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Varianten

Italienische Nacht

(1) Drittes Bild

Anna Jetzt hab ich einen Inhalt, weißt du –

Karl Pardon! Ab.

Anna allein.

Der Faschist kommt – er geht an ihr vorbei.

Anna lächelt und geht auf und ab.

Der Faschist folgt ihr mit den Blicken: Fräulein –

Anna Bitte?

Der Faschist Sie haben etwas, Fräulein.

Anna Was soll ich denn haben?

Der Faschist Es ist etwas nicht in Ordnung, Fräulein.

Anna Was denn?

Der Faschist Etwas ganz grandioses.

Anna eindringlich: So sagen Sies doch schon, ja?!

Der Faschist Sie haben falschen Schritt, Fräulein.

Anna starrt ihn an.

Der Faschist Das war jetzt ein Witz.

Anna Ein Witz.

Der Faschist Ja.

Stille.

So ein Witz wirkt oft nicht.

Anna Das liegt an mir –

Der Faschist Wahrscheinlich.

Stille.

Anna Ich hör nämlich sonst sehr gern Witze.

Der Faschist Ich mach eigentlich nicht gern Witze. Ich bin sonst ein ernster Mensch, Fräulein.

Anna Ich hab gar nichts gegen ernste Menschen –

Der Faschist Das ist sehr freundlich von Ihnen. Dann sollten Sie mich ja durch und durch verstehn – Plötzlich. Hast du jetzt Zeit, ha?

Anna Wir sind doch noch per Sie.

Der Faschist Zu Befehl!

Anna Wenn Sie wolln, gehn wir jetzt etwas spaziern –

(2) Drittes Bild

Anna Jetzt hab ich einen Inhalt, weißt du?

Karl Pardon! Ab.

Der Faschist kommt.

Anna lächelt.

Der Faschist will in die Pißbude, besinnt sich und kokettiert mit Anna.

Anna Nun?

Der Faschist Fräulein.

Anna Ja – Unsicher, verlegen.

Der Faschist Wissen Sie was, Fräulein? Sie haben etwas, Fräulein.

Anna Was soll ich denn haben?

Faschist Es ist etwas nicht in Ordnung, Fräulein – Er grinst.

Anna wird unsicher: Was denn?

Faschist Etwas pikantes – diskretes –

Anna So sagen Sies doch schon, ja?!

Faschist Sie haben falschen Tritt, Fräulein – Er wiehert.

Anna starrt ihn verständnislos an.

Faschist verstummt plötzlich; fast gekränkt: Das war jetzt ein Witz.

Stille.

Eigentlich habe ich ja nicht viel übrig für Witze, Fräulein. Ich bin nämlich ein verschlossener Mensch, ansonsten.

Anna Ich hab gar nichts gegen verschlossene Menschen –

Faschist Verschlossene Menschen sind auch wertvoller – Konziliant kann ja ein jeder sein.

Stille.

Plötzlich. Hast du jetzt Zeit, ha?

Anna verdutzt: Zeit? Ja. Aber sagen Sie mir noch Sie, bitte –

Der Faschist Zu Befehl - Sie gehen ab. Es ist das eine schöne Stadt hier, Ihre Stadt – Ab.

(3) Siebentes Bild – Schlußvariante

Martins Genossen sind ihm nun in den Garten gefolgt.

Kranz Also das ist sehr edel von euch, nicht andere Unschuldige für euere Blödheiten büßen zu lassen!

Betz Martin! Du weißt, daß ich dich sehr schätz –

Engelbert unterbricht ihn: Martin! Ich bin durch den Gang der Ereignisse zu der Überzeugung gekommen, daß dein Ausschluß ungerechtfertigt war, und ich bedauer es ehrlich, daß ich ihn so überstürzt gefordert hab.

Betz Martin! Im Namen des Vorstandes bitte ich dich, wieder unser Kamerad zu werden.

Martin verbeugt sich leicht: Danke. Aber leider seid ihr zu spät dran, denn es wurde bereits ein neuer Schutzbund gegründet –

Engelbert setzt sich.

Martin Und ich euer Kamerad? Ich müßt mich doch nur mit euch herumstreiten, um kämpfen zukönnen! Warum soll ich meine Kraft verpuffen?

Betz Irrtum!

Martin Das ist doch kein Irrtum!

Betz Doch! Wir überlassen dir gerne die Führung und werden nur dann reden, wenn wir gefragt werden – so wie sichs alten Leuten geziemt.

Stille.

Martin reicht ihm die Hand: So komm!

Betz lächelt: Es ist nämlich alles relativ –

Martin Aber was! Du vielleicht, aber nicht ich!

Erster Genosse Hoch Martin!

Alle außer Stadtrat und Adele: Hoch! Hoch! Hoch!

Stadtrat leise: Ein neuer Schutzbund

Martin Ein junger Schutzbund!

Stadtrat Ein junger – Er trocknet sich verstohlen einige Tränen ab.

Adele Komm –

Martin Ich werd mich aus dem politischen Leben zurückziehen – jetzt geh ich nirgends mehr hin – höchstens, daß ich noch kegeln werd oder singen –

Adele Endlich, Alfons

(4) Siebentes Bild – Schlußvariante 2

Martins Genossen sind ihm nun in den Garten gefolgt.

Kranz Also das ist sehr edel von euch, nicht andere Unschuldige für euere Blödheiten büßen zu lassen!

Betz Martin! Du weißt, daß ich dich sehr schätz –

Engelbert unterbricht ihn: Martin! Ich bin durch den Gang der Dinge zu der Überzeugung gekommen, daß dein Ausschluß ungerechtfertigt ist, und ich bedauer es ehrlich, daß ich ihn so überstürzt gefordert hab.

Betz Martin! Im Namen des Vorstandes bitte ich dich, wieder unser Kamerad zu werden.

Martin verbeugt sich leicht: Danke. Aber leider seid ihr zu spät dran, denn es wurde bereits ein neuer Schutzbund gegründet –

Engelbert Setzt sich.

Martin Und was soll ich denn als euer Kamerad? Ich müßt mich doch nur mit euch herumstreiten, um kämpfen zu können! Warum soll ich meine Kraft verpuffen?

Kranz stiert Martin fassungslos an.

Stadtrat leise: Ein neuer Schutzbund –

Martin Ein junger Schutzbund!

Stadtrat Ein junger – Er trocknet sich verstohlen einige Tränen ab.

Betz Es ist halt alles relativ.

Martin Aber was! Ihr schon, aber nicht wir! Kommt, Genossen!

(5) Siebentes Bild – Schlußvariante 3

Betz lächelt: Es ist halt alles relativ – Ab mit Kranz und Engelbert.

Martin ruft ihnen nach: Du mit deiner Relativität! Ihr seid vielleicht schon relativ, aber wir denken nicht daran! Wir sind nicht relativ, Kameraden!

Erster Kamerad Sehr richtig!

Anna Ein dreifaches Hoch unserem neuen Führer Martin!

Alle außer Stadtrat und Adele: Hoch! Hoch! Hoch!

Stadtrat leise: Ein neuer Führer –

Martin Ein junger Führer!

Stadtrat Ein junger – Er trocknet sich verstohlen einige Tränen ab.

Polizist Jetzt wirds aber höchste Zeit! Polizeistund, meine Herrschaften! Polizeistund!

Martin zieht mit seinen Kameraden singend ab –

Adele Komm –

Stadtrat Ich werd mich aus dem politischen Leben zurückziehen – jetzt geh ich nirgends mehr hin – höchstens, daß ich noch kegeln werd oder singen –

Adele Endlich, Alfons!

Der Sozialistenmarsch verklingt in der Ferne – dafür ertönt der Radetzki-Marsch; alles geht nach Hause.

Die Faschisten ziehen an der Bank vorbei, auf welcher Leni und Karl sitzen.

Der Radetzki-Marsch verklingt in der Ferne.

Stille.

Leni Du – Du – Du –

Karl zündet sich eine Zigarette an.

Leni Ich bin so glücklich. Oh, wird das Leben jetzt schön – Du, ich will lernen von dir, auch das Politische –

Karl Das Politische?

Leni Ja. Bei mir ist jetzt das Interesse erwacht –

Stille.

Karl Bei mir wirst du spielend lernen. Aber als Kolonialwarenhändler –

Leni Ein Kaufmann darf nicht politisieren, weil er sonst anstoßt. Wir sind halt noch lang keine freien Menschen – So ist das Leben.

Stille.

Jetzt möcht ich singen. Immer, wenn ich traurig bin, möcht ich singen – Sie singt.

Martin und Anna sind vor ihrer Haustüre angelangt.

Anna Jetzt darf ichs aber doch sagen?

Martin Inwiesofern?

Anna Daß du nämlich eine Ausnahme bist.

Stille.

Martin Eigentlich ja. Eigentlich aber auch nein. Anna, wenn wir uns derartig über Sonne, Mond und Sterne hinauf loben, dann könnten wir es ja noch vergessen, daß wir nicht für uns, sondern lediglich für die zukünftige Generation arbeiten –

Umarmung.

Anna Wenn doch nur ein jeder deine Durchschlagskraft hätt – was könnte dann alles schon da sein in dreißig Jahr? Neunzehnhundertsechzig –

Martin Neunzehnhundertsechzig –

Große Umarmung.

(6) Siebentes Bild – Schlußvariante 4

Jetzt betreten die Faschisten den Garten – gleichzeitig erscheint aber auch Martin mit seinen Kameraden durch ein anderes Tor; die Faschisten sind etwas überrascht.

Engelbert Martin!

Kranz Der Martin!

Martin gibt ihnen mit der Hand ein Zeichen, daß sie schweigen sollen; dann setzt er sich mit seinen Kameraden und fixiert die Faschisten erwartungsvoll.

Die Faschisten setzen sich ebenfalls und fixieren Martin und dessen Kameraden, sind aber bereits etwas unsicher.

Stille.

Ein Faschist aus dem Hintergrunde: Ein Heil unserem unvergleichlichen Führer.

Alle Faschisten , ein Dreizehnjähriger ist auch dabei: Heil! Heil! Heil! Sie singen: »Siegreich wollen wir Frankreich schlagen«.

Martin und seine Kameraden hören es sich zuerst ruhig an, dann kommt aber etwas Bewegung in sie – sie prüfen die Stühle auf ihre Festigkeit, stellen Krüge vor sich hin – werfen mit Bierfilzeln auf den Faschistentisch. Dieses Werfen wird schwach erwidert - ein Kamerad Martins schüttet seinen Krug nach den Faschisten – einer steht auf und krempelt sich die Ärmel hoch –

Die Faschisten singen noch immer, werden aber immer weniger. Einer nach dem anderen drückt sich heimlich –

Anna erscheint.

Der Faschist schnellt empor: Hoho! Wie kommt denn die Person daher?!

Schluß mit dem Gesang.

Große Stille.

Martin perplex: Was für eine Person?

Der Faschist direkt geistesabwesend: Dort – dort –

Martin Von was für einer Person fabuliert denn der?

Anna Das bin ich.

Stille.

Mich meint er, Martin.

Martin begreift allmählich: Dich? ... Ah, das ist aber interessant ... Alsdann: war das etwa der mit deinem Fleck da ...?

Der Faschist brüllt: Verrat! Organisierter Verrat! Landesverrat, Landesverrat!!

Martin nähert sich ihm drohend: Ich geb dir gleich einen Landesverrat, du Grobian, gottverlassener! Er zieht sich den Rock aus.

Ein Polizist und ein Gendarm erscheinen: Polizeistund! Polizeistund, meine Herrschaften.

Der Faschist grüßt den Polizisten und ab.

Martin sieht ihm nach; zieht sich langsam seinen Rock wieder an.

Adele lächelt: Der Martin –

Martin gewollt charmant: Zu Befehl, gnädige Frau! Ich gestatte mir nur zu melden, daß hier niemand mehr eine Angst zu haben braucht. Nämlich abgesehen von allem hat der Herren Faschisten ihr Besuch uns gegolten, mir und meinen Kameraden – und euch schon gar nicht! Und wir sind halt nun mal so veranlagt, daß wir für unsere Taten einstehen, selbst wenn so eine Tat auch mal eine richtige Blödheit gewesen sein soll.

Betz Irrtum.

Martin Das ist doch kein Irrtum!

Betz Doch. Wir überlassen dir nämlich gerne die Führerrolle und werden nur dann reden, wenn wir gefragt werden. – So wie sichs alten Leuten geziemt. Er reicht ihm die Hand.

Kurze Pause.

Martin schlägt ein: Alsdann ist es eh schon wurscht.

Betz lächelt: Es ist nämlich alles relativ –

Martin Du mit deiner Relativität! Du bist vielleicht schon relativ, aber nicht ich!

Polizist Polizeistund, meine Herren!

Erster Kamerad Hoch unser neuer Führer!

Alle außer Stadtrat, Adele und Polizei: Hoch, hoch, hoch!

Stadtrat leise: Ein neuer Führer

Martin Ein junger Führer!

Stadtrat Ein junger – – Er trocknet sich verstohlen einige Tränen ab.

Polizist Jetzt wirds aber höchste Zeit! Polizeistund, meine Herrschaften! Polizeistund!


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