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Zweites Bild

Straße. Alle Häuser sind schwarzweißrot beflaggt, weil die hiesige Ortsgruppe der Faschisten, wie dies auch ein Transparent verkündet, einen deutschen Tag veranstaltet. Eben zieht eine Abteilung mit Fahnen, Musik und Kleinkalibern vorbei, gefolgt von Teilen der vaterländisch gesinnten Bevölkerung – auch die Dvorakische und das Fräulein Leni ziehen mit.

Leni Jetzt kann ich aber nicht mehr mit.

Die Dvorakische Da tuns mir aber leid, Fräulein!

Leni Die Musik ist ja fein, aber für die Herren in Uniform könnt ich mich nicht begeistern. Die sehn sich alle so fad gleich. Und dann werdens auch gern so eingebildet selbstsicher. Da sträubt sich etwas in mir dagegen.

Die Dvorakische Das glaub ich gern, weil Sie halt keine Erinnerung mehr haben an unsere Vorkriegszeit.

Leni Ich muß jetzt da nach links.

Die Dvorakische Fräulein, Sie könnten mir eigentlich einen großen Gefallen tun –

Leni Gern!

Die Dvorakische Ihr Herr Major muß doch ganz pompöse Uniformen haben –

Leni Ja, das stimmt, weil er früher auch in den Kolonien gewesen ist, die wo uns Deutschen geraubt worden sind.

Die Dvorakische Geh, fragens doch mal den Herrn Major, ob er mir nicht so eine alte Uniform verkaufen möcht, es passiert Ihnen nichts.

Leni Wie meinens denn das?

Die Dvorakische Das sagt man halt so.

Stille. Leni Was möchtens denn mit der Uniform anfangen?

Die Dvorakische lächelt: Anschaun.

Leni Ist das alles?

Die Dvorakische Wie mans nimmt –

Stille.

Leni Nein, das wär mir, glaub ich, unheimlich –

Die Dvorakische plötzlich wütend: Dumme Gans, dumme! Ihr jungen Leut habt halt keine Illusionen mehr! Rasch ab. Trommelwirbel.

Karl kommt und erkennt Leni: Ist das aber ein Zufall!

Leni Jetzt so was! Der Herr Karl!

Karl Ist das aber zweifellos.

Leni Wieso?

Karl Daß wir uns da nämlich treffen, so rein durch Zufall.

Leni Geh, das kommt doch öfters vor.

Karl Zweifellos.

Stille.

Leni Ich hab jetzt nicht viel Zeit, Herr Karl!

Karl Ich auch nicht. Aber ich möcht Ihnen doch nur was vorschlagen, Fräulein!

Leni Was möchtens mir denn vorschlagen?

Karl Daß wir zwei Hübschen uns womöglich heut abend noch treffen, möcht ich vorschlagen – ich hätts Ihnen schon gestern vorgeschlagen, aber es hat sich halt keine Gelegenheit ergeben –

Leni Lügens mich doch nicht so an, Herr Karl.

Stille.

Karl verbeugt sich barsch: Gnädiges Fräulein. Das hab ich doch noch niemals nicht notwendig gehabt, ein Weib anzulügen, weil ich doch immerhin ein gerader Charakter bin, merken Sie sich das!

Leni Ich wollt Sie doch nicht beleidigen –

Karl Das können Sie auch nicht.

Leni starrt ihn an: Was verstehen Sie darunter, Herr Karl?

Karl Ich versteh darunter, daß Sie mich nicht beleidigen können, weil Sie mir sympathisch sind – Sie könnten mich höchstens kränken, Fräulein. Das versteh ich darunter. Pardon!

Stille.

Leni Ich glaub gar, Sie sind ein schlechter Mensch.

Karl Es gibt keine schlechten Menschen, Fräulein. Es gibt nur sehr arme Menschen. Pardon!

Stille. Leni Ich wart aber höchstens zehn Minuten –

Karl Und ich nur fünf.

Leni lächelt: Also dann bin ich halt so frei, Sie schlechter Mensch – Ab.

Martin und Betz kommen.

Martin sieht Leni, die rasch an ihm vorbeigegangen ist, nach; dann betrachtet er Karl spöttisch.

Karl Sag mal, Martin: ich nehm natürlich an, daß bei unserer italienischen Nacht heut nacht nicht nur eingeschriebene ordentliche und außerordentliche Mitglieder, sondern auch Sympathisierende gern gesehen sind –

Martin Von mir aus.

Karl Ich hab nämlich grad jemand eingeladen. Eine mir bekannte Sympathisierende von mir.

Martin War das die da?

Karl Kennst du die da?

Martin Leider.

Karl Wieso?

Martin Weil das ein ganz stures Frauenzimmer ist.

Karl Ich find aber, daß sie was Bestimmtes hat –

Martin Natürlich hat sie was Bestimmtes – aber der ihr Bestimmtes steht hier nicht zur Diskussion! Ich meinte doch, daß dieses Frauenzimmer ganz stur ist, nämlich in politischer Hinsicht, das ist doch eine geborene Rückschrittlerin, Hergottsakrament! Wie kann man nur mit so was herumpoussieren!

Karl Mein lieber Martin, das verstehst du nicht. Wir zwei beide sind aufrechte Republikaner, aber wir haben dabei einen Unterschied. Du bist nämlich Arbeiter und ich Musiker. Du stehst gewissermaßen am laufenden Band und ich spiel in einem Konzertcafé meinen Mozart und meinen Kalman – daher bin ich natürlich der größere Individualist, schon weil ich halt eine Künstlernatur bin. Ich hab die stärkeren privaten Interessen, aber nur scheinbar, weil sich bei mir alles gleich ins Künstlerische umsetzt.

Martin grinst: Das sind aber feine Ausreden –

Karl Das bin ich mir einfach schuldig, daß ich in erotischer Hinsicht ein politisch ungebundenes Leben führ – Pardon! Ab.

Martin Nur zu!

Stille.

Betz Martin, du weißt, daß ich dich schätz, trotzdem daß du manchmal schon unangenehm boshaft bist – Ich glaub, du übersiehst etwas sehr Wichtiges bei deiner Beurteilung der politischen Weltlage, nämlich das Liebesleben in der Natur. Ich hab mich in der letzten Zeit mit den Werken von Professor Freud befaßt, kann ich dir sagen. Du darfst doch nicht vergessen, daß um unser Ich herum Aggressionstriebe gruppiert sind, die mit unserem Eros in einem ewigen Kampfe liegen, und die sich zum Beispiel als Selbstmordtriebe äußern, oder auch als Sadismus, Masochismus, Lustmord –

Martin Was gehen mich deine Perversitäten an, du Sau?

Betz Das sind doch auch die deinen!

Martin Was du da nicht sagst!

Betz Oder hast du denn deine Anna noch nie gekniffen oder sonst irgend so etwas, wenn du – ich meine: im entscheidenden Moment –

Martin Also, das geht dich einen großen Dreck an.

Betz Und dann sind das doch gar keine Perversitäten, sondern nur Urtriebe! Ich kann dir sagen, daß unsere Aggressionstriebe eine direkt überragende Rolle bei der Verwirklichung des Sozialismus spielen, nämlich als Hemmung. Ich furcht, daß du in diesem Punkte eine Vogel-Strauß-Politik treibst.

Martin Weißt du, was du mich jetzt abermals kannst? Er läßt ihn stehen.


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