Arno Holz
Sozialaristokraten
Arno Holz

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Erster Akt

(Arbeitszimmer des Herrn Fiebig. Behaglich ausgestatteter Raum. An den Wänden eine Lithographie Virchows und verschiedene Öldruckbilder: eine badende Nymphe, Schweizerlandschaften und ähnliches. Rings Glasschränke und Regale mit Büchern. Auf den Stühlen sogenannte Prachtwerke. Ein riesiger Globus und eine Büste von Schiller aus ganz gelb gewordener Elfenbeinmasse. Dicker, nicht zu teurer Teppich. An der Seitenwand links ein buntes Paneelsofa, auf dessen Etagere allerhand Nippes: die Torwaldsenschen drei Grazien aus Biskuit, ein imitierter Talerkrug, ein Straußenei, Dürers Geburtshaus aus Pappe, ein Wachsapfel auf einem Glasschälchen, mehrere zum Teil irisierende Spitzgläser und ein chinesisches Kaffeetäßchen. Davor ein großer viereckiger, schöngeschnitzter Eichentisch, der etwas von dem kleinbürgerlichen Stil des übrigen absticht. Zwei Türen, von denen eine im Hintergrund. Herr Fiebig ganz vorn rechts in seinem Lutherstuhl vor dem Schreibtisch, der in der üblichen degenerierten Renaissance gehalten ist. Links vor ihm auf einem kleinen Hockern Herr Hahn. Überzieher, kleiner steifer Hut auf den Knien.)

Fiebig: Ja, wissn Se, det stimmt. Se ham an de richtje Quelle jekloppt. Beziehungn zu de Presse hab'k ne janze Menge. Fümvunzwanzich Jahre sitz ick hier nu schon in Sattl. Det Erste, verstehn Se, wah mein jroßet Epos »Frankreichs Maul un Deutschlands Faust«. Sind bloß de erstn zwee Jesänge rausjekommn. Verschiednes draus is je populär gewordn. Wissn Se, aus de Belagrung for Paris. Se feiern je jrad det Jubeläum jetz.

Die Soldatn schwelchn
in den Sanftfotelchen.

Na! Und denn is doch auch der erste Reim uf Mensch drin, verstehn Se. Ick laß n Turko jejn ne Mauer stelln. Mittn aus de Wüste Sahara! Son recht drifjet Luder, det mit die Zähne bleckt!

Füsiliert noch rief er: Wenn schon, denn sch...
Puff! bei letzter Silbe starb der Mensch!

Kaiser Friedrich hat mer dreißich Daler jeschickt. Bismarck jab nischt. Bloß, Ha Hahn, (nimmt das Manuskript, das vor ihm auf dem Schreibtische liegt, und wirft es wieder auf die Platte zurück) offn jestandn, ick würde Ihn janich ratn, det schon jetz druckn zu lassn. Ihn kennt ja noch Keener. Gleich son Band Jedichte von son unbekanntn Menschn, wer kooft dn det? Sehn Se Doktor Jehrkn an. Se kenn doch Doktor Jehrkn?

Hahn: Ach, Herr Fiebig, das ist der, der da immer in den Volksversammlungen und wohl auch neulich auf dem sozialistischen Parteitag .  . .?

Fiebig: Nu, sehn Se, den kennt jeder. Dets der Führer von die jungen Kommenden! Wenn der Bebln vorjn Sommer jejn de Wand jedrückt hätte, hättn wir heute schon die neue Jesellschaftsordnung! Nu habn se ihn rausjeschmissen.

Hahn: Das muß doch ein fabelhaft interessanter Mensch sein.

Fiebig: Det hab'k ihn schon selber jesaacht. Passn Se uf, Dokter, hab'k ihn jesaacht. Sie reitn doch noch mal durcht Brandnburjer Dor! An de Spitze von de Arbeiterbattaljone! Als der neue Lasalle! No, un wie is den jejangn? Det kann'k Ihn sagn: Ihre Sachn sind ja janz jut. Wissn Se, »Lieder eines Schmetterlings« dets n Titl. Schmetterling is ne poetische Fijur, un Lieder eenes Schmetterlings dets ohrjenell. Könn Se sagn, wat Se wolln. Bloß Lieder eenes Ibermenschn . . .? De janze Welt redt jetz von Ibermenschn! Nitschkn ham Se doch jelesn?

Hahn: (schweigende Zustimmung).

Fiebig: Nu ja, sehn Se. Un jekooft is Jehrke ooch nich! Mein Freund Werner hat n jedruckt. De janze Uflage hatter noch ufn Halse. Abber ick wer Ihn wat sagn. Wer macht dn heit alles. De Zeitungn! Der Lokalanzeijer! Versuchn Se doch mal. Schickn Se doch in. Se könn sich ja uf mir berufn. Scherln hab'k mal bei Aschingern jesehn. Jehrke hats ooch so jemacht. Der hat iberall drin jestandn. In Vorwärts, int Quellwasser fors deutsche Haus, in Pahn, wat weeß ick. Abber den hat det natierlich nischt jeholfn. Der Mann hat zu ville Jejner, verstehn Se. Ick wer doch nich von mein Jejner n Buch koofn? Jehn Se doch mal ran zum Pahn. Wer in Pahn drin steht und in Lokalanzeijer, hat allns. Der hat det Volk un der hat de obern Zehndausnd.

Hahn: Ja, fortgeschickt hab ich schon viel, Herr Fiebig. Auch ans Deutsche Dichterheim. Da muß man abonniert sein, wenn man aufgenommen wird. Aber die wolltens erst im nächsten Quartal bringen.

Fiebig: So . . . Na, wat ham Se dn injeschickt?

Hahn: (aufgestanden und halb über das Manuskript gebeugt, indem er nachblättert) Hier das letzte, Herr Fiebig. Schmetterlings Tod.

Fiebig: Schmetterlings Tod. Det hat mir jefalln. Wissn Se: wie Se so iber det Wasser fliehn und so in Ihrn eijnen Spiejelbild die wiederjefundne Jeliebte zu sehn jlauben und denn so mit die nassn Fliejl int Wellnjrab sinkn . . . det soll Ihn mal erst eener nachmachn! Wissn Se, dets Trajik. So is dat Leben! Nu . . . na . . . unne . . . ham set dn nu jedruckt?

Hahn: Nein. Sie hatten immer son Raummangel. Aber ich glaube, das war bloß Ausrede.

Fiebig: Die Brieder! Na, un det Abbonnemang ham Se doch nu ufjesteckt?

Hahn: Nein. Ich dachte, vielleicht bringen sie denn mal was andres.

Fiebig: Nu ja, sehn Se, denn sind Se ja schon ufn rechtn Weje. Jloobn Se (mit dem Daumen nach dem Bild hin) Firrchohn is mit een Dage jroß jewordn? Den hattn se ooch zuerst nach Schlesjen geschickt. Da hatter n Hungertypus entdeckt! Wie alt sind Se dn nu eijentlich?

Hahn: (verschämt) Einundzwanzig.

Fiebig: (sich zurücklehnend) Eenunzwanzich! (klappt die Dose auf) Ach Jott, ja! Da steht een noch die janze Welt offn! (Priese) Ick wah ooch mal jung! Wissn Se: In Friehling, wenn so die Nachtijalln schlagn und so de Jliehwirrmer un Freind Luna . . . Liebe kennt keene Sprache! Aus die Zeit stammn meine scheenstn Jedichte:

Ins Idyll versunkn,
quaken Frösch' und Unkn,
leid- und liebestrunken,
durch die Nacht!

Hab'k mal for die Sorauer Sänger jemacht! Det heeßt, Sonntachs, verstehn Se. De Woche stand'k an Setzerkastn. Na un heite? Kieken sich mal um! Rechen sich man bloß mal die Biecher zusammn. Allns von Kampmeiern. So ville hat meine Frau ooch nich jehappt. Det hab ick allns meine Dichterei zu verdankn. Sie arbeetn je nu so mehr fier de Unsterblichkeit, verstehn Se! Wat ick hier habe, det is ja man bloß sone poetische Blechschmiede. Ick mach in poetschen Duft und in drastschen Humor. Abber't brinkt wat in, wissn Se. Ick hab de feinste Kundschaft in Bellin, der Hof bestellt bei mir. Wenn Se jestern um die Zeit jekomm währn, uf den Platz da, wo Se jetz sitzn, hat de Frau Commerzjenrat Oppenheim jesessn. Se kenn'n doch Oppenheim? Hier jleich n paar Heiser weiter in de Potzdamer. Ick kann Ihn sagn: schönnste Frau von Bellin! Jetz mach'k vor Lohse n Blumenmärchn. No . . . (bückt sich und holt unterm Schreibtisch eine Gilkaflasche vor. Trinkt und reicht Herrn Hahn, ihn starr ansehend, die Flasche) Na, nehmen Se doch. Brauchn sich nich zu scheniehrn. Die hab'k hier immer zu stehn. Reicht die janze Woche.

Hahn: Danke, oh, danke schön, Herr Fiebig. (trinkt und verschlückert sich)

Fiebig: (jovial lachend) Sehn Se? Det will ooch jelernt sind, det aus die Pulle trinkn. Det hab'k allns noch aus de Setzerzeit. Jloobn Se, ick trinke Bier ausn Jlas?

Hahn: Ist denn das aber nicht unbequem?

Fiebig: I, wer sacht Ihn dn det? (ist halb aufgestanden und kramt auf dem Schreibtisch) Wissn Se, ick mecht Ihn noch jern n Ziehjahn anbietn. Se roochn doch?

Hahn: (geschmeichelt) O, danke schöne, Herr Fiebig.

Fiebig: Sonst, Se wissn ja, dets hier mein Jeheimtresor. Ick jeb Ihn jern. Ufn Ziejahn kann mir det doch nich ankommn? Bloß ick seh hier, Spredowskn is dajewesn! Ick bin total ausjemist. (hat sich wieder gesetzt) Abber wissn Se, um uf die Sache zurückzukommen . . . wieviel wah't dn?

Hahn: Viertausend Mark, Herr Fiebig.

Fiebig: Fierdausend Mark, dets n janzer Klumpatsch. Soh . . . no . . . un hat Ihn denn der Vormund det Jeld schon ufn Disch jeleecht?

Hahn: Ja . . . nuhe . . . Herr Weiß hat mir Papiere gegeben. (sucht in der Tasche)

Fiebig: (erstaunt) Ja, jehn Se dn immer mit die Dinger spaziern?

Hahn: Entschuldigen Sie, Herr Fiebig . . . komme eben von Herrn Weiß.

Fiebig: So, nu . . . no! Denn is det war anders. Na, denn zeijn Se mal her dn Krempl. (nimmt seine Stahlbrille vom Tisch, hält sie verkehrt vor und streckt die Papiere weit von sich. Anerkennend) Det sin ja Konsols. Keene Arjentienjer. Sicher sind se ja. Und det is schon immer wat wert bei die Zeitn. Aber se bringen nischt. Von de Zinsn, Ha Hahn, könn Se nich lebn. (legt die Brille vorsichtig zur Seite, breitet die Papiere vor sich hin und schlägt zurückgelehnt mit der flachen Hand auf sie) Nu, horchn Se mal! (kleine Pause) Wie alt is die alte Dame in de Lienjenstraße? Hoch in de Sipptzjer. De Influenza kommt alle Jahr her. Lange macht se't nicht mehr. Wat is son Haus in die Jejend wert ohne Schuldn? Achtzichdausnd jibt alleene de Feierkasse. Ihr Zukunft ham Se in de Tasche. Nu, wissn Se, nu nehm Se mal die fierdausend Mark und lassen Se mal Ihre Jedichte fors erste noch nich druckn. Allns, verstehn Se, in Leben kommt uf den richtjn Moment an. Un jetz, Ha Hahn, is det der Moment, det Se sich eene Existenz jrindn mit de fierdausnd Mark, auch ohne ihre Zukunftsmusik. Jetzt zeijn Se die Leute, wat Se forn Kerl sind. Sehn se, aus Ihre Jedichte hier (schlägt auf das Manuskript) jeht doch vor, det Se sich wat zutraun. Traun sich doch wat zu! Machn Se ne Zeitung uf! Ne Wochenschrift! Beste Kaptalanlage heut. Wat meen Se, so alleene der Bahnhofsverkauf. Jehrke hält wat von mir, Wilhelm Werner kenn Se, dets seine rechte Hand, dets n oller Duzbruder von mir, na, un wat an mir liecht, uf mir könn Se ooch zehln. Wat sagen Se nu?

Hahn: (selig) Ach, Herr Fiebig!

Fiebig: Nu ja: fischen Se doch mal de siebnte Jroßmacht int Handwerk!

Hahn: Ja, ich weiß nicht, Herr Fiebig, ich . . .

Fiebig: Ja, nu, wenn Se nich wolln?

Hahn: Oh, ich möchte ja gerne, Herr Fiebig, aber . . .

Fiebig: Abber, Ha Hahn, ick bitt Ihn! Det is ja allns janz natierlich un selbstverständlich. Alleene machn Se't nich. Det weeß ick. Ick würde Ihn ja det ooch janich ratn ohne mir. Für de erste Nummer ham Se jleich wat. Verstehn Se: mein Weltunterjank! Ick ham noch nich fertich. Se wissn ja, bei mir is det immer so: watt bestellt witt, witt gemacht! Bestelln Se'n doch bei mir! Bezahlt will'k janich hamn. Brauchn Se jarnich zu jloobn. Ick will man bloß mal wieder vort jroße Publikum treten.

Hahn: Aber, Herr Fiebig, das würde doch niemand verlangen können; das ginge doch gar nicht.

Fiebig: Verlangt je ooch keener. Wissn Se, stelln sich de letzte Szene vor. Wat det vor ne Wirkung macht! Letzter Jesang: Det uf diese Erde hab ick satt jekricht. Ick sitze ufn Sonnenstrahl un reite nach der Wenus. Wissn Se, janz realistisch. Wie ick so hier bin. Verstehn Se, un wie ick obn ankomm . . . bums, kriej ick n Kuß. Könn sich det vorstelln?

Hahn: (verlegen) O, gewiß, Herr Fiebig!

Fiebig: (lehnt sich zurück und sieht Herrn Hahn groß an. Schwermütig) Und wissn Se ooch, Ha Hahn, wat det denn forn Kuß wah? (Pause. Hahn vor sich hin; Fiebig langsam, jedes Wort betonend) Det wah der Kuß der Erkenntnis. (nimmt ein außerordentlich großes, rotgewürfeltes Schnupftuch, das neben ihm, sauber zusammengefaltet, oben im Papierkorb gelegen hat, und legt es halb auseinandergefaltet auf den Schreibtisch) Machen Se det mal!

Hahn: (dem der Hut runtergefallen. Ihn wieder aufhebend) Oh!

Fiebig: Ja, Ihrn Hut brauchn Se dabei nich zu verliern! (hat aus seiner Schlafrocktasche eine silberne Schnupftabaksdose gezogen) Nehm Se doch, Ha Hahn.

Hahn: Oh, danke, danke sehr, Herr Fiebig, (nimmt) aber bloß n ganz kleines bißchen.

Fiebig: (nimmt selber) Wissn Se? Nach die Priese hab'k zehn Jahre jesucht. Det is Kownoer mit Meijlöckchn.

Hahn: (niest mehrmals fürchterlich).

Fiebig: (lacht) Na, Ha Hahn, Ihn merkt man ooch an, det Se keen Schnupfer sind. Ick niese überhaupt nich mehr. Ick kann ne janze Fuhre voll rinnstoppn. Wissn Se, und denn hab'k ja ooch Beziehungn zu Richard Schmidt Cabannißn? Sehn Se, da obn in de erste Reihe: »Veilchen und Merrettig«. Scheener Titl! Hatter von mir. Wat jloobn Se, ick habe ooch meine Infälle.

Hahn: Ja, ich wollte Ihnen das schon sagen, Herr Fiebig: das mit dem Geld von der Tante. Ich glaube . . . sie is ja immer so komisch, sie glaubt, ich bin so leichtsinnig, sie sagt, (immer kleinlauter) sie vermachts dem Hundeasyl.

Fiebig: Na, da heert doch verschiednes uf! Un det lassn sich bietn? Ick würd nischt sagn: wennt wenichstns fer de Urahnja wär. Dets wat Wissenschaftlichet. Da 's 't Embrio von Huhn zu sehn. Man wenn ick ne olle Dame bin, enterb ick doch nich mein Neffn? Ne! Nu zeijn Se't jrade. Mit ne Zeitung is schon mancher Milljonär jewordn. Strußberch ooch. Jloobn Se, der hat sein Jeld alleene mitn Viehhof jemacht? So lange, verstehn Se, wah't man Spaß. (tippt mit dem Finger auf den Schreibtisch) Nu is't Ehrensache!

Hahn: Ja, Herr Fiebig, wenn das gemacht werden soll . . . dafür bin ich ja . . . dann muß doch auch'n Redakteur sein für die Zeitung. Ich kann doch sowas noch nich machen.

Fiebig: Och . . . det lassn Se man meine Sorje sind. Natierlich ist det jetz alles noch in embriojenischen Zustand. Abber, wissn Se, Se sind n Jlicksvogl. Doktor Jehrke un mein Freund Werner kommen heute zufällich alle beede her.

Hahn: (ganz erfreut-überrascht) Ach!

Fiebig: Ja. Ick habe Ihn det noch nich so sagn wolln, det wah mir peinlich, abber heut is meine Frau ihr Jeburtstach.

Hahn: Oh, Herr Fiebig, wenn ich das jewußt hätte!

Fiebig: Nu, versteht sich, gewiß doch. Sone Frau freut sich ja immer iber wat. Is't, wat is. Braucht ja bloß n Veilchenbukett zu sin. Jetz in Winter?

Hahn: Ach, wenn ich da doch bloß dran gedacht hätte, Herr Fiebig, das tut mir furchtbar leid.

Fiebig: Ha Hahn! Ick wer Ihn wat sagn. Nehmn Sie mir det nich übl. Se wissen ja, wie so de Fraunsleute sind. (langt unterm Schlafrock in die Hosentasche) Hier is ne Mark. Tun Se mern Jefalln un holn Se so kleenet Bukettkn. Wissn Se, jleich hier an de Ecke. Se machn mer ne Freude.

Hahn: Aber, Herr Fiebig. (steht auf) Selbstverständlich. Sehr gern. (geht zur Tür, ohne die Mark zu nehmen) Nicht wahr, gleich hier an der Ecke, wo das Gitter is?

Fiebig: Abber, Ha Hahn! Sie wern mir doch hier nich die Mark liejn lassn? Det is ja man bloß son Mumpitz. Ick will ja man bloß von wejen meine Frau, wissn Se. (vertraulich) Ick mach mir doch nischt draus?

Hahn: Nein, nein, Herr Fiebig, wirklich, das geht nicht. Ich bin gleich wieder zurück.

Fiebig: (winkt ihm vom Stuhl zu sich) Wissn Se, hier is noch ne Mark. Bringn Se ooch gleich drüben von Martinzn n paa Ziejahn mit. So, un nu nehm Se schon den janzn Kitt, und denn jehn Se. Wissn Se, unter uns Männern.

Hahn: (nimmt das Geld und steht noch) Na ja, Herr Fiebig, ich weiß nicht, aber, wenn Sie durchaus wollen, ich . . .

Fiebig: Ach wat, machn Se doch keene Jeschichtn. Atchee!

Hahn: Adjöh, Herr Fiebig. (gibt ihm die Hand) Also fünf Minuten. (zur Tür)

Fiebig: (ihm nachrufend) Sieben n halb det Stick!

Hahn: Jaja, gleich. Ich wer nicht vergessn. (ab)

Fiebig: (allein, im Stuhl. Breitet voll das Taschentuch aus und schnaubt sich umständlich)

Frau Fiebig: (aus der Tür im Hintergrund; hinter ihr Anna) Wer wah dn det?

Fiebig: (legt das Taschentuch sauber zusammengefaltet wieder oben auf den Papierkorb) Ach Jott, wer sollt jroß jewesn sind? Wieder son junger Mensch mit Jedichte.

Anna: Ach Papa, das wah wohl Herr Hahn?

Herr Fiebig: Ach Quack! Hahn wär doch jrattulirn jekommn.

Frau Fiebig: Ick sag ja: Dir loofn se alle ibern Hals. Du bist ja man immer der Dumme. Wenn du dir bloß for andre Leute opfern kannst. Anjepumpt hatter dir natierlich ooch wieder?

Fiebig: Kümmer du dir doch lieber um dine Kochteppe, ja? Ick pump iberhaupt keen wat.

Frau Fiebig: So. Na, un Spredowskn?

Fiebig: Was is hier mit Spredowskn?

Frau Fiebig: Dets doch keen jebillter Mann? Wenn ick n jebillter Mann bin, bin ick keen Schneiderjeselle.

Fiebig: Haste nu bald jenuch jeredt?

Frau Fiebig: Ick red ieberhaupt nich. Ick möcht wissn, wat det bei dir nitzen soll? Alle Dage hat det nu hier mit seine Pockennarben uft Soffa jesessn. Sowat is for dir jakeen Umjank. Spuckt uft Pahkett und trampelt een n janzen Teppich voll. Det hab'k Annan schon jesaacht: Den witt nich widder uffjemacht!

Fiebig: Jawoll doch, und wenn nachher de soziale Revolutzjohn kommt, denn solln se dir wohl det Haus ibern Kopp ansteckn? Lehr du mich, wat Politik is!

Anna: (die die Konsols entdeckt hat) Was is dn das, Papa?

Frau Fiebig: Wo dn?

Fiebig: (die Konsols zwischen das Manuskript schiebend) Och, det is wieder so wat Lausjes von die olle Vermejenssteier. Bis in Magen sehn se een!

Frau Fiebig: (die sich unterdessen aufs Sofa gesetzt hat. Die Hände gefaltet) Heut is an Bestn, eener hat janischt. Het eener wat, denn nehm se't een, un hat eener nischt, denn könn se't een wenichstns nich nehmn. Wat jetz alleene widder son Jeburtstach kost? Bolln hab'k ooch noch nicht bezahlt. (es klingelt)

Frau Fiebig: Jeh mal ufmachn, Anna. Un seh dn ooch jleich nachn Kaffe. (Anna ab, durch die Tür, durch die Herr Hahn gegangen ist)

Fiebig: Hast ja heute son scheenet Kleed an. Hab'k ja noch janich jesehn.

Frau Fiebig: Jott nu, den olln Lappn trag'k doch immer?

Fiebig: Steht dir sehr jut. Haste diesmal ooch orntlich Aeppl in den Jans un nich zu wenich Meiran?

Frau Fiebig: Stille doch! Horch doch mal. (vom Korridor Geräusch: »Gun Tag, gun Tag, Fräulein.« »Bitte, legen Sie ab.« »Ach, du lieber Kott, nu sehen Se bloß, Freilein, das Mallehr. Nee so was!«)

Frau Fiebig: (die vom Sofa her nach der Tür gehorcht hat) Det sin Jehrkns. Die komm widder for naß.

Fiebig: (Handbewegung) Die heeren ja alles! (Frau Gehrke und Dr. Gehrke treten ein. Frau Gehrke mit langen Handschuhen, die sie beim Eintritt aufknöpft. Später steckt sie sie in ihren Pompadour und legt diesen neben sich auf das Sofa. Herr Fiebig bleibt sitzen. Seine Frau ebenfalls)

Frau Gehrke: Achkottnee, meine liebe Frau Fiebchen, mir is noch ganz bliemerant vor de Oochen, so is mer der Schreck in de Beene gefahrn . . . Denken Se sich, ähm is mer mei Benno hinden von de Färdebahn runder gefallen midden in 'n Schneemadsch nein . . . so ä großer, schdarker Mann . . . Wie e gleenes Kind biste awer ooch!

Fiebig: Um Jotts Willn, Dokter, lassen Se doch mal sehn. Is doch nischt Schlimmet? Kommn Se doch mal her.

Frau Fiebig: Hat sich doch nischt kaput jerißn?

Gehrke: (sich das Knie säubernd. Überlegen) Oh, keineswegs, lieber Herr Fiebig. Kleiner, unbedeutender Unfall. (geht auf ihn zu und gibt ihm die Hand)

Meischen: Gucke, du Schwein, wie de widder aussiehst! 'S Salz wird der noch de ghanze Hose entzwee fressn. (Zu Frau Fiebig) Eene hat'r bloß!

Fiebig: Ach wat, Frau Dokter. Maria Stuart hat ooch keene Hose jehappt, und ne jroße Könjin wah't doch!

Frau Fiebig: Nu quaddl doch man, ja?


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