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Vorrede Ulrichs von Hutten.

Dem edeln, hochberühmten, starkmütigen und ehrenfesten Franz von Sickingen, Kaiserl. Majestät Diener und Hauptmann, meinem besonders vertrauten und trostreichen guten Freund, entbiete ich, Ulrich von Hutten, meinen freundlichen Gruß und willigen Dienst.

Ohne Ursach ist das Sprichwort: in Nöten erkennt man den Freund, nicht in Gebrauch gekommen. Denn wahrlich darf niemand sagen, daß er mit einem Freund beschenkt sei, er habe ihn denn in allen Nöten und Fährnissen dermaßen versucht und erprobt, daß er ihn innen und außen kenne. Wiewohl der nun glückselig zu achten ist, dem es nie vonnöten ward, einen Freund daraufhin auf die Probe zu stellen, so mögen sich auch die der Gnade Gottes berühmen, die in ihren Nöten beständige und verläßliche Freunde ihr eigen nennen. Unter diesen habe ich mich selbst bei Gott und dem Glück nicht wenig zu bedanken. Denn als ich aufs äußerste an Leib, Gut und Ehre von meinen Feinden geschädigt wurde, und zwar so ungestüm, daß mir kaum Zeit blieb, einen Freund anzurufen, da bist du mir, nicht (wie es oft geschieht) nur mit Trost und schönen Worten, nein mit tatkräftiger Hilfe begegnet; ja sozusagen mir wie vom Himmel herab gefallen. Daher ist wohl die Freundschaft solcher, die sich in guten und glücklichen Umständen bewähren, an sich nicht zu verwerfen – obwohl dies eher lustige Gesellschaft, als Freundschaft genannt zu werden verdient; aber ich mache unter diesen beiden eben einen Unterschied, wie ihn die Aerzte bei den Speisen machen, von denen einige bloß süß und schmackhaft, andre überdies gesund und heilsam sind.

So ist es mir ergangen, als ich nicht angenehm schmeckender, sondern heilsamer Arznei, nicht fröhlicher Geselligkeit, sondern tatkräftiger Hilfe bedurft habe und die göttliche Vorsehung mich dich finden ließ, dich, der kein Gewicht legte auf all die Gerüchte über mich und mein Tun, sondern an mir selbst und meiner Sache sich beherzigen ließ! Du hast dich nicht durch die Schrecken meiner Widerwärtigkeiten von der Verteidigung der Unschuld abhalten lassen, sondern hast aus wahrem erbarmen und aus liebe zur Wahrheit deine Hand schützend über mir gehalten für und für. Und da mir wegen der großen Gefährlichkeit die Städte verschlossen gehalten wurden, hast du mir allsogleich deine Burgen geöffnet, die ich um dieser und andrer Ursachen wegen »Herbergen der Gerechtigkeit« nennen will, hast die angefochtene, verfolgte und gehetzte Wahrheit in Schoß und Schutz deiner Hilfe genommen und kecklich mit kräftigen Armen beschirmt. Daraus folgt denn, daß ich in meinem Vorsatz, den ja such du ehrenhaft und redlich nennest, nicht wenig gestärkt worden bin, desgleichen sich alle Gelehrten und Kunstliebhaber deutscher Nation (denen ja auch nicht minder, als mir, an derlei Sachen gelegen ist) in Freuden und Frohlocken erhoben und wie nach trübem Wetter von der freudenreichen Sonne erquickt worden sind. Dagegen die boshaften Kurtisanen und Romanisten, die mich verlassen wähnten und die dezhalb beinahe über mich triumphirt hätten, hielten jetzt, da sie sahen, daß ich mich dem Sprichwort nach an eine feste, unerschütterliche Wand gelehnt habe, ihren Stolz und Uebermut gegen mich etwas nieder, zogen sich zurück und wurden kleinlaut. Für solche deine Wohltat dir genugsamen Dank zu sagen, mangelt es mir nicht an Gemüt noch Willen, sondern an Glück und Vermögen. Wird mir aber je eine bessere Zeit erscheinen, und wird, wie ich zu Gott hoffe, ein Glücksumschwung eintreten, so will ich dir nach all meinem Vermögen dermaßen wieder dienen, daß du spüren sollst, ich habe zum mindesten keinen Fleiß gespart, dir meine Dankbarkeit zu erzeigen. Bis zu dieser Zeit will ich dir mit allem, was mir nicht Frevel noch Gewalt, nicht Trotz noch Uebermacht, nicht Armut noch Elend benehmen können, nämlich mit der Kraft meiner Sinne und dem Vermögen meines Verstandes, treulich und fleißig zu Diensten sein und dir auch schon jetzt, wie einst Virgil den zwei wohlverdienten Jünglingen, zugesagt haben:

»Wo etwas mein Geschrift vermag,
Dein Lob muß sterben keinen Tag!«

Uebrigens, auch ohne das besondre Verdienst, das du dir um mich erworben, hättest du es dennoch durch deine ritterlichen, ehrenhaften Taten an sich verdient, daß ich und alle, die es vermögen, gegenwärtige oder vergangene Dinge mit Hilfe der Schrift zur Kenntnis zukünftiger Zeit zu bringen, deinen Namen aus des Vergessens Nacht in das Licht ewigen Gedächtnisses setzen. Denn ohne Schmeichelei und Liebkosung zu reden: in dieser Zeit, da es jedermann bedünket, deutscher Adel habe etwas an Strengigkeit der Gemüter eingebüßt, da bist du es, der sich dermaßen erzeigt und bewiesen hat, daß man sehen mag, deutsch Blut sei noch nicht versiegt, noch das adlige Gewächs deutscher Tugend ganz entwurzelt.

Und so ist zu wünschen und zu bitten, daß Gott unserm Haupt, Kaiser Karln, die Erkenntnis von deiner tugendhaften unerschrocknen Muthaftigkeit einflöße, auf daß er dich, deiner Geschicklichkeit nach, in seinen hohen trefflichen Händeln, das römische Reich oder auch die ganze Christenheit betreffend, so mit Rat wie mit der Tat gebrauche: denn dann würde die Frucht deiner Jugend weiteren Nutzen bringen.

Fürwahr, solchen Mut sollte man nicht ruhen, noch bloß im Bezirk unbedeutender Dinge verwendet werden lassen. Aber ich hab mir nicht vorgenommen, in dieser Vorrede dein Lob zu singen, sondern meinem Herzen einmal Luft zu machen, das gedrängt voll ist von guten Gedanken und freundlicher Gutwilligkeit für all deine unvergeltbaren Wohltaten, die du mir erwiesen hast, und mit denen du mich noch täglich mehr und mehr überhäufest. Daher schenke ich dir zu diesem Neujahr meine nachfolgenden Gespräche, die ich in den jüngst vergangenen Tagen, in deiner »Herberge der Gerechtigkeit« eilends und ohne größern Fleiß verdeutscht hab. Und wünsch dir damit, nicht wie wir oft unsern Freunden pflegen, eine fröhliche, sanfte Ruh, sondern große, ernstliche, tapfere und arbeitsame Geschäfte, darin du zu vieler Menschen Nutz und Frommen

dein stolzes, heldenhaftes Gemüt brauchen und
üben mögest. Dazu wolle dir Gott Glück,
Heil und Wohlfahrt verleihen.

Gegeben zu Ebenburg auf dem heiligen neuen Jahrs Abend im Jahr nach Christi Geburt MCCCCC und einundzwanzigsten.

*

Zu dem Leser dieses nachfolgenden Büchleins
Ulrich von Hutten.

Die Wahrheit ist aufs neu geboren,
        Betrug hat seinen Schein verloren,
Des sag Gott jeder Lob und Ehr
        Und acht nicht fürder Lügen mehr.
Die Wahrheit, die einst unterdrückt,
        Ist wieder nun ans Licht gerückt.
Die dazu Arbeit taten willig,
        Soll man dafür belohnen billig.
Denn vielen Nutzen draus ersprießt,
        Wiewohl es viele auch verdrießt,
Die faulen Pfaffen lobens nit,
        Darum ich jeden freundlich bitt,
Daß er gemeinen Nutz bedenke
        Und sich nicht kehr an lose Schwänke!
Es ist ein Papst doch niemals Gott,
        Auch ihm ist einst gewiß der Tod.
Ach, fromme Deutsche, haltet Rat,
        Da 's nun so weit gegangen hat,
Daß nit geh wieder hinter sich!
        Mit treuen habs gefordert ich,
Und will des weiter kein Genießen,
        Denn wo ich deshalb hätt Verdrießen,
Daß man mit Hilf mich nit verlaß;
        So will ich auch geloben das:
Von Wahrheit will ich nimmer weichen,
        Das soll kein Mann bei mir erreichen,
Auch schafft, daß man mich mundtot macht,
        Vom Papste weder Bann noch Acht,
Wie stark man mich zu schrecken meint!
        Ob auch die fromme Mutter weint,
Daß ich die Sache angefangen;
        Gott tröste sie – ans Ziel gelangen
Muß ich, sollts brechen auch vorm End,
        Wills Gott, so wird es nit gewendt,
Drum will ich brauchen Füß und Händ.
                                 Ich habs gewagt!

Ulrich von Hutten.

 

 

 

Ulrich von Hutten

Gesprächbüchlein Herrn Ulrichs von Hutten.
Das Erste Fieber genannt.

Unterreder: Hutten und das Fieber.

 

Hutten. Gingest du hinweg, es wär mir viel lieber; dich unbequemen Gast hätt ich doch den ersten Tag sollen austreiben. Hörst du nicht? Geh hinweg, flugs! Heb dich!

Fieber. Es wär aber doch deiner Güte gemäß, wie es auch sonst der Deutschen Brauch und Herkommen ist, daß, so du mich austreibst, du mich zuvor in eine andre Herberge wiesest. Aber ich bitte dich, daß du mich doch diesen Winter nicht ausjagst, weil ich nicht weiß, wohin.

Hutten. Ich sag dir erstlich, geh hinweg! Danach, so du mich um eine Herberge bittest: Siehst du dort jene Pforte? Da hinaus gehst du recht.

Fieber. Lieber, dann führ mich doch etwa zu einem, der nach einem lustigen, guten Leben trachtet, der mächtig und reich ist, der Pferde, viel Dienerschaft, und Gefolge, ein großes Gesinde, hübsche Kleider, lustige Gärten und Bäder hat.

Hutten. Zu dem ich dich führe, der ist selber hier ein Gast; doch ihm mangelts an solchen Dingen nicht und er bedient sich ihrer auch. Sieh dort jenes Haus, darin hält sich der Kardinal von Sankt Sixtus Es ist der vom Reichstage zu Augsburg her bekannte, durch seinen Stolz und Uebermut berüchtigte Gesandte des Pabstes Leo X., Thomas de Vio, geb. 1469 zu Gaeta; daher Cajetanus, Kardinal-Bischof von St. Sixtus in Rom. mit großem Hofgesinde auf; der ist von Rom hergekommen, daß er Geld von uns Deutschen aufbringe, damit die Römer eine Weile zu zehren haben, ich glaube des Türken wegen, wider den sie abermals mit großem Gepräng einen Heerzug vornehmen. Denn es sind gar erfahrene Kriegsleute, und überdies ists ein Volk, das dir gemeiniglich unterwürfig ist. Hör mich an und nimm dir diesen vor; du wirst ihn dort liegen und ruhen finden in einem scharlachenen Talar hinter viel Umhängen. Er speist nur von Silber, trinkt aus Gold, aber so schleckhaft, daß er meint, es gäbe in deutschen Landen keine Leute, die etwas vom Geschmack verstünden. Er verachtet auch die hiesigen Feldhühner und Krammetsvögel und spricht, sie seien den wälschen im Geschmack und sonst ganz ungleich. So widersteht ihm auch das Wasserwildpret; das Brot, sagt er, sei unschmackhaft, und wenn er unsern Wein trinkt, so gehen ihm die Augen über und er schreit: o Italia! o Italia! und preist den guten wälschen Sabiner. Meist um deswillen nennt er uns grobe, viehische und trunkene Leute. Er habe seit vier Monaten sein Gelüst nicht befriedigen können, aus Mangel an guten Schleckereien und rechtschaffenen Bissen. Als sich Cajetan später in Mainz befand, schrieb Hutten unterm 21. April 1519 an Lukas von Ehrenberg, den mainzischen Domherrn: ... Was macht unser Cajetan? Wie kommt ihr mit dem Legaten aus? Mundet ihm unser Wein immer noch nicht und schmecken ihm die deutschen Rebhühner jetzt so gut als die römischen? Hat er inzwischen was gefunden für seinen mäkeligen Gaumen?

Fieber. Solch Liedlein magst du einer Taube singen.

Hutten. Wie? Paßt er dir denn nicht zu einem Wirt? Nun, wo möchtest du wohl einen größeren Fürsten finden, dem man mehr Gepränge und Ehrfurcht entgegenbringt? Oder meinst du gar, daß er des Fiebers nicht würdig sei?

Fieber. Ja, auch des Podagras.

Hutten. Nun, warum gefällt er dir also nicht?

Fieber. Er ist gar mager, dürr und schlank wie eine Wespe, hat keinen Saft in sich ; er hängt den Kopf, ist so ein Mönch und Käsejäger Käsejäger oder Käsebrüder, Lebensmittel erbettelnde Mönche, nannte man spöttischerweise die von Leo X. ernannten neuen Kardinäle. gewesen, jetzt ein junger Kardinal, sonst in andern Dingen alt; Als Leo X. am 1. Juli 1517 den großen Kardinalsschub vornahm, lief auch Cajetan mit unter, trotzdem er erst 39 Jahre alt war; aber Leo sagte: es kommt auf einen Spitzbuben mehr oder weniger nicht an. er verpraßt wohl drei Heller mit einem Male! sehe ich doch oft seinen Koch eine halbe Unze Fleisch vom Markte heimtragen.

Hutten. Ei, du verdrehst doch alles. Ich sage dir, er ist der höchstgeachtete, der allerehrwürdigste vom Lateran, den man anredet »Eure Heiligkeit und Gnaden«, »Eure Väterlichkeit«, »Eure fürstliche Milde«, von dem nicht zu glauben ist, daß er nicht köstlich und wohl leben sollte, da er doch die Deutschen für nicht reich und zierlich genug hält.

Fieber. Daß er für sich selbst zu leben weiß, bestreit ich nicht. Aber wie will er mich halten, da er all die Seinen übel speist und kleidet? Denn als ich jüngst an seine Tür klopfte und einen oder etliche Tage Herberge begehrte, da grinste mich der Torwart an und fragte: »Hörst du nicht das Gepolter?« Ja, sagt ich, ich hör es wohl; denn ich vernahm ein Geklopfe, als ob man etwas haben wollte. Da sagte der Pförtner: »Es hat diese Bewandtnis: unser Gesinde, das jetzt gegessen hat, fordert Brot.« Wie? Brot? sprach ich; gibt man denn hier so kärglich Speise, daß nicht einmal Brot genug da ist? »Ja freilich, so kärglich!« sagt er; »auch sind hier drinnen keine Kissen, noch Flaumfedern, noch irgend weiche Decken, ausgenommen die, die sich der Kardinal selbst ausbreitet, darauf er sichs wohl sein läßt. Aber wahrlich! wider dich ist er gewappnet mit Vermaledeiungen, er wird dich in den Bann tun, sobald du einen Fuß hier hinein setzest. Er ist ein Legat des Papstes Leo, und es steht in seiner Gewalt, einen, je nachdem er Gutes oder Böses verdient hat, zu belehnen oder zu verdammen, wie es ihm gefällt.« Das ließ ich mir genug gesagt sein; und im Fortgehen hab ich in dir einen bessern Wirt gefunden.

Hutten. Ich merk, ich müßte bisher schmaler gegessen haben, um von dir verschont geblieben zu sein. Nun wohlan! du sollst mich (ich vergäße mich denn ganz) hinfort nicht mehr bei den großen Herren so übermäßig essen sehen. Doch die Handwerker und das gemeine Volk, mein ich, sind auch nichts für dich?

Fieber. Ganz und gar nicht; denn teils verjagen sie mich mit Hunger, teils treiben sie mich weit fort mit harter Arbeit.

Hutten. Wie, wenn ich dich aber in der Fürsten oder Reichen Häuser oder auch zu den großen Kaufleuten und den Fuggern führte?

Fieber. Ei ja, wenn ich mal zu ihnen gegangen bin, so hab ich sie allewege mit einer Schar von Ärzten umgeben gefunden; deshalb ist bei ihnen keines Bleibens für mich. An einen andern Ort, bitt ich dich um aller Wohltat willen, führe mich!

Hutten. Für welche Wohltat? Was sagst du mir da für ein Märlein, Lieber? Meinst du, daß du denen eine Wohltat erweisest, wo du herbergst?

Fieber. Ja, und dir am meisten. Hast du vergessen, wie ich dich vor acht Jahren fleißig, geduldig, zahm und gottesfürchtig machte, da ich alle vier Tag bei dir war, doch nicht über sechs Monat lang? Als er in Rostock im Winter 1510 anlangte nach seiner Ausplünderung durch die Knechte der beiden Lötze. (Siehe die Einleitung.)

Hutten. Ja wahrlich, wo du mich so hart plagtest und ich deiner so müde war, daß ich nichts andres schaffen mochte, da saß ich fleißig über den Büchern. Aber ich erkenne jetzt deine List: denn, wie mich dünkt, beziehst du dich auf deinen Anwalt, Den Philosophen und sophistischen Rhetor Favorinus, der zur Zeit des Hadrian (zu Anfang des zweiten Jahrhunderts) lebte. der dich diese Rede gelehrt hat, die du gebrauchst bei denen, die du dich nicht begnügst mit der Krankheit zu plagen, sondern auch noch mit solchen und ähnlichen Worten verspottest, indem du dich stellst, als machest du jemand fleißig, tugendhaft und geschickt. Wenn es wahr ist, was dein Beschirmer von deinen Wohltaten schreibt, daß, wer vom viertägigen Fieber je wieder genese, gesunder sei als vorher, warum hast du mich danach nicht auch gesunder gemacht? Ich aber bin all die Jahre nach deinem Weggang ohne Unterlaß bald mit diesem, bald mit jenem Gebrechen behaftet gewesen.

Fieber. Das ist geschehen, weil es mein Wille noch nicht war, dich ganz und gar zu verlassen. Denn als ich das letztemal schied, war es mein Vorsatz, wieder zu dir zu kommen; und ich will dir jetzt sagen: wenn du mich nicht in eine gute Herberge führst, so bin ich entschlossen, dich noch nicht frei zu geben, magst du auch gleich heftig zürnen, und sechs oder sieben ganze Jahr bei dir zu bleiben.

Hutten. Nun, so kann ich doch wie der Kardinal nur drei Heller den Tag verzehren und ein nüchtern Leben führen.

Fieber. So kann ich dich dagegen schleckhaft machen und reizen, daß du mancherlei verbotene Dinge begehrst.

Hutten. So werd ich dir Ärzte auf den Hals hetzen. Besonders ab ich mein Vertrauen zu Doktor Heinrich Stromer Ein mit Hutten befreundeter Arzt, nicht etwa ein erdichteter Name, sondern Leibarzt des Kurfürsten von Mainz; Stromer hatte ihm unter anderm auch eine Radikalkur mit dem Guajacholze anempfohlen. (Siehe die Einleitung.)

Fieber. Jawohl, Ärzte! Jawohl, den Stromer! Als ob ich deine Weise nicht kennte! Du wärst lieber ein ganzes Jahr krank, eh du ein- oder zweimal Rhabarber, Nießwurz oder von sonst einer Purganz nur zwei Skrupel verschlucktest. Führ lieber den gegen mich an, der ein Haferkorn in einem Harnglas sah und meinte, der Kranke hätte ein Pferd verzehrt.

Hutten. Das will ich wohl bleiben lassen und dich lieber zu andern Wirten führen. Wenn du denn gern mit Schleckermäulern zu tun hast, so folge mir, wir wollen zu den Mönchen hingehen, die mit allen Dingen friedlich zu leben wissen. Zum Beispiel sie kennen eine gute Arznei, die sie feist und wohlgemästet macht; sie leben lustig und in stetem Saus. Auch wohnen sie immer in den Zellen und haben selten genügend Leibesübung, was dir doch nicht zuwider ist; sie saufen Wein und essen Fische auf das unmäßigste. Da geh hin, das ist so recht eine Herberge für dich.

Fieber. Nein, du schaffst mich mit solchen Worten nicht weg! Sie hören die alten Weiber zur Beichte und lernen viele Segenssprüche, womit sie mich, sobald sie mich sehen, verscheuchen.

Hutten. Willst du dann zu den Domherren, denen derlei auch nicht mangelt, sondern im Überfluß zusteht, nur daß sie zu Zeiten ausreiten und jagen der Übung und der Lust wegen? Ich meine, es würde das für dich etwas sein, weil du doch Saftige und Gutgenährte begehrst, die köstlich essen, weichlich schlafen und behaglich müßig gehn; da brauchst du nicht zu fürchten, daß sie sich mit Arzeneien verwahren, denn sie leben durchaus sorglos. Ärzte haben sie nicht, wie die feigen Fugger, die trotz der Ärzte, die bei ihnen wohnen, meist mehr krank sind, als die Sachsen, die ohne Ärzte leben. Sei versichert, jene, von denen ich gesprochen habe, verachten die Ärzte; außerdem faullenzen sie und haben ihre Kurzweil im Bade, prassen und sitzen da mit den schönen Dirnen oft die ganze Nacht. Daraus folgt, daß sie kranke und beschwerliche Magen bekommen.

Fieber. Fürwahr, das war ein brauchbar Volk zum Fieber und wohl wert, daß ich lange bei ihnen wohnte. Ich fürchte aber, daß mir bei der Lebensweise, die sie führen, viele andere Krankheiten zuvorgekommen sein werden. Glaubst du, daß der eine und der andre von ihnen noch nicht krank ist? Daß den einen nicht kürzlich das Podagra besessen hat oder der Stein, die Wassersucht, das Hüftweh? Daß der andre nicht aussätzig oder mit der Gelbsucht, der Fallsucht, mit der französischen Krankheit oder mit bösen Geschwüren behaftet ist, wie mit dem Krebs, dem Wolf, einer Fistel oder Halsgeschwulst, durch anhaltende Völlerei und Trunkenheit an Händen und Füßen zittert, Seitenschmerzen und andre Leiden hat? Ich möchte hier weniger eine Stätte haben, als die genannten und unzählige andre Gebrechen, die ebenso wie ich den Küchen nachfolgen, die üppigen Tische suchen, eine Freude daran haben bei den Feisten und Leckerhaften zu wohnen und zur Völlerei und Schlemmerei haufenweis herbeiströmen.

Hutten. Lieber, glaub mir, sie sind noch nicht alle krank, zumal der Kurtisan, Wahrscheinlich ist wieder Cajetan gemeint. Kurtisan ist sonst ein päpstlicher Höfling im allgemeinen, aber Hutten versteht oft darunter deutsche Geistliche, die am römischen Hofe dienen, um schneller und glänzender ihre Laufbahn zu machen. der jüngst wieder von Rom gekommen ist; der hat es erst bei einem Kardinal gelernt, wie man weislich lebt, und hat sich jetzt mitten in die Prasserei geworfen und befindet sich darin überaus fröhlich.

Fieber. Trinkt er auch Wein?

Hutten. Ja, den schluckt er.

Fieber. Würzt er ihn auch mit Pfeffer, Zimmet, Ingwer und Nelken?

Hutten. Ganz verschwenderisch.

Fieber. Hat er weiche Betten, hübsche Teppiche, Flaumfedern, Pfühle, Kopfkissen und Seidenpolster?

Hutten. Aufs köstlichste.

Fieber. Ißt er denn auch Fische?

Hutten. Ja freilich, er mag sie, aber nur die besten und teuersten. Ebenso hält er auch viel von den Feldhühnern und Fasanen, und wenn er einen Hasen ißt, so meint er bald hübscher davon zu werden; ihm dünkt auch der Winter zu lang, weil er die Spargel nicht früh genug erwarten kann.

Fieber. Badet er auch?

Hutten. Über die Maßen gern und oft.

Fieber. Ist er bisweilen karg?

Hutten. Nein, aber aufs äußerste verschwenderisch.

Fieber. Behilft er sich auch mit den Ärzten?

Hutten. Er haßt sie weidlich und sagt, man sollte sie aus dem deutschen Lande jagen.

Fieber. Stolziert er auch in Pelzröcken, oder ist er sonst reich gekleidet?

Hutten. Jawohl, wie einer, von dem Martial schreibt: Frost, Regen, Schnee er wünschen tut, sechshundert Schauben hat er gut. Martial, römischer Epigrammendichter, lebte zu Ende des ersten bis zu Anfang des zweiten Jahrhunderts nach Christo. Die angeführte Stelle lautet in seinem Epigramm, Buch VI, 59:

Nebliges Wetter nur wünscht er herbei sich, und Frost und Gestöber, Seinen sechshundert und mehr Pelzen und Mänteln zu lieb!

Fieber. Ich fürchte, daß er mich nicht lange leiden wird bei dieser Lebensweise.

Hutten. Da sieh du zu. Warum wolltest du einen bald umbringen, den du lange brauchen kannst?

Fieber. Eben deshalb, weil er mir zu viel Gutes antäte. Aber sage, hat er auch Spielleute?

Hutten. Ja, und Schalksnarren dazu.

Fieber. Auch ein schönes Dirnlein, das uns Pflege?

Hutten. Ja wahrlich, ein glattes, zartes und freundliches.

Fieber. Hat er einen großen Bauch?

Hutten. Er wächst ihm schon heran.

Fieber. Wenn er mich aber nicht annähme, wohin wirst du mich dann führen?

Hutten. Dann will ich dich umherführen.

Fieber. So will ich auswählen.

Hutten. Ich will nachsinnen.

Fieber. So erwürg ich dich.

Hutten. So prell ich dich.

Fieber. Wer? Du mich?

Hutten. Ja, ich dich, vertrauend auf die Hilfe des Hungers, tüchtige Leibesübung, Nüchternheit und eine harte Lebensweise in allen Dingen.

Fieber. Nun gut! Ich werde den Römling versuchen, dann wieder an dich zurückdenken.

Hutten. Wie du willst, ich mache mich aus dem Staube!

*

Das Fieber zum Kurtisanen.

Herr Kurtisan, ich wünsch euch Gruß!
        In euerm Haus ist Überfluß,
Drum komm ich euch zu wohnen bei,
        Tragt Essen, Trinken auf, seid frei.
Doch erst ein Bad man wärmen soll.
        Und unser darin Pflegen wohl
Mit Reiben, Jucken, warm und kalt,
        Worauf wir gehn zum Essen bald;
Da werd ein schön Bankett gemacht
        Mit großen Kosten, reicher Pracht,
Das währe bis nach Mitternacht.
        Da müssen viel Gerichte sein:
Fisch, Vögel, Wildpret, Bier und Wem,
        Nicht Würze spart, noch Spezerei.
Es schadet nicht, obs teuer sei,
        Ob es geholt aus India,
Gewachsen in Arabia,
         Komm von der neuen Insel her –
        Tragt auf, die Fugger bringen mehr!
Denn Trank und Essen schaffet Mut,
        Mit vollem Bauch ist schlafen gut;
Ob dann ich auch schon bin im Spiel,
        Es hat sein Fug, ist nicht zu viel:
Ein jedes Wesen hat sein Ziel.
                    

            Ich habs gewagt.


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