Arno Holz
Sozialaristokraten
Arno Holz

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Fünfter Akt

(Hochparterre gelegenes Wohn- und Arbeitszimmer Dr. Gehrkes. Helle, billige Tapete. Im Hintergrund ein Fenster mit weißen Zwirngardinen und eine Tür, die auf eine Loggia geht. Dazwischen ein kleines Bücherbrett mit wenigen Büchern, auf dem eine ausgestopfte Eule steht. Vorn links über einem aus Korb geflochtenen Blumentisch mit einem Aquarium in der Mitte die Ölporträts des Ehepaars. Die Rahmen sind aus bronzierten, unbehobelten Brettern zusammengeschlagen. Um das Porträt Gehrkes hängt der große rote Kranz, die Inschrift draus ist mit Reißpinnen unter das Bild befestigt. Über dem Konterfei Meischens Schleier und Brautkranz. Weiterhin die Schlafstubentür; darüber ein Plakat: Willkommen! Dann, nach der Ecke zu, ein kleines Büfett mit Kaffeegeschirr und einer Wasserkaraffe. Rechts, ganz vorn, eine Chaiselongue, vor der ein weißes, abgeschabtes Ziegenfell liegt. Über das Möbel ist eine alte Chenilledecke gebreitet. An der Wand eine Schmetterlingssammlung, um die kleine japanische Fächer genagelt sind. Weiterhin die Nähmaschine und die Tür zum Korridor. Vor der Chaiselongue ein Tisch, auf dem Groggläser, Tassen, Teller und ein Petroleumkocher. Morgenlicht. Man bemerkt auf der anderen Seite der Straße hinter einem Stacheldrahtzaun ein Stück Kiefernwald, dessen Stämme sich von den Wipfeln ab allmählich immer rötlicher färben. Die Lampe auf dem Tisch brennt noch. Werner, Fiebig und Hahn schnarchend. Werner, über die Beine eine gestrickte Decke, zusammengerollt auf der Chaiselongue, Fiebig, um die Schultern ein großes Wolltuch von Meischen, ganz im Vordergrund auf einem Lehnstuhl, die Beine auf einem andern Stuhl, Hahn auf der andern Seite des Tisches, den Kopf auf der Tischplatte. Hahn schnarcht am lautesten.

Werner: (im Schnarchkonzert plötzlich steckengeblieben. Sich aufrichtend. Reibt sich die Augen. Gähnt) Da hat mer doch von son Lutschproppn jetreimt? (die Hand vor der Stirn) Den hab ick doch mit Salz ausjeriem? . . . Sie, Ha Hahn! (packt ihn an die Schulter) Is dn der Ast noch nich balde durch?

Hahn: (noch im Schlaf) Komme nach.

Werner: Prohst! (gutmütig) Wachn Se man uf, Hähneken. Sie verstänkern ja dn Doktor de janze Bude.

Hahn: (auffahrend) Jajajajaja! Is dn der Herr Doktor schon da? (sieht sich wirr um, zieht seine Uhr, blickt nach dem Fenster) Das ist ja schon Morgen!

Werner: (Weste auf, Hosenträger) Nu Jott sei Dank! Son Dussel bin'k nich noch mal! Uf den ham wir jut jelauert. Der klebt womejlich noch in sein Arnswalde! Der zerstreute Jelehrte verpaßt den Zuch und de Jrattulantn schlagn sich die Nacht um de Ohrn. Wenn er nu nich jewehlt is, witt je nu doch nischt aust neue Zentralorjan.

Hahn: (der sich auf seine Weise ebenfalls etwas in Ordnung bringt. Sieht wieder nach der Uhr, hält sie ans Ohr und kuckt nochmal drauf) Ja, meine Uhr ist wirklich schon nach Sieben, Herr Werner.

Werner: No, Fahrplan hab'k in Kopp. Denn könntn je der Herr Jraf nu bald widder da sind. Ufn neechsten Zuch will'k dn noch waahtn. Um Achte steht mein Personal vor de Diere.

Hahn: Wenn der Herr Doktor wenigstens noch n Telegramm geschickt hätte! Dann wüßte man doch wenigstens!

Werner: Nu ja. Jewehlt mit eene Stimme pluß. Oder: Verhaun un rausjeschmissen, Jehrke. Jejenjezeichnet Dokter Moritz Wahrmann-Löbndhal-Naphtali. . . . Nischt! Man bloß jut, det wir nich noch mit die übrige Aasbande ufn Bahnhof jebliem sind. Die ham doch de janze Nacht durchjesoffn!

Hahn: Ach ja, der Herr Doktor ist doch nun richtig effektiv populär geworden.

Werner. Späßeken. Wenn Löbndhal hinter ein steht. (hat vom Tisch ein Stück Zucker genommen und schiebt es nun Fiebig in den offenen Mund) Cchh? (Hahn lacht diskret)

Fiebig: (Grimasse) Nu, da simmer doch injeschlafn?

Werner: Ja, un ick habe derweil jesessn un hab auch die Fliejen von de Neese jefangn!

Fiebig: (unterm Tuch noch Kragen hoch) Det is ja so kalt?

Hahn: Guten Morgen, Papa.

Fiebig: No? Wat saachste nu? Wie in de Abruzzn! De Freunde in wollne Tiecher, un von Jefeiertn is noch nischt zu sehn. Wenn se n nu nich jewehlt ham, kriej'k wat zu hörn. De Weiber verstehn doch von nischt.

Werner: Jaja, Oska. Trau du dir man jetz nach Hause. In dein Schlafrock möcht'k denn nich steckn!

Fiebig: (sich noch fester einwickelnd) Ach wat, det 'k meine Frau nich bedrieje, weeß se! In mein Alter jeh'k doch nich mehr in den Feensäle? (zu Hahn) Brauchste jarkeene Angst zu ham. For Annan komm'k uf. Jehrkn haste ausjenutzt!

Hahn: Ach Gott, nun ja, nicht wahr, das Geld wäre ja vielleicht doch wohl verloren gegangen.

Fiebig: Nu, uf alle Fälle?

Werner: Jippt dn noch keen Kaffee? De Jattin liecht wol noch ins Bett? (mit dem Fuß gegen die Tür) Sie! Madamkn! Wachn Se uf! Dreimal Kaffe for de Jäste!

Fiebig: (zu Hahn) Du Rudolf! Fühl doch mal da in de Tasche nach. Da hab'k doch noch son paa Fefferminzplätzkns?

Hahn: (zum Paletot Fiebigs)

Meischen: (Nachtjacke, »Papilloten«; sieht durch die Tür) Nu, is'n mei Benno schon da?

Werner: Ach wat! Mandarinn secht der Chinese! (reißt die Tür auf, man sieht Meischen in einem sehr kurzen Unterrock und Pantoffeln; sie kreischt auf und verschwindet. Werner drückt die Tür wieder zu) No, ick will nich indiskret sein. (schüttelt sich) Brrr. Nee. Sowat ufn nüchtern Magn? Hat dn keener n Schnaps da uf die Reize?

Fiebig: Wilhelm! De bist hier Jast.

Werner: (hat an einer Stelle die Decke aufgehoben und zieht einen langen Zippel Werg aus der Chaiselongue) Drum ooch. Da sind doch schon de Sprungfedern kaputt?

Hahn: Da, Papa.

Fiebig: (die Schachtel aufdrehend) Det Weib is n Abjrund mit Blumn. (ißt) Det tut jut, wenn man noch nischt jejessn hat. (hält die Schachtel Hahn rüber) Da! Is jesund!

Hahn: (nimmt) Ja, aber ich muß doch nun schon um Neune aufm Bureau sein.

Fiebig: (lutschend) Ach wat, det mach'k schon mit Dröschern ab. Wenn sich dein zukinftjer Schwiejervater mit dein Kanzleirat steht, denn haste ooch n Stein int Brett bei de Rejierung.

Werner: (mit dem Petroleumkocher schwappernd) Is je noch janz voll. (zu Hahn. Handbewegung nach der Karaffe) Machn sich verdient. N biskn Wasser! (nimmt ein Glas vom Tisch) Noch n Neeje Jrock drin. (gießt sie in den Topf) Schmeckt der Kaffe besser.

Fiebig: Spuck doch noch rin!

Werner: Jott, wah je mein Jlas.

Hahn: (der seinen Auftrag erledigt hat, setzt den Topf auf den Petroleumkocher, holt Streichhölzer aus der Tasche und steckt an; die beiden andern haben einen Augenblick zugesehen)

Werner: (klopft ihm auf die Schulter) Jaja, Ha Hahn! Wir Jungjeselln! Lange dauert det nu nicht mehr! Wie fühln sich dn nu so als Bräutjam?

Hahn: (ganz entzückt) Oh!

Fiebig: (ärgerlich zu Werner rüber) Ach, wat! Wenn n Mensch jlücklich is, brauch er sich nich leid zu dun. (allgemein) Schmetterlings Dodt. (zu Hahn) Verdient hast es nich. (sich vor den Leib fassend) Ick weeß nich, seit die jraulichn drei Kerls neulich hab'k doch n Knax wech?

Meischen: (Hausrock, Pantoffeln, Nachtjacke, Tuch drüber) Nee, was sagn Se nu bloß zu mei Benno? Muß mer sich da nich widder emal reenweg zuschandn ärchern? Gestern Ahmd hatter nu schon da sein sollen! Und ob er iberhaupt gewählt is, weeß kee Mensch. Wie ä Dummer is mer.

Fiebig: (Prise) Ja, nu, det is doch so in die Poletik? E muß doch mit die Leite noch n Jlas Bier trinkn? Firrchohn kann achtzehn Seidl verdragn.

Meischen: I cha wohl! So dumm bin ich auch nich. Das wissen mer schon, was de Männer machn, wenn de Frauen nich derbei sin. Aber das will ich Sie bloß saachn: den ham Sie aufm Gewissn. Sie ham mir mei Benno bloß eechal ufjehetzt. Schämen sollter sich in n Hals nein, so ä verheirater Mann.

Fiebig: (Beine vom Stuhl) Natierlich! Ick habe allns ufn Jewissn! Hahn je wol ooch! Den hab ick je wol ooch ufn Jewissn, (stark betont) det seine Tante ihn det Jeld nu schon jleich for die Kinder festjeleecht hat? Hab'k ooch! Der soll sich mal erst son zweetn Schwiejervater suchn! Wat, Rudolf? Det wahn Stick Zeitjeschichte mit dein Sozialaristokrat!

Meischen: Nu, Sie heirat er doch nich?

Fiebig: Nich? So. No! Wer hat dn zu Ihrn Doktor immer jesaacht, se sind der neue Ahlwart? Solln Se sehn, der jeht jetzt ufn Reichskanzler los!

Meischen: Nu, mer soll nischt verschweern?

Werner: Wenn Löbndhal ihn det nötje Jeld zu vorstreckt?

Meischen: D'r Herr Wahrmann kann alles, wasser will. Er saacht doch, uns Frauen wähln se auch noch mal in de Gesetzgebung?

Werner: Ja, der kricht fertich und macht noch mal aus de katholsche Kirche ne Aktienjesellschaft.

Fiebig: (in sein Tuch gewickelt) Mit dir als Papst, Wilhelm.

Hahn: (beifällig lächelnd) Sehr gut.

Werner: (mit seinem dicken Zeigefinger drohend) Hähneken?

Meischen: I gucke da, s Wasser ham Se wohl schon aufjesetzt? Na da! (nach dem Büfett hin, dem sie eine Kaffeemühle entnimmt) Da missen mer wohl heite mal ene Bohne mehr nein dun?

Werner: Sollste sehn, Oska, der kann den wieder vor Schwäche nich aus de Kanne loofn.

Fiebig: (vor Kälte zusammenschuddernd; betreffender Laut)

Meischen: (in die Kaffeemühle die Bohnen schüttend) Schimpn, schimpn dut nich weh, er mich schimpt, hat Lais und Fleh! (die Kaffeemühle Werner reichend) Dä!

Werner: (die Kaffeemühle in Gang setzend) Jaa, fein is det hier nich. Abber jemietlich! (Meischen die Tassen aufstellend)

Fiebig: (der jetzt aufgestanden ist) Nu, sonst? Dets doch hier son wissenschaftlichet Stübkn? Jott, fühl'k mein Kadawer . . . Da! Der Vogel der Jelehrsamkeit, Herrscher der Lüfte! Son Aquarium hab'k mer schon lange jewünscht. (steckt den Finger hinein. Zu Hahn) Siehste, Rudolf? So sin mir ooch mal int Wasser rumjehuppt. Sin unsre Vorfahrn. »Kraft un Stoff« hab'k je ooch! (zu Meischen) No, abber meine Frau kenn Se doch? Die is nich for de Naturkunde.

Meischen: Cha, mit die alde Schweinerei hab'ch auch immer mein Grach. Da studiert mei Benno immer die Natur dran. Wolln Se mersch glauben, Herr Werner? Neilich, wie ich aus dem Bett steiche, bin ich Sie auf son nackten Molch mitm Beene getretn?

Werner: Heern Se uf!

Hahn: (der Fiebig nachgegangen ist. Wieder nach der Uhr sehend) Na, der Zug muß eigentlich aber schon längst wieder da sein.

Fiebig: Nu versteht sich? Do! Is ja schon t Morjenrot! (zu Meischen zurück) Aurora in Ehl! (hat die Tür zur Loggia aufgeklinkt) Siehste, is det nu nich jut, dette deine Jedichte nich hat druckn lassn? Hier haste alles! Hier haste Wald, hier haste Jarten, hier haste Jemiese, hier haste alles!

Werner: (den gemahlnen Kaffee ohne weiteres in den Topf kippend) Diere zu! 'T zieht!

Hahn: (macht hinter Fiebig und sich die Türe zu)

Werner: (dreht die Lampe aus und pustet von oben in den Zylinder) Pppph! Nu setzn sich doch, Frau Dokter! Der Kaffe kocht ooch alleene. Se jrauln sich doch nich?

Meischen: Ach nee, Herr Werner, ich gann doch nich hier so alleine mit Sie bleibn? Ich bin doch auch noch gharnich angezoochen. Das schickt sich je gharnich.

Werner: Nu watn? Se sin doch ne verheirate Frau? Se denkn doch nich, det ick Ihn hier wat dun wer?

Meischen: Ja, Ihr Männer! Das hat mei Benno auch immer gesaacht.

Werner: (sie um die Taille fassend) Nu, sehn Se! Un der hat Ihn doch ooch nischt jedan? Hm? (nach dem Bild hin) Da! E macht orntlich nochmal son dummet Jesichte!

Meischen: (verschämt) Gott, ich bin ja nur mei Benno sei Meischen. Aber ich mach n so glicklich!

Werner: (hat ihre Hand genommen) Ach nee, die Fingerkns. (von der Straße her, aus der Ferne, Gesang und Biermusik. Man unterscheidet deutlich die Melodie von »Deutschland, Deutschland über alles«)

Fiebig: (in höchster Ekstase. Tür auf) Kinder, se kommn!

Werner: Dunnerwettstock!

Fiebig: Saacht'k nich? Der hat uns bloß wieder iberraschen wolln! Da hatter je 't Mandat!

Meischen: (mit einem Schrei auffahrend, Hand am Herzen) Ach, mei Benno! Hab ich n Schreck gekricht. Und (selig) wie scheene se singen?

Hahn: Soll ich auflassen?

Fiebig: (die Tür schnell schließend) Um Jottswilln! (zu den übrigen) Nu wat improvisiern!

Werner: Riejeln wir doch de Diere zu.

Meischen: Ach, gehn Se weg, Herr Werner! Sie misstn iberhaupt noch mal auf de Benähmige?

Hahn: Ja, wenn wir jetzt son Kostüm hätten, denn könnte vielleicht so Frau Doktor als Germania n Kranz überreichen?

Werner: Kranz ham mer. Det läßt sich machn. Feste! (steigt auf einen Stuhl und hakt ihn runter) Da, Ha Hahn.

Fiebig: Dets ne Idee! Los, Wilhem! Un de Germania mit'n Brautschleier! Paßt! Is det anjetraute Volk!

Werner: (jetzt auch Kranz und Schleier reichend) Do! Vorspiejlung falscher Tatsachn.

Fiebig: (den Schleier Meischen aufgeregt um Tuch und Nachtjacke drapierend) Det Weib in Schmucke der Myrte! Die Jungfrau als Jattin und Mutter!

Meischen: Ach nee, Herr Fieb'ch. Se reißen mer je alle Haare aus. Nu soll'ch mich auch noch zu sowas hergebn.

Fiebig: E poltert je schon de Treppe hoch!

Werner: (von seinem Stuhl wieder runtergeklettert) Der scheint jut jeladn. (nach dem Fenster hin, durch das man sieht; ihr Gesang hat aufgehört, man vernimmt ihr Gesumm) Jurrjott, die Menschen!

Hahn: (den Kranz reichend) Bitte schön, Frau Doktor.

Meischen: Was? Dän auch noch? Nee! Das tu'ch nich. Da gomm'ch mer zu komisch vor.

Fiebig: Ach wat, schnell! Det mauer'k doch nu ooch noch in mein Weltunterjank? (hat selbst den Kranz genommen, und steht damit parat)

Werner: (Taschentuch. Ungeheure Trompete) Da kann eener orntlich jeriehrt bei wern.

Naphtali: (mit Gehrke hinter sich; hat weit die Tür aufgerissen, die Situation sofort überblickend, Verbeugung nach Meischen, schwenkt seinen Zylinder; Impresarioton) Meine Damen und Herren!

Gehrke: (in der einen Hand einen kleinen Koffer, in der andern einen Regenschirm. Bleiche Züge, Hut in die Stirn, etwas schwere Zunge) Nun? das ist ja . . . (Fiebig hat ihm ohne weiteres den Kranz übergestülpt) Welche Überraschung! Meinen herzlichsten Dank!

Fiebig: Jaja, Dokter! De Poesie, die de Wissenschaft krehnt! So kommn jrade mit de ufjehende Sonne.

Werner: (sein Taschentuch schwenkend) Judn raus!

Naphtali: (grüßende, anerkennende Handbewegung) Bravo!

Gehrke: O, lieben Freunde! Mietzemeischen! Ja, wo soll ich denn nun eigentlich meinen Koffer hinstellen?

Hahn: O, bitte Herr Doktor! (hat ihm den Koffer abgenommen und vors Fenster gestellt. Von draußen, wo der Gesang unterdessen aufgehört hat: »Gehrke! Gehrke! Reden! Reden! Hut ab! Gehrke!«)

Naphtali: (energisch) Ein kurzes Wort, Herr Doktor! (die Tür zur Loggia schwungvoll aufreißend, Gehrke passieren lassend)

Gehrke: Die guten Leute!

Fiebig: (während die Menge draußen Hoch ruft, hinter Naphtali als dritter raus. Das Tuch noch immer um die Schultern. Ins Zimmer zurück) Sehste Wilhelm, dets jetz hier nich mehr Friedrichs hagen, dets jetz hier Friedrichs ruh!

Werner: (den Zug mit Hahn schließend, die Tür hinter sich auflassend. Halb zu Meischen) Ja: Bismarck und Ahlwart in eens.

Meischen: (zurückgeblieben, selig an der Tür. Gesicht ins Zimmer)

Gehrke: (den Kranz schräg um die Schulter, den Hut ins Genick, in der Linken den Regenschirm, mit der Rechten pathetische Gebärde) Volksgenossen! Ich danke Euch! Harrt aus im Kampfe gegen Mammonismus und Überkultur für germanisches Volkstum und die antikratische, sozialitäre Gesellschaftsform der Zukunft! Für Freiheit, Treue, Glaube, Wahrheit und Recht! (von draußen: »Schirm uf!«) Die Saat, die wir gesät haben in Leiden, geht auf in Freuden. Der Schnitter naht! Bei Philippi sehen wir uns wieder! (draußen: »Bravo, bravo! Da capo!« Fiebig, der die Rede mit Gestikulationen begleitet hat, klatscht in die Hände, Naphtali, mit seinem Spazierstock taktierend, intoniert in durchdringenden markanten Gutturaltönen, sofort wieder von der Musik begleitet: Deutschland, Deutschland usw. und umarmt ihn. Die Sonne ist aufgegangen, ihr Schein füllt das Zimmer)

Gehrke: (allein zurück. Noch immer Kranz, Hut und Regenschirm; halb lallend) Deutsch bis ins Mark! Die Religion, die Monarchie, das Eigentum und die Ehe! . . .

Meischen: (sinkt ihm in die Arme, schluchzend, die Tränen laufen ihr über die Backen) Mei Benno! Liebste mich? Biste glicklich?

Gehrke: Mäuschen! Mäuschen! (küßt sie) Mietzemeiselchen! (Geste nach draußen hin) Siehst du, mein Kind? Wie Ibsen sagt: Die Sonne, die Sonne!

Naphtali: (den Schluß der Strophe ins Zimmer taktierend, während Gehrke und Meischen selig-versunken eine »Gruppe« bilden) Deutschland, Deutschland über alles, über alles in der Welt! Deutschland, Deutschland über alles, über alles in der Welt!


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