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Schriftstellerische Anfänge

Ich glaube, zu jener Zeit erst war es, wo Lewald's belletristisches Journal, von welchem ich in diesem Bande schon gesprochen, ins kurze Leben trat. Ich unterstützte die verehrte Redaktion durch mancherlei lyrische Beiträge.

Ich war überhaupt lyrisch sehr produktiv, und alle Sorten von Versformen entflossen mir täglich, ja stündlich. Leider jedoch fehlte diesen reichlichen Ergüssen, wenn ich ihnen auch eine gewisse leichte Gewandheit nicht absprechen darf, doch gewöhnlich der Ausdruck individueller Gesinnung, das Charakteristische, nicht nur dem Inhalte, nein sogar der Form nach. Was ich gerade gehört, gelesen hatte, das suchte ich nachzuahmen, was meiner flüchtig aufgeregten Phantasie zusagte, das besang ich. Und so machte ich auch, wahrscheinlich meinen langen Haaren und meinem sehr geringen Anteil an den weltumwälzenden Plänen der deutschen Burschenschaft zu Liebe, eine ganze Serie von sogenannten Turnliedern, in denen ich wacker auf die Deutsch-Franzosen, auf ihre welschen Sitten und verweichelnden Gebräuche schimpfte, die Turner mit den alten Griechen verglich, das Heil des Vaterlandes auf den Turnplätzen suchte! – Alles dieses, ohne jemals auch nur einen Fuß auf den Turnplatz gesetzt zu haben. Ganz ohne Geschick mögen diese Lieder vielleicht nicht gewesen sein, weil, was die liebe Eitelkeit mich wohl bis heute im Gedächtnis bewahren ließ, ihre Weise bei mehreren jener Partei Anerkennung fand. Der wackere, wohlwollende und gelehrte Freund Hänisch, dann Gymnasialdirektor zu Ratibor, tadelte nur, daß sie für Popularität zu didaktisch gehalten wären, unbedingter war das Lob, welches Massmann ihnen spendete, als ich sie diesem Vorturner aller Vorturner mitteilte, der mir einmal die Ehre gönnte, auf »meiner Kneipe« mit einigen anderen Kommilitonen zu einem Glase Champagner einzukehren, wobei wir nicht unterließen, weidlich auf Frankreich zu schimpfen, und den Goethe'schen Trinkspruch, vom echten deutschen Mann, den Franzen und ihren Weinen, redlich handhabten.

Daß die Turner vom Jahre 1818 in der zum Theil gerechten Begeisterung für ihre Sache den Spott und Tadel, der die damit verbundene Tracht aus dem Munde anders Gesinnter treffen mochte, frisch, frei, fröhlich und fromm ertrugen, ja, daß sie mitunter ein von Stolz nicht entferntes Gefühl des Märtyrertums damit verbanden, war erklärlich und mit etwaigem Vorbehalt gegen arrogante Übertreibungen vielleicht löblich zu nennen. Daß ich aber, der mit der Sache gar nichts weiter zu thun hatte, vielmehr ihr fern stand in jeder Beziehung, Affe genug war, gerade das Nutzloseste, das Kindische, »die Livree des Deutscht ums und Deutsch thuns« zu kopieren, das verdiente wohl einen strengen Verweis, den ich mir hierdurch feierlichst erteilt haben will, wenn auch etwas spät. Um hier, wo ich einmal von meinen poetischen Verhältnissen zur und meinen poetischen Sünden gegen die Burschenschaft rede, bald reinen Tisch zu machen und mir keine nachträgliche Demütigung zu ersparen, darf ich nicht unerwähnt lassen, daß ich nicht nur mehrere, auch nicht turnerische, Kommerslieder zu verfassen und bei feierlichen Gelegenheiten vorzulegen, sondern daß ich sogar wagte, mich der »Redaktion eines Breslauer Kommersbuches«, die mir leichtsinnig übertragen worden, noch leichtsinniger zu unterziehen und demnach einen Wechselbalg zustande brachte, der das Vertrauen der in pleno subskribierenden Viadrina schmählich täuschte. Jenes Kommersbuch, welches bald für so schlecht und unbrauchbar erfunden wurde, daß es schon einige Jahre nach seinem Erscheinen mit einem andern, besser redigierten vertauscht werden mußte, litt an dem Hauptfehler, keine durchaus entschiedene Farbe zu tragen; es enthielt in willkürlich zufälliger Vermischung die alten barbarischen Studentenlieder neben den neuen frommen Burschenschaftsgesängen, Goethe und Novalis, Philander von Sittenwald und Arndt ... alles durcheinander, wie der Hirte die Herde treibt. Daneben prangten, womit ich mir damals nicht wenig wußte, neue, extra für diese Sammlung verfaßte Lieder von van der Velde, Lewald, Rudolf vom Berge, Geisheim, Schall, Grünig, mir und anderen, sämtlich wenig geeignet, in ihrer Absichtlichkeit populär zu werden. Das Buch fiel so entschieden durch, es erschien übrigens erst später, als in dem Winter, in dessen Schilderung wir uns jetzt befinden, daß sogar meine vertrautesten Freunde nicht wagen durften, es der öffentlichen Meinung gegenüber zu verteidigen. Ich hatte Gewalt genug über mich selbst, den tiefen Schmerz, den diese Niederlage auf mich machte, zu verheimlichen und hinter scheinbarer Gleichgültigkeit zu verbergen. Heute jedoch will ich und zwar zum erstenmal offen bekennen, daß mir dieser mein litterarischer Fehlgriff mehr zu Herzen gegangen ist, als irgend einer seiner zahlreichen Nachfolger, ja ich will sogar bekennen, daß ich, als vielleicht fünfundzwanzig Jahre nach Erscheinen des Buches mir beim Ordnen meiner Bibliothek ein Exemplar desselben unerwartet in die Hände kam, nicht den Mut besaß, es zu durchblättern, sondern den stummen Zeugen jugendlicher Übereilung ungelesen in den Ofen schob. Unerklärlich bleibt es mir heute noch, warum ich bei meiner Unkenntnis althergebrachter Sitten und Formen des Studentenwesens und bei meinem Mangel an Erfahrung, – die ja doch ein »Fuchs« unmöglich haben konnte! – nicht den Beirat älterer Burschen zur Anordnung des Kommersbuches erbat! Noch unerklärlicher, daß diejenigen, welche an unserer Spitze standen, mir nicht die Pflicht auferlegten, etwas dergleichen zu thun! Man ließ mich eben gewähren, versprach sich von meinem Geschmack goldene Berge und war desto unwilliger erstaunt, sich gänzlich getäuscht zu finden. Jene ungeduldige Hast, in kindischer Zuversicht irgend eine vorgesetzte Arbeit abzuthun und ohne Spur von Besonnenheit blindlings mit krankhaftem Eifer daran zu gehen, hat mir gar vieles im Leben verdorben oder doch verkümmert, was bei reiferer Überlegung einen besseren Ausgang genommen haben könnte. Auch als Mann habe ich mir sehr oft dadurch geschadet. Ich mußte das Alter erreichen, in welchem, wie man sagt, die Schwaben klug werden sollen, um die Weisheit nur einigermaßen üben zu lernen, ohne die jede Selbstkritik zu spät kommt.


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