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Viertes Bild

In den städtischen Anlagen, vor dem Denkmal des ehemaligen Landesvaters. Zwei Burschen bemalen das Antlitz des Landesvaters mit roter Farbe. Ein Dritter steht Schmiere. Es dämmert bereits stark. In weiter Ferne spielen die Faschisten den bayrischen Präsentiermarsch.

Erster Die werden morgen schauen, wie sehr sich Seine Majestät verändert haben – Seine Majestät haben einen direkt roten Kopf bekommen – einen blutroten Kopf –

Zweiter Wie stolz daß der dreinschaut!

Erster klatscht mit dem Pinsel in seiner Majestät Antlitz: Schad, daß der nur einen Kopf hat!

Dritter Halt!

Zweiter Ha?

Dritter Meiner Seel, da kommen gleich zwei!

Zweiter Heim!

Erster Fertig! Rasch ab mit seinen Genossen, jetzt wird es bald ganz Nacht.

Anna kommt mit einem Faschisten.

Der Faschist Es ist das eine wirklich schöne Stadt hier, Ihre Stadt, Fräulein! Sie als Kind dieser Stadt muß das doch mit einem ganz besonderen Stolz erfüllen.

Anna Ich bin auch stolz, daß ich von hier bin.

Der Faschist Ehre deine Heimat! Und was Sie hier für zweckmäßige Anlagen haben –

Anna Wollen wir uns nicht setzen?

Der Faschist Gestatten! Sie setzen sich.

Anna Ich bin nämlich etwas müd, weil ich den ganzen Tag mitmarschiert bin.

Der Faschist Haben Sie auch Militärmusik im Blut?

Anna Ich glaub schon, daß ich das im Blut hab – sie lügt nämlich mein Vater war ja aktiver Feldwebel!

Der Faschist Stillgestanden!

Stille.

Das dort drüben, das ist doch das überlebensgroße Denkmal Seiner Majestät?

Anna Ja.

Der Faschist Ich habe bereits die Ehre gehabt, es kennenzulernen. Wir hatten heut früh hier eine interne Gruppenaussprache – ein wirklich schönes Denkmal ist das, voller Stil. Schad, daß es schon so dunkel ist, man kanns ja gar nicht mehr bewundern! Anna War die interne Gruppenaussprache sehr feierlich?

Der Faschist Überaus!

Anna Über was hat man denn gesprochen?

Der Faschist Über unsere Mission. – Es ist nicht wahr, wenn feige Söldner des Geldes sagen, wir seien in die Welt gesetzt, um zu leiden, zu genießen und zu sterben! Wir haben hier eine Mission zu erfüllen! Der eine fühlt den Trieb stärker in sich, der andere schwächer. In uns brennt er wie Opferfeuer! Wir gehen bis zum letzten durch!

Stille.

Anna Ich möcht jetzt gern was wissen.

Der Faschist Jederzeit!

Anna Ich bin nämlich politisch noch sehr unbedeutend und kenn mich noch nicht so recht aus mit Ihrer Bewegung –

Der Faschist unterbricht sie: Das Weib gehört an den heimischen Herd, es hat dem kämpfenden Manne lediglich Hilfsstellung zu gewähren!

Anna Ich wollt ja nur etwas wissen über die Zukunft, ungefähr –

Der Faschist Fräulein, dringen Sie nicht in mich, bitte. Ich darf darüber nichts sagen, weil das ein heiliges Geheimnis ist.

Stille.

Und was sind das doch schon für ungereimte Torheiten, wenn man behauptet, wir seien keine proletarische Partei! Ich weiß, was ich rede! Ich gehör zu den gebildeteren Ständen und bin doch auch nicht der Dümmste! Ich bin Drogist.

Anna Jetzt wirds aber finster.

Der Faschist dumpf: Ja, finster. Stille. Finster wie in mir. Fräulein, ich kann Sie ja kaum mehr sehen – Ihr Blondhaar –

Anna Ich bin doch gar nicht blond, sondern brünett.

Der Faschist Dunkelblond, dunkelblond – Hüte dich, Blondmädel, hüte dich! Du weißt, vor wem – Überhaupt hat uns der Jude in den Krieg hineinschlittern lassen! 1914 war es für ihn die höchste Zeit! Denn es hätte der Zeitpunkt kommen können, wo die Völker vielleicht hellhörig geworden wären. Nehmen wir einmal an, über die Welt wäre eine Epidemie gekommen, da hätten die Leute schon gesehen, daß die Juden dran schuld sind! – Blondmädel, in mir ist Freude, daß Sie sich von mir haben ansprechen lassen –

Anna Ich laß mich ja sonst nicht so ansprechen, aber –

Der Faschist Aber?

Anna Aber von Ihresgleichen – Nein, nicht! – Nein, bitte – lassens mich, bitte!

Der Faschist Bitte! Zu Befehl!

Stille.

Anna Ich kann doch nicht gleich so.

Der Faschist Aber das war doch nicht gleich so! Wir haben doch schon eine ganze Zeit gesprochen, zuerst über Kunst und dann über Ihre schöne Stadt und jetzt über unsere Erneuerung –

Stille.

Fährt sie plötzlich an. Und wissen Sie auch, wer uns zugrunde gerichtet hat?! Der Materialismus! Ich will Ihnen sagen, wie der über uns gekommen ist, das kenne ich nämlich! Mein Vater ist nämlich seit dreiundzwanzig Jahren selbständig. Das war nämlich so. Wo man hinkam, hatte der Jude schon alles weggekauft. Der ist nämlich einfach hergegangen und hat überall das billigste Angebot herausgeschunden. Alles wurde so in den Strudel mit hineingerissen und so hat sich, nicht wahr, der materialistische Geist immer breiter gemacht. Aber wir sind eben zu weibisch geworden! Es wird Zeit, daß wir uns wieder mal die Hosen anziehen und merken, daß wir Zimbern und Teutonen sind! Er wirft sich auf sie.

Anna Nicht! Nein! Sie wehrt sich.

Jetzt fällt Licht auf das Denkmal, und man sieht nun Seine Majestät mit dem roten Kopf.

Der Faschist läßt ab von Anna, heiser: Was? - Nein, diese Schändung – diese Schändung – Der Gott, der Eisen wachsen ließ! – Rache! – Gott steh uns bei! Deutschland erwache!

In der Ferne das Hakenkreuzlied.


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