Horaz
Briefe
Horaz

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16. An Quintius.

        Daß du die Frage dir sparst, Freund Quintius, ob mein Gefild' hier
Nähre mit Acker den Herrn, ob segn' an Beeren des Ölbaums,
Ob an Wiesen, an Obst, an weinumschlungenen Ulmen;
Sei dir Gestalt und Lage des Guts ausführlich beschrieben.

5  

Langhin laufende Berge, gedrängt auseinander vom dunkeln
Thale, doch so, daß kommend die rechte Seite bestrahlt Sol,
Aber die link' abscheidend auf flüchtigem Wagen umduftet.
Milde der Luft wohl lobst du. Doch wie? wenn den Hecken umher voll
Rote Kornell' und Pflaume gedeiht? wenn der Eiche Geschlechter

10   Reichliche Früchte dem Vieh und reichliche Schatten dem Herrn streun?
Traun, du gestehst, daß näher gerückt hier grüne Tarentum.
Auch ein Quell, der den Bach zum nambaren schwellet, sodaß nicht
Kälter um Thracia sich, noch lauterer windet der Hebrus,
Stärkt das gebadete Haupt und stärkt im Trunke den Magen.
15   Die Einöde, so wert, ja sogar, wenn du glaubest, voll Anmut,
Stellet mich dir kernfest und gesund im schwülen September.

Du lebst recht, wenn ernstlich du sein magst, wie du den Ruf hast.
Wir, das sämtliche Rom, lobpreisen dich lange wie selig.
Aber ich fürchte, du traust hierin mehr anderen als dir,

20   Und nicht gilt dir einzig der Weis' und Gute für glücklich,
Und wenn das Volk ringsher dir völlige Kraft und Gesundheit
Nachrühmt, bringst du vielleicht ein verborgenes Fieber zur Mahlzeit
Heuchlerisch mit, bis der Schauer die Hand mit dem Bissen erschüttert.
Thoren verhehlen dem Arzt aus übeler Scham eine Krankheit.
25   Wenn man dir Kriegsthaten, zu Lande gekämpft und in Meerflut,
Sänge, mit solcherlei Worten das lauschende Ohr dir bezaubernd:
»Ob dir herzlicher wünsche das Volk Heil, oder dem Volk du,
Dieses bewahr' unenthüllt, der in Obhut dich und die Stadt hält,
Jupiter!« siehe das Lob des Augustus wäre dir kennbar,
30   Wenn du verträgst, daß weis' und tugendhaft du genannt wirst;
Sprich, antwortest du dann im eigenen Namen? »O freilich,
Gern ein redlicher Mann und verständiger heiß' ich, wie du auch.«
Wer dies heute verliehn, hebt's morgen hinweg nach Gefallen:
Wie wenn das Volk die Gebund' Unwürdigen gab und zurücknimmt.
35   »Lege sie,« ruft's, »mein sind sie!« ich leg' und gehe betrübt ab.
Gleich so, riefe das Volk mir Dieb zu, schält' es mich unkeusch,
Lästert' es, daß mit dem Strick ich den leiblichen Vater erdrosselt,
Würd' ich mit Harm anhören die Lüg' und die Farbe verändern?
Lügender Ehr' erfreut sich und zagt bei falscher Entehrung,
40   Wer, als der Krank' und des Arztes Bedürftige? – Wann ist ein Mann gut?
»Wann er die Schlüsse des Rats, wann Recht' und Gesetze bewahret;
Wann er in vielen und großen Gerichtsverhandlungen urteilt;
Wann er das Gut als Bürge, die Sach' als Zeuge versichert!«
Aber es schaut den jeder im Haus, und jeglicher Nachbar,
45   Einen Schalk inwendig, mit gleißendem Balge gezieret.

»Niemals stahl ich dir was, nie flüchtet' ich!« redet ein Knecht mir
So: Des hast du den Lohn; nicht gerbt dich die Geißel, erwidr' ich
»Niemals mordet' ich wen!« Nicht weidest du Raben am Kreuze.
»Ich bin ehrlich und gut!« Kopfschüttelnd verneint's der Sabeller.

50   Denn vorsichtig vermeidet die Grub' auch der Wolf, und der Habicht
Scheut das verdächtige Garn, und der Weih die verborgene Angel.
Abscheu hat vor Sünden der Gut', aus Liebe der Tugend:
Du wirst nur dich enthalten der Fehl', aus Furcht vor Bestrafung;
Hoffst du es heimlich zu thun, du vermengst Volksgut und Altargut.
55   Wenn du mir Bohnen entwendest, von tausend Modien eine;
Dann ist mir der Schade, doch nicht das Verbrechen geringer.
Jener ehrliche Mann, den umherschaut Markt und Gerichtshof,
Wann er die Götter versöhnt mit des Schweins Gab' oder des Rindes,
Hat laut »Janus, o Vater«, und laut er gerufen »Apollo«!
60   Regt er die Lippen und fleht unvernehmbar: »Schöne Laverna,
Gieb mir zu täuschen, o gieb mir gerecht zu scheinen und heilig!
Breite mir Nacht um die Sünd' und Gewölk um meinen Betrug her!«

Edleren Sinns denn ein Knecht, und freieren wäre der Geizhals,
Wann er zur Erde sich bückt um den haftenden Pfennig am Dreiweg;

65   Nimmermehr! Denn welcher begehrt, der fürchtet auch; hiernächst
Welcher in Furcht fortlebt, der ist kein Freier mir jemals.
Waffen verlor in dem Kampf und der Tugend Posten verließ, wer
Immer zu mehren das Gut anstrebt und unter der Last keucht.
Weil ja verkaufen du kannst den Gefangenen, schenk ihm das Leben:
70   Nutzbar bleibt er zum Dienst: Vieh weid' er und ackere mühsam;
Schiff' er und wog' als Krämer im winternden Schwalle der Meerflut;
Steh' er der Lieferung vor und schleppe Getreid' und Bedarf her.

Ein gutdenkender Mann wird herzhaft sagen: »O Pentheus,
Thebäs waltender Fürst, was mein Unwürdiges soll ich

75   Dulden als Zwang? Ich nehme die Güter dir – Nämlich Besitz, Vieh,
Hausrat, Silbergeschirr. Dir geschenkt sei's! Unter gestrenger
Aufsicht halt' ich dich fest in zwängenden Banden und Fesseln!«
Selber der Gott wird, wann ich es will, mich lösen. – Vermutlich
Meinet er dies »Ich sterbe«! Der Tod ist das Ende der Laufbahn.

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