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Gesprächbüchlein Herrn Ulrichs von Hutten,
gekrönten Poeten und Orator, von
dem verkehrten Stand der Stadt Rom,
das er nennt Badiscum
oder die römische
Dreifaltigkeit.
Unterreder. Ehrenhold und Hutten.
–
Ehrenhold. Wie ich sehe, Hutten, bist du doch endlich wieder einmal zu uns nach Frankfurt gekommen von Mainz, das du das goldne zu nennen pflegst.
Hutten. Das goldne, und nicht mit Unrecht. Denn es ist noch immer meine Meinung, daß unter allen Städten deutschen Landes, die man entweder ihrer schönen Lage oder ihrer gesunden Luft wegen lobt, Mainz den Vorzug und Preis erhält. Bessere Luft habe ich in keiner Stadt gefunden, sie ist auch ohne Maßen reizend gelegen an der Vereinigung zweier großer schiffbarer Flüsse, worauf man leicht und ohne große Kosten hin und her fahren und dadurch bald erkunden kann, was an allen Orten Neues geschehen ist. Ich bin auch ganz der Meinung, daß für einen jeden, der studiren und seine Sinne gebrauchen will, Mainz ein erwünschter Aufenthalt ist; und ich kann dir wahrhaftig sagen, daß, so oft ich wieder nach Mainz reise, wenn ich die Stadt noch gar nicht im Gesicht habe, mir eine Erfrischung meines Gemüts und meiner Sinne entgegenkommt. Ich kann auch zu Mainz nimmer genug lesen oder schreiben; zudem dünkt michs, hab ich an keinem andern Ort größern Trieb zum Dichten.
Ehrenhold. Ich weiß sehr wohl, daß es so ist, wie du sagst; ich hatte aber doch gemeint, du habest Mainz aus einem andern Grunde das goldne genannt.
Hutten. Aus welchem Grunde?
Ehrenhold. Weil die Pfaffen dort viele Gulden haben und mehr Fleiß als auf ihre geistlichen Ämter daraus verwenden, Gold zu sammeln.
Hutten. Aus diesem Grunde sollte ich noch billiger euer Frankfurt das goldne nennen, denn bei euch ist das Geld im Überfluß, dort treibt man Geldhandel wie nirgendwo anders; dorthin kommen aus allen Landen Käufer und Verkäufer, dort bringen die Krämer ihr Geld zusammen, dort haben die Fugger ganze Berge von Gold liegen. Aber Mainz habe ich golden genannt, wie man ein Ding zu nennen pflegt, das vor allem schön und lustig ist, wonach wir eine besondre Begier haben und was uns besonders wohlgefällt.
Ehrenhold. Warum hast du es nicht das perlene genannt?
Hutten. Weil es mir nicht in den Sinn gekommen ist. Doch magst du wissen, daß dieser Zuname nicht neu, noch von mir erfunden ist, sondern es ist ein altberühmter, gleichwie sich auch Köln läßt das »selige« nennen. Und es hält fest an diesem Namen. Colonis felix steht im Original als Randbemerkung. D. Fr. Strauß meint: weil Cöln soviel Kirchen und Pfaffen habe!
Ehrenhold. Das sagt man. Du kennst aber auch wohl das alte Sprüchwort: Mainz von Anbeginn her nichts nutz?
Hutten. Ich lobe die Stadt, von den Leuten darin rede ich nicht. Zudem hat Mainz sein altes eingeborenes Volk nicht mehr, es ist auch seines alten Regiments beraubt und hat seine eignen Gerechtsame verloren.
Ehrenhold. Wir wollen die Erinnerungen an alte Dinge lassen. Sage mir, welche neue und lustige Mär bringst du uns von Mainz?
Hutten. Ich bringe allerdings etwas, das neu ist, aber durchaus nicht lustig!
Ehrenhold. Das bitt ich dich mir zu sagen. Ist dir etwas Unlustiges in der goldnen Stadt widerfahren?
Hutten. Ja allerdings. Doch fällt mir jetzt eine sehr lustige und lächerliche Geschichte ein, die man mir von Köln erzählt hat.
Ehrenhold. Was ist es?
Hutten. Wie daselbst ein alter, überaus reicher und ohne Maßen geiziger Pfaffe gestorben ist.
Ehrenhold. Dünkt dich das so lustig?
Hutten. Das nicht, sondern daß er so ungern sein Leben gelassen hat; er hat so oft sein Geld und seine Schätze beschaut, hat sie zehn Tage vor seinem Tode zu sich bringen und unter sein Haupt legen lassen, als wollte er sie, wie ich glaube, mit sich in jene Welt nehmen. Dann hat er weit und breit nach Ärzten geschickt und ihnen viel Geld verheißen, wenn sie ihn gesund machten. Als er aber zuletzt gesehen, daß es um ihn geschehen und keine Hoffnung mehr sei, hat er bitterlich geweint und sich ganz übel geberdet, mittlerweile jedoch sich sein Geld bringen, seine Rechnungsbücher vorlesen und den Gewinn und Wucher berechnen lassen. Ja, als er mitten im Tode gelegen, hat er wohl vielhundertmal geschrien: O mein Geld! O meine Wohnung, meine Güter! O mein Leben! Dann hat er die Umstehenden greulich angeblickt, die nach seinem Tode bald alles Gut hinwegnehmen und ihm dafür nur geringen Dank nachsagen würden. Als ihm dann schon die Augen brachen und er seines Gesichts beraubt war, hat er noch, solange er gekonnt, mit beiden Händen nach seinen Schätzen getastet. Ist das nicht zum Lachen? Oder ist jemand, ders bedauert, daß einer nach einem solchen Leben ein solches Ende nimmt?
Ehrenhold. Er dauert mich gar nicht, ich bin deiner Meinung und wünsche allen geizigen Geldfressern, daß sie mit großen Schmerzen verlassen müssen, was sie mit großer Begierde gesucht und erworben haben, und daß sie dieser Verlust in ihrem Herzen peinige und martere. Wär ich bei diesem Pfaffen gewesen, als er starb, ich würde ihm seinen Geldkasten vor seinen Ohren geschüttelt und haben klingen lassen, damit er sein Geld, wenn er es nicht hätte sehen können, doch bis zum Ausgang seiner Seele hätte hören müssen. So wenig würde ich mich seines Jammers erbarmt haben.
Hutten. Du sagst recht; und hätte ich bei ihm gestanden, ich würde es selbst getan und ohne Unterlaß seinen unsinnigen Geiz noch weiter gereizt und auf vielerlei Weise geweckt haben.
Ehrenhold. Das wär somit alles gut. Sag mir aber nun, was ist dir Schlimmes zu Mainz widerfahren?
Hutten. Daß man mir den Geschichtsschreiber Cornelius Tacitus, von dem neulich einige Bücher herausgekommen und zu Rom gedruckt worden sind, Papst Leo X. hatte den Druck der Werke des römischen Historikers Cornelius Tacitus (geboren um 54, gestorben 117 n. Chr.) in Deutschland verboten. Es sind die sechs ersten Bücher der Annalen gemeint, die in Rom 1515 zum erstenmal veröffentlicht wurden, und zwar aus einer Handschrift des Klosters Corvay. nicht hat wieder drucken wollen. Als ich dies dem Drucker auftrug, hat er gesagt, er dürfe es nicht tun einer Bulle wegen, die der Papst hat ausgehen lassen, worin er verbietet, daß man den Tacitus in zehn Jahren wieder drucken soll, aus keiner andern Ursache, als daß der römische Drucker desto mehr gewinne.
Ehrenhold. Muß nun Deutschland so lange der Lektüre dieses Buches entbehren? Ich weiß wohl, daß die Bücher, die man zu Rom druckt, selten in Deutschland geführt werden.
Hutten. Auch das hat mich verdrossen und betrübt mich täglich mehr und mehr, daß ich sehen muß, wie unser Volk so fest in seinem Aberglauben verharrt, sich nicht davon abbringen läßt und so närrisch ist, daß einige meinen, sie müßten auf solch eine Bulle, die uns an der Übung der edeln Künste und an der Schärfung unseres Verstandes hindert, etwas geben. Als ich den Aberglauben des Druckers sah, der schon meinte, er sei des Teufels, wenn er mir, allen Gelehrten und Kunstbegierigen zu Gut und Wohlgefallen, den Tacitus drucke, da fragte ich ihn, ob irgend ein neidischer Papst sein würde, der uns Deutschen bei dem Banne verböte, hinfort Weingärten zu bearbeiten und Gold zu suchen, und ob er glaubte, daß wir Angesichts solches Gebotes Wasser trinken und das Gold hinwerfen würden: da antwortete er: nein, es würde nicht geschehen. »Meinst du denn,« fragte ich, »wenn uns einer die edeln Künste verböte (die mehr zu begehren sind als Wein oder Gold), und uns hinfort nicht mehr wollte studiren lassen, daß wir uns der Süßigkeit enthalten würden, oder nicht lieber die päpstliche Bulle verachten und uns ihr trotzig entgegensetzen?« Und als er meinte, wir würden das Letzte tun, sprach ich zu ihm: »Warum hast du denn eine Scheu davor, den Tacitus vor die Augen der Deutschen ans Licht zu bringen, da doch kein Geschichtsschreiber mehr von unserm Volke geschrieben und unserer Vorfahren Lob höchlicher gepriesen hat?« Mit diesen Worten und Reden hätt ich ihn beinahe überredet, den Druck des Buches zu übernehmen, wenn nicht des Papstes Legat gewesen wäre, der jetzt in Mainz ist; der hat ihn wieder abgeschreckt, hat die Sache ihm sehr ernst vorgestellt und gesagt, wenn dies einer täte, würde er den Papst heftig erzürnen. Das hat mich natürlich herzlich betrübt und in Zorn gebracht.
Ehrenhold. Und mit Recht. Es ist ein jämmerlich Ding um dieses und dergleichen mehr, das wir Deutschen leiden und tragen. Wann will es doch ein Ende nehmen mit den Bischofsmänteln, den Annaten, Jeder Bischof mußte sich seinen Mantel, das Pallium, zu einem vorher bestimmten Preise von Rom kaufen, ferner den ersten Jahresertrag der Pfründe (Annaten) dorthin abliefern. Bei häufigem Wechsel der Bischöfe war diese Abgabe äußerst drückend. (Vgl. die Anmerkung auf Seite XXX der Einleitung.) Pensionen und der Unzahl von Räubereien? Wann wollen doch die Römer einmal ihren Dingen ein Maß setzen? Ich fürchte, wir Deutschen werdens nicht länger dulden können. Ihr unbilliges Gebaren, wodurch sie uns vergewaltigen, nimmt täglich zu, ihre Geldforderung hat kein Aufhören, keine Art, kein Maß.
Hutten. So ists leider. Sie geben ihren Dingen keine Gestalt, sie halten in ihrem Leben kein Maß; aber es dünkt mich, die deutsche Nation habe wieder Augen bekommen und erkenne jetzt, wie höchst ungerechterweise sie bisher irregeführt und betrogen worden ist, wie man das Volk so fälschlich geblendet, eine freie, streitbare Nation, ein starkmütig Volk, viel stolze Edelleute und Fürsten geschmäht und verachtet hat. Ich höre jetzt ihrer viele sehr freimütig darüber reden und sich auch stellen, als wollten sie das Joch unserer Dienstbarkeit abwerfen.
Ehrenhold. Wollte Gott, daß es geschähe, damit wir nicht länger von unsern Nachbarn und Ausländern verachtet würden!
Hutten. So wirds geschehen, es trügen mich denn alle meine Sinne. Ich seh an allen Orten auf Freiheit denken und Verbindungen zusammentun; auch was von Adel ist oder sonst ein ehrbar Gemüt hat, trägt groß Misfallen und Ungeduld darüber, daß die Güter, die unsere Vorfahren einst in guter christlicher Meinung und Glauben den Kirchen schenkten, jetzt ich weiß nicht wem in Rom zufallen, daß man alle Jahre mehreremale eine neue Steuer uns Deutschen auferlegt und mancherlei Weisen und Wege erdenkt, um von uns wegzutragen, was wir noch an Geld besitzen. Diese frevelhafte Kühnheit ist so weit gegangen, daß sie jetzt mit Drohen und Gewalt zu nehmen sich unterstehen, was sie mit Betrug, Gleißnerei und List nicht erlangen konnten. Ist das nicht eine unbillige, unerhörte Gewaltsamkeit? Oder wie könnte man uns schwerer belasten? Wie könnte man verächtlicher und schmählicher ein Volk unterdrücken, dem die ganze Welt zu regiren gebürt und zu regiren gegeben ist ? Gleich als hätten sie uns im Kriege mit den Waffen bezwungen und sich zinsbar gemacht. Daher hab ich große Hoffnung, weil es jetzt zum höchsten gekommen ist und vielleicht nicht höher steigen kann, es werde brechen und wir werden erlöst.
Ehrenhold. Meinst du, der neue Kaiser Karl V., der 1519 seinem Großvater Maximilian I. auf dem deutschen Kaiserthrone folgte. werde das tun?
Hutten. Das und noch viel mehr, wie es unsrer Nation, dem Reich, seinen Vorfahren und seinem Geschlechte gebürt. Denn wie möchte er es leiden, daß die Seinen verachtet, beraubt und grade die, von denen man stets viel nimmt, am meisten verlacht und verspottet werden? Ist irgend ein Volk, das spöttischer und verächtlicher von Rom behandelt wird als wir Deutschen?
Ehrenhold. Fürwahr, keines! Denn zu Rom verlachen uns Kinder und Alte, Weiber und Männer, Handwerker, Kaufleute, Pfaffen, Laien, Edle, Unedle, Herren, Knechte und, mit einem Worte gesagt: sogar die Juden, die Gefangnen bei allen Nationen, haben zu Rom Macht, die Deutschen zu verspotten. Dort hat man auch eigene Redensarten über die Deutschen, womit man sie heimlich und öffentlich beschimpft und verfolgt; als alberne Gäuche führt man sie an der Nase herum, zeigt mit Fingern auf sie, schreit sie mit schändlichen Namen aus und vexirt sie in Scherz und Ernst als törichte Narren. Und doch können sie uns keine andere Narrheit vorwerfen als die, daß wir ihre Verspottung nicht merken wollen, daß wir zuviel glauben und uns im Aberglauben unser Gut, das man uns vor Zeiten nicht mit Waffengewalt im Kriege hat nehmen können, jetzt spöttisch abschwatzen und abgaukeln lassen; daß ferner so viele Deutsche in Rom dienen um keinen andern Lohn, als daß ihnen ihr väterlich Erbe – denn wie soll ich anders die unmäßige, überschwängliche Milde unserer Vorfahren nennen, womit sie die Kirchen viel zu hoch begabt haben? – mit Bitten und Flehen abwendig gemacht werde.
Hutten. Deswegen kannst du mit mir hoffen und den zukünftigen Fall erwarten.
Ehrenhold. Weil du mich belehrt und mir Mut eingesprochen hast.
Hutten. Du glaubst nicht, wie ungeduldig und zornig sich auf dem letzten Reichstage zu Augsburg Der im Jahre 1518 stattfand und dem Hutten selbst beiwohnte; hier sah er auch den Kardinal Kajetan zum ersten Mal, dem er im ersten Fieber so übel mitspielte. einige der Fürsten gezeigt haben infolge der Rede des päpstlichen Legaten. Als man ihm das Gebaren, den großen Prachtaufwand der Geistlichkeit (den wir doch mit unserm Geld bestreiten) vorhielt, ist er in die höflichen Worte ausgebrochen: »Ei, wie schöne Stallknechte haben wir zu Rom!« Damit hat er uns unsere Narrheit vorgeworfen, daß wir, die wir so mächtig sind, uns zwingen lassen, den Kardinälen und Bischöfen zu Rom ihre Maulesel zu krauen und ihnen schmähliche Dienste zu tun. Da ich nun sah, wie einige über diese Worte die Zähne zusammenbissen und murrten, bin ich frei herausgetreten und habe öffentlich geklagt, es sei nicht recht und billig und unserer Nation nicht angemessen, daß wir von diesen Leuten nicht allein überwunden, sondern auch im Triumph geführt würden; denn keine Gewalt ist verdrießlicher und unleidlicher, als wenn man des Vergewaltigten noch spottet und ihn in seinem Unglück schmäht.
Ehrenhold. Wollte Gott, er redete oft solche Worte und erhöbe sich in seinem Übermut, damit wir Deutschen uns zuletzt schämten. Doch ja, er hat die Wahrheit geredet, es geschieht also zu Rom. Man siehts, es erhält keiner in Deutschland eine gute Pfründe, er habe denn in Rom darum gedient, oder sie mit Gut und Gaben erworben oder für Geld von den Fuggern Wie es hieß, hatte Rom den Fuggern den Handel mit geistlichen Lehen erlaubt oder gar übertragen. erkauft. Hat man aber um dieser frevelhaften Rede willen nicht Genugtuung verlangt?
Hutten. Wie ich sagte: einige wurden zornig, es entstand ein Gemurmel, aber doch laut genug, daß man merkte, die Sache wurde verstanden und die Deutschen schämten sich ihrer Schmach; er aber hat nichts darauf gegeben, sondern hält noch jetzt den Himmel feil und hofft noch täglich Geld von uns zu lösen. Ja, damit du erkennst, wie frei und trotzig er in seinem Vorhaben bleibt, so wisse, daß er in einer andern Versammlung der Fürsten den Kaiser Karl gescholten, ihn zum Regiren an Leib und Seele untauglich genannt und allen Fleiß angewendet hat, daß er uns ein französisches Joch auferlege, des Reiches Würde und Herrlichkeit von uns nähme und uns in eine schmähliche Dienstbarkeit zwinge. Nach Maximilians 1519 erfolgtem Tode bewarben sich dessen Enkel Karl und Franz I., König von Frankreich, um die Kaiserkrone. Leo X. begünstigte die französischen Bewerbungen.
Ehrenhold. O Zeit! O Sitten! Soll dem edeln Jüngling, von dem jedermann alles Gute erwartet, eine solche Gewalt widerfahren? Sollen die hochberühmten Deutschen solche Vorschläge mit Geduld hören? Darf ich auch glauben, daß es wirklich so gewesen ist?
Hutten. Wie ich sage.
Ehrenhold. Und ist der Wolf nicht in eine Schlinge geraten?
Hutten. Er ist ausgerissen.
Ehrenhold. Hat er sich denn in dieser Lage gefürchtet?
Hutten. Nicht im mindesten. Freiwillig hat er diese Gesandtschaft übernommen; seine Absicht ist keine andre gewesen als die des Sinon, Sinon ist der Grieche, der die Trojaner überredete, das hölzerne Pferd in die Stadt zu ziehen. von dem Virgil schreibt:
Mit freien Muts Beständigkeit
Zu zwiefachem Entschluß bereit:
Dem andern zu bereiten Not,
Wenn nicht, zu gehen in den Tod.
Virgils Aeneis II, 61 ff.
Ehrenhold. Wenn du von diesen Dingen schreiben würdest, so könntest du damit viele Leute aufregen.
Hutten. Sie sind bereits in Aufregung; denn der Römer Betrug, den sie bisher zu verdecken wußten, hat jetzt seinen Deckel verloren, sie treiben ihre Schalkheit so öffentlich, so kühn, so maß- und gestaltlos, daß es nicht länger so hingehen kann. Als ich einmal zu Rom mit einem von den allergrößten Buben darüber sprach und ihn ermahnte, daß er sich ein wenig schicklicher und ziemlicher benehmen sollte, da höre, welch höhnische und verächtliche Antwort er mir gab: »Man soll,« sagte er, »den Barbaren nicht nur kein Gold geben, sondern auch, wenn man es bei ihnen findet, es ihnen mit List und Gewandtheit abnehmen.« Auf diese unverschämten Worte hab ich mich nicht enthalten können, ihm mit freiem Mut zu erwidern: »Hältst du uns Deutsche dieser Zeit denn für barbarisch? Wie darfst du uns gegenüber diese Anmaßung zeigen! Willst! du die etwa Barbaren nennen, die ein grobes, unzüchtiges, viehisches Leben führen, sich feindselig zeigen und keine Milde üben, so sind wir weit davon entfernt. Willst du aber Barbaren die nennen, die auch äußerlich in Christi Glauben leben, wie Gratian Gratian, römischer Kaiser 375–383; aus seiner, sowie aus Valentinians II. und des Theodosius Gesetzsammlung sind die obigen Worte über die Rechte der Barbaren entnommen (zwischen 379 und 383). in den oben angeführten Worten verstanden wird, so kannst du kein Volk anführen, das sich beständiger an den Glauben und fester an die Gebote Christi hält als unsere Nation. Zu allen Zeiten sind die Deutschen von allen Völkern der Welt für treu, redlich und gastfreundlich gehalten worden und haben an Gottesfurcht und geistlichem Leben alle Nationen übertroffen. Aus welch einem Grunde willst du uns denn mit diesem Namen höhnen und verlangen, man solle uns unser Geld nehmen? Oder meinst du, euer Leben in Rom sei besser als unseres? Gott weiß es, was ihr für ein Leben führt, daß billigerweise die ganze Welt um euch her aufstehen sollte, euch zu strafen und zu dämpfen, wie man ein gemeinschädliches Feuer löscht.« Und damit der Bösewicht nicht glaubte, daß ich in dem bürgerlichen Recht unbewandert sei, hab ich ihn weiter gefragt: »Weißt du auch, was in demselben Gesetz von euch geschrieben steht?« und ließ den Kodex bringen und zeigte ihm das Gesetz, das der Kaiser Leo Der byzantinische Kaiser Leo I., der Thracier, regierte von 457–474, er erließ gemeinschaftlich mit seinem Nebenkaiser Anthemius 469 diese Bestimmung. betreffs solcher, die durch Geschenke zu Bistümern oder geistlichen Lehen gekommen sind, gegeben hat.
Ehrenhold. Es ist ein hübsches und heiliges Gesetz, das zu diesen Zeiten freilich nicht mehr gehalten, sondern auf das allerschmählichste misachtet und verworfen ist; es war aber billig, daß es um seines Nutzens willen in ewigem Gedächtnis bliebe.
Hutten. Da ich sehe, daß du es wörtlich auswendig weißt, so sag es her, damit wir hören, wie ich dem Geldfraß begegnet bin.
Ehrenhold. »Wenn jemand aus dieser königlichen Stadt Konstantinopel oder von irgendwoher aus unsern Landen zur bischöflichen Würde nach Gottes Geschick gefordert wird, der soll aus reinem Herzen und Gewissen, aus Wohlwollen und Achtung von allen gewählt werden. Niemand soll den priesterlichen Stand durch Geld erkaufen, sondern jeder soll nach seinen Tugenden, nicht nach Geld und Gaben geachtet werden. Denn welcher Stand wäre sicher, welche Sache möchte erhalten und beschirmt bleiben, wenn die würdigen Kirchen Gottes durch Geld sollen erfochten werden? Wie könnte man die Redlichkeit vermauern, Treu und Glauben umzäunen, wenn der verfluchte Geldhunger in die ehrlichen Gottesgemächer eindringt? Ja, was würde zuletzt sicher sein, wenn die unversehrte Heiligkeit Gottes sich verletzen und ärgern ließe? Höre auf, du verdammenswerte Begierde des Geizes, dich den heiligen Altären zu nahen! Vertrieben werde von den geistlichen Stätten das Laster! Und darum soll man zu unsern Zeiten einen keuschen, demütigen Bischof weihen, der, wohin er komme, durch die Frömmigkeit seines Wandels alle Dinge reinige und zur Besserung führe. Es soll der Bischof hinfort nicht durch Geschenke, sondern durch Gebete geweiht werden; er soll so weit entfernt von dem Ehrgeiz sein, daß er sich dazu suchen und zwingen lasse, daß er gebeten entweiche und gefordert entfliehe; daß man ihn so heftig darum bitte, daß er keine andre Entschuldigung für die Annahme des Bistums habe, als die Nötigung. Denn wahrlich! unwürdig ist ein jeder des Amtes, er werde denn wider seinen Willen geweiht!«
Hutten. Als ich ihm das Gesetz soweit vorgelesen hatte, fragte ich ihn: »Bestätigt ihr Römer uns Deutschen solche Bischöfe? Oder wird nicht der, der euch mit dem meisten Geld überschüttet, auch am ersten dazu gewählt und bestätigt?« Und er antwortete: »Ihr Deutschen habt doch frei jeden Bischof zu wählen.« Ich aber sagte: »Das ist wohl wahr; sie können jedoch nicht Bischöfe werden, sie kaufen denn zuvor zu Rom einen Mantel. Wie kann man das eine freie Wahl nennen! Nicht Wahl eines Bischofs, sondern Empfehlung dessen, der euch Geld zu geben tauglich und würdig ist, muß es genannt werden. Antworte mir auf eine Frage: Sollte man mit größerm Rechte die Türken, die mit uns um Land und Leute Krieg führen, Feinde Christi nennen als euch zu Rom, die ihr die würdigen Gotteskirchen mit Geld überwindet? Die ihr jetzt den Himmel verkauft, ihr habt die Mauern der Redlichkeit durchbrochen, niedergerissen die Umzäunung der Treue und des Glaubens, und nun schlüpft die unersättliche Geldgier nicht mehr verstohlen in die heiligen Gotteshäuser, sondern regirt dort auch mit Trotz und Übermut. Ihr habt die unversehrte Heiligkeit verletzt, die Reinheit der jungfräulichen Kirche geschändet und beschmutzt, ihr habt zu einer Mordgrube das Haus des Gebetes gemacht, aus dem euch Christus, wenn er je wieder auf diese Welt zu uns herabkäme, viel zorniger als einst die Käufer und Verkäufer hinaustreiben würde; Matth. 21, 12. denn jene brachten nur schnöde und verächtliche Dinge zu Markte, ihr aber bringt zu Kauf alle Geistlichkeit, die Kirchenlehen, selbst Christum und die Gnade des heiligen Geistes. Sollte man da nicht euch mit größerm Eifer als die Türken bekriegen, und euch weit von dannen treiben, die ihr feil bietet Gott, die Altäre, die Sakramente, die Himmel und dergleichen? Ihr seid auch mit euerm ärgerlichen, schalkhaften Leben Ursache, daß die Ungläubigen nicht Christen werden, weil sie euch, die andern die Seligkeit geben sollten, in solch bösen Sitten leben sehen; denn niemand wird so sinn- und vernunftlos sein, daß er, wenn er euch so leben und doch in geistlichen Dingen regiren sieht, nicht lieber bei seinem alten Irrtum bleiben möcht, als in ein neues Sündenleben geraten. Darum seid ihr, die ihr euch mit Worten für Schäfer und Hirten der Gottesherde ausgebt, in Wahrheit Wölfe und Räuber des christlichen Volks. Denn ihr breitet nicht, wie die Apostel, das Evangelium aus, sondern treibt Geld zusammen, ihr hütet nicht, wie einem Hirten gebührt, die anvertraute Herde, sondern würget und vernichtet die Schafe gleich reißenden Wölfen, ihr seid auch nicht mehr Menschenfischer, sondern sinnt darauf, ihren Reichtum zu fangen und Gold zu erjagen, stellt dem Gewinne nach und fallt fremdes Erbe an. Und dennoch maßt ihr euch frevelhaft die Gewalt an, die Gott Sankt Petrus gegeben hat! Ihr macht den christlichen Namen durch Lug und Trug, durch eure groben und bösen Stücke und Bübereien schmählich und verhaßt. Darum kehret auf den rechten Weg zurück, bessert eure Sitten, fesselt eure Geldgier, treibt hinaus aus den heiligen Gotteshäusern das peinliche Laster, lebt keusch und geistlich, damit andre euch zum Beispiel nehmen; folget Christo nach, daß andre euch folgen können. Wenn ihr aber so handelt, daß ihr auch die Kürbisse, falls sie euch Geld gäben, Bischöfe sein ließet, dann werden euch alle Verständigen hassen, die dagegen euerm Irrtum nachfolgen, ihre Seelen verdummen. Ebenso ist es eure Schuld, daß auch die deutschen Barbaren nicht weise und verständig werden, denn ihr misbraucht viel zu viel unsere Einfältigkeit, so daß ihr kein Genügen daran habt, uns des Geldes zu berauben, sondern zu dem Unrecht und der Gewalt, die ihr uns antut, spottet ihr unser noch und häufet zu dem Verluste an Gut noch höhnende Worte, und nachdem ihr uns arg beraubt und geplündert habt, rühmt ihr euch dessen noch in spöttischer und lächerlicher Weise und verachtet uns schmählich.«
Ehrenhold. Ich sehe deutlich, wie sich des Buben Angesicht ob dieser Strafworte entfärbt hat und erbleicht ist.
Hutten. Jawohl, erbleicht! Ich hatte ihn weniger bewegt als (wie Virgil sagt)
Im Meer den Felsen stark und fest,
Den Wind und Flut nicht schwanken läßt!
Virgils Aeneis, VI, 471 ff.
Solchen Trotz, solche Kühnheit besitzt er. Hast du je gemeint, daß man sich in Rom der Schande schäme und sich darüber entfärbe?
Ehrenhold. Ich weiß wohl, daß sich die Römer nicht sehr schämen, was antwortete er denn aber auf deine Worte?
Hutten. Nichts andres als das: dieses Gesetz sei von einem Kaiser gegeben, der jetzt über keinen Papst Macht habe, sondern den auch ein Papst zu diesen Zeiten in seinem Gehorsam halte. Darum sei es kraftlos und werde nicht beachtet. Außerdem sagte er noch viele unverschämte Worte.
Ehrenhold. Und flog ihm da nicht im Nu deine Faust aufs Maul?
Hutten. Fürwahr, sie hätte ihm darauf gelegen, wäre es nicht in Rom gewesen!
Ehrenhold. Wenn sie sich selbst nicht noch durch dieses Benehmen einmal ins Verderben und Unglück bringen, so soll es mich wunder nehmen.
Hutten. Das werden sie ohne Zweifel, wie sie es auch schon selbst merken und ahnen; sie sehen jetzt, daß man täglich über ihr Misleben, ihren Übermut und ihre harte Tyrannei schreibt. Hast du nicht gehört, was Vadiscus (der kürzlich auch hier gewesen ist) von ihrem Regiment gesagt hat? Der offenbart ihnen zu Schand und Schaden alles, was er zu Rom gesehen hat, und erweckt den Römlingen und ihrer Gesellschaft großen Haß bei allen Menschen.
Ehrenhold. Ihn selbst hab ich nicht gehört, aber der Bürgermeister Philipps Philipp von Fürstenberg, den Hutten bei seiner Brautwerbung zum Fürsprech bei Glauburger benutzen wollte. (Siehe die Einleit. S. XXXI.) hat mir viel von seinen freimütigen Reden erzählt. Als ich willens war, ihn zu hören, kam mir, ich weiß nicht welches Geschäft dazwischen; mittlerweile ist er abgereist.
Hutten. Du hättest Wunder gehört, nicht allein hätte dir seine Rede gefallen, sondern du hättest auch gestaunt, wie zierlich und scharfsinnig er es vorzubringen wußte, denn er bedient sich einer neuen Weise und seltsamen Art.
Ehrenhold. Welcher denn?
Hutten. Davon wäre viel zu sagen; aber die Zeit ist kurz und ich muß noch nach Hofe gehen.
Ehrenhold. Belehre mich zuvor darüber.
Hutten. Ich habe nicht Zeit.
Ehrenhold. Nicht Zeit? Läßt du dich denn derart durch deinen Hofdienst binden, daß du nicht eine oder zwei Stunden für dein Studium oder für gute Gesellschaft übrig hast? – Lieber, erzähle und laß dich nicht lange bitten.
Hutten. Willst du auch meine Sache, die dir wohl bekannt ist, mit Fleiß betreiben? Wohl jene, soeben erwähnte, Brautwerbung in Frankfurt a. M.
Ehrenhold. Ja wahrlich, mit Ernst und Fleiß!
Hutten. Und meinst du, daß ich sie zuwege bringe?
Ehrenhold. Wenn es möglich ist, ja.
Hutten. Auch du willst ihr beitreten?
Ehrenhold. Mit allem Fleiß und allen Kräften. Was bedarf es aber vieler Worte; da du wenig Zeit hast, wollen wir keine verlieren. Darum nimm deine angefangene Rede wieder auf.
Hutten. Ich habe aber nicht alles behalten, was ich von ihm gehört habe.
Ehrenhold. Sage, so viel du weißt.
Hutten. Der Tag würde nicht hinreichen dazu.
Ehrenhold. Meinst du?
Hutten. Du wirst eine lange Rede hören.
Ehrenhold. Je länger, um so lieber werde ich sie hören.
Hutten. So sollst du denn sehen, daß es mir gar keine Beschwerde macht, dir zu dienen; im übrigen aber will ich mich darauf verlassen, daß ich einen gnädigen Fürsten Kurfürst Albrecht von Mainz, in dessen Diensten Hutten damals stand. (Siehe Einleitung, S, XXIX und XXX.) habe und diesen ganzen Tag bis in die Nacht dir zu Willen sein und dir die ganze Sache erzählen kann.
Ehrenhold. Jetzt erst kommst du zu dir selbst, und jetzt erkenn ich den alten Hutten wieder.
Hutten. So hör denn. Alles, was er von den Römern (er nannte sie Romanisten) zu sagen wußte, bezog er auf eine Dreifaltigkeit, und seine Rede war demnach so gestaltet, daß er alles, was jetzt zu Rom an Bosheit, Sündlichkeit und Misbrauch geschieht, unter dem Bilde einer Dreiheit vortrug.
Ehrenhold. Du machst mich begierig.
Hutten. Eins will ich dir aber zuvor sagen: es sind so viele seltsame Worte darunter, die die lateinische Sprache nicht gut leiden mag. Laß dir davor nicht grauen.
Ehrenhold. Ach, grauen! Als ob ich so zarte Ohren hätte, daß ich das böse Latein nicht hören könnte, oder nicht wüßte, daß die Römer und Höflinge nicht viel Latein verstehen. Daher magst du reden von den Kurtisanen, den Kopisten und Kammerfegern, von den Lehen, die man Kurat Der Inhaber des Kuratlehens mußte das damit verbundene Seelsorgeramt selbst verwalten. und die man nicht Kurat nennt, von ihren Fakultäten, Gratien, Reservationen, Regressen, Annaten, von dem Kreuzgeld und wenn du willst von ihren Aussprüchen, die sie in rota ergehen lassen, vom Patronatrecht und dergleichen – das macht mir alles keinen Verdruß. Aussprüche, die von der Rota, dem obersten Appellationsgerichtshof in Rom zur Entscheidung kirchlicher Rechtsstreitigkeiten, ausgehen. Fakultäten sind die einem Gesandten des Papstes verliehenen Vollmachten. Gratien: Gnadenerweisungen des Papstes. Reservation: Vorbehalt, besonders reservatio pectoralis: Gedankenvorbehalt. Regreß: Das Recht des Wiedereintritts in eine Pfründe, falls der Nachfolger seinen Verpflichtungen nicht nachkommt. Annaten sind die erzielten Abgaben eines neuangestellten Geistlichen an den Papstsäckel von den Einkünften seines ersten Pfründenjahres. (Siehe S.79.)
Hutten. Drei Dinge, sprach er, erhalten Rom in seiner Würde: die Autorität des Papstes, das Heiligtum und der Kaufschatz des Ablasses.
Ehrenhold. Fragtest du nicht, ob er nicht meinte, daß sie an jedem andern Ort würden vorhanden sein, wo ein Papst seine Wohnung hätte, möchte er in Mainz oder Köln von der Kirche eingesetzt sein?
Hutten. Ja, sagte er, jeder Bischof habe in seinem Bistum gleiche Macht wie der Papst in Rom. Auch führte er an, daß Christus überall die Gleichheit geliebt habe und ein Feind des Ehrgeizes gewesen sei. So sprachen wir vielerlei miteinander; ich fragte ihn mancherlei über die drei Dinge. Alles, was ich von ihm gehört habe, will ich dir vortragen; diese ganze Rede darfst du nicht mir, sondern mußt sie dem Badiscus zuschreiben. So sagte er: es wär seine Ansicht, daß es mit dem Ablaß gar nicht so stehe, wie die Römer vorgäben; denn wenn der so große Kraft hätte, wie sie sagen, so würde er nicht um Geld zu kaufen sein. Sankt Peter, so meinte er ferner, sei nicht vollkommener zu Rom als an jedem andern Orte, wo man seiner mit Andacht gedenke. Er sagte auch, es sei nicht für jeden gut, nach Rom zu wandern, denn gewöhnlich nehmen alle, die nach Rom ziehen, dreierlei mit sich davon.
Ehrenhold. Was ist dies?
Hutten. Ein verbuhltes Gewissen, einen bösen Magen und einen leeren Säckel.
Ehrenhold. O wie geschickt hat er diese drei zusammengestellt! Und es ist die Wahrheit. Auch ich habe noch jetzt einen schlechtverdauenden Magen, weil ich in Rom wider meine sonstige Gewohnheit gegessen und getrunken habe. So sehe ich auch nirgendwo weniger Gott fürchten, Eide und Pflichten erfüllen, Ehre und Frömmigkeit achten; dort gehen die Höflinge umher, die die geistlichen Lehen kaufen und verkaufen. Niemand kann daran zweifeln, wie teuer uns Rom täglich kommt, denn keiner zieht von dort weg, ohne schweres Geld zurückgelassen zu haben, wenigstens geht es ohne seinen Schaden nicht ab. Was mich betrifft, so kann ich wohl sagen, wie es in der Dreiheit heißt, daß ich mit leerem Säckel von hinnen gegangen bin.
Hutten. Von mir will ich schweigen. Wer Vadiscus sagt, er habe das Geld samt dem Beutel dagelassen. »Und wär ich länger dageblieben,« setzt? er hinzu, »ich glaub, ich hätte müssen ohne Kleider, ja ohne Haare scheiden.« Du weißt, Ehrenhold, daß wir beide, obwohl wir nicht um geistlicher Lehen willen in Rom gewesen sind, dennoch viel gelitten haben, zwar nicht zu unserm großen Schaden. Den größten Nachteil haben alle, die von bösen Meistern in Rom verführt, ein weibisch Gemüt bekommen, oder ihre Frömmigkeit sich haben verkehren und ihr Gewissen vergiften lassen.
Ehrenhold. Wie jener Schwabe, der von dir gescholten wurde, daß er sich von einem Eide hätte absolviren lassen, antwortete: »Lieber, bedenke, daß wir in Rom sind.«
Hutten. Und der Kölner, der sich öffentlich rühmte, er hätte ohne Sünde falsche Siegel aufgedrückt, denn es wäre dem Papst zu Gunsten geschehen.
Ehrenhold. Und noch viele andre, die wir dabei haben tun sehen. Aber fahr fort in deinen Dreiheiten.
Hutten. Vadiscus sagte ferner: Rom sei zu fliehen, weil es dreierlei vernichte und ertöte, was ein jeder Fromme vor allem unversehrt erhalten sollte, das gute Gewissen, die Andacht zu Gott und den Eid. Dabei fiel mir ein, daß es dreierlei ist, was die Römer verlachen: das gute Beispiel der Alten, Sankt Peters Papsttum und das jüngste Gericht.
Ehrenhold. Das reimt sich sehr gut miteinander; denn wenn man jetzt einem den Eid abnimmt, dann leistet er ihn ganz nach römischer Sitte, weil er gewiß ist, daß er, wenn er will, dieser Verpflichtung durch den Papst entbunden werden kann. Daher hat er Recht, wenn er sagt, sie ertöten den Eid.
Hutten. Das ist damit gemeint: denn was man hinwegnimmt, das ist nicht mehr und wird für tot erachtet. So schrieb man dem Papst in seinem Mißglauben die Macht zu, er könne, was einmal geschehen, ungeschehen machen. Wen gibt es ferner unter den Römern, der die geistliche Andacht einen Deut achtete? Oder wendet man in Rom seinen Fleiß auf anderes, als auf das Streben nach Geld und Gewinn?
Ehrenhold. Wer nimmt sich denn zu Rom vor, dem guten Beispiel der Alten zu folgen?
Hutten. Ich habe in Rom zwar solche gesehen, die nach der Weise eines Simon, Bischöfe, die ihren Bischof mit Geld vom römischen Stuhle erhandelt haben; der Schacher mit geistlichen Aemtern heißt Simonie. Nach Apostelgeschichte 8, 9–13, 18–24, wo das Magiers Simon Kaufen und Verkaufen geistlicher Stellen erzählt wird. Domitian, Nero und dergleichen gelebt haben, aber keinen, der gedacht hätte, sich nach den alten heiligen Vätern zu richten. Wer dort ein Wort von Sankt Peters Leben und seinem Bistum spricht, dessen Rede hält man für eine lächerliche Fabel. So haben sie auch zwei Kirchen gemacht, die ursprüngliche, worin die Heiligsten gelebt haben, die sie aber nur für eine Vorstellung, einen Schatten halten, und die andre, die sie für den Körper des Schattens und für die wahrhaft lebendige halten. Diese ist ganz schön, ganz golden und nach jeder Richtung hin vollkommen; denn sie besteht aus eiteln, stolzen Betrügern, Dieben, Kirchenräubern, falschen Notaren, Simoneischen Bischöfen, Schmeichlern des Papstes, aus keinen andern Leuten sonst; wenn irgend mal ein frommer Bischof oder Kardinal in Rom ist, den scheiden die andern von sich aus, und halten ihn außerhalb der Kirche. Zudem rühmen sie sich einer alten, ehemals von ihnen selbst erdichteten Schenkung, die ihnen Kaiser Konstantin Die Schenkung des Konstantin ist eine Legende, die sich zur Zeit der Karolinger im achten Jahrhundert durch die sogenannten pseudoisidorischen Dekretalen bildete, worin eine Reihe von Länderschenkungen, die der erste christliche römische Kaiser, Konstantin d. Gr. (306–337), dem päpstlichen Stuhle gemacht haben sollte, konstatiert wurde. Erwähnt wurde schon in der Einleitung die Huttensche Übersetzung der Vallaschen Schrift, die er zwei Jahre vor diesem Gespräch Leo dem X. widmete! (Seite XXXVIII und XXXIX.) gemacht haben soll: auf Grund dieser fordern sie das ganze römische Reich gen Niedergang der Sonne als ihr Eigentum, und gemäß des Inhalts dieses Privilegiums sind sie in Gewalt und Besitz der Stadt Rom, des Thrones und der Wohnung des römischen Kaisers (wenn es einen gibt), des Hauptes des Reichs. Sie schlagen also weltliche Herrschaft und Regierung nicht aus, wie einst Petrus es getan hat, ja sie führen darum Krieg zu Wasser und zu Lande, erregen Aufruhr, vergießen Blut und töten mit Gift.
Ehrenhold. Von ihren Giftmorden wüßte ich mancherlei zu reden.
Hutten. Du hast auch zu Papst Julius Papst Julius II., der Vorgänger Leos X., saß auf dem römischen Stuhl von 1503–1513, auf den Hutten im Lager vor Padua verschiedene scharfe Epigramme schnitzte. (Siehe S. 110.) Zeiten gesehen, was sie für Krieger sind.
Ehrenhold. Ja wahrlich, der so viele tausend Menschen ums Leben brachte! O Gott, welch ein Mensch, welch Wunder! Seine Augen greulich, sein Angesicht schrecklich, sein ganzes Wesen grausam, mürrisch und unmenschlich.
Hutten. Trotzdem er aber ein solcher Mann war und einen schweren Krieg anzettelte, wie er m Italien zu unsern Zeiten nie gesehen ward (denn es waren darin alle christlichen Könige und Fürsten verwickelt und verknüpft, die sich untereinander aufrieben), so hat ihm doch niemand dies als Unrecht vorwerfen oder nur mit einem Worte entgegenhalten dürfen, wie beim Virgil Drances Drances, ein Latiner, der Gegner des Turnus, des Königs der Rutuler, von denen Virgil in der Aeneide XI, 360 ff. berichtet dem Turnus mit den Worten:
O Haupt und Ursprung aller Sach,
Die uns gebracht in Ungemach,
Wann hörst du auf, in offne Not
Das Volk zu ziehn und in den Tod?
Ehrenhold. Das ist wahr, niemand hat es sagen dürfen, denn jeder fürchtete Julius. Hat aber Konstantin den Päpsten das Reich gen Niedergang gegeben, so hat Kaiser Karl zu fürchten, daß ihm nichts zuteil werde weder von den Landen, die er ererbt, noch auch von denen, zu deren Herrscher man ihn zunächst erwählt hat.
Hutten. Geht es nach der allerehrwürdigsten Meinung Roms, so wird ihm nichts zuteil werden, denn alle diese Reiche sind der Kirche gehörig.
Ehrenhold. Wie ich sehe, sind die vorigen Päpste sehr milde gewesen, die nicht von allen Dingen, die ihnen gegeben, haben Besitz ergreifen wollen, sondern sich an einem Teil begnügten, das andre dm Königen gelassen und geduldet haben, daß ein Kaiser in diesem ihrem Teile, der auch nicht sehr groß ist, bleibe.
Hutten. Das ist nicht aus Milde, sondern aus Ohnmacht geschehen. Sie mußten nämlich, nachdem sie die Schenkung erdichtet hatten, fürchten, daß sich, wenn sie alles für sich nähmen und nicht einen Teil übrig ließen, alle Könige und Fürsten einträchtig zusammentäten und sich dem widersetzten; denen hätten sie dann nicht widerstehen können. Daß aber der erdichtete Betrug in der päpstlichen Habsucht seinen Beweggrund hat, ist daran zu erkennen, daß sich die Päpste und Pfaffen, wenn sie zu jener Zeit von den gleichen Sitten wie heute gewesen wären, fürwahr nichts hätten entziehen lassen. Die Bischöfe führten aber zu jener Zeit, daran zweifle ich nicht, ein geistliches, frommes Leben, und nahmen die ungebührliche Schenkung nicht an. Wenn sie nun den Konstantin mit seiner ungebührlichen Schenkung, die er ihnen anbot, abgewiesen haben, mit welchem Recht wollen jetzt ihre Nachkommen fordern, was ihre Vorfahren als für sich ungeeignet erachteten, dem Geber freiwillig wieder zustellten, ja ihn vielleicht baten, es ihnen nicht zu übertragen? Wahr ists, daß nie ein Papst den vierten Teil der Länder, die Konstantin soll geschenkt haben, besessen hat. Und was das andre betrifft, so haben sie die Stadt Rom, die sie zuvor nie inne gehabt, erst einige Jahrhunderte nach Konstantins Zeiten eingenommen. So langsam sind sie in den Besitz des größten Teiles dieser, wie sie sagen, so alten Schenkung gelangt. Zudem, wenn sie das Geschenkte wieder freiwillig zurückgestellt hätten: hätte dies denn ohne Brief und Siegel, die sie von den Königen und Fürsten darüber genommen, geschehen können? Einerseits hielten sie so fest an dem Privilegium des Konstantin, und waren doch so nachsichtig dagegen und ließen es verwahrlosen! Wer möchte daran glauben? Es sind Märchen. Ich denke mir, wenn ich sagen soll, wie mir ums Herz ist, das Privilegium des Konstantin ist auf folgende Art entstanden. Als einmal ein habsüchtiger Papst eine günstige Gelegenheit ersah, wo er hoffte, Italien unter sich zu bringen, nahm er zunächst einen Teil; darnach als ihm dieser Nutzen wohlgefiel, begnügte er sich nicht damit (denn die Begierde der Habsucht ist nimmer zu ersättigen), sondern dachte weiter um sich zu greisen; vielleicht war die Zeit günstig, er baute auf den Kleinmut und den Aberglauben der Menschen, hoffte bei der Einfältigkeit des gemeinen Volks und der Unachtsamkeit der Fürsten, seinen Willen zu erreichen und erweiterte sein Gebiet; dem sind dann seine Nachkommen gefolgt, und so ist der Brauch des Raubens aus der Kühnheit des einen zur Gewohnheit aller andern entstanden, bis zuletzt ein sehr kluger Papst gekommen ist, der gemeint hat, der Kirche einen großen Nutzen zu schaffen, wenn er dieser Sache eine Festigkeit gäbe, und der hat das göttliche Privilegium auf altes Pergament oder auf ein solches, was er vorher in Staub gewälzt oder sich mit Schimmel hatte überziehen lassen, geschrieben, ohne Zweifel etliche hundert Jahre nach Konstantins Zeiten.
Ehrenhold. Wenn nun aber, abgesehen davon, der Papst Leo diese Schenkung vom Kaiser Karl fordern wird, was meinst du, daß dann geschehen wird?
Hutten. Was anders, als daß Karl von dem Papst dagegen sein Recht fordern und daran gedenken wird, daß er ein König und ein Deutscher sei?
Ehrenhold. Und wird darum einen Krieg anfangen, weit und breit alles durcheinander werfen, umkehren und verwüsten?
Hutten. Da sei Gott vor. Es soll dazu nicht kommen.
Ehrenhold. Dann müssen aber auch die Römer ihren Dingen Maß und Ziel setzen. Doch wen werden die verschonen, die sich selbst des Spottens und Schmähens der römischen Kaiser nicht enthalten! Der Papst läßt keinen Kaiser sein, er falle ihm denn zu Füßen und empfange die kaiserliche Krone knieend und gelobe ihm eidlich das italienische Reich und die Stadt Rom.
Hutten. Der Papst Innocentius hat den Kaiser Karl, Es ist Kaiser Karl IV, (1347–1378) gemeint. Seine Wahl zum römischen Kaiser bestätigte Klemens VI. nur nach dem eidlichen Versprechen des Kaisers, ohne ausdrückliche päpstliche Erlaubnis kein Kirchengebiet zu betreten und bei seiner Krönung in Rom nur die dazu erforderlichen Stunden zu verweilen. Der Nachfolger von Klemens VI., Innocenz VI. der in Avignon residierte (1352–1362) lieh Karl dem IV. im Jahre 1355 durch seinen Legaten in Rom die Kaiserkrönung erteilen. Vgl. auch: Huttens Anzeig, wie allwegen sich die römischen Bischofs gegen den deutschen Kayßern gehalten. der ein Böhme war, unter keiner andern Bedingung krönen wollen, als daß er sich ihm eidlich verpflichte, in demselben Jahre aus Italien zu ziehen. Er hat ihn sogar so gering geachtet, daß er nicht mit ihm hat sprechen wollen, sondern hat ihm einen Kardinal mit der Krone entgegen geschickt und ihm verboten, nach Rom zu kommen; außerdem hat er ihm auferlegt, ihm einige Städte abzutreten.
Ehrenhold. Der ist nicht wert auf Erden zu leben, geschweige Kaiser zu sein, der solche Unbilligkeit gelitten hat. – Doch die Romanisten glauben nicht, wie ich merke, daß die drei Dinge, die sie so erbärmlich hier morden, am jüngsten Tage wieder auferstehen werden, wo sie Rechenschaft darüber ablegen müssen.
Hutten. Sie verlachen doch das jüngste Gericht.
Ehrenhold. Ich glaube, sie ermorden es auch mit den andern Dingen.
Hutten. Nein, denn wie sollten sie das ermorden wollen, was für sie gar nicht vorhanden ist? Sie hätten ja sonst wie andre Leute ein Gewissen.
Ehrenhold. Und es wären dann nicht so viele heimliche Giftmischer in Rom.
Hutten.. Vadiscus sprach weiter: Drei Dinge gäbe es zu Rom im Überfluß, alte Gesichter, Gift und zerbrochene Mauern. Und ich setzte hinzu: Drei Dinge sind aus Rom ins Elend vertrieben, Einfalt, Mäßigkeit und Frömmigkeit.
Ehrenhold. Gutgesagt! Die Sitten der Stadt Rom dulden keine Einfalt; niemand führt in Rom ein mäßiges Leben, und wer ist dort fromm und redlich?
Hutten. In Wahrheit, selten einer; aber in der Achtung der Leute jeder, der viel Geld hat und reich ist.
Ehrenhold. Ganz gewiß. Das ist aber eine böse Achtung, und es wäre viel nützlicher, sie aus Rom zu vertreiben, als das Gift der Skorpionen, Schlangen und Taranteln, das nur dem Körper des Menschen todbringend ist. Rom ist auch vielmehr bemitleidenswert dadurch, daß es von den Tugenden, dem strengen, ehrbaren Leben und den guten Gewohnheiten der alten Römer abgewichen ist, als daß so viele und übermäßig schöne zerfallene Gebäude und wohlgebaute zerstörte Häuser darin sind. Ja fürwahr, das ist mehr zu bedauern. Man sollte auch billiger beweinen und beklagen, daß statt der alten Männer wie Scipio, Marcellus, Maximus, Cato, Metellus, Cicero und Marius nach Rom gekommen sind, eitele Männer wie Vitellius, Otho und mehr als die Nero und Domitian Werkmeister und Künstler aller Unkeuschheit, ergebene Knechte des Geizes und nach zeitlicher Ehre Begierige, die sich durch Scheußlichkeit und Tyrannei bekannt machen, von allen Tugenden, aller Vernunft verlassen sind; mehr, sage ich, ist das zu beweinen, als daß die Stadt, die einst von Marmor und Silber glänzte, jetzt unscheinbarer geworden ist durch die Gebäude von Backstein und Kalk. Nach Sueton, Octav. 28 rühmte Augustus das Gegenteil von sich selbst!
Hutten. Du hast einen scharfen Verstand. Wie gefällt dir aber, was er weiter sagte: Die Römer handeln mit dreierlei Ware, mit Christus, geistlichen Lehen und Weibern.
Ehrenhold. Wollte Gott, allein mit Weibern und wichen nicht oft von ihrer Natur ab!
Hutten. Viel wollte Vadiscus davon reden, ließ es aber aus Scham unterwegs. Aber die Römer schämen sich nicht ihrer Schmach, denn sie rühmen sich dessen allerorten, und damit die Verderbtheit ihrer Gemüter bleibe, schreiben sie Verse und Reime darüber. Wir können uns aber über das, was zu Rom geschieht, um so weniger wundern: denn was haben ihre Legaten so oft hier im deutschen Lande vor unsern Augen getrieben? Jedoch meinte Vadiscus, den Römern seien drei Dinge schrecklich und peinlich zu hören: wenn von einem allgemeinen Konzil gesprochen, einer Reformation des geistlichen Standes gedacht würde, und daß die Deutschen jetzt Augen bekämen. Noch vor drei andern Dingen seien sie in Besorgnis und Furcht: vor der christlichen Fürsten Einigkeit, vor der Aufklärung des Volkes und vor der Entdeckung ihrer List und Trügereien.
Ehrenhold. Fürwahr, der kennt Rom gut! Sollte es jemals wieder zu einem freien Konzil kommen (das suchen sie aber aufzuhalten und zu verhindern, denn es schmerzt sie noch die Wunde, die sie in dem Konzil zu Nicäa Das Konzil zu Nicäa fand im Jahre 325 statt: hier wurden die Bischöfe von Antiochien und Alexandrien dem römischen Bischof (nachmaligem Papst) als ebenbürtig zur Seite gestellt. empfangen haben), oder doch endlich einmal die Reformation der Geistlichen ihren Anfang nehmen, wovon man so lange und viel geredet, und womit man ihnen oft gedroht hat; oder unsere Deutschen wollten erkennen, wie man mit ihnen umgeht; oder die Fürsten der Christenheit wollten eine feste Einigkeit unter sich aufrecht erhalten; oder das gemeine Volk wüßte zwischen dem rechten christlichen Glauben und dem Aberglauben zu unterscheiden; oder jedermann wollte mit Augen sehen und im Herzen verstehen die große Schande und Schalkheit, die die Romanisten täglich betreiben: – fürwahr, es würde dann dahin kommen, daß man nicht mehr sähe Christus, den Himmel, das ewige Leben und der Seelen Seligkeit zum Kauf feil stehen! Sie würden auch nicht mehr die geistlichen Lehen verkaufen dürfen und, glaube ich, ein mäßigeres Leben führen.
Hutten. Nicht anders.
Ehrenhold. Aber dem Konzil sind sie so sehr zuwider, daß, wie ich höre, der Papst alle deutschen Bischöfe bei der Einsetzung zwinge, ihm vor Gott und den Heiligen zu schwören, daß sie nie die Abhaltung eines Konzils fordern wollten. Ein Konzil bestand aus den Abgeordneten der Fürsten und ihren gelehrten Beiräten, sowie aus den Bischöfen, Aebten und Prälaten. Als selbständige Zentralbehörde der Landeskirche stand es der Kurie gegenüber, deren Rechte zu beschränken es stets bestrebt war. Daraus erklärt sich der Eifer der Päpste ein solches Konzil zu verhindern.
Ehrenhold. Ist dem so, dann könnte wohl keine größere Sünde und Schande geschehen.
Hutten. Das bekenne ich. Vadiscus meinte ferner: Drei Dinge könnten Rom von allen seinen Gebrechen helfen und heilen.
Ehrenhold. Welche?
Hutten. Die Abwendung vom Aberglauben, die Beseitigung der Officien Kirchen- und Kanzleiämter und die damit verbundenen Pfründen. und die Umkehr des ganzen römischen Wesens.
Ehrenhold. Mit dem letzten allein wär es genug; denn würde der Romanisten Regiment und böses Leben verändert, so hätte auch der Aberglaube keine Stätte mehr; wenn ihre schandhaften bösen Gewohnheiten (Gott gebe bald!) zur Besserung geführt würden, dann gäb es auch keine Officien mehr, die man ganz und gar nicht denkt zu beseitigen, vielmehr rechnet man es dem Papst Julius zum großen Lobe an, daß er ihre Zahl vermehrt hat. Wir wollen aber wünschen, daß anstatt der Officien zu Rom – die da Werkstätten von Betrügereien, Untreu, Schande und Laster sind, worin man wie in einer Schule Verführung, Ungehorsam und allerhand böse Stücke lernt, worin man wie in einem Kramladen alle Unfrömmigkeit und Bosheit feil hält –, wir wollen also wünschen, daß solche Officien Anspielung auf die Officien des Cicero ( de officiis. d.h. über die Pflichten), ein Werk, das 1531 durch Schwartzenberg ins Deutsche übersetzt, von Hans Burgkmair trefflich illustrirt wurde und ein beliebtes Volksbuch war. in Gebrauch kommen, von denen die Weisen und Gelehrten viel geschrieben haben, die der Menschen Gemüter zieren und sonst Tugenden genannt werden.
Hutten. Drei Dinge hält man zu Rom in großem Werte: hübsche Frauen, schöne Pferde und päpstliche Bullen.
Ehrenhold. O Frauen! o Pferde! o Bullen! Soll man auf diese Dinge größern Fleiß verwenden, als auf den christlichen Frieden, auf unsern Glauben, die evangelische Wahrheit und mit einem Worte auf die christliche Liebe? Ist es wohl unsers Herrn Christus Meinung und Gedanke gewesen, sich einen Nachfolger zu setzen, der sein göttliches Gesetz und seine Ordnung verachte, ein neues unchristliches Leben führe, die ganze Welt mit Ablaß und Bullen vexire und belästige? Zwar ist ein Papst oder Bischof zum Hirten der Seele gesetzt: aber darf er einem das ewige Leben oder den Himmel mit Brief und Siegel verschreiben, da doch in den Geschäften der Seele weder Brief noch Zeugnis vonnöten ist, sondern ein gutes Gewissen, das Gott dermaßen kennt, daß er, der aller Menschen Gedanken kundig ist, niemandes Zeugnis und Beglaubigung
darüber bedarf?
Hutten hatte, ebenfalls vor Pavia, ein treffendes Epigramm darüber gedichtet, das nach Straußens Uebersetzung hier folgen mag:
Vom Ablaß des Julius.
Dreimal hab ich mir nun die Freuden des ewigen Lebens,
Und was weiter ich kaum wagte zu hoffen, erkauft,
Dreifach hab ich dafür den Schein mit dem Namen empfangen,
Und mit dem Siegel in Wachs: aber nur Namen und Schein.
Dreifach war ich ein Tor: denn wer mag hoffen, zu kaufen.
Was, wers etwa besitzt, sicher verkaufen nicht mag;
Wollt ers jedoch, so könnt er es nicht verkaufen. –
Der Himmel Steht um den einzigen Preis redlichen Wandels zu Kauf!
Dann wie lächerlich auch, als bedürfte das himmlische Leben
Irdischer Zeugen, dafür Siegel verlangen und Brief!? Was tut denn mit hübschen Pferden ein Stellvertreter Christi, der doch selbst nur einmal auf einem schlichten Esel gesessen hat? Will er Krieg führen? Fürwahr, Christus hat die Kriege gescholten und ruhiges Leben gepredigt, zum Frieden geraten, den er auch seinen Nachkommen als Erbteil hinterlassen hat.
Joh. 14, 27. Ebenso liegt es auch sehr weit von Christi Lehre ab, die Weiber vor allen Dingen lieb zu haben und der unkeuschen Lust zu Pflegen; das aber tun grade die, die er gänzlich nach dem Geist hat leben heißen, denen er kaum in der Ehe die leibliche Lust erlaubt hat. Oder hat der Papst Calixtus darum den Pfaffen
Calixtus II., siehe die frühere Bemerkung darüber! die Ehe verboten, daß daraus ein bübisches, unzüchtiges, unfrommes Leben entstünde und die geistliche Sache der heiligen Ehe zu einer schändlichen und lasterhaften Büberei ausarte?
Hutten. Drei Dinge, sagte Vadiscus, seien zu Rom im gemeinen Brauch: fleischliche Wollust, köstliche Kleider und Hoffart oder Übermut.
Ehrenhold. In der Tat sind die drei allgemein. Man hält in Rom die Unkeuschheit für die Königin des menschlichen Lebens; sie richten ihre Gedanken darauf, der Unkeuschheit in mancherlei Gestalt und auf seltsame, wunderliche, unerhörte Weise zu pflegen, so daß sie sogar den Kaiser Tiberius Tacitus Annalen VI, 1. und seine Lustknaben, die man spintriae nennt, übertreffen. Ja, die Unkeuschheit in der gewöhnlichen Weise zu betreiben, verachten sie und heißen es Bauernwerk, denn zu Rom tut man Dinge, die wir uns hier zu sagen schämen, so widernatürlich sind sie!
Hutten. Sie entfalten allda auch eine große Pracht in der Kleidung.
Ehrenhold. Eine größere, als irgend wo!
Hutten. Nicht allein die Leute kleidet man dort zierlich, auch die Maulesel müssen geschmückt, mit Gold gezäumt, mit Purpur, Seide und Samt behängt sein.
Ehrenhold. Wie großen Stolz und Übermut zeigen da die Romanisten!
Hutten. So großen, daß sie darum mit Recht von jedermann gehaßt werden. Deshalb wunderts mich oft, daß man dem Kaiser Diokletian Der römische Kaiser Diokletian regirte von 284-305. darum, weil er Edelsteine an seiner Kleidung gehabt und zuerst unter allen römischen Kaisern eine Krone getragen hat, den größten Hochmut zuschreibt, da wir doch jetzt sehen, wie ein christlicher Papst seinen Scheitel mit einer dreifachen Krone ziert und von den Fürsten der Welt sich die Füße küssen läßt.
Ehrenhold. Ich weiß nur, daß Christus den Seinen die Füße gewaschen hat.
Hutten. Ist das nicht ein maßloser Hochmut, sich die Seligkeit beizulegen, sich den Allerheiligsten nennen zu lassen, ihn, der noch im Körper lebt und vielleicht nicht einmal gut, sondern verkehrt lebt? Denn wer kann sich eines frommen, geschweige eines heiligen Papstes entsinnen? Jedoch – Leo der Zehnte nennt sich jetzt einen Wiederbringer des Friedens.
Ehrenhold. Wir vermögen uns keines solchen zu erinnern, auch höre ich nicht von den Alten, daß es zu ihren Zeiten einen gegeben hat; in keinem der Geschichtsbücher finde ich, daß seit einigen hundert Jahren ein redlicher, tauglicher Papst gelebt hat. Wohl sind ihrer viele große Krieger gewesen, haben Städte und Schlösser zerstört, haben Gut und Gelde nachgestellt und dem verdammten Geiz gefrönt; aber man muß weit zurückgehen, ehe man einen findet, der eifrig in der göttlichen Liebe gewesen ist, im Sinne der evangelischen Schriften gelehrt oder mit der Inbrunst seines Herzens sich wahrer Geistlichkeit befleißigt hat.
Hutten. Darum sollten sie den Namen lieber aufgeben.
Ehrenhold. Das sollten sie. Sag mir aber eins: wie reimt es sich, daß man in der Kirche für einen, der sich den Allerheiligsten nennen läßt, bittet, daß er selig werde? Denn wir singen in der Kirche: »Wir bitten für unsern Papst Leo, Gott wolle ihn erhalten, erquicken und selig machen auf Erden.«
Hutten. So wie sich andre Dinge ihren Sachen anpassen und fügen.
Ehrenhold. Ist das für eine kleine Hoffart zu erachten, daß zu unsern Zeiten der Statthalter Christi, wie er sich nennt, den römischen Kaiser die Kaiserkrone zu seinen Füßen knieend empfangen läßt?
Hutten. Das ist vor allem eine große und übermäßige Hoffart. Ich höre aber von einigen, die da meinen, Karl werde diese Unbilligkeit nicht leiden und den päpstlichen Fuß nicht küssen.
Ehrenhold. Wenn dem so wäre, was würde er dann zu erwarten haben?
Hutten. Daß man ihn für hochverständig hält und sagt, er vertraue sich selbst, lasse die christliche Wahrheit nicht fälschen und die Herrlichkeit des Reiches und seines Standes nicht in Misachtung geraten.
Ehrenhold. Und daß ihm die Allergelehrtesten Lob spenden?
Hutten. Ja, in ganzen Büchern.
Ehrenhold. Und daß ihm die Griechen ein Gastmahl im Prytaneum zurichten? Der Versammlungsort der höchsten Staatsbeamten in Athen, wo um den Staat verdiente Männer lebenslang unterhalten wurden. Ein solches Festesten war eine Ehre, deren sich Sokrates, statt seiner Verurteilung, für würdig erklärte. Als ihn nämlich die Richter fragten: welche Strafe er seiner Ansicht nach verdiene, antwortete Sokrates: zeitlebens im Rathause auf Staatskosten gespeist zu werden!
Hutten. Ja, und daß ihn jedermann begrüße als einen Wiederbringer der deutschen Freiheit und ihm, wo er wandelt, nachrufe: du allerstarkmütigster, du allergerechtester, du allerfreiester Kaiser! ihn nenne den rechtgeistlichen und wahren christlichen Herrscher. – Wir kommen aber von der römischen Dreifaltigkeit ab.
Ehrenhold. So fange wieder an; was sagt Badiscus weiter?
Hutten. Dreier Dinge pflegen die Müßiggänger zu Rom: Spaziren, Buhlen und Prassen.
Ehrenhold. Das ist wahr, nichts anders pflegen sie. Die andern in Rom aber, die man nicht für Müßiggänger hält, sinnen, denken, trachten, wie sie durch Schreiben, Reden, Bitten, Schmeicheln, durch Verräterei, Dieberei, Räuberei, Fälschung und allerlei Betrügerei etwas ausrichten können.
Hutten. Drei Gerichte essen die Armen in Rom, sagt Badiscus: Kraut, Zwiebeln und Knoblauch, die Reichen wiederum auch drei: den Schweiß der Armen, das Gut, durch Wucher und Trug gewonnen, und den Raub am christlichen Volk.
Ehrenhold. Das gesegne ihnen der Teufel!
Hutten. Es seien auch dreierlei Bürger in Rom: die Simon, die Judas und das Volk von Gomorra.
Ehrenhold. Das ist schrecklich zu hören, aber wahr; sie verdammen zwar die Simonie Simonie ist der Handel mit geistlichen Aemtern, sogenannt nach dem Zauberer Simon (Apostelgesch. 8, 9-24), der die Gabe der Mitteilung des heiligen Geistes durch Händeauflegen von den Aposteln erkaufen wollte. Siehe auch die frühere Bemerkung S. 98. mit Worten durchaus, üben sie aber in Werken, so daß dort nichts gemeiner ist, als das.
Hutten. Vor allem machen sie sich verhaßt bei uns Deutschen, die sie für gar so dumm und hirnlos halten, zu glauben, daß Geld für etwas geben nicht gekauft heiße. Und doch tun sie das so öffentlich, daß sie auch die Fugger mit den geistlichen Lehen wie mit andrer Kaufmannsware Handel treiben lassen. Ich selbst (das ist zwar nur eine geringfügige Sache) hab es einst für Geld von ihnen erkauft, daß ich in den Fastentagen Butter und Milch essen dürfe. Und als ich darauf nach Rom kam, hab ich die ganze Fastenzeit hindurch nie eine Fleischbank schließen sehen, ja einige Kardinäle speisten die Zeit über Fleisch in ihren Höfen ohne Unterbrechung.
Ehrenhold. Das haben wir in Rom gesehen; was ist aber bald darauf in Frankfurt geschehen? In welcher Aufregung hat nicht das Volk des Papstes Gesandte verflucht? Denn sie hielten sich nicht nach der christlichen Satzung, sondern aßen die Fasten über allerlei Speise, ohne zu beachten, was geboten oder verboten wäre.
Hutten. Und ließen sich nichtsdestoweniger Butterbriefe Der päpstliche Gesandte verkaufte in den sogenannten Butterbriefen um teures Geld die Erlaubnis, während der kirchlichen Fastentage Butter genießen zu dürfen. abkaufen?
Ehrenhold. Nichtsdestoweniger. Trotzdem blieben sie bei ihrer Weise und Gewohnheit ohne Rücksicht darauf, ob sich das Volk über ihre bösen Sitten ärgere; denn hätten sie dies bedacht, sie hätten nicht so offenbar die Gesetze übertreten.
Hutten. Haben sie auch die Reden gehört, die man darüber laut werden ließ?
Ehrenhold. Ja, einige; man hat es ihnen zugerufen.
Hutten. Und was antworteten sie?
Ehrenhold. Die deutschen Fische bekämen ihren Magen nicht.
Hutten. Was sagte das Volk dazu?
Ehrenhold. Es glaubte sogar, daß sie aus Geiz Fleisch äßen, denn die Fische waren teuer.
Hutten. Das reimt sich eben. Zwar will ich dies nicht sehr schelten, denn wenn sie doch einmal ihre Bäuche zu füllen gedenken, so ists gleich, ob sie es mit diesem oder jenem tun. Es ist auch nie die Absicht Christi gewesen, einen Unterschied in der Speise zu machen: er heißt seine Apostel essen, was' man ihnen vorsetze, wohin sie kommen. Luc. 10, 8. Das ist auch des Sankt Paulus ernstliche Meinung gewesen, der da sagt: Mit der Speise mögen wir Gott nicht dienen; 1. Korinth. 8, 8. und an einem andern Orte: Esset alles, was man am Speisemarkt seil hält, ohne das Gewissen zu befragen. 1. Korinth. 10, 25. Weil aber Päpste ein solches Gesetz gemacht haben, sollten sie und die Ihrigen uns darin vorangehen, damit sie uns ein Beispiel und eine Anweisung gäben in der Verordnung, die sie gestiftet haben. Im Gegenteil aber übertreten sie, was sie selbst eingesetzt haben, und gestatten andern für Geld, es zu übertreten. – Doch wir wollen zur römischen Dreifaltigkeit zurückkehren. Du weißt, auf welche Art sich die Kardinäle zu kleiden pflegen, wie sie in langem Scharlach, der hinten nachschleift, einherreiten, dazu sich eigene Diener halten, die nichts anders zu tun haben, als den Kardinälen, wenn sie gehen, die Schwänze nachzutragen und darum Caudatarii genannt werden, was wir mit Schwanzträger übersetzen. Darüber scherzte Vadiscus und sprach: Die Kardinäle schleifen drei schädliche Schwänze hinter sich her, den einen an ihren Röcken, womit sie durch Erregung des Staubes in ganz Rom die Augen der Menschen kränken; den andern, ihr Gesinde und Dienstvolk, das besteht gewöhnlich aus lauter Buben, Gassentretern, Raufbolden, Meuchelmördern, Verrätern, Lügnern, schalkhaften Höflingen oder aus Leuten, die sonst schlecht gesittet sind, oder aus verrufenem, beflecktem Gesindel ...
Ehrenhold. Was besinnst du dich?
Hutten. Ich habe den dritten Schwanz vergessen. Doch jetzt komm ich wieder darauf. Der dritte Schwanz ist ihre Nahrung und ihr Einkommen: denn sie gelangen dazu durch nichts anders als durch Betrug, Rauben und Stehlen, und so fegen sie manchem Biedermann sein ärmlich Gut mit diesem Schwanze weg, der, als ob er Gift in sich hätte, alles, was er anrührt, in sich aufsaugt. Du weißt ja, wovon die Kardinäle leben.
Ehrenhold. Daß sie nicht aus eignen Mitteln leben, weiß ich. Im vergangnen Jahr hab ich ein jämmerlich Geschrei gehört über die Kreaturen des Papstes Leo; einunddreißig ganzer Kardinäle hat er an einem Tage geschaffen, ich glaube, aus einem Ei gebrütet, denn sie nennen alle die Kirche ihre Mutter. Siehe Anmerkung Seite 14.
Hutten. Und als er die geschaffen hatte, zierte er jeden mit neuen Schwänzen und verteilte unter sie die Länder diesseits des Gebirges, damit sie darin lügen und betrügen könnten, das heißt geistliche Lehen verkaufen oder neue Pensionen auflegen. Darüber ließ sich Vadiscus in einer langen Rede aus, und als ihn einer fragte, was denn der Papst sich selbst vorbehalte zum Raube, wenn er den Kardinälen die Länder zum Plündern überließe, da antwortete er: der Papst besitze eigene Städte und Länder, die ein großes und weites Gebiet bilden, außerdem hat er noch Gratien und andre Einkünfte, die man espectativae Freiwillige Abgaben, auf die der Papst Anspruch erheben zu können glaubte. nennt. – – Es gibt nun aber auch den Vorbehalt im Herzen, pectoralis reservatio genannt, der unziemlichste, schalkhafteste, lästerlichste Trug, der je erdacht und angewendet worden ist.
Ehrenhold. Wenn ich von dieser reservatio höre, werde ich zu seufzen veranlaßt. Das soll ja ein großes Übel sein, sagt man.
Hutten. Fürwahr, wie mich dünkt, hat kein Landesbetrüger oder Fälscher je einen schändlicheren Betrug erdacht, kein Zauberer ein lästerlicheres Gespenst vorgeführt, es übertrifft alle Betrügerei, alle Bosheit, geht über alle Lügen. Bevor ich aber davon spreche, will ich dir in der Kürze viele Dinge vorführen, womit Rom das Volk sehr beschwert. (Das geb ich nicht nach Vadiscus, denn der hat sich darüber nicht ausgelassen, sondern nach meinem eigenen Gedächtnis.)
Ehrenhold. Lieber, trage vor; ich habe mir vorgesetzt, meinen Magen, der sich dieses Grauens schon entwöhnt hatte, von neuem zu belästigen, damit wir diese unlustige Speise mit einem Male verschlucken, aber auch die Haut, womit die alte Wunde überzogen war, wieder abreißen. Sprach nicht Vadiscus zunächst von den Höflingen?
Hutten. Davon sprach er zwar viel, zuerst aber davon, was der Papst und andre rauben. Dem Papst gehört der Erlös aus den Bischofsmänteln; sein eigen ist ferner das Einkommen aus dem Ablaß und das, was man für die Dispensationen an Rom zahlt. Item, was seine Legaten unter dem Vorwand eines Türkenkrieges im deutschen Lande sammeln, und das, was er aus den Bullen löst.
Ehrenhold. Du brauchst hier nicht die Unterschiede anzuführen, denn es ist nicht nötig, zu wissen, was uns ein jeder abnimmt, oder wie sie unser Gut unter sich teilen; aber wir sollen unsern Schaden bedenken und mit inbrünstigem Schmerz und Erbarmen das Unrecht und die Gewalt, die uns von den Romanisten geschehen, beherzigen, und wenn wir nicht durch Rache Abwehr erlangen können, uns wenigstens mit Klagen und Einsprüchen, die die Bitterkeit unseres Schmerzes bezeugen, dagegen wenden. Rede zuerst von den Höflingen, von dem römischen Wesen und Stand, was dir Vadiscus, ein Prediger dieser Tragödien, gesagt hat; wir haben selbst viel davon gesehen und uns oft, nicht ohne große Gefahr, dagegen hören lassen. Was willst du nun zuerst, was nachher vortragen, und weil der Dinge so viele sind, welche Ordnung willst du inne halten?
Hutten. Was? Ordnung? Als ob in dieser Verkehrtheit eine Ordnung gehalten werden könnte. Ich will von dem zuerst reden, was mich vor allem am meisten aufregt. Sie behaupten, uns geschehe kein Unrecht von ihnen; zum Beweise zeigen sie eine Bulle vor, Concordata principum In diesen »Fürstenkonkordaten« bestätigt Papst Eugen IV. im Jahre 1447 den deutschen Fürsten den größten Teil der Beschlüsse der Konzile von Konstanz und Basel. Es war ihnen darin die Wahlfreiheit der Geistlichen gewährleistet, sowie Bestimmungen über Annalen, Appellationen, Ablässe, Dispensationen und über die Zahl der vom Papste zu verleihenden Stellen festgesetzt. Wimpfeling gab 1513 diesen sog. Aschaffenburger Rezeß unter dem Titel: Concordia principum nationis Germanae etc. heraus. genannt. Der kann man zwar an keinem Orte widersprechen, aber dennoch muß man sagen, uns könnte kein schwereres Joch, kein schändlicherer Zwang auferlegt werden. Wir sehen sie aber noch weiter um sich greifen und außer diesem noch andres Unrecht auf uns häufen, und nirgend ist zu sehen, daß sie in ihrer Bosheit Maß halten oder an einer Grenze stehen bleiben, wie weit sie auch gezogen sei.
Ehrenhold. Fürwahr! Die sind nicht des deutschen Namens, geschweige fürstlicher Ehren wert gewesen, die zuerst diese zwieträchtige Eintracht mit den römischen Bischöfen gemacht haben. Durch allerhand von der römischen Kurie in Aussicht gestellte Vorteile ließen sich die Kurfürsten von Brandenburg und von der Pfalz ködern; selbst Kaiser Friedrich III. wurde von dem fuchsschlauen Aeneas Sylvins Piceolomini (nachmal. Pius II.) übers Ohr gehauen, wie auch der Kurfürst von Mainz, dessen Räte sich bestechen ließen! Aber wir sind dreifältige Narren, daß wir, wo wir einen Irrtum gut machen könnten, den unsere Vorfahren einmal begangen haben, uns immer wieder beschwatzen lassen und es nun bei lebendigem Leibe, bei gesunden Augen und freiem Willen zu unserm größten Schaden entgelten müssen. Und damit nicht genug; noch täglich lassen wir uns mit weitern und größern Ungerechtigkeiten beschweren. Ich glaube aber, sie sind anfangs nicht mit Gewalt und Ungestüm, sondern mit List und Kunst zu solchen Dingen gekommen.
Hutten. Ganz so ist es! Mich dünkt auch, der erste Weg zum Betrug ist ihre angenommene Gottesliebe und erheuchelte Andacht gewesen. Denn sie haben vorgegeben, es sei nötig, die Kirche in Einigkeit zu erhalten, und schoben nun zu diesem Zwecke die Herrschaft ihrem römischen Bischof zu; dem verschafften sie zunächst das Recht, daß ihm alle Bistümer und fürstlichen Kirchenlehen hier im Lande, wenn deren Verweser in Rom stürben, verschrieben wurden, und daß er alle, die bei ihren Kirchen bleiben würden, einsetzen sollte zunächst ohne Geld; später aber erfanden sie für die auswärtigen die Pension, für die einheimischen die Bezahlung des Bischofsmantels, die sie beide mit der Zeit ganz an sich brachten. Mit gutem Bedacht setzten sie anfangs eine verächtlich geringe Summe an, steigerten sie aber mehr und mehr, so daß sie schließlich sehr beträchtlich angewachsen ist.
Ehrenhold. Durch diese Niedertracht haben sie es dahin gebracht, daß des Mainzischen Bischofs Mantel jetzt noch ebenso viel gilt als vor Zeiten.
Hutten. Das nennen Sie eine Strafe. Denn als Zeiten ein redlicher, der Ehren höchst würdiger Bischof gewählt war, ließ er sich willig von einem römischen Bischof einsetzen, kaufte ihm aber keinen Mantel ab, und als er hartnäckig bei seiner Weigerung verblieb, traf ihn der damalige Papst mit dem Bann. Hutten spielt hier auf Dietrich von Isenburg an, der 1461 von Pius II. abgesetzt ward. Darum ist allen seinen Nachfolgern, weil das Stift Mainz einmal dieses Unrecht – so nennen sie die gerechte Verweigerung – begangen hat, zur ewigen Strafe auferlegt, das Pallium, das ist der Bischofsmantel, doppelt zu bezahlen. Hat der erste zehntausend Gulden gegeben, so fordern sie jetzt zwanzigtausend und lassen nichts davon ab; er muß außerdem alle die in Rom, die bei der Sache zu tun haben, also die sie einleiten, Antworten bestellen, zwei Worte schreiben, die Bulle und das Blei zurichten und die das hübsche Mäntelchen nähen, sich mit großen Geschenken geneigt machen und dazu eine herrliche Gesandtschaft mit schweren, unerträglichen Kosten nach Rom schicken. Ist dies einmal vor hundert oder zweihundert Jahren geschehen, so sollte es doch, um der ketzerischen, verfluchten Neuerung im Christenglauben willen, nicht mehr gelitten werden. Da lebt in dem Bistum Mainz ein alter Mann, der erinnert sich an acht Bischöfe von Mainz, den jetzigen Herrn Albrecht Albrecht von Brandenburg, Kurfürst von Mainz, in dessen Diensten sich Hutten ein Jahr lang sehr wohl fühlte: er war gerade recht gesund, bekam gute Bezahlung und konnte seine Zeit der Muse widmen! eingerechnet: so viel Mäntel sind zu Lebzeiten eines Menschen in diesem Bistum gekauft worden; Der achte Vorgänger Albrechts war Dietrich von Erbach, der 1459, also vor 61 Jahren, gestorben war. dadurch ist es in so merklich große Schulden geraten, weil der gemeine Mann so oft besteuert worden ist, daß jetzt ein Bischof kaum so viel Einkommen hat, um sich in seinem Stande zu erhalten.
Ehrenhold. Wenn nun dasselbe Bistum wieder leer würde, meinst du, daß man von neuem einen Mantel in Rom kaufen würde, trotzdem das Bistum dermaßen verkommen ist?
Hutten. Gott behüte den frommen Fürsten! Wenn sich aber dieser Fall begäbe, fürwahr! man würde wieder einen Mantel kaufen, ach Gott! man würde ihn kaufen!
Ehrenhold. Es wär aber kein Geld da, und das Volk würde nicht steuern wollen.
Hutten. Lieber, der Misbrauch ist so groß, daß sich die Leute selbst schätzen würden; und wollten sie auch nicht einträchtig in eine Schätzung willigen, so würde man bald einen finden, der den Mantel von seinem Eigentum und Erbe kaufte, um das Bistum zu erlangen. Das hatte Huttens Gönner, Albrecht von Brandenburg, Erzbischof von Magdeburg und Mainz, selbst getan, das Geld hierzu sich aber von den Fuggern leihen müssen. (Siehe Einleitung S. XXX.)
Ehrenhold. Dann würde auch keine Wahl stattfinden?
Hutten. Nein. Der Papst würde den armen, bedürftigen Erwählten, als der bischöflichen Ehren unwürdig, nicht einsetzen und bestätigen, sondern einen wohlhabenden zulassen. Ich sehe aber, daß sich unsere Domherren in dieser Sache sehr klug benehmen, indem sie vorbeugen, daß der Papst nicht gescholten werde.
Ehrenhold. In welcher Weise?
Hutten. Wenn sie sehen, daß das Stift kein Geld hat, und die Gemeinde mit der Steuer Schwierigkeiten macht, so finden sie den Ausweg, daß sie einen Reichen wählen, der die Gelder bezahlt, auch wenn er sich nicht sehr dazu eignen sollte.
Ehrenhold. Dann wird uns auch mit Recht vorgeworfen, daß wir uns mutwillig in solch schändlichen Dienst und Zwang begeben und uns die Freiheit nehmen lassen. Man kann das auch nicht Gewalt oder Unrecht nennen, was einer aus freiem Willen tut.
Hutten. Wie du sagst, so ists. Die Romanisten rücken uns gar noch ihre Wohltaten vor und reden von dem Fleiß, den sie anwenden, unsere Seelen zu versorgen, wie sie darauf sehen, daß kein Unwürdiger zum Bischof gewählt werde. Dieses Verdienst – als ob es von ihnen ausginge – halten sie uns vor und wollen für diese Belästigung noch mit Wohltaten überschüttet werden.
Ehrenhold. Wenn man nun einen Weg fände, daß sich das Volk im Stift den Domherren widersetzte, und der Adel einen frommen und geeigneten Bischof haben wollte, der kein Geld hat und auch nicht danach trachtet, und wenn sie den Domherren sagten, daß sie gedächten, nicht einen Pfennig nach Rom für den Mantel zu schicken: würde dies nicht den andern Stiften ein Beispiel geben und so die Last beseitigt werden können?
Hutten. Es würde keinen Nutzen bringen, denn man würde Fürsten finden, die den Mantel bezahlten und sich vom Papst zum Bischof machen ließen; die würden dann ihr Recht gebrauchen, das gemeine Volk und den Adel zwingen, und so wider aller Willen mit Gewalt herrschen. Aus einer solchen Ursache hat sich zur Zeit unserer Alten ein sehr schändlicher Krieg entsponnen: zwei Bischöfe, der eine von den Domherren gewählt, der andre vom Papst bestätigt, gerieten in Streit, überzogen die arme Stadt mit Krieg, nahmen und plünderten sie, und das Stift geriet dadurch in große Not und Verderben. Durch die Fehde zwischen D, von Isenburg und Adolf v. Nassau, 1461–1463. Jener war vom Domkapitel erwählt, dieser vom Papst bestätigt. Dietrich siegte im Gefecht von Sackenheim, 1462, wurde aber schon im selben Jahre vertrieben und erst nach Adolfs Tode, 1475, aufs neue gewählt. Er starb 1482.
Ehrenhold. Ich merke schon, auf welchem Wege die Päpste es durchsetzen, daß der in deutschen Landen Bischof ist, den sie wollen, und daß sie von ihnen Gewinn erlangen, so viel ihre Habsucht fordern mag.
Hutten. Kein Gewinn ist ihnen aber genug, und darum ist immer der letzte Mantel teurer als der vorige, und so steigen die Forderungen der Römer hier von Tag zu Tag bei uns.
Ehrenhold. Darum, glaub ich, würde es eine Arzenei sein, diesem Schaden abzuhelfen, wenn alle Deutschen einträchtig mit Ernst und mit der der deutschen Art eigenen Standhaftigkeit das römische Joch abwürfen, sich der Bürden, die nicht nur schwer zu tragen, sondern auch schändlich zu erdulden sind, entlüden und ihre alte Freiheit wieder herstellten. Ich fürchte aber, daß der Aberglaube das nicht zulassen wird, denn der hat sich tief in das Herz der Deutschen eingefressen.
Hutten. Es wird doch geschehen. Ja, ich darf sagen, mit demselben Joch werden wir zugleich auch den Aberglauben abwerfen, und wir Deutschen werden nachher verstehen, welch ein großer Unterschied ist zwischen der wahren Ehre Gottes und der päpstlichen Tyrannei und Dienstbarkeit, werden sehen, daß das, was wir im Überfluß den Romanisten geben, nicht auf geistliche Dinge verwandt, sondern zur Erhaltung des verdammten, sündhaftesten Lebens vieler schändlicher, böser Buben verbraucht wird. Die Leute werden nicht mehr, wie zuvor, wähnen, daß unsere Freigiebigkeit, die wir bei diesen Abgaben erzeigen, gut und nützlich angewendet sei, denn sie werden sehen, daß bei dieser unnützen Vergeudung nichts für den Gottesdienst oder für den gemeinen Nutzen geschieht, sondern zur Einrichtung vieler lästerlicher, schändlicher, böser Werke, die uns zu großem Spott und Schaden dienen, zu böser Nachrede und Schande des gemeinen christlichen Glaubens bei Heiden und Türken. Denn was könnten sonst die Ungläubigen an uns schelten, wenn sie uns nicht der Romanisten Leben vorzuwerfen hätten, indem sie sagen: Wenn die Häupter des Christenglaubens so krank sind, wie mögen sich dann die andern Glieder desselben Körpers gehaben!?
Ehrenhold. Es ist böse genug. Meinst du aber, wenn wir dem Körper das sieche Haupt abschlügen, daß er dann am Leben erhalten bliebe?
Hutten. Ohne Haupt kann ein Körper nicht leben; aber es ist auch nicht vonnöten, das Haupt abzuschneiden, sondern man mag, was siech ist, ausschneiden und dadurch die Krankheit heilen und die Gebrechen beseitigen: gleichwie ein guter Arzt erst die Ursache des Siechtums hinwegzunehmen, die Wurzel, aus der es hervorwächst, auszuziehen Pflegt, damit dann das Gebrechen, sobald es keine Nahrung und keinen Boden mehr hat, seiner Macht beraubt, mit der Zeit selbst verschwinde und sich verzehre. Denn dieses Haupt ist auch noch zu heilen, selbst wenn es bei der Bitterkeit des Heilmittels nicht ohne große Schmerzen geschehen könnte.
Ehrenhold. Ich versteh dich; du meinst, man solle die Geistlichen von ihrem üppigen Leben abziehen, sie der wahren Geistlichkeit zuwenden und ihres Amtes warten heißen? Damit sie an ihrem geistlichen Leben nicht behindert und von aller bösen Anreizung frei blieben, solle man ihnen ferner den großen, überflüssigen Reichtum, ebenso ihre verkehrten, schlimmen Freiheiten nehmen, worauf sie sich so viel verlassen, und sie wieder zur Einfachheit, Bedürfnislosigkeit und unschuldigen Armut zurückführen. Denn wahr ist, was ein griechischer Dichter sagt:
Würd nicht so viel Einkommen sein,
Dann möcht oft einer frommer sein.
Zitat aus dem Komiker Diphilus. (Fragm. bei
Stob. floril. X.
Hutten. Nicht anders. Aber du wirst finden, daß der größte Teil der Pfaffen um der Süßigkeit dieser Krankheit willen die angegebene Arznei nicht einnehmen, sondern immerfort krank bleiben will.
Ehrenhold. Doch das wird man ihnen nicht gestatten; denn das ist eine Krankheit, die denen, die daran siechen, wohl tut, aber allen, bei denen diese Kranken wohnen, Schaden, Nachteil und Verderben bringt.
Hutten. Darum tut Arznei not, ob sie auch den Kranken nicht behaglich sei.
Ehrenhold. Dann werden aber viele auch nicht Pfaffen sein wollen, wenn man sie nicht mehr krank sein lassen will.
Hutten. Das wäre nur nützlich, gut und jedermann ersprießlich; denn es gäbe dann weniger Müßiggänger, die niemandem nützen, aber vielen schädlich und lästig sind.
Ehrenhold. Gebe der Seligmacher Christus, daß es bald geschähe!
Hutten. Es wird geschehen, denn der Trug ist aufs Höchste gestiegen. Da es so nicht weiter gehen kann, muß es notwendig zusammenbrechen.
Ehrenhold. Dann wird, wo jetzt hundert Pfaffen sind, kaum einer sein.
Hutten. Es wären immer noch genug, wenn von hundert einer bliebe; doch die Dinge werden alsdann ein andres Aussehen erhalten.
Ehrenhold. Inwiefern?
Hutten. Ich weiß selbst nicht genau wie, sondern vermute nur. Vadiscus meint, es werde dazu kommen, daß man hinfort jeden Redlichen und Wohlgesitteten mit Pfründen versehe; der werde sich nun nicht, weil er dazu gewählt sei, des Müßiggangs befleißigen. Man erkor ihn aber zu dieser Stellung, weil man seinen Verstand und seine Geschicklichkeit würdigte. Darum wird ihm auch der Befehl gegeben, im Gemeinwesen tätig zu sein. Von andern wird er in nichts verschieden sein, als daß er ein besseres Leben führt und mehr für die Gemeinde sorgt.
Ehrenhold. So würden alsdann die Pfaffen auch Weiber haben?
Hutten. Wenn sie wollen, ja, damit sie um so weniger in die Versuchung kommen, buhlerische Leute zu werden.
Ehrenhold. Das gefällt mir; wenn es dazu kommt, dann möchten auch du und ich Pfaffen werden.
Hutten. Das will ich meinen; Vadiscus sagt auch, er wolle nicht eher geistlich werden, als zu dieser Zeit. Jetzt aber misfällt ihm alles, was die Pfaffen tun, zumal die in Rom; darüber versteht ers, mit Witz und Anmut zu schelten, wie ich nie vorher gehört habe. Durch seine Worte hat er mir viele Dinge wieder ins Gedächtnis gerufen, die ich schon vergessen hatte. So dieses: seit Menschen Gedenken pflegten die Päpste nur die Bischofssitze und die fürstlichen Kirchenlehen zu verleihen; jetzt haben sie einen Weg gefunden, sich auch der Probsteien anzunehmen, auch die Dechaneien und Domherrnpfründen wollen sie brandschatzen, und zwar nicht allein in den Papstmonaten, Abwechselnd mit den Kirchsprengelbischöfen (in der nächsten Zeile werden sie Ordinarien genannt) hatte der Papst die sechs ungeraden Monate des Jahres hindurch die Lehen zu vergeben. die sie sich seit Alters zugeeignet haben, sondern auch dann, wenn die Ordinarien zu verleihen haben; darin halten sie gar fein die köstlichen Bullen, Concordata princi pum genannt. Darüber weiß Vadiscus gar erbaulich zu sprechen. Von drei Dingen, sagt er, bekommen die Romanisten nimmer genug: von Bischofsmänteln, Papstmonaten und Annaten.
Ehrenhold. Und wie mich dünkt, gedeihen diese Dinge leider allzu gut bei ihnen.
Hutten. Bei ihnen nicht, denn ihr Geiz ist nicht zu sättigen; wenn sie ein Genüge hätten an der Bischofskonfirmation Einsetzung und Bestätigung eines Bischofs in sein Bistum durch den Papst. dann griffen sie nicht auch noch zu den kleinen Prälaturen; wenn ihnen sechs Monate genug wären für ihre Räuberei, dann fielen sie nicht mit Gewalt in die freie Zeit, und wenn sie sich mit den Annaten begnügten, die beim Ableben der Geistlichen ihnen zufallen, dann ersännen sie nicht so viel neue, seltsame Wege, um Annaten aufzubringen. Denn sie bedenken nicht, daß genug Pfaffen in Deutschland sterben, und die Höflinge davon den größten Gewinn haben; diese braucht der römische Stuhl als Schaffner, Unterhändler, Kundschafter, Angeber, Förderer und Ratgeber in allen diesen Fällen; vor allem beweisen sie ihren Fleiß und getreuen Dienst bei dem Privilegium der romanischen Diener. Denn da die Päpste die Gewohnheit aufgebracht haben, die auch in den Concordata principum steht, daß sie die Lehen und Pfründen aller zu vergeben haben, die vor ihrem Ableben im Dienste eines Papstes, Kardinals, oder irgend eines Kalfaktors oder Stallknechts gestanden haben: so drängen sich viele dazu, Diener genannt zu werden (denn wer Diener ist, hat in Rom den Vorzug, vor andern etwas zu erwerben), und so ist es gekommen, daß es dort unzählige Diener gibt, was den Romanisten zu großem Nutzen, uns zu ungeheurem Schaden und Nachteil gereicht. Der Hofbeamten Aufgabe ist es nun, alle Todesfälle anzugeben, damit ihnen nichts entgehe. So wird Rom reich gemacht.
Ehrenhold. Ich hab aber doch gesehen, daß die Diener ebenso wie andre ihre Lehen mit Geld haben erkaufen müssen.
Hutten. Das ist auch richtig, denn wer mag in Rom etwas ohne Geld erwerben? Sie würden aber, wenn sie eben nicht Diener wären, zum Kaufen gar nicht zugelassen.
Ehrenhold. Also hat allein Rom das Privilegium, Simonie zu treiben? Überall sonst wird das für eine große, unvergleichliche Ketzerei gehalten. Wenn nun viele Diener zugleich sich um etwas bewerben, wer gibt da den Ausschlag? Das Geld? Ich meine, wer das meiste Geld gibt oder sich die höchste Pension auflegen läßt, der wird den Vorzug haben.
Hutten. Gewiß. Er bekommt den Vorzug, aber das geht nur langsam von statten. Denn wo der Papst das Lehen vielen zugleich zugesagt hat, muß die Sache erst untersucht werden, wem es am ehesten zukommt; das ist auch der Fall, so oft der Papst Gratien gibt. Dies ist aber ein so großer Betrug, daß ich keinen Namen und kein Beispiel dafür finde; oft hab ich gesehen, daß einem zu dreimalen Gratien erteilt und wieder abgesprochen sind, immer erdichtet der Allerheiligste einen Grund, warum er seine Milde wieder zurücknehme. Vor allem jedoch gereicht es dem Papst zum Nutzen, daß in Rom viel gehadert wird, denn die Sachen, die dort rechtlich ausgetragen werden, mehren den römischen Schatz ohne gleichen. Es wird deshalb in Rom sehr gern gesehen, wenn viele dort ihr Recht suchen, denn sie bringen alle etwas mit. Brächte aber einer nichts, so würde seine Sache schlimm stehen, man gäb ihm nicht allein nichts, sondern nähme ihm auch, was er hat. Darum sagt Vadiscus: Wer in Rom einen Rechtshandel hat, dem sind drei Dinge vonnöten: Geld, Empfehlungen und Lügen.
Ehrenhold. Mich dünkt, es wäre schon an dem Gelde genug.
Hutten. Genug? Ja, wenn einer davon eine Menge hat; sobald es ihm aber daran gebricht, so hat er nötig, Lügen, Trügen, Erdichten, Versprechen, Zusagen, Schwören und Meineide zu leisten, um die Lücke auszufüllen. Die Empfehlungen aber, die er bringt, müssen noch größere Zusagen und gewissere Hoffnungen enthalten, sonst wirken sie gar nicht; kommen sie von einem, der reich und mächtig ist, so haben sie einen zuverlässigen Wert. Denn drei Dinge fördern alle Sachen in Rom: Gabe, Gunst und Macht; dabei muß man die Gunst erst durch Geld erwerben, denn wer gönnte dem andern Gutes in Rom, wenn er keinen Nutzen davon hätte?
Ehrenhold. Als wir beide in Rom etwas erlangen wollten, bedurften wir keines bösen Menschen Gunst. Aber sonst haben wir viele dort in großer Geringschätzung leben sehen, die, wenn sie reich gewesen wären, es hätten verhindern können.
Hutten. Daraufhin sagt Vadiscus: Drei Dinge erheben jedermann in Rom: Geld, Kühnheit und Unverschämtheit.
Ehrenhold. Ich sehe, Geld ist überall dabei, aber Kühnheit gilt auch etwas: wohl darf dort einer eine Handlung begehen, um die man ihn des Landes verweisen oder in den Kerker werfen sollte; eine solche Kühnheit hat ein großes Gebiet. Erinnerung an Juvenals I. Satire, V. 73 ff. Doch wer dort aufkommen will, darf sich nicht erst scheuen, ein großes Bubenstück zu tun. Außerdem muß man unverschämt sein und nach keiner begangenen Schandtat rot werden. Die Erwähnung der Schönheit von dieser Frage an bis zu dem Satze »wenn sie sich in ihrer Hoffnung getäuscht sehen« fehlt in der latein. Ausgabe und ist von Hutten erst bei seiner Übersetzung eingeschaltet worden. Vermag nicht auch die Schönheit des Leibes etwas?
Hutten. Etwas. Vadiscus sagt hierüber: Drei Dinge können in Rom an Geldes statt gebraucht werden, Schönheit des Leibes, ein falsches Gemüt und geduldiges Ertragen.
Ehrenhold. So ist es, bei Gott, so ists! Wem hätte seine Schönheit und Jugend in Rom nicht genützt?
Hutten. Einem hier in der Nähe – du kennst ihn, man sagt von ihm, er sei hier reich geworden, weil er sich in Rom nicht männlich gehalten habe. – Frauen und Männern ist Wohlgestalt in Rom nützlich. Es sollte uns mit Recht der deutschen Nation jammern, daß sie sich von dieser Räude der Romanisten so arg hat beschmutzen lassen. Die Scham verbietet uns, von dem, was wir wissen, viel zu sagen.
Ehrenhold. Das meine ich auch.
Hutten. Und auch alle, die betrügen, Meineide schwören, ihr Wort verpfänden, aufschneiden, schmeicheln, schwindeln und allerlei Betrug verüben – auch sie gehören nicht zu den letzten, die in Rom Gut erwerben.
Ehrenhold. Aber zu den ersten.
Hutten. Und drittens die, die geduldig Arbeiten übernehmen, um das Fehlen des Geldes durch Dienste auszufüllen; die schaffen wohl etwas, aber durch unablässige Mühe und Anstrengung, denn in Rom muß man für wenig Geld viel leisten. Da sieht man sich viele edle Jünglinge in verächtliche, schmähliche Dienste begeben, und sie empfinden darüber keine Scham und bedenken nicht, wie schlecht ihnen das ansteht.
Ehrenhold. Nur weil sie hoffen, dabei zu gewinnen; es bestätigt sich an ihnen die Wahrheit des gemeinen Sprichworts: »Einem andern ist nicht vom Nutzen, daß er sich schäme.«
Hutten. Fürwahr.
Ehrenhold. Alles, was du mir vorgetragen hast, ist richtig und wohl überlegt gewesen. Aus eins aber muß ich dich noch einmal zurückbringen. Es erscheint mir, zumal an einem Papst, als ein großes Laster, daß er, wie du erzähltest, dasselbe vielen zugleich zu versprechen pflegt und es duldet, daß sie sich untereinander bekriegen, wenn sie sich in ihrer Hoffnung getäuscht sehen. Ende der vorher erwähnten Einschaltung über den Wert der Schönheit in Rom.
Hutten. Jawohl, das ist ein großes Laster, das die Deutschen nicht so lange gelitten hätten, wenn sie nicht der närrische Aberglaube so gottsjämmerlich verblendet hätte. In ihrer Kurzsichtigkeit haben sie bisher nicht sehen wollen, in wie unwürdiger Weise ihnen mitgespielt wird, haben geglaubt, dem Papst gezieme alles, der doch nur Ungerechtes begeht, und halten es für eine nicht abzubüßende Sünde, wider des Papstes Tyrannei ein Wörtlein zu wagen. Nun schreckt Rom vor keiner Schande zurück, sondern jagt in Schmach dem Gewinne nach und verläßt sich darauf, daß der Papst es bewerkstellige, jede noch so große Missetat und Schalkheit nicht für Sünde anzurechnen. Auch die Concordata principum gaben es zu, daß alle Lehen, deren einer durch päpstliche Gewalt beraubt ist (was so oft geschieht, als der Hirt seinen Zorn oder seine Ungnade aus ein Schäflein wirft), in Rom wieder erworben werden müssen. Da haben die Höflinge viel zu tun, um den, der ihnen gefällt, anzubringen und zu empfehlen.
Ehrenhold. Daher die allgemeine Klage, daß sie viele ungerechterweise anfechten und oft dem allerunschuldigsten zu schaffen machen.
Hutten. Hier wird nun noch ein andrer Betrug geübt. In den Konkordaten nämlich ist unter andern die Bestimmung, daß ein strittiges Lehen, wenn es während der Dauer des Streites ledig wird, an Rom falle. Nun finden die Römlinge den Ausweg, daß sie, wo sie irgend einen reichen Alten wissen, der schwach an Leibe ist, ihn nach Rom zitiren, aus Besorgnis, daß die Güter nicht an Rom kämen, wenn er draußen und nicht in des Papstes Monaten stürbe. Hutten ist hier ungenau. Der Papst hatte das Recht, eine streitige Stelle und auch die eines in Rom verstorbenen Geistlichen zu besetzen. Hutten springt unvermittelt von dem einen zum andern Fall über. Ich habe viele gesehen, die auf die Zitation hin nach Rom ziehen wollten, aber unterwegs starben. Dieser Zwang wird an den Allerredlichsten und Unschuldigsten geübt. Man erdichtet irgend einen Grund, weswegen er es verwirkt habe: entweder hab er sich ungebürlich gezeigt oder in irgend einem Punkte nicht recht gehandelt, oder man wolle ihm nachweisen, daß er kein Recht zu seinen Lehen habe. Dem sei nun wie ihm wolle, man klügelt eine Ursache aus, auf Grund deren sich in Rom ein Streit erheben könne. Nun ist es den Römlingen viel gelegener, in Rom als an irgend einem andern Orte mit Pfründen zu handeln oder Rechtsstreitigkeiten auszumachen, obgleich sie große Kosten darauf verwenden oder Geschenke machen oder etwas gänzlich kaufen müssen. Denn hier kann man sich mit jeder Schalkheit und Gaunerei behelfen, die sich an andern Orten nicht geziemen würde. Daher sagt Vadiscus, daß viele um dreier Dinge willen gen Rom ziehen; das erste ist der Name der Stadt Rom: man will die vielen Wunderdinge, die von Rom berichtet werden, sehen und kennen lernen.
Ehrenhold. Das ist auch für uns der Hauptgrund gewesen, nach Rom zu gehen.
Hutten. Das zweite Ding ist Gewinn, das dritte: die Freiheit, Böses zu tun.
Ehrenhold. Diese beiden sind die Beweggründe für die Höflinge, – das hab ich aber vorher nicht gewußt, daß den ordentlichen Monaten so viel Abbruch getan wird.
Hutten. Freilich; es ist den Romanisten und dem Papst schier nichts daran gelegen, ob etwas innerhalb oder außerhalb der päpstlichen Monate fällt, denn man findet allemal ein Mittel, es von draußen nach Rom zu verlegen. Außerdem darf ein Ordinarius hier im Lande ein verfallenes Lehen erst einen vollen Monat nach des Vorinhabers Tode verleihen. Aus welchem Grunde? Nur damit man Zeit habe, es nach Rom zu melden, und dort einen Weg ausfindig zu machen, daß man die Sache dahin verlege. Deshalb ist uns Deutschen gar nichts damit geholfen, daß das Jahr in zwei Teile geteilt ist, denn alles schieben sie dem Papste zu. – Was sollen wir ferner von dem Bischofpostuliren halten? So oft das geschieht, muß der postulirte Bischof alles, was er im vorigen Bistum hat, an Rom fallen lassen, danach es aber von neuem dem Papste abkaufen. So ist es vor kurzem hier geschehen, daß innerhalb eines Jahres ein Pallium zweimal in Rom gekauft worden ist: derselbe Bischof mußte des ersten Bistums Pallium, das er noch nicht ein ganzes Jahr gehabt hatte, von neuem kaufen, als er zum zweiten Male postulirt wurde; nicht ein Pfennig wurde ihm davon abgelassen. Albrecht von Mainz mußte, als ihn Mainz 1414 postulirte, auch für dies Erzbistum ein Pallium kaufen, obwohl er sich erst 1413 den Bischofsmantel für Magdeburg von Rom hatte erkaufen müssen.
So oft ferner Gratiae expectativae verliehen werden, was selten geschieht (denn der Papst hält das für eine besonders große Wohltat, die er den Deutschen erzeigt), handelt man den Konkordaten stracks entgegen: denn viele Lehen, die gemäß der Konkordate von der römischen Tyrannei frei sein sollten, werden zu den Gratien geworfen. – So fallen sie auch jetzt die reichen Klöster in Deutschland an und plündern die Äbte; schon wird es römische Gewohnheit, daß man den Kardinälen und Bischöfen die Abteien, wie sie es nennen, »in Kommende« Das heißt, einem ein Klostergut als Weltgeistlichen überlassen, so daß er nur das Einkommen einstreicht, ohne das geistliche Amt zu versorgen. gibt. Das ist der rechte Weg und ein bequemer, die Klöster zu verwüsten! – Nun was anders. Einst war es Brauch, daß, wenn auch der Papst schon vorher etwas verliehen hatte, es doch nachher wieder an die Ordinarien fiel. Das nannte man Regreß, und es war der einzige Trost in der Unzahl der römischen Übergriffe; auch das haben sie jetzt gewaltsam aufgehoben und uns genommen. Und was sie einmal in den Zähnen haben, das lassen sie sobald nicht heraus, ja nimmermehr lassen sie es los, und damit es nicht wieder zu seiner Freiheit komme, verteidigen sie es mit Bann und Verdammung. – Wie ist es mit den Annaten, mit den Früchten des ersten Jahres von einem jeden Lehen? Ist das nicht auch ein guter, fetter Happen? Damit man nun darin nicht irre und zu Rom gründlich wisse, was für ein Einkommen hier ein jedes Lehen trägt, so haben sie ein Gesetz gemacht, danach in Rom abgeschätzt werden soll, wie viel Einkünfte ein jeder hier von seinen Pfründen habe? Doch diese Abschätzung hat ihre Wurzel in der römischen Habsucht und entspricht nicht der Wahrheit, drum schätzen sie in Rom oft eine Sache zu ihren Gunsten höher ab, als es recht ist. Dazu sind denn die Decisiones rotae, Die Entscheidungen des obersten Appellationsgerichtshofes in Rom. die unwidersprechlichen Rechtsurteile, gar gut. Beklagt sich nun einer, es geschäh ihm Unrecht, so tut er damit nicht gut, weil in den Konkordaten klar gesagt ist: wenn jemand klagen würde, man habe sein Lehen zu hoch abgeschätzt, so solle man von Rom nach Deutschland schicken, es zu untersuchen.
Ehrenhold. Wann schicken sie denn her?
Hutten. Wann hat einer dürfen klagen? Denn es ist doch mit nicht geringer Gefahr verbunden, den Gewaltigen in Rom mit einem geringfügigen Dinge Umstände zu machen. So fürchtet ein jeder in Sachen, die den Papst betreffen, Einspruch zu tun, damit es nicht den Allerheiligsten erzürne. Auch sagt Badiseus, eines ganzen Tages Zeit wär nicht genug, wenn er alle Schliche und Listen aufzählen sollte, wodurch der Papst die freigewordenen Lehen, die hier außen verliehen werden sollten, von uns weg nach Rom zieht. Als er lange und viel darüber geredet hatte, meinte er, er hätte erst so obenhin daran gerührt, denn ganz und gar nichts würde von den Romanisten unterlassen, um sich Nutzen zu verschaffen. So machen sie oft wieder jedes Recht zu nichte, was vorher geschaffen worden ist, beseitigen alte Gewohnheiten, lösen Beschlüsse und Verträge auf, misbrauchen die Gesetze, heben christliche und geistliche Verordnungen auf und deuteln und verdrehen alle Dinge. Man verleiht jetzt oft auch Pfründe an Kinder, die noch nicht sprechen können, wofür in Rom Dispens für Geld erkauft wird. Keine Schande ist so groß, keine Scheußlichkeit so arg, kein Laster so verkehrt, daß es uns die Römer nicht gern erlaubten, nur um für die Dispense Geld heraus zu quetschen. Gleichwohl sündigen sie selbst ohne Dispens. Weißt du auch, daß einer in Mainz ein Weibsbild in Florenz Pension von seiner Pfründe beziehen läßt?
Ehrenhold. Ich hab es kürzlich gehört.
Hutten. Was hat ein Weib mit geistlichen Lehen zu tun, besonders eine Welsche mit den unsrigen?
Ehrenhold. Nichts, ja, bei dem wahren Christus, nichts weiter, als daß der Florentinerin diese Pension gegeben wird!
Hutten. Kannst du noch meinen, daß irgend eine Büberei zu ersinnen ist, die sie uns nicht antun dürfen?
Ehrenhold. Von jetzt an glaub ich nicht, daß es noch eine gibt, denn ich sehe sie alles tun.
Hutten. Es gibt etliche Lehen, die man zufolge einer alten Stiftung unserer Vorfahren allein denen verleiht, die eine Würde erlangt haben, z.B. wenn einer Doktor geworden. Damit nun die Romanisten auch dieser Stiftung unter dem Schein des Rechts zuwiderhandeln, so machen sie jetzt selbst in Rom Doktoren aus Leuten, die dessen gar nicht würdig sind. So hab ich in Regensburg jemanden Domherr werden sehen, weil er vorher in Rom Doktor geworden war, sonst hätte ers nicht sein dürfen; denn die Statuten bestimmen, daß keiner an den Dom kommen kann, er sei denn entweder von edelm Geschlecht, oder infolge seiner Kenntnisse mit einem Ehrennamen geziert. Dieser Dummkopf hatte nie eine Kunst betrieben, sondern hatte sich das Doktorat mit Geld erkauft, und war dadurch, obgleich gegen die Regel der Statuten, an sein Ziel gelangt. Wollten wir die Statuten ebenso durchführen, dann könnten wir unsere Esel hier auch zu Domherren machen; wir würdens aber nicht tun, wenn wirs auch dürften. Rom jedoch scheut vor nichts Ungeheuerlichem zurück, sondern unter allen Städten allein macht es sich andrer Leute Sünde zu Nutzen, es kann ein noch so großes Hindernis entgegenstehen, man findet eine Lücke, um hindurch zu kommen. – Es hat der Papst auch die Lehen aller derer zu vergeben, die in Rom oder im Umkreise zweier Tagereisen sterben, auf welche Art es immer sei. Was kann man nicht darin mit Gift schaffen? was nicht mit andern Dingen, die in Rom ganz gebräuchlich sind?
Ehrenhold. Wahrhaftig, sehr viel! Wir, du und ich, haben in Rom in großer Sicherheit gelebt, denn da wir keine geistlichen Lehen hatten, stellte uns niemand nach dem Leben.
Hutten. Wenn die Lehen frei werden, dann empfinden der Papst und seine Kardinäle eine große Freude, denn die Höflinge bringen es sofort an. Lebt wo ein reicher Benefiziant, Ein Pfründeninhaber. der noch nicht alt und auch nicht krank ist, daß man demnach besorgt, er möchte noch lange leben, so machen die Höflinge, um ihn nach Rom zu zitiren, einen Grund ausfindig, indem sie ihm dieses oder jenes zur Last legen: auf diese Weise zwacken sie einigen Geld ab, andern bringen sie durch die verursachte Aufregung und Bekümmernis den Tod. Ein wahrer Jammer ists, zu sehen, wie sie sich, was am häufigsten vorkommt, die Frommen und Unschuldigen vornehmen, indem sie sagen, sie hätten Simonie getrieben. Dies Laster lassen die Romanisten nie unverdammt, aber in Rom mag man es ohne Furcht vor Strafe tun: keinen, der dort mit geistlichen Lehen Handel treibt, darf man der Simonie zeihen. Häufig auch sagen sie, wenn sie gegen einen vorgehen wollen, er sei im Bann; nun sind der Ursachen und Weisen, wodurch einer, wie sie es nennen, de facto in den Bann kommt, so viele, daß man oft nicht weiß, ob man im Bann ist oder nicht; und mancher kommt hinein, der sich keines Unrechts, noch der geringsten Missetat bewußt ist. So sind wir jetzt, weil wir die Rede des Vadiscus nacherzählen, nach der Verdrehung der Romanisten im Bann, obgleich uns niemand verklagt und zitirt hat.
Ehrenhold. O Herr Christus! soll man einen Menschen ungehört und unentschuldigt verdammen?
Hutten. Ja, bevor er sich verantworten kann, ist das Urteil über ihn ergangen.
Ehrenhold. Das lassen sich die einreden, die kein Hirn mehr haben. Wir aber wollen diesen vertrackten Aberglauben niemals zulassen.
Hutten. Und sie, die Romanisten, geben das vor dem gemeinen Volk für eine große Geistlichkeit aus und machen so aus der christlichen Sanftmut eine rechte Folter und ein Henkerwerk. Sie selbst leben schändlich und sündlich, lassen aber niemand selig sein, er hab es denn vorher von ihnen erkauft. Da gibt es Casus papales, das heißt Vorbehalt der päpstlichen Gewalt, die Vadiscus gleichfalls für eine unverschämte Lüge hält. Dem sei wie ihm wolle, die Meinung Christi ist es nie gewesen, denn unter seinen Aposteln hat er keinem mehr Rechte als dem andern gegeben. Vor Zeiten, als die Kirche noch gesund war und noch kein Ärgernis gab, hat man auf einem Konzil dem römischen Bischof die Oberherrschaft über alle Bischöfe angeboten, der hat sie aber abgelehnt. Woher kommt es denn, daß sich die Päpste nennen »Knechte aller Knechte Christi«? Haben die Alten nicht dabei die Meinung Christi bedacht, daß in der Kirche ein jeder, je geringer er sich achte, um so höher hinaufgerückt werden solle? und daß »allen andern dienen« sei »über alle andern regiren«? Matth. 20, 26 f. 23, 11 f. Aber die Unsrigen – mit welchem Stolz blasen sie sich auf? Sondert sich nun ein jeder um so mehr von Christus ab, je mehr er sich mit weltlichen Dingen befaßt und die geistlichen gar nicht oder wenig achtet – in welchem Grade mögen denn diese Unchristen sein und wie wenig christliche Bischöfe und der Kirche Oberste! Wir könnten sie vielleicht dulden, wenn sie bloß für sich sündhaft lebten und nicht auch andre Leute durch ihren Lebenswandel verführten; aber grade sie, von denen wir der Seelen Heil empfangen sollten, tragen die Verderbtheit in alle Dinge hinein. Sollen wir es länger ertragen, daß sich die, die uns vor Zeiten Geld und Gut abschmeicheln mußten, jetzt unterstehen, es mit Gewalt zu rauben? Sie nehmen jetzt als berechtigtes Erbteil der Kirche, was sie früher als Almosen von uns erbettelten. Aber sie haben ein geistliches Recht verfaßt, auf das hin wir alle diese Gewalttaten stillschweigend dulden müssen. Und doch begnügen sie sich nicht an den Beschlüssen der Kirchenversammlungen, sondern nehmen noch Erlasse, Extravaganten Dem corpus juris canonici zugefügte päpstliche Verordnungen. und Deklarationen Päpstliche Bekanntmachungen. zu Hilfe, um der Wahrheit auf allen Wegen, wo sie sich hervorwagt, entgegen zu treten und ihr Dasein zu verhindern. Wie können nun diese, die in so mancherlei Weise und Gestalt der Menschen Seelen töten, Christi Stellvertreter genannt werden? Worin sind sie ihm denn gleich und gemäß? Christus sprach zu Petrus: »Weide meine Schafe.« Joh. 21, 15 - 17. Was tun diese? Plündern sie nicht das christliche Volk aus und treiben es durch ihre Räubereien in Armut und Elend? Schinden sie nicht die Schafe Christi bis auf die nackte Haut? – Der Herr hat weiter zu Petrus gesprochen: »Und du sollst dich auch umkehren und deine Brüder stärken.« Eben dies tun auch unsre Päpste, – ja von Tag zu Tag mehr leeren und schwächen sie uns, zerschmettern und töten sie uns gar durch die Kraft ihrer Donnerschläge. Denn um vielerlei Ursach willen werden die Seelen der Menschen ertötet, falls man nicht in Rom beichtet – gleich als ob einer an dem Orte, wo er krankt, nicht auch kann geheilt werden; gleich als ob er, wo er sündigt, nicht auch könnte Gnade und Barmherzigkeit für seine Sünde von Gott erwerben, und als ob es nötig sei, hin und her zu laufen, oder als ob einem nur Rom und nicht sein eigenes Gewissen dies verschaffen könne. Wenn sie aber dies nicht erdacht hätten, wie könnten sich denn so viele Bußpriester, Bullenschreiber und Siegler in Rom erhalten? Niemand würde Ablaß kaufen, wenn man die Leute nicht überredet hätte, daß all unser Heil darin beruhe. Auch alle Bullen wären wertlos und misachtet, hätten sie nicht mit ihren vorgezauberten Gespenstern die Augen aller christlichgläubigen Menschen dermaßen verblendet, daß man wähnt, ihre Verwendung und Macht sei zum Heil nötig. Diese Meinung ist unter das närrische Volk so tief gedrungen, daß einige, die kein Geld zu geben haben, sich vor dem Kreuz in Rom mit Ruten schlagen lassen. Kurz – welcher Tyrann hat je eine freie Stadt schmählicher unterdrückt, als dieser »Knecht aller Knechte« eine Nation, die nicht allein frei, sondern der Welt Regentin sein sollte? Ist das die leichte Bürde Christi? Ist dies das süße Joch? Matth. 11, 30. Mag man es nicht lieber Verfolgung der heiligen christlichen Kirche nennen, neue Gesetze einzuführen, die den Geboten Christi gradewegs entgegen laufen?
Ehrenhold. Du fragst viel, worauf es nicht noch nötig ist, »ja« zu sagen, denn es ist so wahr, daß man es durch keine Versicherung zu bestätigen braucht.
Hutten. Wer in betreff »des Vorbehalts im Herzen« habe ich dich viel zu lange warten lassen. Doch – wie kann ich nach der Größe dieser Sache genug davon reden? Welche Worte, angemessen solcher Gaunerei, könnten gefunden werden? Sie ist an sich selbst so unmäßig groß, daß ich keinen Strick, keinen Galgen, keine Marter, kein Feuer (und wäre es so groß wie das letzte, worin die Welt zergehen wird) sie zu peinigen und zu strafen für genügend halte.
Ehrenhold. Und es ist doch Vorbehalt des päpstlichen Herzens?
Hutten. Dessen allein; das ist so weit und begreift so viele Lehen in sich, daß ein jeder, der irgendwie ein Lehen erlangt hat, fürchten muß, ob es nicht der Allerheiligste im Herzen behalten habe.
Ehrenhold. Auf wie vielerlei Art und in welchem Maße behält er sich die Lehen vor?
Hutten. Einst hatte das Maß, Ziel und Zahl, jetzt ist es ohn End und Grenze. Ja, oft erdichtet die Geschicklichkeit der Höflinge, er habe etwas vorbehalten, woran er nie gedacht hat.
Ehrenhold. Zürnt er ihnen denn nicht, die solches tun?
Hutten. Soll er über seinen Nutzen zürnen? Er bestätigt es vielmehr und lobt ihre Geschicklichkeit. Sobald die Höflinge das merken, forschen sie an allen Enden nach alten, reichen Pfaffen, werben mit Geld um deren Lehen beim Papst, und wenn diese nun sterben, sagt er, er hab ihre Lehen im Herzen vorbehalten und leihe sie ihnen. Oft erlangen sie es noch, wenn jene bereits tot sind; all dem sieht der Stellvertreter Christi gar fröhlich durch die Finger: so weit ist er davon entfernt, Einsprache zu erheben. Ja, dieser Gewinn tut ihm so gut, daß er in diesem Falle dasselbe Lehen zweien, dreien oder noch mehreren zugleich verleiht. Denn dieser Herzensvorbehalt ist ein leichtes, behendes und schlüpfriges Ding und kommt keinem andern Betrüge gleich. Dagegen hilft auch keine Wahl, kein Patronatsrecht, kein altes Herkommen, keine Landesgewohnheit, kein früherer Fall, kein Ansehen der Fürsten; denn gegen das Gift, das aus dem Herzen sickert, wird keine Arzenei geschaffen, nirgends kann! ein sicherer Schutz gegen diese Bosheit gefunden werden. Damit decken und schirmen sich dann alle, denen sonst nicht Trug und List, noch Feindschaft, Hinterlist und Geschicklichkeit hat glücken und ersprießlich sein wollen.
Ehrenhold. Hilf Gott! welch einen wunderlichen Popanz, welch einen Haufen großer Übel führst du vor!
Hutten. Es wird mir schwer, davon zu reden, und es sollte nicht bitter sein, es zu tragen und zu leiden?
Ehrenhold. Was hindert uns noch länger? Hat Deutschland nicht Eisen, hat es nicht Feuer?
Hutten. Haben es die Deutschen nicht, so werden es die Türken haben.
Ehrenhold. Es wär aber besser, daß die Rache und Strafe durch uns selber als durch ausländische Mächte geschehe.
Hutten. Allerdings. Doch es ist nötig, daß es bald geschähe, denn ihr Übermut und Durst erstreckt sich schon zu weit und zu übermäßig. Du hast die Bulle des Papstes Julius gesehen, eine edle und von den Höflingen hochgerühmte Bulle, worin er die Verordnungen des Papstes Pius II., betreffs aller, die an ein zukünftiges Konzil appelliren, Pius II. erließ 1460 diese Bulle, worin auf das strengste verboten wurde, an künftige Konzilien zu appellieren, und Julius II., der, wie überhaupt die Päpste, die Konzile fürchtete, bestätigte sie, als die Venetianer gegen seine Eroberungen und Ansprüche auf Landesabtretungen Berufung einlegen wollten. bestätigt. O unsterblicher Gott! welch ein freundliches Unternehmen beider, des Pius, der das erste gestiftet, und des Julius, der es bestätigt. Soll man einen solchen Spott vor Aug und Herz aller gläubigen Christen üben? Sie haben aber gemeint, daß sie durch diese Verordnungen hinfort von dem Schrecken unangefochten bleiben würden, den ihnen oft die einflößten, die gegen ihre Vergewaltigung Zuflucht beim Konzil suchten; denn das fürchtet man in Rom sehr. Es wird diese Bulle, so böse sie ist, nunmehr unter andre päpstliche Beschlüsse gerechnet, und sie hat den Venetianern Land und Leute gekostet. Julius II., der kriegerische Papst, schloß mit Kaiser Max, Ludwig XII. von Frankreich und Ferdinand von Spanien ein Bündnis gegen die Republik Venedig, die einen Teil des Kirchenstaates besetzt hielt. Er sprach Bann und Interdikt über sie aus, nahm aber die Acht zurück, nachdem ihm Venedig das Entrissene zurückgegeben hatte (1508 Ligue von Cambray).
Ehrenhold. Doch nicht diese Bulle, wie du sagst, sondern der Franzosen und Deutschen Waffen? Denn glaubst du, Leute, unüberwindlich in Weisheit, und eine Stadt, geschickt und gut beraten in allen Wechselfällen – sie hätten eine solche Erdichtung geachtet, wenn nicht so viele Könige, so viele Städte und gewappnete Heere ihr zur Seite gestanden Hätten? Sie hätten sonst wahrlich den unnützen Fabeleien die Feigen gewiesen. Den Daumen zwischen die beiden ersten Finger stecken, eine »Feige zeigen« (als imago vulvae), eine höhnische, gemeine Gebärde, aus dem Italienischen stammend ( far la fica, wo fica, die weibliche Scham bedeutet) und schon im frühen Mittelalter gebräuchlich. Auch Luther (man weiset ihnen die Feigen) gebraucht diese Redensart ganz naiv.
Hutten. Dem mag so sein. Wie aber, daß der Leutebetrüger Julius diese Bulle ausgibt, als durch Mitwirkung des heiligen Geistes von ihm verfaßt? Als ob sich der Geist aller Weisheit und alles göttlichen Gewissens in die Beratung solcher Bosheit einmische! Und die Rotte dieses Mörders Julius nennt man die heilige Kirche, während es doch die grausamste Verfolgung der christlichen Kirche ist, von der man je gehört hat! Die Heiden, die in der Christenverfolgung nur die Leiber der Menschen gemartert haben, sind nicht böse zu nennen. Aber diese Tyrannen, die mit ihren allerschandbarsten Gesetzen das Licht der Wahrheit wie mit einem Rauch des höllischen Feuers verfinstern, sie haben die göttliche Lehre Christi, in der unser Glaube gegründet ist, die heilige christliche Kirche befestigt ist, alles Heil des menschlichen Geschlechts wurzelt, erstickt und gemordet. Die Verfolgung andrer hat die Standhaftigkeit der menschlichen Natur geweckt und dadurch den Glauben gemehrt und befestigt, diese aber verdirbt und vertilgt ihn durch böse Tücken und Taten.
Ehrenhold. Nieder mit dir, Rom, das du keinen Glauben hast, sondern dem Geiz, einem Werk des Teufels, anhängst! Nieder mit dir, du Wurzel aller Sünde und Laster, woraus das allgemeine Verderben des christlichen Glaubens hervorwächst. Nieder mit Rom!
Hutten. Meinst du, daß diese Hirten, wenn es nötig wäre, ihre Seelen für ihre Schafe einsetzen und sich wacker zeigen würden?
Ehrenhold. Die um des Geldes willen ihre Schafe töten, sollten ihre Seele verlieren und das Leben für die Herde wagen! Ja, wenn die Türken heute Rom belagerten, so würde er, der erst kürzlich von uns Deutschen Geld für die Türkenkriege forderte, anstatt das Land zu beschützen, als erster von bannen fliehen, als erster Italien verlassen und – mich betrügen denn alle meine Sinne – selbst den Glauben verleugnen, wenn man ihm irgendwie drohen sollte. Mit dieser Vorspiegelung haben sie so oft das christliche Volk betrogen: denn sie wollen nicht den Türken bekriegen, wenn sie dazu Geld fordern, sondern sie wollen davon leben und sich Lust verschaffen.
Hutten. Das mein ich auch: der Wollust wollen sie Pflegen, ihr unkeusches Leben bestreiten und sich ein sanftes Nichtstun bestellen. Das ist ihr Begehr, darauf denken sie. Meinst du nicht, daß für diese Sitten und für diesen Zustand Roms der Türken Schwerter nötig sind?
Ehrenhold. Wenn die Christen kein Einsehen haben, nicht sich selbst Rat schaffen, in ihrem Werglauben bleiben und die Missetaten nicht selbst strafen wollen, so halt ich dafür, wir werden ihrer bedürfen.
Hutten. Vadiscus sagt: Drei Dinge können Rom wieder in seinen rechten und guten Stand bringen: der deutschen Fürsten Ernst, des christlichen Volkes Ungeduld und ein gegenwärtiges Türkenheer.
Ehrenhold. Was meinst du mit dem Ernst?
Hutten. Weil schon oft gesagt wurde, die Deutschen würden einmal ein redliches Werk tun und doch damit noch keinen Anfang gemacht haben, so halten es die römischen Müßiggänger für einen Witz, wenn einer sagt: die Deutschen werden Rom noch reformiren.
Ehrenhold. Die Geduld des Volkes ist viel zu lang, wird sie ein Ende nehmen?
Hutten. Wenn die Gemüter vom Aberglauben zur Vernunft gekommen sind, was bald geschehen wird, wie ich hoffe.
Ehrenhold. Wenn diese beiden der Verderbtheit entgegenträten, würde man noch der Türken Waffen bedürfen?
Hutten. Vadiscus meint, man werde ihrer noch bedürfen, denn wenn auch die drei gemeinsam gegen die Romanisten ziehen, so würden sie doch kaum stark genug sein, ihre bösen Sitten zu strafen und die Kirche zu reformiren. Aber ich halte Deutschland, wenn es die Sache einsehen wollte, für viel vermögend; hoffe auch, es wird in dieser Not Rat schaffen und anstatt des Aberglaubens den rechten Glauben annehmen. Das entnehm ich aus vielen Anzeichen.
Ehrenhold. Das walte Gott! Soll nun aber ein göttliches Strafgericht über die christliche Welt hereinbrechen, und diese Reformation nicht durch die Christen zu erwarten sein, so wünschte ich, die Türken hätten Rom schon eingenommen, die Romanisten darin gefangen und sie totgeschlagen – nicht das unschuldige Volk (davor sei Gott, der Seligmacher!), sondern die allgemeine Ärgernis der gut Gesitteten, diese hochangesehenen Meister des Lebens, die uns alle zu großer Schande des ganzen christlichen Lebens ins Verderben stürzen.
Hutten. Darüber sollte sich dann niemand wundern. Zwar die Böhmen haben sich auch etwas gerührt, was noch täglich Grund zu ihrer Verfolgung gibt. Hutten meint die hussitischen Bewegungen, dir durch das ganze 15. Jahrhundert fortgärten und noch oft Greuel und blutige Kriege verursachten.
Ehrenhold. Wir billigen auch der Böhmen Sache nicht in allen Stücken, aber wir wundern uns nicht darüber, denn nach dem, wie sich die Leute benehmen, müßten sie Veranlassung zu noch größern Übeln geben.
Hutten. Was meint Vadiscus dazu? Drei Dinge, sagte er, haben Deutschland bisher nicht klug werden lassen, die Ungeschicklichkeit der Fürsten, die Unerfahrenheit in Wissenschaften und der Aberglaube des Volkes.
Ehrenhold. Ja fürwahr, das sind die Hindernisse gewesen, fürwahr, Hutten, das sind sie! In Bezug auf den Aberglauben haben die Romanisten noch gute Hoffnung, auf die sie bauen können; von den Fürsten hast du ein tröstliches Wort gesagt, und die Kenntnis der Schrift hat bei uns schon zugenommen und steht in Sicherheit.
Hutten. Das verdrießt sie auch, und verdammt will ich sein, wenn sie in ihrer Bosheit nicht meinen, wir wüßten schon zuviel von den edeln Künsten und trieben ihr Studium mit zu großem Fleiß, obwohl wir uns noch als sehr unbewandert darin erkennen müssen.
Ehrenhold. So ist es; auch glaube ich, es misfällt ihnen höchlichst, daß die Deutschen jetzt Bücher schreiben.
Hutten. Doch wir wollen trotz all und alledem schreiben und die Wahrheit an den Tag bringen; dabei wollen wir ein andächtiges, christliches Vertrauen haben, wie es ja auch unser Seligmacher Christus streng und unablässig gehabt hat, der täglich geredet hat wider die Fürsten der Priester und gegen die Schriftgelehrten. In seinen Fußtapfen wandelnd, wollen wir uns wappnen gegen alle, die den geistlichen Namen zu ihrem Gewinn misbrauchen und statt der Lehre Christi menschliche Gebote aufgesetzt haben, wie erst unlängst wieder. Sie haben die Gotteswahrheit in Unwahrheit verwandelt, heißen uns eher der Kreatur als dem Schöpfer dienen, sind nicht wie Hirten durch die Tür gekommen, sondern wie Diebe und Räuber anderswo eingestiegen. Römer I, 25, und Joh. 10, 1 f. Denn die durch Betrug und Geiz eingehen, die gehen nicht durch Christum ein; er ist die Tür, durch die man in den Schafstall gehen muß; und wenn man hineingekommen ist, gebürt es sich, die Schafe Christi zu weiden, nicht sie zu bestehlen, zu scheren oder zu morden. Dagegen muß man mit Vadiscus ohn Unterlaß rufen und schreien, bis wir durch unser Klagen und Schelten die Menschen bewegen, mit uns gegen die aufzustehen, die nicht, wie sich gebürt, ihre Anbefohlenen sanftmütig und friedsam bitten gleich Christus, sondern durch Drohungen mit Verdammung und Schrecken ins Verderben treiben; gegen sie, die gesandt sind, geistlichen Samen unter uns auszustreuen und uns zu leiten, wenn wir es nötig haben, damit wir zeitliche Früchte ernten. Aber die schalkhaften Betrüger geben uns den Samen nicht, hören aber nicht auf, die Frucht zu nehmen, blasen uns einen unnützen Rauch ins Antlitz, nehmen äußerlich einen falschen Schein an und rauben uns durch diesen Trug unser gegenwärtig Gut und verheißen zukünftige Dinge, die sie weder besitzen, noch sonst in ihrer Gewalt haben. Aber wir haben lange genug große Hoffnungen mit schwerem Geld erkauft. Doch wie mannigfach sie uns auch mit Gewalt und Spott verletzt haben, so wollen wir uns doch nicht mit Wehr und Waffen ihnen widersetzen.
Ehrenhold. Wahrlich ihr, die ihr solcher Tyrannei entgegentretet, habt eine rechte, gute Meinung. Ihr werdet aber nötig haben, euch klug zu schützen vor ihrer Nachstellung, auf daß euch nicht etwas widerfahre, was ihr nicht verschuldet habt, denn sie sind nicht gering zu achten.
Hutten. Das weiß ich wohl. Aber ei! eine große, löbliche Tat will nicht ohne Furcht begangen werden.
Ehrenhold. Freilich, ist das eine große, ehrenhafte Tat, mit Raten und Vermahnen, Anreizen, Treiben und Schreien zu bewirken, daß unser Vaterland seinen Schaden und seine Unwürde erkenne und sich aufrichte, seine alte angeborne Freiheit wieder zu erwerben – wenn es nur einer möchte ausführen und vollbringen.
Hutten. Wenn ers auch nicht vollbringt, so hat er doch, wenn ers nur unternimmt, seinen Verdienst. Und vielleicht werden andre ein Beispiel daran nehmen und sich dergleichen auch unterfangen. Noch wird sich die Welt bewegen lassen, und Deutschland witzig werden! Ich glaube, nichts würde besser unserm Seligmacher Christus sowie der heiligen christlichen Kirche dienen, als wenn Deutschland die Geldforderung und Schätzung unternähme und das Geld im Lande behielte, denn dann würden die Obergeheimschreiber und Kopisten in Rom Hungers sterben.
Ehrenhold. Wollte Gott, du möchtest jedermann dazu überreden!
Hutten. Ich will es versuchen.
Ehrenhold. Die Wahrheit zu sagen?
Hutten. Ja, und wenn sie mir auch mit Waffengewalt und Tod drohen.
Ehrenhold. Dazu werden sie viele Wege ersinnen, die Füchse!
Hutten. Dann will ich auch Hilfe annehmen und mich dagegen zu wahren suchen.
Ehrenhold. Gott geb dir Glück dazu! – Wir entfernen uns aber schon zu lange von der Dreieinigkeit. Erzähl weiter! Ohne Abschweifen!
Hutten. Vadiscus ist auch vielfach abgeschweift. Über nichts aber ereiferte er sich mehr, als über die Relaxationen und Dispensationen, das sind Milderungen und Nachlassungen, er geriet in großen Zorn, daß die Priester eine solche Ungerechtigkeit erdichteten, daß sich die Romanisten viel zu viel Macht anmaßten, vom Eide, mit dem sich einer verpflichtet hat, loszusprechen, Vergleiche zu trennen, Bündnisse aufzulösen und alles so zu gestalten, wie es gegen Glauben, gute Sitte und Christi Lehre ist. Weiter goß er viel bittere, scharfe Reden aus über das geistliche Recht; das hättest du hören müssen, es war sehr verständnisvoll und gefiel mir ausnehmend gut. Er legte klar zu Tage, wie sie sich darin mit Ausflüchten gedeckt, Lug und Trug zusammengetragen und Notausgänge gefunden haben, durch die sie entschlüpfen könnten, wenn man etwas einwenden wollte. Was gilt jetzt das weltliche Recht? fragte er. Mit wie großer Gewalt ist es durch der Päpste Konstitution erdrückt worden? Und das ist der beste Weg gewesen, an die christliche Freiheit Hand anzulegen; denn wenn auch die drei Dinge, womit sich Rom alles unterwirft, Gewalt, Betrug und angenommene Scheinheiligkeit, eine große Macht ausüben, so wär doch nichts damit anzufangen, wenn sie nicht mit dem Betrüge zugleich das Mittel gebrauchten, die Leute zu überreden, daß alle Bestimmungen, die Rom täglich erläßt, mit Einverständnis der ganzen christlichen Kirche gemacht seien.
Ehrenhold. Zum Beispiel, den Kaiser Karl zu verpflichten, daß kein König von Neapel hinfort zum römischen Kaiser erwählt werden dürfe.
Hutten. Wer merkt nicht, wohinaus sie damit wollen? Doch die Gesetze, die sie auch von uns wollen gehalten wissen, sind ohne Zahl: wir sollen öffentlich! den Glauben bekennen, daß ein Buchstabe in ihren geistlichen Rechten mehr vermag, als sechshundert Gesetze der römischen Kaiser oder der alten Rechtsgelehrten. Sie ziehen auch ihre Bestimmungen dem Evangelium, die päpstlichen Dekrete der Lehre Christi vor, weniger Gott, als die Menschen achtend. Und daran halten sie so fest, daß sie es für eine nicht geringe Missetat erachten, wenn jemand gegen irgend welche Verordnung eines Papstes aus dem Evangelium auch nur etwas murmelt. Wie machen sie aber ihre Beschlüsse? So oft ein Papst eine neue Verordnung erlassen will, so bescheidet er einen oder zwei von den Kardinälen oder Obergeheimschreibern oder deren so viele, als ihm in dem vorliegenden Falle beistimmen werden, zu sich: auf diese Weise befestigt er denn, was er auch immer zimmert, oder so böse es auch immer sei, durch die Macht und Autorität der christlichen Kirche. Und dann rufen sie: »Die Kirche hat es gestiftet! Die Kirche kann nicht irren! Man soll und muß an die heilige Kirche glauben!« und stopfen jedermann das Maul; keiner darf dagegen etwas einwenden, man würde es ihm sonst als Ketzerei auslegen. Das geschieht jetzt so häufig, daß man es für geratener hält, böses zu tun, als sich Ketzer nennen lassen zu müssen. Nachdem man durch diesen falschen äußern Schein das Christenvolk betrogen hatte, fügte der Hirt die Würde des Allerheiligsten hinzu und schämte sich auch nicht mehr, als Allerseligsten sich grüßen zu lassen; dann ist der demütige Kuß seiner heiligen Füße und die Furcht der christlichen Fürsten vor der Drohung mit dem Bann hinzugekommen, und endlich machte die ganze Tyrannei haufenweise den würdigen Beschluß. Als nun zur Erhaltung solcher Macht Geldnot eintrat und die Kosten für den Aufwand fehlten, der mehr denn königlich ist, haben sie dreierlei Rat gefunden, Geld von Ausländern zu erpressen: erstens haben sie einen Ablaßhandel eingerichtet, zweitens einen Türkenkrieg zu unternehmen vorgegeben, und drittens all ihren Legaten, die sie ausschicken, Vollmachten erteilt.
Ehrenhold. Nie hat einer diese Dinge schicklicher zusammengestellt. Dies sind fürwahr ihre vernehmlichsten Handgriffe der Fischerei.
Hutten. Es ist doch kein Wunder, daß sich St. Peters Nachkommen des Fischens befleißigen!
Ehrenhold. Sie sollten aber nach der Menschen Seelen und nicht nach jedermanns Gut und Geld fischen. Aus dem, was Christus sagt: »Ich will euch zu Menschenfischern machen«, ist die allerschändlichste Geldjagd geworden. Matth. 4, 19.
Hutten. Sie fischen doch auch nach Leuten: sie bezwingen sie und machen sie sich zinsbar, nicht bloß wie vormals das gemeine, christliche Volk, sondern jetzt auch selbst die Könige und Fürsten.
Ehrenhold. Das steht auch weit entfernt von Christi Lehre. Er hat seine Apostel geheißen, ihm durch die Predigt des Glaubens die Seelen der Menschen zu gewinnen; daß sie aber Reichtum suchen, weltliche Gewalt gewinnen, Königreiche und Fürstentümer ausplündern, ist sein Wille nicht gewesen. Hierdurch wird dem Heiland eine große Schmach angetan, und doch wollen die Christen nicht verstehen, daß die evangelische Wahrheit gänzlich verkehrt und gefälscht ist. Denn nach ihr ist Reichtum ein großes Hindernis zum seligen Leben, diese aber versprechen allein den Reichen den Himmel. Christus sagt, sein Reich sei nicht von dieser Welt, und als ihn das Volk zum König machen will, flieht er von dannen; diese aber sind nach irdischen Reichen so begierig, daß sie um ihretwillen andre mit Eisen und Feuer überfallen, und, unablässig Krieg führend und schürend, Land und Leute betrüben und beunruhigen, Himmel, Erde und Meer (wie man im Sprichwort sagt) durcheinander werfen und vermischen. Christus hat auch ermahnend gesagt, wir können nicht zweien Herren zugleich dienen: »Ihr könnt nicht Gott und dem Reichtum dienen«; diese aber denken nicht beiden zu dienen, sondern haben sich dem einen ganz untergeben und verpflichtet, daß sie mit ihm allein umgehen und ihm anhängen. Wie können Christus und Belial übereinkommen? Aber die närrischen Leute wollen nicht erkennen, daß, wenn der Romanisten Regiment beglaubigt wäre, die Reichen, die Kinder der Welt, viel eher selig werden würden, als die Bedürftigen, die sich Gott erwählt haben. Denn die Reichen können mehr geben, mehr Ablaß kaufen, mannigfacher mit den Vollmachten handeln. Doch die Meinung Christi ist ganz anders gewesen, er hat die Armen selig gepriesen und gesagt, ihrer sei das Himmelreich. Joh. 18, 36; 6, 15, Matth. 5, 3; 6, 24, und 2. Korinth. 6, 15.
Hutten. Es schließen doch die Ablaßkrämer die armen Leute nicht aus?
Ehrenhold. Ich weiß es wohl. Sie haben diesen Weg erdacht, daß sie dem Volke vorreden, sie trieben den Ablaß nicht Gewinnes wegen, sie forderten nicht Geld von denen, die es nicht haben, sondern von den Wohlhabenden, den Armen wollten sie es umsonst geben. Jedoch durch diese List gewinnen sie mehr als sonst wie: denn das närrische Volk glaubt, daß es keinen vollkommenen Ablaß habe, wenn es nicht Geld gäbe; wiewohl sie niemandem die Ablaßbriefe umsonst geben, er sei reich oder arm. Es macht zwar ein geringes aus, was der einzelne gibt, rechnet man aber die einzelnen Abgaben in eine Summe zusammen, so wird sie ungeheuer groß. Durch diesen Kunstgriff haben sie ihre Räuberei einträglich gemacht, jedermann hier möchte etwas geben, er nehm es, wo ers kriege, denn der Stolz (der hierbei den Romanisten großen Vorteil bringt) läßt manchen sagen: Wer vermöchte nicht so viel auszubringen? Und nun meinen die törichten Menschen, Gottes Huld und Gnade damit zu erwerben, weil sie ihr Geld zu einem guten, geistlichen Werk geben; denn sie glauben, es sei gut angelegt, vor allen die guten Fräulein, die dort erbärmlich betrogen und mit wunderlichen Verheißungen von ihren Beichtvätern überschmeichelt werden; diese melken von ihnen, so viel sie wollen. Die guten, frommen Weibchen meinen, sie sündigten nicht, wenn sie auch von ihren Männern pflücken, ihren Kindern nehmen, das Haus leeren, um den Göckelkrämern etwas geben zu können. Und dazu nennt man dies einen Gottesdienst und ein Werk der Barmherzigkeit; die Ablaßprediger wissen es in den Himmel zu heben vor allen andern Tugenden; denn frauliche Zucht unversehrt zu erhalten, gilt nicht so viel; die Kinder fromm und zu heiligem Leben zu erziehen, gilt nicht so viel; die Ehe treu zu halten und einträchtig darin bis zum letzten Atemzug zu leben, gilt auch nicht so viel, kurz – nichts gilt so viel. Stehlen, damit man Ablaßbriefe löse, überwindet alle Tugend und Wohltat. Hat das Christus gewollt, oder mag man etwas finden, das seiner Lehre mehr entgegen sei?
Hutten. Mir scheint, du hast Vadiscus auch predigen gehört.
Ehrenhold. Ich hab ihn nicht gehört, diese Dinge hab ich selbst gesehen und kennen gelernt.
Hutten. Er hat beinah die gleichen Worte gebraucht. Er sagte auch weiter: Wo ist nun das Salz der Welt, wovon Christus zu seinen Jüngern redete: »Ihr seid ein Salz der Erde? Wo aber das Salz verschwindet und verkommt, womit will man dann salzen?« Matth, 5, 13. Nun, ich glaube, es ist, wenn je, zu dieser Zeit verschwunden und verdorben, und statt des rechten Salzes ist dieses gefälschte und unschmackhafte eingeführt. Es wär Zeit, daß man es, wie Christus sagt, wegwürfe und mit Füßen zertrete. – Was nun die Fakultäten angeht, das ist Erteilung der Erlaubnis, Übles und Unrechtes zu tun, so gewährt man sie leicht, häufig und in großer Menge. Einst haben sie diese innerhalb der Mauern Roms behalten, von wo sie sich bis vor wenigen Jahren, wer sie haben wollte, holen mußte, als es sie aber deuchte, daß nicht genug Leute nach Rom kämen, diese Ware zu kaufen, haben sie angefangen, Legaten auszusenden, die für Geld alles erlauben, was göttliche und menschliche Gesetze verbieten. Das nennt man Fakultäten. Darunter versteht man aber nicht die Erlaubnis, während der Fasten Fleisch, Milch, Butter oder Eier zu essen, denn das haben sie selbst verboten, können es darum auch selbst wieder ausheben; sondern die Legaten werden erkauft, wenn einer nicht gern erfüllen möchte, was er gelobt hat, oder wenn er einen Eid los sein will, dessen Erfüllung ihm nicht ansteht, oder wenn einer ein Weib zur Ehe begehrt, das ihm die Gesetze verbieten, oder wenn ein Pfaffe zwanzig Lehen Kuratpfründe, die nach dem Worte cura animarum mit Seelsorge verbunden ist. die mit der Seelsorge verknüpft sind, zugleich haben und doch nicht Priester sein will; denn vielen Pfaffen, und besonders in Deutschland, ist es verdrießlich und schmachvoll, Messe zu halten. Ja, noch mehr: wenn du eine böse Tat zu begehen willens bist, so kannst du von den Legaten erwerben, daß du ein Recht hast, sie zu vollbringen; du kannst dir sogar die Befugnis erkaufen, daß du nicht zurückzugeben brauchst, was du etwa jemandem mit Unrecht genommen hast.
Ehrenhold. Wenn wir solche Legaten hier einlassen und aufnehmen, ist das nicht ebenso, als ob die Trojaner das leidige Pferd, worin die Griechen eingeschlossen waren, in ihre Stadt hineinzogen und dadurch ihre Zerstörung herbeiführten?
Hutten. Ganz genau so! Aber weiter: durch die päpstlichen Vollmachten können alle Missetäter von ihren Sünden rein gewaschen werden. Wenn einer einen Menschen, sei es auch seinen Vater, getötet oder, was sie noch für schlimmer halten, wenn einer durch Eingebung des Teufels Offizieller Ausdruck in der betreffenden Verordnung. einen Kleriker oder Geweihten geschlagen, oder wenn einer sich mit seiner leiblichen Mutter, Schwester oder Tochter vermischt hätte, oder, was sie für das allerschlimmste halten, wenn einer im Bann des Stellvertreters Gottes wäre, kurz – was einer auch immer getan haben möge: alles kann durch die Vollmachten rückgängig und ungeschehen gemacht werden.
Ehrenhold. Wie? Sollte man denn für solche Sünden keine Gnade erwerben können?
Hutten. Gewiß; man soll sie aber nicht verkaufen. Sie kann auch hier von jedem Priester verliehen werden, denn ein reuiges, demütiges Herz will Gott nicht verschmähen. Vadiscus hat, wie ich vorher sagte, darüber seinen Verdruß gehabt, daß sie die Absolutionen stufenweise eingeteilt und einzelne Fälle aufgestellt haben; einige nennen sie bischöfliche, einige päpstliche Fälle, nur um des Gewinnes willen. Was könnte es für einen andern Grund haben?
Ehrenhold. Ich glaube selbst, daß dies der Grund ist.
Hutten. Und nun werden Vollmachten zusammengeflickt, die nicht bloß die Legaten bringen, sondern die man auch andern zum Verkauf überläßt. Die Bettelmönche treiben Hökerwerk damit, sie kaufen sie in Rom, um sie hier im Lande wieder zu verkaufen: und so machens auch andre Orden und Stifte. In erster Reihe jedoch die Bettelmönche, die wissen sie anzubringen und dem Papst sein Geschäft getreulich zu besorgen, indem sie dem Volk Wunderdinge vom Ablaß vorschwatzen, besonders den Weibern, deren Ja und Nein sie ganz in der Hand haben, die sie außerdem auch durch das Mittel der Beichte nach ihrem Willen lenken.
Ehrenhold. Wie ich sehe, ist gar kein Unterschied zwischen den Kaufleuten und denen, die mit Vollmachten handeln?
Hutten. Es ist auch kein Unterschied. Aber Geld für Ablaß geben, nennen sie nicht kaufen, denn wenn sie es so nennten, würde ihre Schandtat offenbar, und sie machten sich durch ihren Handel verhaßt.
Ehrenhold. Wenn das Kind auch nicht den Namen hat, ist es in Wahrheit nicht dafür zu halten? Oder wen haben die Zaubereien so verblendet, daß er meinte, es sei nicht gekauft, wenn er Geld für etwas gäbe?
Hutten. Das gemeine einfältige Volk und einige blöde, unkluge Fürsten verneinen es. Auch das ist eine große Geschicklichkeit von ihnen, daß sie im Namen des Türkenkrieges nun schon zu öftern Malen Geld von uns erpreßt haben. Wer du kannst glauben, wenn dieser Krieg auf Beschluß aller Christen begonnen werden sollte, diese vermeintlichen Anstifter würden seinen Fortgang zu verhindern wissen. Denn es ist ihnen von Vorteil, daß sie Türken sind und bleiben, aus vielen und nützlichen Ursachen, am vornehmlichsten aus der, daß sie von den Deutschen Geld heischen können. Von den Italienern und andern Nationen fordern sie keins: aber die Deutschen, die sie so lange und auf so vielfache Weise nasführen, halten sie für die rechten dazu. Ein andres noch: Heilige kanonisiren, das heißt, verstorbene Leute in die Schar der Heiligen aufnehmen – welch großen Gewinn haben sie darin gesucht und gefunden!
Ehrenhold. So wird jetzt niemand umsonst heilig?
Hutten. Niemand, wie du siehst. Es wär aber viel besser, wenn jemanden seine eignen guten Werke und Verdienste heilig machten, als daß dieser Glaube bei den Leuten erweckt werden muß, weil man Geld dafür gab. So geschah es vor kurzem, daß die Predigermönche einen aus ihrem Orden, Namens Antonius, Erzbischof von Florenz, starb 1459. heilig haben wollten; sie erbaten sich darum von dem Kaiser Max ein Empfehlungsschreiben an den Papst Leo, damit ihre Sache gefördert werde. Schließlich brachten sie es aber doch nur mit Geld (man weiß, mit wie viel) zu Wege. So ist denn auch der vor wenigen Jahren in Trier ausgegrabene ungenähte Rock, Der heilige Rock, des Heilands Mantel, um den die Kriegsknechte würfelten, ist von der Kaiserin Helena unter dem Bischof Agritius von Trier (314–334) der Domkirche in Trier geschenkt worden. Kaiser Max veranlaßte im Jahre 1512 den Bischof Richard von Greifenklau, das lange verborgene Heiligtum wieder hervorzuholen und vor den Augen der Gläubigen auszustellen. An 100 000 Menschen sollen zu dieser Feier in Trier zusammengeströmt sein! der nun der Rock Christi sein soll, heimlich vom Papst gekauft, und infolgedessen fällt an den Papst ein Teil des Geldes, das die Pilger opfern, die dahin kommen, um den Rock anzubeten. Eher verlören die Italiener alles, was sie hätten, als sie sich zu diesem närrischen Aberglauben /verleiten ließen. Deshalb verlachen sie uns Deutsche auch bis zum Bersten, wenn sie uns solchen Unsinn glauben sehen.
Ehrenhold. In Italien Hab ich niemand derlei begünstigen sehen, die wir zu unserm eignen und zu aller Welt Schaben zulassen. Denn die Italiener kaufen keinen Ablaß, ja, kaum nehmen sie ihn umsonst; sie geben auch kein Geld zum Türkenkrieg und wissen, daß die Vollmachtbriefe erfunden sind, um die Barbaren zu plündern, die sie darum für Fremde und Unebenbürtige ansehen. Auch geben sie nicht einen gebogenen Pfennig zu den Kirchenbauten, wie wir es törichterweis zu tun pflegen.
Hutten. Da bringst du mich auf eine andre Dreiheit. Drei Dinge, sprach Vadiscus, verspricht man beständig in Rom und vollbringt sie niemals: Seligmachung der Seelen, Aufrichtung der verfallenen Kirchen und den Zug gegen die Türken.
Ehrenhold. Und das sind auch die drei, unter denen sie, wie unter einem Schanddeckel, Geld von uns fordern.
Hutten. Allerdings. Unlängst schickten sie einen besonders göttlichen Ablaß her nach Deutschland unter dem erlogenen Vorwand, daß das aus dem Ablaß gelöste Geld zur Wollendung von St. Peters Münster in Rom Papst Leo ließ wiederholt Geldsammlungen in Deutschland veranstalten, unter dem Vorgeben, dafür die Peterskirche in Rom ausbauen zu wollen, was auch vielleicht mit diesem Gelde geschehen sein kann? dienen sollte, dessen Fundament der Papst Julius gelegt hat.
Ehrenhold. Wenn dem auch so wäre, und das Geld zu nichts anderm gebraucht würde, warum soll man von unserm Gelde römische Kirchen bauen? Haben wir hier im Lande nicht genug Kirchen, die wir, wenn sie verfallen, wieder aufbauen und im Stande erhalten müßten? Schämt sich ein Papst nicht, uns solche Zumutung zu stellen?
Hutten. Er müßte sich dessen schämen, wenn man sich in Rom überhaupt einer Schande schämte. Wann geht aber der Zug gegen die Türken vor sich?
Ehrenhold. Ja, wie oft ist nicht seine Ausführung durch die Päpste verhindert worden?
Hutten. Wie machen sie denn die Seelen selig?
Ehrenhold. Können sie andrer Leute Seelen selig machen, da sie selbst so weit ab von der Seligkeit leben, die so ganz von Ehre und Frömmigkeit verlassen sind?
Hutten. Jetzt berührst du Dinge, die nicht vertragen, daß man darüber die Wahrheit sage.
Ehrenhold. Welche denn?
Hutten. Wie Vadiscus sagt, diese drei: Der Papst, der Ablaß und die Unfrömmigkeit, womit sich ein jeder in Rom nährt.
Ehrenhold. Und dennoch wollen wir die Wahrheit sagen. Da sich aber jene nicht durch gütige und brüderliche Vermahnungen, die aus christlicher Liebe geschehen, bewegen lassen, so wollen wir denn, wie sich auch Vadiscus vorgenommen hat, und wie Virgil sagt:
»Mit Trotz sie schelten öffentlich.
Und geben manchen bittern Stich.«
Virgils Aeneis XI, 337.
Ich hoffe, wir werden bei diesem Vorhaben mehr als genug Mithelfer haben, nicht allein unter dem gemeinen Volk – denn bereits sind die Bullen wertloser geworden, und man kauft je länger, um so weniger Ablaß; die päpstlichen Gesandten sind nicht mehr angenehm; die Unzufriedenheit über die Geldforderungen wird von Tag zu Tag größer; man fürchtet nicht mehr, wie vor Zeiten, den jähen Donnerschlag des Bannes; man kauft wenig Dispensationen mehr – ja, wir werden auch Unterstützung finden bei den Fürsten und Herren, denn auch diese reden, wie du sagst, frei von der Leber weg und werden sich, kommt die Zeit, zu Taten bereit zeigen. Auch sie wollen den frechen, unvorteilhaften Zwang des römischen Bischofs nicht mehr leiden, den er sich anmaßt; auch sie sind begierig nach einem Konzil, und werden säumiger im Anbeten des unverschämten Abgottes römischen Stuhls; auch sie preisen das ehrsame, bescheidene, geistliche Leben der alten Bischöfe, und sehen mit großer Ungeduld diese schacherigen und vermammonten Bischöfe, Leute in Geiz und Überfluß versunken, den geistlichen Namen zu ihrer Hoffart und Tyrannei misbrauchen; sie verlangen, daß hinfort die geistlichen Lehen in deutschen Landen nach ihrem Willen nur an die verliehen werden, die ihrer würdig sind, damit der ausländische Geiz um so weniger um sich fressen könne, der die Güter zu unsrer Schmach und Spott entweder für sich verschlingt, oder sie an andre, die ihrer vielleicht gar nicht würdig sind, verkaufen, sie tragen großes Misfallen, daß der Hader um geistliche Lehen in Rom ausgemacht wird, wie bisher geschehen ist, und sie begehren inbrünstig und herzlich, daß die Obersten der Kirche statt der Sitten, die sie jetzt üben, wie Torheit, Müßiggang, Üppigkeit, Geiz, Räuberei, Meineid, Trunkenheit, Betrug, Unkeuschheit, Übermut, Zanksucht, Untreue, Aufsässigkeit, Gewalt und Unrecht, Bosheit und Wut jetzt diese Gegentugenden annähmen: Sorgfalt und Wachsamkeit über alles Gute, Emsigkeit, Genügsamkeit, Mäßigkeit, Treue, Redlichkeit, nüchternes Leben, Einfalt, Keuschheit, Beständigkeit des Gemüts, Eintracht, Glauben, Gerechtigkeit, Andacht, Sanftmut und Barmherzigkeit; auch sie sind der Meinung, daß es allen Christen von Nutzen sein wird, daß die, die Stellvertreter Christi genannt sein wollen, auch in seinen Fußtapfen wandeln. Zwar würden sie sich nicht freiwillig dazu entschließen, sondern müßten dazu gezwungen werden, ein andres Leben anzufangen!
Hutten. Es ist wohl Hoffnung vorhanden, daß dies geschieht. Ist doch schon, wie das Sprichwort sagt, aus einem trägen Esel ein arbeitsames, schnell laufendes Pferd geworden. Wenn aber die Unsrigen so etwas unternehmen, was werden die Pfaffen dagegen tun? Was meinst du?
Ehrenhold. Ich glaube, sie werden sanftmütiger werden und, wie Virgil sagt: »Nicht mehr Krieg und Gewalt, sondern Milde und Bitten anwenden und sich ganz und gar dem Frieden zuneigen.« Virgils Aeneis III, 260 ff.
Hutten. Nicht um ein Haar; sondern mit großem Trotz werden sie sich wehren, Harnische, Leute und Pferde zurüsten, und uns mit unserm eignen Gelde bekriegen. Und wenn sie an ihrer eignen Macht verzagen, dann werden sie, wie schon immer vorher, Zuflucht bei den Franzosen suchen und alles aufbieten, werden, wie man sagt, jeden Stein umwälzen, ehe sie sich reformiren lassen. Sie werden über uns rufen, wir seien Verfolger der Kirche (denn so nennen sie alle, die einen Finger gegen sie aufheben), wir seien Schismatiker, das heißt, Abtrünnige; sie werden auch schreien, wir wollten den ungenähten Rock Christi zertrennen, und werden Bannflüche und Verdammungen um sich schleudern. Denn wer die ältern Geschichten nicht kennt, wie böslich viele redliche deutsche Kaiser durch sie gelitten haben, die sie mit ihren Spreudekreten Unübersetzbares Wortspiel von paleis decretorum und paleae. besprengten und schändeten, sie treulos, meineidig, grimmig und Ketzer schalten, wie unglückselig es denen infolge des Betrugs und der List der Feinde ergangen ist: den sollte die frevelhaft unsinnige Bulle des Julius,, Es ist die Bulle des Julius gemeint, die 1509 Bann und Interdikt über die Republik Venedig aussprach und die Venetianer dadurch veranlaßte, die von ihnen besetzten Gebiete des Kirchenstaates zu räumen. von der wir oben geredet haben, ermahnen, was von ihnen zu gewärtigen sei. Der hatte in der von ihm verfaßten Bulle alle, die gegen ihn und (so sagte er) gegen die Kirche wären, dem Teufel anheim gegeben, dagegen allen, die seiner Fahne folgten, den Himmel und noch größers als den Himmel verheißen. Wen hat er nicht beeinflußt? die einen entweder durch diese Zusage an sich gezogen, oder die andern durch verheißene Drohung und Schrecken zur Flucht und Verzagtheit gebracht? Ja, er allein hat so viele Könige, so viele Länder ganz nach seinem Willen regirt. Mit wem er ein Bündnis schloß, den hat er, so lange seine Freundschaft währte, siegen lassen; sobald er aber, wie seine Gewohnheit war, das Bündnis zerschnitt und sich auf die Gegenseite schlug, hat er die andre Partei emporgebracht. Wohin er sich wandte, da trug er Sieg und Herrschaft mit sich.
Ehrenhold. Das weiß ich alles wohl. Doch in Wahrheit hat dem Julius nicht diese Bulle, noch seine eigene Macht, sondern die Gunst der Zeit und eine wunderbare Fügung und Lage der Umstände zu seiner Sache verholfen. Ich hoffe aber, daß er der letzte gewesen ist, dem solch ein Glück widerfährt, denn ich glaube nicht, daß es je einem noch glücken wird.
Hutten. Sie hingegen haben ein großes Vertrauen. Darum sagt Vadiscus, daß sie zum Hohn der Deutschen zu prahlen pflegen: Drei Dinge befestigen Rom, seichte Gräben, zerbrochene Mauern und niedere Tore. Damit wollen sie sagen: obwohl Rom gar nicht wehrhaft gebaut ist, so ist es dennoch gut gesichert, selbst vor den Deutschen; es bedürfe, so meinen sie, gegen ein barbarisches Volk (das sie tapfer mit Worten und Briefen bekriegen können) nicht viel Schutzes, dazu sei eine geringe Macht ausreichend. So wenig fürchten sie von uns für ihre Stadt, worin dreierlei Herren das Regiment haben: Hurenjäger, Hofleute und Wucherer.
Ehrenhold. Ja, bei Christo! Nur die sieht man in Rom in Ehren.
Hutten. Ist nun nicht eine Stadt, die von solchen Leuten bewohnt ist, sehr geeignet, ein Haupt der Kirche zu sein?
Ehrenhold. Wie mich dünkt, sehr ungeeignet.
Hutten. Eine Stadt, worin die Leute drei Dinge ungern tun: ihr Wort halten, Liebesdienste verrichten und aus dem Wege weichen?
Ehrenhold. Solche Sitten sind doch der christlichen Unschuld und Sanftmut stracks entgegen. Sie sind so sehr andrer Meinung als das Sprichwort: was du nicht willst, daß dir gescheh, mit dem tu keinem andern weh, daß sie sogar ausweichen für beschwerlich halten. Und sein Wort halten, milde, freundlich und dienstfertig sich gebärden, das sind größre und göttlichere Tugenden, als daß sie zu Rom im Schwange sein könnten.
Hutten. Soll aber die Stadt, worin drei Dinge, Huren, Pfaffen und Schreiber, ein müßiggehendes, ganz unnützes Volk, so häufig sind, daß sie nicht gezählt werden können, die dort zum großen Schaden derer leben, die man, um sie zu ernähren und zu erhalten, rupft und beraubt – soll eine solche Stadt auf Erden geduldet werden?
Ehrenhold. Wahrlich, sie besteht zu unleidlichem Schaden. Was tut sie nicht, andrer Sünden zu geschweigen, schon den Deutschen an!
Hutten. Damit du insgesamt erkennst, wie die Römer gesittet sind, so höre Vadiscus, der da sagt: Drei Dinge begehren in Rom alle Menschen, kurze Messen, altes Gold und ein wollüstig Leben.
Ehrenhold. Daraus ist zu entnehmen, daß sie sich nicht der Geistlichkeit befleißigen, sondern dem Geiz und Müßiggang anhangen.
Hutten. Diesen Lastern ist die ganze Stadt Rom verfallen und unterworfen, die ohne das vor andern Städten drei Dinge allein hat: den Papst, alte Gebäude und Habsucht.
Ehrenhold. O welch ein Haupt der Kirche haben wir! Hältst du es aber für möglich, daß wir die Herrschaft der Kirche einer Stadt nehmen können, die mit so viel Gift durchtränkt, mit so viel Krankheiten vollgepropft, mit so viel Gebrechen an Leib und Seele behaftet ist?
Hutten. Es ist aber gut, daß die Oberherrschaft sich an einem Ort befindet, wo die drei Dinge, die man sonst nirgends antrifft, alltäglich sind.
Ehrenhold. Welche sind diese?
Hutten. Leute aus allen Ländern, allerlei Münze und die Vereinigung aller Sprachen.
Ehrenhold. Besser wärs, das verpestende Rom verkomme und verdürbe samt seinen fremden Gästen, samt seinen vielen Münzen und Sprachen, als daß es unsre Sitten länger beschmutze und verderbe.
Hutten. Den Römern ist es von Vorteil, daß wir Deutschen in bösen Sitten leben. Rom haßt drei Dinge: Patronatsrecht (wie sie es nennen), freie Wahl der Bischöfe und Prälaten und der Deutschen Nüchternheit; dieser letztern aber ist es am meisten gram und entgegen, es würde sie nicht länger dulden, sondern lieber ein Gebot ausgehen lassen, worin Trunkenheit gelobt und vielleicht mit Ablaß belohnt werde, damit nicht die Deutschen, wenn sie nüchtern sind, ihre bösen Stücke und Betrügereien um so leichter merkten. Denn die Deutschen, die wenig trinken, Pflegen über ihr unreines Leben und ihre Habsucht freier, als ihnen lieb ist, zu reden. Ein jeder Patron (das ist einer, der ein Lehen gestiftet hat) und seine Erben oder Nachkommen haben es zu verleihen, und es ist auch von altersher Brauch, daß alle Prälaturen durch die Wahl entstehen. Das mag Rom nicht leiden.
Ehrenhold. Wir dagegen wollen römische Gewalt, Betrug und Schalkheit nicht leiden.
Hutten. Dann würde all der Zier und Herrlichkeit der Stadt Rom viel Abbruch geschehen.
Ehrenhold. Welcher Zier und Herrlichkeit?
Hutten. Welcher? Als ob sein Schimmer nicht bekannt wäre! Zunächst diese drei, die jedermann in Rom vor Augen sieht und jedem, wo er geht, begegnen: Reiter, Briefträger und Segnungen.
Ehrenhold. Das sind Dinge, an denen ich keinen Nutzen erkenne.
Hutten. Danach diese, die man in Rom an allen Orten sieht: heilige Stätten, unreine Frauen und ehrfurchtsvolle Erwähnung alter Geschichten und Händel.
Ehrenhold. Ich achte die Stätte nicht für heilig, wo solche Sitten herrschen; es gilt mir auch das als ein wahres Wort: Gott erwählte nicht das Volk um der Stadt, sondern die Stadt um des Volkes willen. 2 Makkab. 5, 19. Wenn Christus Rom lieber hätte als einige Städte in Deutschland oder in dem äußersten Tule, fürwahr, dann würde er es von solchen Unsitten, Schanden, Missetaten, von solch unchristlichem Leben rein erhalten; und jetzt würde er es gar mit Blitz und Donnerschlag zerschmettern.
Hutten. Darin ist solch eine Lust und Schmuck!
Ehrenhold. Ja, und alle die Obergeheimschreiber, Unterschreiber, Pfaffen, Abschreiber, Pedelle, Auskehrer, Schwanzträger, Bischöfe, Altardiener, Wucherer, Fuchsschwänzer und der ganze Haufe, der der ganzen Christenheit lästig ist.
Hutten. Du stehst ganz streng zur Ansicht des Vadiscus. Um nun wieder auf die Zierde der Stadt Rom zurückzukommen, so gibt es dort drei Dinge, die man kostbar kleidet: Pfaffen, Maulesel und gewöhnliche Weibsbilder.
Ehrenhold. Laß sie sich kleiden und zieren! So lange das unselige Deutschland in seiner Torheit verharrt, haben sie Geldes genug, diese Pracht zu bestreiten. Wird es aber einmal aufwachen und seinen Schmerz fühlen, dann werden sie kärglicher leben müssen und weniger Hofgesinde haben, und wenn ihr Zins gemindert ist, werden sie von den vergoldeten Eseln steigen und zu Fuß schreiten. Dann wirst du nicht mehr die Kardinäle in Scharlach gekleidet, mit einem Hofgesinde, was Könige haben sollten, einhergehen sehen. Alsdann wird es weniger Müßiggänger, weniger Betrug und Bosheit, aber mehr heiliges Leben, Ehrsamkeit, andächtige Gebete geben, sie werden durch Wachen und Fasten magern Leibes, durch Nüchternheit und mäßiges Leben gesund werden und an Unschuld, gutem Gewissen und Gemüt wachsen. Werden sie auch des Reichtums und weltlichen Überflusses beraubt, so nehmen sie dagegen an Ehre und priesterlicher Würde zu, ja, man wird sie in Herrlichkeit und ihrem Stande gemäß leben sehen. Wollte Gott, ich könnte den Tag erleben, wo ich sähe, daß jene Untugenden abgelegt, diese Tugenden dagegen von dem Haupt der Kirche, in welcher Stadt es auch sei, geachtet würden. Wahrlich, solche Bischöfe würden mir behagen, nicht aber solche, von denen der Dichter sagt:
Die sich den Leib mit seiner Seiden
Und reich verziertem Purpur kleiden,
Faul sind und träg, nichts vor sich bringen,
Lust haben nur an Tanz und Sprüngen!
Virgils Aeneis IX, 614.
Hutten. Sie sind aber nicht nur verweichlicht, weibisch und wollüstig, sondern auch betrügerisch und vor allem diebisch und räuberisch; sie haben so große Begierde, andern Leuten das Ihre zu nehmen und auszuplündern, daß sie der Geiz ganz verkehrt und widersinnig leben läßt, wie die, von denen es heißt:
»Sie haben zu Trug und Raub stets Mut
Und mästen sich von geraubtem Gut.«
Virgils Aeneis IX, S. 612.
Ehrenhold. Das größte Übel, das ich an ihnen finde, ist aber das, daß sie den Glauben erwecken wollen, als würde alles, was sie durch Rauben, Schinden und Betrugen ergattern, zu Gunsten der Kirche und des Dienstes Gottes verwendet. Wenn ihnen dagegen jemand etwas nimmt, so schreien sie ihn für einen Kirchendieb aus, sagen, er habe ein Gotteshaus beraubt und schelten ihn einen Feind Gottes. Sie allein also rauben ohne Sünde. Ja, sie wollen noch für ihre Diebstähle Belohnung von Gott haben, denn sie sprechen wie die Räuber, von denen Virgil schreibt:
Wir fielen es mit Waffen an,
Gelobten allen Göttern dann:
Die Beut, wenn sie zu Hilf uns eilen,
Mit ihnen nach Verdienst zu teilen!
Virgils Aeneis III, 222.
Hutten. Sie nehmen es uns doch nicht mit Waffen?
Ehrenhold. Ist Blei keine Waffe? ich kenne keinen Unterschied, ob Deutschland mit Eisen, Blei Die Bleisiegel an den Bullen. oder anderm Metall überwunden wird, als den, daß wir uns schämen müßten, daß wir, unüberwindlich gegen Stahl und Eisen, mit bleiernen Schwertern bezwungen werden.
Hutten. Was verbietet nicht die Bulle »in coena Domini?« Diese Bulle, die mit den Worten »in coena Domini« (am Tage des Abendmahls Christi) beginnt, wurde schon 1392 von Urban V. erlassen; sie sollte jährlich am Gründonnerstage (daher ihr Name) in allen Kirchen verlesen werden und enthält in 24 Paragraphen Exkommunikationen wegen allerhand Uebertretungen.
Ehrenhold. Alles, was eine Bulle vermag.
Hutten. Man fürchtet sie mehr, als alles andre.
Ehrenhold. Was denn mehr? – Man weiß, daß ihr also erworbener Reichtum einigen Hoffnung, einigen Furcht erweckt, daß sie die ganze Christenheit, Deutschland voran, durch ihren falschen Schein und mit ihren Trugbildern betört, geäfft und sich untertänig gemacht haben, daß sie unsere Fürsten beinahe zur Unsinnigkeit verkehrt haben, denn wenn sie ihnen ihre geweihten Rosen, Schwerter und Hüte zuschicken, hilf Gott, wie großen Dank verdienen sie sich damit! Welche Gegengeschenke empfangen sie dafür! Und mit wie großem Gepränge, mit welchen Ehren muß man nicht die Boten, die solche Gaben bringen, behandeln? Du hast doch kürzlich gesehen, wie ein Legatlein Karl von Miltitz überbrachte sie Friedrich dem Weisen von Sachsen im Dezember 1518.eine Rose nach Sachsen brachte; das Närrchen wollte sie nicht übergeben, es sei denn, daß ein fürstlicher Bischof Messe dazu hielte. So muß man päpstliche Göckelei und römische Popanzerei durch Pomp und schauspielerisches Gepränge auszeichnen. Doch es wär das immer noch gering zu veranschlagen, wenn es allein hier im Lande vor sich ginge, und man nicht noch dazu mit großen Kosten nach Rom ziehen müßte, dem Papst daselbst seine »heiligen« Füße zu küssen, und ich weiß nicht, was zu holen.
Hutten. Auch mir ist nicht bekannt, daß Leute, die dahin ziehen, andre Dinge zurückbringen als solche, die wir oben angeführt haben. Vadiscus sagt, drei Dinge seien verboten, aus Rom mitzunehmen, obwohl dies Verbot nicht nötig gewesen wäre: zuerst, das Heiligtum; aber infolge des Zweifels, den jeder in römischen Dingen hat, weiß keiner, ob es das, was sie dafür ausgeben, sei oder nicht. Das andre, große Steine, die doch niemand wird so leicht mit wegtragen. Das dritte, Andacht, die es doch in Rom gar nicht gibt.
Ehrenhold. Öffentlich sieht man keine, aber im Stillen dürfte man noch bei einigen frommen, gottesfürchtigen Frauen Andacht finden. Ich zweifle jedoch, ob unter hundert Romanisten einer gefunden wird, der mehr als mittelmäßig recht und christlich lebe und glaube.
Hutten. Darauf wollte ich soeben kommen. Drei Dinge, sagt Vadiscus, glauben sehr wenige Leute in Rom: Unsterblichkeit der Seele, Gemeinschaft der Heiligen und Pein der Hölle.
Ehrenhold. Davon hat er mich schon überzeugt; wenn sie glaubten, daß die Seele unsterblich wäre, so würden ihrer etliche doch ihre Seele mit Tugenden schmücken und danach leben. Sie hängen aber fleißig den Wollüsten des Leibes an und beschweren und überladen ihre Seele auf allerlei Wegen. Hielten sie etwas von der Gemeinschaft der Heiligen, so begehrten sie ohne Zweifel, ihrer teilhaft zu werden. Spricht nun einer unter den tapfern Römern von der Pein der Hölle oder des Fegefeuers, so halten sie seine Rede für ein Altweibergeschwätz.
Hutten. Nichtsdestoweniger nehmen sie den Schein der Andacht und des guten Glaubens an und wissen gar christlich davon zu reden. Darum spricht Vadiscus: Dreier Dinge rühmt man sich in Rom ganz besonders, die doch gar nicht dort vorhanden sind, der Andacht, des Glaubens und der Unschuld.
Ehrenhold. Sie sind wahrlich nicht dort. Dieser ihr Alleinbesitz scheint gleich dem Wunder zu sein, das Virgil beschreibt:
Oben ein menschlich Angesicht,
Schön wie ein Jungfrau zugericht.
Bis auf den Schoß – dann ähnelts ganz
Dem Fisch mit seinem schuppigen Schwanz!
Virgils Aeneis III, 427 sagt dies von der Scylla.
Hutten. Drei Dinge sind förderlich in Rom, werden aber sehr selten gesehen: Altes Gold (das halten die Hofleute, Pfaffen und Wucherer bei sich versteckt), der Papst (der zeigt sich selten, damit er dem gemeinen Volk ehrwürdiger erscheine), und schöne Frauen (denn wer die hat, schließt sie ein, um ungestörter Ehebruch treiben zu können).
Ehrenhold. Welche drei Dinge nennt Vadiscus die teuersten in Rom?
Hutten. Gottesdienstliche Werke, Gerechtigkeit und wahre Freundschaft, wegen ihrer Seltenheit; wer sie besäße, wäre fast selig zu nennen.
Ehrenhold. Ich glaub es wohl, unter so bösen Leuten, bei so verkehrten Sitten. Liederliche Freundschaft entbieten sie einander und wissen sich gut zu verstellen, denn wer begegnet uns zu Rom, der uns nicht umarmte und küßte? Wer sie küssen dort oft einen mit dem Munde und beißen ihn im Herzen.
Hutten. Dreierlei, meint Vadiscus, küssen die Leute in Rom: Hände, Altar und Backen.
Ehrenhold. Wie? küssen sie denn nicht mehr die Füße?
Hutten. Ja, dem Papst und einigen wenigen, die von hohem Stande und Ansehen sind, und denen der Papst wohl will.
Ehrenhold. Wie ich sehe, gibt es drei Dinge in Rom, die böse sind, oder für Aberglauben gehalten werden. Hat denn Vadiscus nicht irgend was Gutes in Rom gefunden?
Hutten. So wenig, daß er keine Dreiheit daraus hat machen können. Als ich einmal wartete, etwas Gutes zu hören, sagte er: Drei Werke der Barmherzigkeit gibt es in Rom. Ich glaubte nun sicher, er werde von heiligen Dingen sprechen.
Ehrenhold. Was sagte er aber?
Hutten. Werke der Barmherzigkeit in Rom sind: Den Kardinälen den Zins der reichen Klöster und Abteien zum Nießbrauch zu geben, Domherrnpfründen und alle fetten Lehen dem Papst zuzustellen, damit er sie verleihen könne, und die Gemüter der Christen, die durch unaussprechlichen Aberglauben und Gespensterschwindel zur Verzweiflung gekommen sind, durch die Arzenei des Ablasses und päpstlicher Gnaden wieder zu erquicken. So konnte ein Kardinal als Inhaber des Priorats eines französischen oder englischen Klosters, ohne die Stelle wirklich zu verwalten, deren Einkünfte in Rom verzehren.
Ehrenhold. Ich sehe kein Werk der Barmherzigkeit; Geiz und unauslöschlichen Trug seh ich.
Hutten. Ich auch.
Ehrenhold. Warum läßt sich doch die Welt so lange blenden und nasführen? Wo ist der Grund, daß man die nicht bekehrt, die alles verkehren? Ist es nicht ein Jammer, glauben zu müssen, daß es uns nicht gebühre, das kranke Haupt abzuschlagen, damit der ganze Leib um so besser werde?
Hutten. Fürwahr, den Papst vermögen wir nicht zum Teufel zu jagen, wenn schon die ganze Welt aus vielen Gründen es sich unterstehen wollte, wegen der Dekrete, womit sie sich vorsichtig verwahrt haben, und wegen der geistlichen Rechte, womit sie gegen alle Anfechtung, auch gegen das Konzil, streiten.
Ehrenhold. Welch ein armselig Wesen um die christliche Gemeinde, die da glaubt, man dürfe gegen so viele Scheußlichkeiten, Ungebühr und Übeltaten nichts versuchen, sich nichts unterstehen. Ich hoffe aber, unser Seligmacher Christus werde den Leuten noch einen andern Rat einflößen, nämlich, daß sie erst diese Dekrete, darnach deren Stifter und Erdichter, die Kopisten und Notarien, die Fürsten der römischen Kirche, von Grund ans ausreuten und mit Füßen zertreten. Wie Luther bald darauf an den päpstlichen Dekreten tat!
Hutten. Auch wegnehmen, was ihnen Konstantin gegeben hat?
Ehrenhold. Was hätte er ihnen denn gegeben?
Hutten. Erstlich Hofdiener, Trabanten, Pferde, Kronen aus lauterm Golde, schöne Decken und Schabraken für ihre Rosse, Wagen, Rittergürtel, Purpur, goldnen Schmuck, Kopfzierden, Bischofsmützen und dergleichen Firlefanz mehr; sodann Fürstentümer, Städte und das ganze Reich.
Ehrenhold. Das ist eine alte Fabel und mir nicht glaublich. Darum sag ich also: Sind derlei Dinge in Rom und in der Romanisten Gewalt, so soll man mit ihnen alles, was sie haben, auskehren, den Papst aber mit seinen Kardinälen zur rechten Ordnung zurückbringen, auf die alte bischöfliche Mäßigkeit und Unschuld oder (wie man sagt) an seine alte Krippe anbinden.
Hutten. Sie fürchten sich noch nicht sehr und haben ein trotziges Vertrauen.
Ehrenhold. Worauf?
Hutten. Weil man drei Dinge in Rom für gewiß hält. Der Römer Macht, der Welschen Trug und der Deutschen Untauglichkeit.
Ehrenhold. Darauf verlassen sie sich?
Hutten. Darauf, und wähnen sich darin sicher.
Ehrenhold. Der Römer Macht hält man für gebrochen und überlebt, so daß man das Sprichwort, das einst für die Milesier galt, jetzt auf die Römer beziehen kann: »Einst waren Römer.« Im lateinischen Text zitirt Hutten den Aristophanes V. 1003 seines Plutos. (Vordem waren wohl streitbar die Milesier.)
Hutten. Sie sind aber andrer Meinung und legen sich den Ehrentitel des römischen Namens und den Ruhm ihrer Vorfahren als ihr Erbteil bei. Schon der Name der römischen Majestät tröstet sie.
Ehrenhold. Wie schlecht werden die geschützt sein, die ihre Zuflucht zu Namen nehmen! Wohl aber ist die Katzenschlauheit der Alten etwas wert, denn oft haben sie unsre großen Heere durch Betrug verführt. Ich hoffe auch nicht, daß wir Deutschen immerfort werden untauglich sein.
Hutten. Wer sie hoffen es, sonst würden sie unsere Macht fürchten.
Ehrenhold. Sie sollen sie nicht fürchten, sondern fühlen in einer großen Klage der ganzen Welt über sich.
Hutten. Weißt du, was die Christenheit jetzt billigerweise über das römische Regiment klagen sollte, wenn sie Aug wäre?
Ehrenhold. Ich kenne viele, sie sehr beschwerende Dinge und meine auch, der Meister in der Dreiheit, Vadiscus, hat sie auf ausgezeichnete Weise zusammengereimt. Sag aber was?
Hutten. Vor allem drei Dinge. Erstlich, daß das boshafteste Geschlecht der Florentiner Leo X., der im Jahre 1513 den päpstlichen Stuhl bestiegen hatte, entstammte bekanntlich dem Hause der Mediceer zu Florenz. jetzt Rom regirt; zweitens, daß des Papstes Schmeichler ihn für einen Gott ausgeben; drittens, daß sich der Papst allzu große Gewalt anmaßt in der Gnadensache des Ablasses und in dem Strafmittel des Bannes.
Ehrenhold. Ich lobe des Vadiscus Scharfsinnigkeit sehr; mir gefällt auch dein Fleiß, und vornehmlich verwundre ich mich über dein Gedächtnis. Sag mir aber, der alle Dinge zu Rom dreifältig macht, teilt er auch dem Papst drei Schwerter zu? Bisher hat er sich doch nur zweier, des geistlichen und des weltlichen, gerühmt. Vgl. Luc. 22, 38, wo diese Worte, aber falsch ausgelegt, zu finden sind.
Hutten. Er hat jetzt drei Kronen, da ist ihm auch das dritte Schwert zuteil geworden, auf daß der Hirt und Gottes Stellvertreter seine Herde scheren könne und, wenn etwa die Schafe räudig wären, das Gebrechen ausschneide, auf daß nicht eins das andre verunreinige und anstecke.
Ehrenhold. Tut er das nicht mit einer Schere wie andre Hirten?
Hutten. Er tut es mit dem Schwerte unter Schrecken, sonst würden sich die Schafe nicht scheren lassen; auch muß er von Zeit zu Zeit eins töten, das kann er besser mit dem Schwerte machen.
Ehrenhold. O Schwert, Hirt, Scheren und Ausschneiden, wie wenig kommt dies mit Christo überein! Der hat seinen Aposteln das Schwert des heiligen Geistes, das ist das Wort Gottes, hinterlassen. Ephes. 6, 17. Doch dieser muß mit dem Schwert geschlagen werden, mit dem er schlägt, Matth. 26, 52. das gebe Christus! Ich wünsche unter den vielen Dreiheiten, die aus Rom zusammengereimt sind, dem unreinen Haufen, dem Ärgernis der ganzen Welt und dem Gifte aller auch dreierlei Übel, Pestilenz, Hunger und Krieg. Dies' ist meine Dreiheit. Hutten. Rom ist ohnehin dreierlei Krankheiten unterworfen, wie Vadiscus sagt: Dem Fieber, der Armut und dem Trug.
Ehrenhold. Das sind wirklich Krankheiten, die in Rom schrecklich Hausen. Auch wir beide lagen dort in Armut schwer krank, einmal oder zweimal selbst am Fieber, aber am Trug haben wir etliche von unsrer Bekanntschaft zu unserm großen Schmerz verderben sehen.
Hutten. Noch von andern drei Übeln, die Rom habe, spricht er: teuern Aufenthalt, Meineid und böse Lust.
Ehrenhold. Da doch der Papst leicht alle Dinge verbannen kann und Gewalt hat über Himmel und Erde, warum treibt er nicht solche Übel aus seiner Stadt und nimmt die verderblichen Krankheiten hinweg? Wie darf er sich der Gewalt über die Seelen rühmen, da er sie noch nicht über die Körper bewiesen hat?
Hutten. Ich mein, könnt er das eine, so könnt er auch das andre. Darauf spottete Vadiscus gar witzig. Rom hält sich drei Dinge fern, sagte er: Armut, das Regiment der anfänglichen Kirche und die Verkündung der Wahrheit.
Ehrenhold. Ich glaube, Rom möchte immerfort alle Andacht und Gottesfurcht, alle Redlichkeit und Ehrbarkeit, samt allem, was Christus gelehrt hat, von sich ausschließen, damit es sich desto freier im Schlamm aller Sünden und Schanden wälzen und sielen könne.
Hutten. Wir sind nun aber sehr tief in die Nacht hineingekommen, und ich glaube wohl, deine Hausfrau wartet daheim auf dich, desgleichen Stromer auf mich, denn er fühlt sich verlassen am Hofe, wenn ich nicht bei ihm bin. Auch ich habe nicht geringe Sehnsucht nach ihm, dem Gefährten, bei dem ich unter allen, die hier sind, am liebsten weile. Darum geh heim, bist auch satt von den Dreiheiten und hast gewiß einen bewegten, zornigen Magen wegen Rom bekommen, so sehr, daß ich glaube, du wirst zu Hause davon noch Beschwerde haben und dich davon befreien müssen. Ich habe diesen Tag verloren.
Ehrenhold. Verloren? Ach, wie gern wollt ich, daß du viele Tage auf diese Weise verlörest! Meine Hausfrau hab ich allezeit, dich kann ich selten genießen; wir wollen diese Nacht allhier beieinander bleiben und die boshaften Dreiheiten der Romanisten beschlafen.
Hutten. Daß mir dein Weib morgen, wenn ich dich über Nacht hier behielte und dich ihr entzöge, die Augen auskratze!
Ehrenhold. Das wird sie gewiß nicht tun, ja, sie wird kein Wort sagen.
Hutten. Ich kenne der Frauen Art wohl. Vielleicht würde sie denken, ich hätte dich zu irgend einer Prasserei und auf die Buhlschaft geführt. Ich will dich nicht länger halten! Gehen wir fort, du zu deiner Hausfrau, ich nach Hofe zu Stromer, der noch ledig und dem Verdacht der Frau nicht ausgesetzt ist. Gehen wir?
Ehrenhold. Weißt du denn keine Dreiheit mehr?
Hutten. Es sind noch einige unbedeutende da, die will ich nicht aufzählen.
Ehrenhold. Ich möchte sie aber hören, so unbedeutend sie sind.
Hutten. Unterwegs will ich sie dir sagen. Drei sind des römischen Geizes Werkzeuge: Wachs, Pergament und Blei. Die den päpstlichen Bullen angehängten Siegel sind gewöhnlich aus Blei.
Ehrenhold. Richtig!
Hutten. Und drei Dinge sind in großer Verachtung in Rom: Armut, Gottesfurcht und Gerechtigkeit.
Ehrenhold. Auch richtig!
Hutten. Drei Dinge versteht man an keinem Orte so meisterlich als in Rom: Schlemmen, den Glauben brechen und in mancherlei Form Unkeuschheit treiben.
Ehrenhold. Hättest du diese drei ausgelassen, so möchte man sagen, du hättest nichts von Vadiscus gelernt. Dies sind die drei Gifte, womit Rom zuerst andre Nationen, dann auch Deutschland wie mit einer pestilenzialischen Luft unheilbar angesteckt hat; dies ist der Brunnen vieler großer Übel, daraus quillen unsre Krankheiten, fließt diese Verunreinigung. Um es kurz zu sagen: das ist von dem ganzen Rom ein Teil aller Schanden und Laster, eine aufgesammelte Pfütze aller Unreinigkeiten, ein unausschöpflicher Pfuhl aller Sünden und Schweinereien! Um sie zu vernichten, als eine Verderbnis aller sie zu töten – sollte man sich da nicht aus allen Ländern zusammentun? Sollte man nicht zu Schiff und Wagen herbeistürmen, mit Eisen und Feuer zupacken? Wir sehen Leute im deutschen Lande, von denen ein Gerücht umgeht, daß sie durch schändliche, lästerliche Dienste ihre Pfründen in Rom erschlichen haben. Wir sehen die Höflinge hier in einer Weise handeln, die unsrer Nation bisher unbekannt war, und man hätte nicht geglaubt, daß deutsche Sitten solche Laster immer mehr würde aufnehmen können. Wir sehen auch den Ablaß, der nichts andres ist, als Beseitigung der guten Werke, und bewirkt, daß jetzt viele meinen, ihnen sei sträflich zu leben erlaubt. O Rom, du bist das gemeinsame Schauhaus der ganzen Christenheit: was hierin geschehen wird, hält man für recht und billig! Du bist die weiträumige Scheuer des ganzen Erdkreises, in die man zusammenschleppt, was man von jedermann geraubt und erquetscht hat: in der Mitte sitzt der unersättliche Wurm des Geizes, der viel verschlingt und unaufhörlich Unmengen guter Früchte verzehrt, Virgils Landbau I, 185. umgeben von seinen Mitvielfressern, die uns erst das Blut ausgesogen, dann vom Fleisch gefressen haben, und jetzt, ach Herr Christus! bis ans Mark gekommen sind, um uns das innerste Gebein zu zerbrechen und zu verzehren, was noch übrig ist. Suchen die Deutschen nicht Waffen dagegen? Ziehen sie nicht mit Schwert und Brand drauf los? Sie sind die Räuber an unsrer Nation, die vor Zeiten aus bloßer Geldgier, jetzt aber mit Frechheit und Grimm ein Volk rupfen und berauben, das der Welt Regirer ist; aussaufen Schweiß und Blut der armen Deutschen, ihren Hunger nach Geld damit stillen, ihr unreines Leben von dem Eingeweide unsrer Armut zu erhalten. Ihnen geben wir Geld; sie halten Pferde, Hunde, Maulesel und (pfui über die Schande!) feile Weiber auf unsre Kosten. Sie nähren ihre Bosheit mit unserm Geld, schaffen sich ein gutes Leben, kleiden sich mit Purpur und bauen Häuser von lauter Marmorstein. Die da sollten der Geistlichkeit vorstehn, versäumen sie nicht allein, was schon übel genug ist, sondern verachten und verschmähen sie auch, ja schwächen, beflecken und schänden sie. Sie pflegten anfangs, um Geld von uns zu melken, uns durch Lügen, Dichten und Trügen auf den Vogelleim zu locken und uns naschhaft zu machen; jetzt entplündern und entfremden sie uns durch Drohungen, Gewalt und Übermacht.
Sind Wölfen gleich in Nebels Dampf,
Die Gier und Hunger treibt zum Kampf;
Auf daß sie ihren Jungen Speis
Heimbringen, geht allein ihr Fleiß,
Da scheuen sie nicht Not und Fahr,
Von Grimm sind sie verblendet gar.
Virgils Aeneis II, 355 ff.
Sie müssen wir liebkosen und streicheln, dürfen sie aber nicht etwa stechen oder zwicken, ja kaum bewegen oder anrühren. Ei, wollen wir nicht weise werden, unsre Schande erkennen und unsern Schaden rächen? Ehemals haben wir das aus Achtung vor der Geistlichkeit und der Ehre Gottes unterlassen, aber jetzt zwingt und treibt uns die Not dazu.
Hutten. Ich schicke deiner Frau einen zornigen Mann heim.
Ehrenhold. Sollt ich nicht zürnen? Wer ist so geduldig, daß ihn diese Dinge nicht aufregen?
Hutten. Wirst du dich dennoch mal besänftigen lassen?
Ehrenhold. Mich wundert, daß du über eine so ernste Sache spotten kannst.
Hutten. Wird es je dazu kommen, daß man mit dem Messer an die Wunde will, dann sollst du mich nicht mehr scherzen sehen.
Ehrenhold. Und willst du auch mit demselben Eifer daran gehen, wie damals gegen den schwäbischen Tyrannen? Den Herzog Ulrich von Württemberg. Siehe Einleitung.
Hutten. Mit viel größerm; denn das war eine besondere, nur mich und meine Gesippschaft angehende Sache; hier aber ists eine gemeinsame Angelegenheit des Vaterlandes.
Ehrenhold. Weißt du denn gar keine Dreiheiten mehr, daß wir nun mal endlich das letzte davon hinunterwürgen?
Hutten. Ich habe noch die Hefen von den Dreiheiten. Drei Dinge sind in großer Menge in Rom: Maulesel, Bullen und Vollmachtsbriefe.
Ehrenhold. Wahrhaftig!
Hutten. Und drei tragen mancherlei Farben: Knechte, Weiber und Mönche. Es haben auch drei Dinge Tressen in Rom: Pferdezäume, Männergürtel und Höflingstaschen. – Da hast du alles, was ich von des Vadiscus Rede im Gedächtnis habe behalten können.
Ehrenhold. So haben wir denn diesen Verdruß samt der Hefe ausgetrunken.
Hutten. Dazu hast du mich gezwungen.
Ehrenhold. Es sollte dir durchaus nicht beschwerlich sein, das zu tun, und ich darf wohl auch einen Freund darum, was so viel Nutzen bringt, bemühen. Ich sage dir freundlichen Dank, daß du dich deiner Unlust vor mir entledigt hast.
Hutten. Darum sei gesegnet!
Ehrenhold. Auch du! Aber sag, was willst du, daß ich den Höflingen diese Nacht wünsche?
Hutten. Was anders, als daß sie die Pfründen immer begehren, aber nicht erlangen, sie erbitten, aber nicht erwerben, suchen, aber nicht finden, und sich in dieser Begierde, Sorge und Mühe selbst armselig fressen und verzehren möchten.
Ehrenhold. Und soll ich meiner Hausfrau dies vorsagen, damit sie es auch mit mir wünsche?
Hutten. Wie dir beliebt.
Zu dem Leser von dieser Römischen Dreifaltigkeit.
*
Hier siehst du, Leser, wie drei Ding,
Die niemand achten soll gering,
Von Rom aus äffen Land und Leut
Und schmähen Gott zu jeder Zeit.
Hier siehst du, wie Sankt Peter aus-
Getrieben ist, und nun hält Haus
In Rom der Ketzer, Simon genannt,
Der alles hat in seiner Hand.
Hier siehst du, wie man Schimpf und Spott
Mit Christo treibt, dem wahren Gott;
Wie man des Papstes Gaunerei,
Die er so trotzig übt und frei,
Ein heilig Ding noch nennen muß
Und ihm entbieten Gruß und Kuß.
Hier siehst du, wie die Welt, verblendet,
All Ehrbarkeit zur Unehr wendet,
Wie Rom tut lügen mehr und mehr
Und heißt dies nennen: göttlich Lehr,
Hier siehst du, wer Deutschland beraubt
Und stets nach Pfennigen bei uns klaubt,
Hier siehst du, mit was Kunst und Licht
Die Welt bisher betrogen ist:
Wie unterm Schein der Geistlichkeit
Man je getrieben Ueppigkeit,
Und fallen listig uns gestellt,
Darin manch Frommer ihnen fällt.
Hier stehst du, daß an keinem Ort
Geringrer Glaube herrscht, als dort
Im heutigen Rom, das man wohl kennt
Und dennoch Haupt der Kirchen nennt,
Hier siehst du, wie manch heilig Gesetz
Muß weichen vor des Papsts Geschwätz.
Die nur gerichtet auf Betrug.
Mehr schreibt man davon, als genug.
Hier siehst du, wie behandelt Gott,
Der oft muß leiden Zwang und Not,
Wenn nur der Papst einheimst Gewinn;
Er gibt ja selbst den Himmel hin,
Verkauft ihn um der Amen Geld,
Darum all Redlichkeit zerfällt.
Denn wer dem Papst den Pfennig gibt,
Mag sündgen wie es ihm beliebt,
Braucht halten nicht Gelübd noch Eid,
Nit glauben, daß es Gott sei leid,
Des Name in Verspottung geht,
Bei dem sonst jeder geschworen hätt.
Denn will man, das sprech jedermann,
Nicht sei geschehn, das ist getan,
Der Papst all Ding durch ein vermengt,
Sünd, Laster, Schand um Geld verhängt.
Und daß die Summ ich red davon:
Die Bullen, die hergehn aus Rom,
Verderben Sitten weit und breit,
Dadurch wird böser Sam gestreut.
Dieweil es nun ist so gestalt,
So ist vonnöten, mit Gewalt
Den Sachen bringen Hilf und Rat,
Und wieder an der Lügen Statt
Die göttlich Wahrheit führen ein,
Die lang gelitten Schmach und Pein.
Den falschen Simon treibet aus,
Sankt Peter halte wieder Haus.
Ich habs gewagt!