Zuflucht nehmen, so ist nur der eine Weg übrig geblieben, sie abzustrafen, sie zu überfallen und zu rupfen, wenn sie sich heraus wagen.

Phaëton. Meines Bedünkens ist es nicht nutzlos, daß die weichen Wollustfreunde so in Furcht gehalten werden, sie würden es sonst aus allzu großer Sicherheit noch ärger treiben.

Sol. Trotzdem sagen sie aber, das sei nicht gemeinnützig gehandelt, sondern bringe dem ganzen Lande Schaden.

Phaëton. Ach ja, Schaden! Als ob nicht dem deutschen Lande geholfen und geraten wäre, wenn an einem Tage alles, was die Kaufleute von draußen eingeführt haben, und sie selbst samt der fremden Ware ins äußerste Verderben kämen. Denn ich seh, daß sie die Ursache vieler Übel sind.

Sol. Dagegen rühmen sie sich ihrer Verdienste um das Vaterland, hassen die Edeln, denken sie zu vertilgen und mit einem Male den ganzen Adel auszurotten; unter ihnen haben die Fugger Schätze übergenug gesammelt, um ganze Heere mit königlichem Aufwand zu unterhalten.

Phaëton. Meinst du nicht, daß sie durch Reichtum und Eintracht, die sie untereinander zusammenhält, zuletzt siegen werden?

Sol. Sie würden es, wenn nicht die Dinge so lägen, daß die Trägen und Untauglichen mit den Rüstigen, Starken und Streitbären kriegten.

Phaëton. Sind denn alle, die in Städten wohnen, untauglich, haben sie nicht Stärke und Geschicklichkeit?

Sol. Sie sind auch dort vorhanden, und ich sage nicht, daß man nicht redliche Leute unter ihnen finde; aber wie der Welt Lauf ist, es verschwinden die wenigen Redlichen unter den vielen Untauglichen.

Phaëton. Und das königliche Geld, durch das doch alle Dinge geschehen, vermag nicht die Tüchtigkeit der Gegner zu überwinden?

Sol. Bei andern Nationen vermöchte es das eher, aber die Deutschen besitzen noch so viel Redlichkeit, daß sie die Tugend in größerer Ehr und Achtung halten als den Mammon. Sie haben auch (wie billig) alle Reichen in Verdacht und werfen ihnen das Sprichwort vor: Reiche sind selten redlich. In Wahrheit hat immer noch die alte Tugend bei diesen Edeln eine Stätte. Ich lobe zwar ihre Räuberei nicht – wird sie doch eine männliche und herzhafte Unfrömmigkeit genannt – es behagt mir auch das eine nicht, daß sie so rauh und unfreundlich sind und eine centaurische Härte an sich haben; ich würde sie aber sehr loben, wenn sie Rat fänden, wie man die Zarten, Verwöhnten und Wohllebenden, die andern Ärgernis verschaffen und das deutsche Land in bösen Ruf bringen, dahin brächte, daß sie entweder von dem verweichlichenden Gehaben abließen und eine bessere Lebensart annähmen, oder daß sie bald aus dem Lande wichen, ehe die Räudigkeit ihres Ärgernisses weiter um sich griffe; so geschäh es ihnen nach Gebür, daß man alle fremden Dinge und Gewohnheiten beseitige, um der Üppigkeit den Boden zu entziehen. Mir selbst misfällt es, daß ich sehen muß, wie einige ihr sich ganz hingegeben haben, ihre väterlichen Gewohnheiten ablegen, sich der ausländischen Weise und böser Sitten befleißen und lieber das Misleben der Fremden führen, als ihre angeborene Tugend behalten wollen. Außerdem werden sie durch die Üppigkeit und durch das ungewohnte Leben nicht bloß am Leibe schwach, sondern auch an Gemüt weich und untauglich. Ich sehe auch einige Wider alle Landesgewohnheit treulos, trügerisch und gar geschickt andre treulos hintergehen. Diese acht ich, wenn sie ihre Sitten nicht ändern, für unwürdig, Deutsche zu heißen, denn sie bringen den löblichen Namen in böses Gerede und verdunkeln den Glanz des deutschen Rufes.

Phaëton. Wie ist es aber mit den Geistlichen?

Sol. Die sind noch viel schnöder. Von ihnen kommt gar kein Nutzen, sie sind insgemein zu gar nichts brauchbar, weil sie müßig gehen, der Fresserei, dem Schlaf und der Unkeuschheit dienen, Zechgelage zu halten pflegen, schlemmen, prassen, buhlen, sich mit Schmeichlern umgeben und ein Wohlleben führen; so sind sie durch schlimme Reizmittel weibisch geworden, durch Unkeuschheit verderbt und gebärden sich beinahe gar nicht mehr wie Menschen. Sie geben sich nur noch der Unmäßigkeit, dem weichen Leben, der trägen Ruhe und einem lustigen Wesen hin. Überall wollen sie haben, daß es nach ihrer Lust und ihrem Gefallen gehe; sie mögen keine Härte leiden, fliehen die Arbeit und umgehen alle Beschwerde; was hart, rauh und scharf ist, schafft ihnen Misbehagen. Sie hassen ein nüchternes und ehrbares Leben, meiden alle Beschwerden und sind von Gemüt so verzärtelt, daß sie auch die kleinste Bekümmernis nicht erdulden können. Ihre Sorgfalt haben sie nur darauf gerichtet, daß es! gut in Keller und Küche stehe, und daß ihnen gut aufgewartet werde. So entschlagen sie sich aller Sorgen und Gedanken, lassen ihren Gelüsten die Zügel schießen, dienen der Schlemmerei und Fresserei, und sinnen nur darauf, wie sie sich mit guter, schmackhafter Speise vollpropfen können. Dann besteht ihre Beschäftigung auch darin, daß sie ins Bad gehen, sich an Wohlgerüchen laben und faullenzen. Sie wollen keinen Mangel leiden, alles muß im Überfluß da sein; das meint man mit dem Worte »Bischöfliche Bankette«. Horat. Carm. II, 14, 28. Was liegt ihnen denn daran, daß sie von solchem unmäßigen, unordentlichen Leben grobe und viehische Sinne bekommen? Daß sie stumpf an Vernunft und dumm an Verstand werden? Ist doch der Bauch ihr Gott!

Phaëton. Ich seh wohl, daß sie äußerlich glatt, hübsch, rein, gut gepflegt, üppig, feist, saftig, gleißend, zart und überaus verweichlicht sind, dabei aber schwachen Leibes und (wenn ich recht vermute) vielen Krankheiten unterworfen, gleichwie der, von dem der griechische Dichter sagt:

Podagraisch, dickbäuchig und schwer,
Geschwollen von Fett, an Gesundheit leer.« Aus dem Plutos des Aristophanes, V. 559 ff.

Das kommt gewiß von ihrem unmäßigen und unkeuschen Leben. Dieser Orden ist eine Verunzierung der ganzen Nation. Warum leiden denn die Deutschen diese geschornen Schlemmer unter sich?

Sol. Gott und der Geistlichkeit zu Ehren.

Phaëton. Nichts könnte der alten Deutschen Gewohnheit schärfer entgegen sein. Deshalb findet auch das Sprichwort: Ländlich, sittlich, oder, die Sitten arten nach dem Lande, bei ihnen keinen Ort; denn sie haben nichts Deutsches an sich, wenn sie auch unter allen das lustigste Wesen Haben, am reichsten und gewaltigsten sind. Mich dünkt, sie sind auch geizig und geldhungrig.

Sol. Mehr als alle andern.

Phaëton. Von denen, die sich in der Kleidung unterscheiden, gibts in Deutschland auch mehr als anderswo. In Italien sah ich deren viele, dort nennt man sie Brüder. Sieh, wie sie hin und wieder laufen, als ob sie aller Orten viel zu schaffen hätten.

Sol. Das sind auch volle Flaschen, unnütz, träge, Kläffer, Lügenträger und lose Fischer.

Phaëton. Sie stehen dort noch in Ansehen?

Sol. Gar sehr, weil sie dem gemeinen Volk Aberglauben einflößen, die Gemüter durch Schwindel und Zauberei betören, äffen und so den gesunden Verstand verleiten und verführen.

Phaëton. Was bedeutet es, daß man ihnen wie auch andern Pfaffen in die Ohren murmelt?

Sol. Das nennen sie beichten; es wird für ein geistlich und gottesfürchtig Ding angesehen, daß ein jeder, was er gesündigt hat, diesen offenbart, nicht allein, was er mit der Tat begangen, sondern auch was ihm in Gedanken gewesen ist. So muß sie also jeder zu Mitwissern seiner Heimlichkeiten machen.

Phaëton. Kann jemand dazu überredet werden, diesen losen Gesellen seine Geheimnisse zu vertrauen?

Sol. Ja, er zürnt über mich. Hör doch, was das Männlein sagt, wie es mir mit gerunzelter Stirn so frech droht!

Cajetan. Der du solltest auf mein erstes Winken, geschweige Gebot, auch klarer und heller, als du pflegst, erscheinen!

Sol. Was sagst du, Legat? Was sagst du? Redest du diese Worte zu mir?

Cajetan. Zu dir? Als ob du dich nicht einer großen Missetat schuldig wüßtest!

Sol. Fürwahr, ich weiß nichts, du sagst mir denn, was ich Übles begangen hätte.

Cajetan. Ich sage: Gehst du endlich einmal hervor, du Bösewicht, und erscheinst der Welt? Der du solltest auf mein erstes Winken, geschweige Gebot, auch klarer und heller, als du pflegst, erscheinen!

Sol. Noch seh ich nicht, was ich Übles getan habe.

Cajetan. Siehst du es nicht, der du in zehn ganzen Tagen nicht einen Strahl deines Glanzes gezeigt, sondern mutwillig alle Wolken um dich gezogen hast, als ob du der Welt das Licht misgönntest?

Sol. Das ist der Astrologen und Sterngucker Schuld, wenn anders es eine Schuld ist, denn die haben in ihren Kalendern so bestimmt, daß ich in dieser Zeit nicht scheinen soll.

Cajetan. Du solltest aber eher bedacht gewesen sein, was eines Papstes Legat will, als was den Sternguckern beliebt! Weißt du nicht, was ich dir androhte, als ich von Italien wegzog, wenn du nicht Deutschland, das zu Unzeiten kalt ist, mit großer Hitze erwärmtest und mir ganz sommerlich machtest, auf daß ich mich nicht brauchte nach Italien zurückzusehnen?

Sol. Gar nichts nahm ich acht, was du mir gebotest; ich Hab auch nicht gemeint, daß ein sterblicher Mensch über die Sonne gebieten könne.

Cajetan. Hast du das nicht gemeint? Und ist dir unbekannt, daß ein römischer Papst (der jetzt seine ganze Macht in mir, seinem Legaten, verkörpert) im Himmel und auf Erden binden und lösen kann, was ihm gefällt?

Sol. Ich hab wohl davon sagen hören, glaub aber nicht, daß es so ist, wie er sich rühmt; denn ich habe noch nie gesehen, daß ein sterblicher Mensch hier oben etwas zu sagen hätte.

Cajetan. Wie, glaubst du das nicht? O böser Christ, den man als einen Ketzer verbannen und dem Teufel geben sollte!

Sol. Willst mich vom Himmel werfen und dem Teufel übergeben und, wie man sagt, die Sonne von der Welt nehmen?

Cajetan. Beim Papst, das will ich tun, wenn du nicht bald einem von meinen Schreibern beichtest und mich um Absolution bittest.

Sol. Wenn ich nun gebeichtet habe, was willst du dann aus mir machen?

Cajetan. Ich will dir eine Buße auferlegen, etwa daß du fasten oder eine schwere Arbeit verrichten, eine Wallfahrt unternehmen, Almosen geben, etwas zum türkischen Krieg einlegen oder Ablaßgeld lösen sollst, wovon man die St. Peterskirche zu Rom, die verfallen ist, wieder aufbauen will. Oder willst du dein Gold sparen und dich für deine Sünde lieber mit Ruten schlagen lassen?

Sol. Das ist eine harte Strafe. Was willst du aber dann mit mir machen?

Cajetan. Dann werd ich dich unschuldig machen und ganz rein sprechen.

Sol. So willst du, dem Sprichwort nach, der Sonne Licht geben?

Cajetan. Ja, wie du sagst, wenn es mir gefällt, kraft meiner Fähigkeiten, die mir der zehnte Leo gegeben hat.

Sol. Welche Spötterei hör ich da! Meinst du, daß selbst unter den törichten Menschen jemand so närrisch sei, zu glauben, daß du dies vermöchtest, geschweige denn die Sonne, die alle Dinge von oben herab sieht? Laß dir eine Purganz von Nießwurz eingeben, denn mich dünkt, du wirst irrsinnig.

Cajetan. Irrsinnig? Du bist de facto im Bann, denn du hast unehrerbietig zu des Papstes Legaten gesprochen, wodurch du in große und unauslöschliche Verdammung geraten bist. Ich werde dich demnächst öffentlich in allgemeiner Versammlung als im Banne befindlich ausrufen, weil du mich erzürnt hast.

Phaeton. Vater, auf diese Drohworte sollt ich ihm einen tüchtigen Wind entgegenblasen. Was will ein armes Menschlein gegen die unsterblichen Götter ausrichten!

Sol. Nein, eher wollen wir ihn verachten, obgleich er zu bedauern ist, daß er durch Krankheit so blödsinnig geworden ist.

Phaeton. Durch welche Krankheit?

Sol. Er ist geizkrank. Weil ihm seine Sache in Deutschland, nämlich sich vollzusaufen, nicht von statten gehen will, so ist er in Grimm geraten und dadurch von Sinnen gekommen. Aber ich will weiter meinen Spott mit ihm treiben. Was sagst du, heiliger Vater, wolltest du mich ungehört und ohne Schuld verdammen?

Cajetan. Wie ich gesagt hab. Man läßt ja auch nicht alle zur Verantwortung zu, die durch den Papst und seine Legaten verdammt werden.

Sol. Das wär doch Unrecht, wenn es nicht geschähe. Aber mir, bitte ich, wolltest du doch diesmal gnädig sein und meine Sünden vergeben.

Cajetan. Jetzt redest du erst recht; denn wer nicht verdammt sein will, muß um Gnade bitten. Nun gebiete ich dir, daß du hinfort meiner acht hast, ich sei wo ich wolle; so lange ich in Deutschland bin, mache schön Wetter und treibe mit der Kraft deiner Wärme die Kälte aus, die mich noch mitten im Heumonat anficht.

Sol. Warum verbannst du denn nicht die Kälte?

Cajetan. Das überlasse meinem Nachdenken. Du warte indes, was ich dir jetzt befehle.

Sol. Ich hätte schon lange geleuchtet, aber ich dachte, du hättest viel heimliche Dinge im Sinn, die du nicht wolltest das gemeine Volk der Deutschen sehen lassen. Ich fürchtete daher, wenn ich heiter schiene, daß ich deine Heimlichkeiten den Augen der Menschen offenbarte, was dir nicht lieb sein würde.

Cajetan. Wie möchtest du wohl meine Heimlichkeiten andern zeigen, da du sie selbst nicht kennst?

Sol. Ich sie nicht kennen? Glaubst du, ich wisse nicht, wie du jetzt verhindern willst, daß König Karl nach dem Willen seines Ahnherrn zum römischen Kaiser gekrönt werde? Daß du ferner noch viel im Schilde führst, warum dich die Deutschen, täten sie auch nichts weiter, zum wenigsten aufs feindlichste hassen würden?

Cajetan. Laß sie mich hassen, wenn sie mich nur fürchten! Eine Sentenz, die Kaligula gern im Munde führte, sie stammt aus einer Tragödie des Accius. Ich möchte aber nicht, daß du solche Dinge offenbartest. Tust du es doch, so bist du im Bann.

Phaëton. Welch einen Tyrannen hör ich da!

Cajetan. Auch gebiet ich dir, daß du Pfeile zurichtest und den Deutschen Pestilenz und jähen Tod zuschießest, damit viele Pfründen und geistliche Lehen ledig werden, die Pensionen abwerfen, Geld nach Rom liefern und mir hier auch etwas einbringen; denn es sind seit langer Zeit nicht genug Pfaffen in Deutschland gestorben. Hörst du, was ich dir sage?

Sol. Ganz genau.

Cajetan. Zuerst aber schieß auf die Bischöfe, damit die Pallien gekauft werden, und triff die Pröpste und die reichen Prälaten, damit die neuen Kreaturen des Papstes zu leben haben; denn man muß diese nach ihrem Stande berücksichtigen, daß sie nicht Mangel haben.

Sol. Soll ich Pestilenz machen, Anspielung auf die Iliade, I. Gesang, wo Phöbus Apollo eine Pest erregt. so ists nötig, daß ich ein Gewölk heraufführe, Nebel über die Erde breite und die Luft trübe; da fürcht ich, dieses Unwetter wird dir misfallen.

Cajetan. Vor allem andern will ich Pestilenz haben, daß Pfründen ledig werden. Was die Luft betrifft, so trübe sie so wenig wie möglich; kannst du es aber nicht umgehen, so tue das Beste und Nützlichste.

Phaëton. O du verfluchter Bösewicht! Jetzt erst hör ich, wo ihn der Schuh drückt, was ihm wohl und was ihm weh tut, was ihn traurig und was ihn fröhlich macht. Ginge es mit dem Ablaß nach seinem Willen, so könnte er allerlei Luft, Kälte und Unwetter leiden. Ich will ihn anreden. Höre mich, du unheilvoller Mann: ein Hirt soll seine Schafe weiden, nicht ermorden.

Cajetan. Was sagst du, Kirchendieb? Was sagst du boshafter Fuhrmann, den ich unter Verwünschungen zertreten und zerknirschen sollte, jetzt gleich! Willst du mir meine Pläne durchkreuzen?

Phaëton. Fürwahr, wenn ichs kann, will ichs tun; denn warum willst du auch die noch töten, denen du auf alle Weise schon das Geld abzapfst?

Cajetan. Du Vermaledeiter, du Übeltäter, du Verdammter, du Sohn Satans, wie darfst du mir widerbellen! Ist es Unrecht, daß ein Hirt seine Schafe schert?

Phaëton. Daß er sie schert, ist nicht Unrecht; das tun auch die guten Hirten, aber sie schinden und töten sie nicht. Das magst du deinem Papst Leo sagen, und auch das: wenn er nicht fortan bescheidenere Legaten nach Deutschland schickte, so werde er eine Verschwörung der Schafe wider einen ungerechten, ungütigen und blutdürstigen Hirten sehen und erleben, daß sie vielleicht billige und ihm gebürliche Dinge tun. Wahrlich, sie singen und sagen schon jetzt von deiner Weise, und es deucht mir, sie werden dich nicht länger dulden, wenn du auch Wagen voller Bannflüche über die Alpen kommen lassen würdest.

Cajetan. Du meldest Dinge, von denen man nicht reden soll: darum sei im Bann! Diese Strafe leg ich dir auf wegen deiner unhöflichen, unbesonnenen Rede mir gegenüber.

Phaëton. So schenk ich dich den Deutschen, die du beraubst, zum Spott, daß sie dich mit Abscheu und Gelächter von sich jagen, vielleicht auch übel traktiren dermaßen, daß du allen Nachkommen als abschreckendes Beispiel dienen sollst. Sei verspottet! Damit will ich dich gestraft haben.

Sol. Laß von dem Unflat! Es ist Zeit, daß wir den Wagen abwärts lenken und dem Abendstern Raum lassen. Laß ihn lügen, trügen, stehlen, rauben und plündern wie ein Abenteurer.

Phaëton. Der Teufel hol ihn! – Nun treib ich die Pferde zu Tal und fahre uns gen Westen.

                                 Ich habs gewagt.

Zu den Lesern dieses Gesprächbüchleins
Herrn Ulrichs von Hutten
Beschlußrede.

 

Ich habs gesagt, ihr Heidts gehört:
        Wir sind gewesen lang betört,
Bis daß uns doch hat Gott bedacht
        Und wiederum zu Sinnen bracht.
Ich weiß nicht, wie ich komm ins Spiel,
        Allein ich eins beteuern will
Und schwören bei der letzten Not,
        Als wahrlich müßt mir helfen Gott:
Daß mich kein Lohn und Nutz bewegt,
        Da ich mich erst zum Handel legt.
Begehre des auch kein Genießen,
        Doch tut die Schalkheit mich verdrießen,
Damit die Welt betrogen wird
        Und manchen jämmerlich verführt.
So war es auch ohn Schaden mir,
        Ob dieser oder der regir,
Ob sei der Papst der Herr der Welt
        Und ihm das Gott hab zugestellt,
Ob alles das ein jeder leugt,
        Mit keiner wahren Schrift bezeugt,
Und werd als wahr gesehen an,
        Allein ich alles hab getan
Dem Vaterland zu Nutz und Gut;
        Nur Wahrheit mich bewegen tut,
Da kann ich nimmer lassen von.
        Hab ich des nie empfangen Lohn,
Ja mehr zu Schaden kommen bin.
        Denn fahr und Not ist mein Gewinn,
Das steht nunmehr in Gottes Hand,
        Dem alle Herzen sind bekannt.
Und ich mein Sach nit bergen kann.
        Wiewohl sie weiß auch jedermann,
Also daß niemand widerspricht –
        Er hab es schändlich denn erdicht.
Ein' Pfaffen weiß ich, einen frechen,
        Kann ich, ich werds noch an ihm rächen,
Hat nämlich hinter meinem Rücken
        Auf mich gesagt viel böser Stücken.
Das lügt er wie ein Kurtisan –
        So will ich ihn gescholten han.
Doch hoff ich mit der Zeit bestimmt,
        Weil gut und bös Gott gibt und nimmt,
Daß ers muß wieder fressen ein,
        Und sprechen, daß es Lügen sein,
Ich möcht auch gerne sehn den Mann,
        Der mich dürft fröhlich sehen an
Und schelten so aus Billigkeit.
        Darum ich wart und bin bereit.
Zu hören jeden, was er sag,
        Damit die Wahrheit komm an Tag.
Denn sollt ich andern sagen wahr
        Und möchte selbst nicht hören gar
vergleichen auch – so war ich wert,
        Daß mich nicht länger trüg die Erd.
Die Wahrheit muß herfür, zu Gut
        Dem Vaterland, das ist mein Mut.
        Kein ander Ursach ist, noch Grund,
Drum aufgetan ich hab den Mund
        Und mich gesetzt in Armuts Not;
Das weiß von mir der ewig Gott;
        Der helf mir bei der Wahrheit Sach,
Laß gehen aus sein göttlich Rach,
        Damit der Bös nit triumphir,
Und daß auch werd vergolten mir,
        Ob ich vielleicht ohn Fug und Glimpf
Hätt angefangen solchen Schimpf,
        Der niemand großem Schaden bringt
Denn mir, wenn noch die Sach gelingt,
        Dahin mich Gott und Wahrheit dringt.

                                Ich habs gewagt.

 

 

 

Wahrheit, die red ich,
        Kauf deß Neid an mich,
Gott gab mir den Lohn
        Hab ichs falsch getan

Um Wahrheit ich ficht,
        Niemand mich abricht;
Es brech oder gang,
        Gotts Geist mich bezwang.

 

Laeta Libertas.


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