Ludvig Holberg
Don Ranudo de Colibrados oder Armuth und Hoffart
Ludvig Holberg

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Fünfter Akt.

Erste Scene.

Leonora. Gusman.

Gusman. Aber, Leonora, was wird nur der verliebte Gonzalo dazu sagen, daß seine Liebste nach Mohrenland ziehen soll? Daß sie aus Gefängniß, Hunger und Armuth zu Hoheit und Wohlstand gelangt, freut mich allerdings aufrichtig, aber um Gonzalo's willen wäre es mir doch lieber, diese Partie zerschlüge sich.

Leonora. Nein, Gusman, diese Partie ist besser.

Gusman. Ich sehe schon, Du bist eine Wetterfahne und hast Deine Mucken wie alle Kammermädchen.

Leonora. Ei Thorheit! Wenn das gnädige Fräulein selbst ganz zufrieden damit ist –

Gusman. Aber hilf Himmel, wie kann sie sich nur entschließen, einen Schwarzen zu nehmen?!

Leonora. Es ist ein christlicher und tugendhafter Prinz aus einem gebildeten Lande, ich für meine Person bleibe bei dem Fräulein und begleite sie, wohin es ist.

Gusman.. So begleite ich sie meiner Seele ebenfalls.

Leonora. Nun versteht sich!

Gusman. So bleiben wir also in demselben Dienst, und das ist mir höchst erwünscht. Denn ich liebe Dich, Leonora, und hänge an Dir wie der Doctor am Fieber; denkst Du wie ich, so können wir uns nur auf dem Fleck verloben, und in kürzester Zeit wirst Du meine Frau. Lange warten taugt uns 416 beiden nicht, und obenein habe ich noch meinen ganz besondern Grund, mich baldmöglichst zu verheirathen.

Leonora. Ei Du Tölpel, weißt Du auch, daß Du mit einer spanischen Jungfrau sprichst und weder in Frankreich, noch in Deutschland bist, wo man heute sagt: wollt ihr mich haben? und morgen Hochzeit hält, ja wo man schon vor der Hochzeit so bekannt mit einander wird, daß man sich in der Brautnacht nichts Neues mehr zu sagen hat? Willst Du Dir meine Liebe erwerben, so mußt Du es hübsch machen, wie es hier zu Lande Mode ist. Erst mußt Du ein ganzes Jahr umhergehen und seufzen und in Alteration gerathen, wenn Du mich siehst; von Zeit zu Zeit mußt Du auch den Anschein haben, als wolltest Du Dich aus Liebe aufhängen, ohne bei alledem merken zu lassen, wem das gilt, vielmehr muß ich das ganz von selbst errathen. Später darfst Du Dich dann auch bei mir in Gunst zu setzen suchen, indem Du unter meinem Kammerfenster Musik machst und verliebte Lieder singst; wenn ich Dich aber mit Scheltworten hinwegweise und Dir Wasser über den Kopf gieße, so mußt Du das ruhig ertragen. Demnächst mußt Du durch Geld den Beistand eines alten Weibes erkaufen, das eine gute Freundin von mir ist, damit es Dich gegen mich herausstreicht, auf bewegliche Weise die traurige Lage schildert, in die Deine Liebe Dich gebracht hat, und mir zuredet, aus Christenliebe Dein Leben dadurch zu fristen, daß ich Dich gnädig ansehe und von Zeit zu Zeit ein Gedicht von Dir annehme, das Du mit Deinem Blute geschrieben hast; sodann Geschenke von Dir anzunehmen, dann mit Dir durchs Fenster zu sprechen und endlich Dich in meine Kammer einzulassen.

Gusman. Du hast Recht, Leonora, so sollte es sein, aber die Zeit wartet nicht, und in weniger als fünfzig Jahren könnte ich mit diesen Weitläufigkeiten nicht zu Stande kommen; es fehlt blos noch, daß Du mir räthst, mich aus Liebe ernstlich aufzuhängen. Nein, Leonora, ich weiß, was besser ist und wie wir in aller Schleunigkeit ein Paar werden können, ohne gegen die Gebräuche des Landes zu verstoßen. Du mußt nur hübsch mal des Nachts Deine Kammerthüre offen lassen und mußt Dich 417 stellen, als ob Du im allertiefsten Schlafe lägest; dann schleiche ich mich hinein und beschlafe Dich. Dabei kannst Du immerhin um Hülfe rufen, aber nur nicht so laut, daß es Einer hören kann. Habe ich Dich dann auf diese Weise erobert, so folgt daraus ganz nothwendig, daß Du die Hochzeit beschleunigst, um Deine Ehre wieder zu erhalten, die ich Dir auf so betrügerische und gewaltsame Manier geraubt habe.

Leonora. Sei doch still, Gusman, mit solchem Gewäsche, ich sage es sonst wahrhaftig der Herrschaft, und da sollst Du dann Dein böses Maul schon büßen.

Gusman. Es war ja nur ein Vorschlag, Leonora, Du kannst ja noch immer thun, was Dir beliebt, und endlich thut mir das Heirathen ja auch noch nicht so sehr noth.

Leonora. Mir wahrhaftig auch nicht.

Gusman. Siehst Du, Leonora, da kommen wir ja doch zusammen. Aber hier ist Donna Maria, ich kann ihren Anblick nicht ertragen, das Herz im Leibe blutet mir, wenn ich denke, daß sie einen schwarzen Prinzen kriegen soll. Ich mache mich also davon. (Ab.)

Zweite Scene.

Donna Maria. Leonora. Pedro.

Donna Maria. Ach, Leonora, der Anschlag, den Du ersonnen, ist zwar unvergleichlich, dennoch fürchte ich, er wird entdeckt, bevor der Ehecontract noch unterzeichnet ist.

Leonora. Wenn wir uns nicht selbst verrathen, wird er schwerlich entdeckt. Deshalb habe ich auch dem Gusman nichts davon gesagt, er ist ein Schwachkopf und könnte uns verrathen.

Donna Maria. Aber ist das nicht ein Jammer, daß meine Eltern so blind vor Hochmuth sind, daß sie lieber Hungers sterben, als ihre Tochter einem ehrenwerthen Manne geben, der nicht nur das Vermögen, sondern auch den Willen hat, ihm wieder aufzuhelfen, blos weil sein Rang um eine Kleinigkeit geringer ist? 418

Leonora. Das ist der verfluchte Hochmuth, der hier zu Lande regiert. Daher kommt es auch, daß im Auslande spanisch so viel heißt wie hoffärtig.

Donna Maria. Nein, Leonora, die Landesart ist das nicht, das hieße unserer Nation Unrecht thun. Es ist allerdings richtig, daß es eine ganze Menge solcher Leute in Spanien giebt, doch darf man deshalb noch nicht einen Charakterzug der gesammten Nation daraus machen. Denn nichts ist in der That unbilliger, als nach dem Betragen Einzelner sich das Bild einer ganzen Nation entwerfen. Auf diese Weise geschieht es, daß eine und dieselbe Nation bald als gut, bald als schlecht dargestellt wird. Hat man das Glück, die kurze Zeit, die man im Lande ist, mit honneten Leuten in Berührung zu kommen, so heißt nachher das ganze Land honnet. Giebt es dagegen in der Gegend, wo man eingekehrt ist, stolze und hoffärtige Menschen, so werden bei der Rückkehr ganze Bücher davon geschrieben, daß das ganze Land voll Hoffart steckt. Wenn meine Eltern z. B. so thöricht sind, daß sie lieber vor Armuth sterben, als ihre Tochter in eine Familie verheirathen wollen, die nach ihrer Ansicht nicht ganz so vornehm ist wie sie selber, darf man darum wol das ganze Land dieses Lasters beschuldigen? Nein, das wäre unbillig; die meisten Menschen in der Stadt verdammen sie sogar deswegen und werden sich freuen, wenn unser Anschlag gelingt.

Pedro. Das gnädige Fräulein hat vollkommen Recht; auch beweist sie selbst ja durch ihr eignes Beispiel, daß keineswegs alle mit diesem Laster befleckt sind. Aber sieh da, da ist die gnädige Herrschaft.

Dritte Scene.

Don Ranudo. Donna Olympia. Donna Maria. Eugenia. Leonora. Pedro. Gusman.

Don Ranudo. Endlich, meine Tochter, hat der Himmel Dir einen Bräutigam bescheert, dessen Hand Du annehmen 419 kannst, ohne Deine Familie zu erniedrigen; der Gemahl und Herr, den ich Dir bestimmt habe, ist Theophrastus Bombastus, der große Prinz von Aethiopien.

Pedro. Alle Wetter, schon an dem einen Wort Bombastus hört man, was das für ein Mann sein muß!

Don Ranudo. Es ist gerade solch ein braver und tugendhafter Herr, wie die Prinzen von Aethiopien von jeher gewesen sind.

Pedro (bei Seite). Das hat nichts zu sagen, wenn er nur vornehm ist.

Don Ranudo. Auch soll er von wohlgefälligem Aeußern sein.

Pedro (bei Seite). Das thut ebenfalls nichts, und wenn er weder Nase, noch Ohren hätte, wenn er nur blos ein Prinz ist.

Don Ranudo. Er soll auch ein sehr reicher und mächtiger Prinz sein.

Pedro (bei Seite). Ei, der braucht keinen Reichthum, in dem einen Wort Bombastus steckt ja schon ein ganzes Vermögen.

Donna Maria. Ich danke meinen werthen Eltern für die Fürsorge, die sie für mich gehegt haben; denn allerdings ist es jederzeit mein Vorsatz gewesen, lieber ins Kloster zu gehen, als mich mit jemand von mittelmäßiger Herkunft zu vermählen.

Donna Olympia. Ach, Don Ranudo, dieser Ausspruch unserer Tochter sollte mit goldenen Buchstaben verzeichnet und als Inschrift über alle vornehmen Häuser gesetzt werden. Aber freilich, aus diesem Colibradosschen Stamme konnte nur ein solcher Sprößling erwachsen.

Leonora. Wäre das gnädige Fräulein auch geneigt gewesen, einen von mittelmäßiger Herkunft zu nehmen, so würde ich doch niemals meine Zustimmung dazu gegeben haben; lieber wäre ich gestorben, als daß ich so etwas mit angesehen hätte.

Don Ranudo. Du sollst Dank haben, Leonora, für Deinen Eifer; Du bist von jeher ein treues Mädchen gewesen, voll Ehrerbietung für Deine Herrschaft.

Pedro. Wahrhaftig, so lange ich den Kopf noch zwischen den Schultern trage, so lange hätte ich ebenfalls nicht zugegeben, daß unser gnädiges Fräulein einen Mann genommen hätte wie 420 diesen Gonzalo de las Minas, und wenn er noch reicher gewesen wäre, als er ist. Wie ich zuerst von dem Antrag hörte. den seine Schwester gethan, da habe ich mich doch auf mein Wort dermaßen geärgert, daß ich es noch nicht verwunden habe; noch jetzt sitzt mir davon so was im Rücken, das auch nicht für die Langeweile ist. Au, au, au! Das reißt mich jedesmal, so oft ich daran denke. War das nicht unverschämt, daß ein Kerl wie er sich unterfing, um ein Colibradossches Fräulein anzuhalten? Denkt er, meine gnädige Herrschaft ist so hinter das Geld her, daß sie sich so weit erniedrigte? Was bildet der Lump sich nur eigentlich ein? Hätte ich ihn zu packen gekriegt, umgebracht hätte ich ihn auf der Stelle! Nein, ehe ich das zugelassen hätte, hätte ich lieber das ganze Haus in Brand gesteckt und hätte alle zusammen verbrannt, den gnädigen Herrn, die gnädige Frau, das gnädige Fräulein und mich selbst.

Donna Olympia. Solche Diener verdienen solche Herrschaft, und solche Herrschaft verdient solche Diener.

Don Ranudo. Seine Worte gefallen mir, insofern ein ungewöhnlicher Eifer daraus hervorleuchtet. Im Uebrigen aber scheint es mir doch kein besonderes Verdienst, seine Herrschaft verbrennen zu wollen.

Pedro. Und doch würde die Asche der gnädigen Herrschaft, wenn sie hätte sprechen können, mir Dank dafür gesagt haben, es wäre ein heroischer Tod gewesen, und alle Welt würde gesagt haben: sie lebten heroisch und starben heroisch. Der Ruf, in dem man steht, ist ja doch das theuerste Kleinod in der Welt; ist das fort, was können Reichthum und Wohlleben nützen? – Das ist meine wahre Herzensmeinung, habe ich sonst anders gesprochen, so habe ich in Scherz gesprochen.

Don Ranudo. Gewiß, Pedro, auch ich bin überzeugt, daß, wenn Du zuweilen anders gesprochen, Du es allein gethan hast, um uns zu amüsiren.

Pedro. So ist es, auf mein Wort. Aber ein Hofnarr kann auch einmal ehrbar sein, und wenn es sich um den Respect handelt, den ich der gnädigen Herrschaft schuldig bin, so meine ich es immer im Ernste. 421

Don Ranudo (Greift in die Tasche). Sieh da, Pedro, da hast Du einen Rosenobel, weil Du so brav gesprochen. Aber richtig, da fällt mir ja ein, daß ich nicht so viel Geld bei mir habe; Du behältst den Rosenobel aber gewiß zu Gute und sogar noch mehr als den.

Pedro (bei Seite). Der gnädige Herr hat vermuthlich keine Hosen an, sonst hätte ich ihn gewiß gleich gekriegt.

Don Ranudo. Bekommst Du ihn aber nicht, so sollst Du dafür etwas Besseres bekommen.

Pedro. Und was, gnädiger Herr?

Don Ranudo. Ich werde Sorge tragen, daß, wenn die Historie unseres Hauses geschrieben wird, was nächstens von einem unserer Clienten geschieht, auch Dein Name mit verdienter Auszeichnung darin genannt wird.

Pedro. Alle Wetter, was habe ich nun wol noch für Noth?! Aber seht da, da kommt der Prinz.

Gusman. Ach, wenn ich doch nun Aethiopisch könnte, ich hätte verschiedene Fragen an ihn zu richten. Ich habe mir so mancherlei von diesem Lande erzählen lassen, besonders von dem rothen Meere und dem großen Fluß Seine, der mitten hindurch fließt und voll Goldsand ist.

Don Ranudo. Ei, dummes Zeug, Du Narr, die Seine fließt ja bei Paris in Frankreich.

Gusman. Ich muß den gnädigen Herrn um Verzeihung bitten, ich habe mit diesen meinen eigenen Augen in einer Tragödie diese Woche gelesen: die Scene ist im Mohrenland. Aber hier ist er – ach, gnädiger Herr, der führt seinen Namen mit Recht, schon sein bloßer Anblick wirkt auf mich wie eine Bombe, so daß ich mich kaum auf den Beinen halten kann! Aber schickt sich das wol für den gnädigen Herrn, ihm entgegenzugehen?

Don Ranudo. Vollkommen. Aber allerdings ist es auch der einzige nichtregierende Herr, dem ich die Ehre erweise.

Pedro. Ich muß mir nur die Brille aufsetzen.

Gusman. Und ich ebenfalls. Nun, hoffe ich, wird die gnädige Herrschaft uns Revanche verschaffen an dem Gerichtsdiener, der uns auf so schmähliche Weise ausgeplündert hat. 422

Don Ranudo. Wer würde wol so niedrig sein, jetzt noch an dergleichen zu denken?

Gusman. Inzwischen aber bin ich doch das Wenige los, das ich hatte. Ich werde wahrhaftig Seine äthiopische Durchlaucht ersuchen, den Stadtvogt mitsammt Bürgermeister und Rath aufhängen zu lassen, wenn sie mir meine Sachen nicht wiederschaffen.

Don Ranudo. Du wirst schon für Deine Sachen entschädigt werden, auch ohne den Prinzen.

Gusman. Aber, gnädigster Herr –

Leonora. Ei, halt' den Mund, Gusman, denkst Du etwa, Aethiopien soll wegen Deiner Schuhe und Hosen Spanien den Krieg erklären? Jetzt ist nicht mehr die Zeit, von solchen Lumpereien zu sprechen. Aber was höre ich da für einen Lärm? Sieh da, da kommt wahrhaftig der Prinz in voller Procession!

Vierte Scene.

Der Prinz nebst Gefolge. Notarius. Die Vorigen.

Der Prinz zieht in Procession herein mit seinem ganzen Gefolge, welches aus lauter Mohren besteht. Während der Zug dreimal um die Bühne geht, wird eine wunderliche Musik aufgeführt. Der Zug ist folgendermaßen geordnet: 1) Trägt einer ein Kästchen mit Geschenken. 2) Einer mit einer Tabakspfeife, so lang wie ein Spieß. 3) Der Prinz mit einem Hofnarren, der mit Schellen behängt ist und im Umherlaufen allerhand Gesichter schneidet. 4) Andere mit Armbrüsten und Pfeilen. Endlich hält der Zug still, einer der Bewaffneten tritt vor den Prinzen, schlägt zweimal seinen Kopf gegen den Boden, überreicht dann dem Prinzen eine Armbrust nebst einem Pfeil, den er auf Ranudo abschießt, der darüber erschrickt und fragt, was das bedeuten soll. Darauf antwortet der

Dolmetsch. Das ist so die Art, wie sich in Aethiopien Mannspersonen begrüßen.

(Darauf tritt ein Zweiter vor und schießt einen Pfeil auf Gusman, welcher vor Schreck umfällt und um Hülfe schreit. Der Hofnarr richtet ihn wieder auf und sagt: Gostuki, Gostuko, Gostuka.)

Gusman. Das war beim Henker nichts Honnetes; ein Spitzbubenstreich war das, auf einen unschuldigen Mann zu schießen! 423

Gonzalo (der den Prinzen vorstellt). Laham tuibu, Secomta posi, la ham hubo, la hom haba.

Der Dolmetsch. Der Prinz äußert den Wunsch, daß Euer Wohlgeboren noch so viele Jahre leben mögen, als Meilen zur Sonne und Sandkörner auf dem Grunde des rothen Meeres sind.

Gusman (bei Seite). Die Sprache hat eine ausgezeichnete Kürze, die ist gut im Winter.

Don Ranudo (indem er den Hut lüftet). Ich danke Seiner Durchlaucht für Ihre Wünsche und wünsche Ihr ebenfalls den Segen des Himmels.

Dolmetsch (zum Prinzen). Allola.

Gusman (bei Seite). Das ist eine verwünschte Sprache, mit der läßt sich eine ganze Chronik auf eine Seite schreiben.

Gonzalo. Lacotrang hi li li.

Dolmetsch. Der Prinz sagt, daß er diese weite Reise lediglich deshalb unternommen hat, um sich mit einem hochadligen Hause zu verbinden, das der römischen Religion zugethan ist, und daß er deshalb Dero Tochter, Fräulein Maria, zur Gemahlin begehrt.

Gusman. Alle Wetter, was für eine bequeme Sprache! Wenn hi li li so viel heißt, so können sie ja in eine einzige Zeile eine spanische Litanei bringen, so lang wie die ganze Fastenzeit.

Don Ranudo. Ich nehme mit Vergnügen Seiner Durchlaucht Bewerbung an und übergebe Ihr meine Tochter zur Gemahlin.

Dolmetsch (zum Prinzen). Lalaks.

Gusman. Was mag er wol jetzt mit Lachs wollen?

(Don Ranudo führt seine Tochter vor und übergiebt sie dem Prinzen, bittet auch den Notarius, den Ehecontract aufzusetzen. Der Notarius setzt sich zum Schreiben, unterdessen schleicht sich der Hofnarr zu Gusman und zupft ihn unversehens an den Haaren.)

Gusman. Ach, Herr Dolmetsch, warum zieht der mich an den Haaren? Ich habe ihm ja doch nichts zu leide gethan?

Dolmetsch. Das hat nichts zu sagen, mein Freund, die 424 Hofnarren und Abyssinier sprechen nie anders als durch Zeichen; sprechen sie mit Höherstehenden, so bedienen sie sich derjenigen Art von Geberden, welche Poloki heißt, sprechen sie aber mit ihresgleichen, so bedienen sie sich wieder einer andern Art von Geberden, welche Hokipo heißt. Die Geberden, die er jetzt zu Euch machte, wollten so viel sagen: ich hoffe, wir werden gute Freunde miteinander.

Gusman. Der Henker hole die Freundschaft! Ist das Freundschaft, ehrliche Leute bei den Haaren zu zupfen, was will er denn da für Geberden machen, um seine Feindschaft kund zu geben?

(Der Hofnarr zupft ihn nochmals an den Haaren.)

Au, au, laß mich in Frieden, Du schwarzer Hund!

Dolmetsch. Durch diese letzte Geberde giebt er zu verstehen: wäre ich doch so glücklich, stets in Deiner Nähe zu sein.

Gusman. Das wünsche ich keineswegs, der Teufel mag in seiner Nähe sein; diese Art Leute nennen einen so lange gut Freund, bis man auf dem Platze liegen bleibt, und das heiße ich die Menschen mit Redensarten todt machen.

(Der Narr droht Gusman mit den Fäusten.)

Was Teufel meint er nur, daß er mir mit Fäusten droht?

Dolmetsch. Damit will er sagen, daß er Euch etwas von seiner Reise aus Mohrenland erzählen will.

Gusman. Ei was, Herr Dolmetsch, sagt ihm nur, ich wäre gar nicht neugierig; ehe der zur Hälfte fertig ist, hat er mir sämmtliche Knochen im Leibe zerschlagen. (Der Narr giebt ihm Nasenstüber.) Au, au, au!

Dolmetsch. Das heißt: nun fange ich an, meine Reise zu erzählen.

Gusman. Na, da muß ich nur auch Anstalten machen, Hokipo zu machen.

(Er zieht den Narren ebenfalls bei den Haaren, beide necken sich, bis sie endlich in Ernst zusammen gerathen, so daß sie auseinandergebracht werden müssen. Während dieser Balgerei wenden die übrigen vornehmen Personen sich an den Notarius, der inzwischen den Contract ausgefertigt hat und ihn jetzt zur Unterschrift vorlegt.)

Don Ranudo. Laßt den Prinzen mit meiner Tochter 425 zuerst unterschreiben, nachher unterzeichnen wir andern als Zeugen.

Dolmetsch. Nein, gnädiger Herr, im Mohrenlande sind wir das so gewohnt, daß Braut und Bräutigam zuletzt unterschreiben, und die andern lassen den Raum für ihren Namen offen.

Don Ranudo. Ein jedes Land hat seinen Brauch; so wollen wir zuerst unterzeichnen, da es dort so Mode ist.

(Alle unterschreiben ihren Namen, zuletzt auch Gonzalo als Prinz und Donna Maria. Die ganze Versammlung ruft Vivat, während die Trompeten blasen. Nachdem dies geschehen, wird der Contract vorgelesen.)

Notarius (liest). »Zwischen uns Endesunterzeichneten ist mit Zustimmung unserer Eltern und Anverwandten ein ewiges und unauflösliches Ehebündniß geschlossen worden, und zwar, wiewol dazu natürlicher Weise nichts erfordert wird, als die Uebereinstimmung derjenigen, die ihre Herzen solchergestalt mit reiflicher Ueberlegung zusammengeben, so haben wir doch weder das bürgerliche Gesetz, noch irgend sonstige Rücksichten vernachlässigen wollen, sondern haben vielmehr die Zustimmung unserer Verwandtschaft erlangt, welche gegenwärtigen Ehecontract gleichzeitig mit uns errichtet und unterzeichnet hat.

Gonzalo de las Minas.
Maria de Colibrados
       

Don Ranudo. Wie? das ist Gonzalo de las Minas?!

Gonzalo (nimmt die Maske ab). Ja, allerdings, so heiße ich.

Don Ranudo. Ei, das ist ja ein Betrug, der exemplarisch bestraft werden muß!

Donna Olympia. Dieser Contract muß sofort vernichtet werden!

Notarius. Das geht durchaus nicht an; eine Ehe, welche dem Gesetze gemäß unter allgemeiner Einwilligung der Unterschrift vollzogen ist, kann nicht wieder vernichtet werden.

Donna Olympia. Hier ist ja aber Betrug und Falschheit im Spiele!

Notarius. Davon ist mir nichts bekannt; wir haben nichts gethan, was wir nicht thun durften. 426

Don Ranudo. Diese Ehe ist wegen Ungleichheit des Standes durchaus ungültig.

Notarius. Von solcher Ungleichheit sehen wir nichts, es ist ein Bündniß geschlossen zwischen zwei adligen Familien; ist jedoch eine Ungleichheit vorhanden, so besteht sie darin, daß Gonzalo ein armes Fräulein ohne Mitgift nimmt.

Donna Olympia. Meine Tochter stirbt lieber, ehe sie einen Mann heirathet, der nicht von demselben Stande ist wie sie.

Donna Maria. Ich sterbe lieber, ehe ich mich von einem Herzen reißen lasse, das ich so lange geliebt habe.

Donna Olympia. Wolan, Don Ranudo, so erkennen wir sie nicht mehr als unsere Tochter und enterben sie!

Pedro. Da ist ja aber nichts zu erben, gnädiger Herr, als blos der schwarze Mantel, den Ihr vorhin anhattet.

Donna Olympia. Ah, Du Spitzbube gehörst also, wie ich merke, ebenfalls mit zur Bande? Rasch, Leonora, rufe uns jemand zu Hülfe!

Leonora. Das kann ich nicht thun, gnädige Frau, weil ich ebenfalls mit zur Bande gehöre und der Ueberzeugung lebe, daß die ganze Stadt sich über diese Intrigue freuen wird.

Gusman. Pfui, über diese Leonora, die sie nun doch zusammengekuppelt hat! Ich dachte wahrhaftig nicht anders, als es wäre ein Mohrenprinz.

Donna Olympia. Die Heirath ist nicht allein null und nichtig, sondern Ihr sollt auch für diese Betrügerei exemplarisch bestraft werden.

Gonzalo. Die Heirath hat ihre vollständige Richtigkeit, indem ich nicht nur die Zustimmung der Braut, sondern auch die Unterschrift ihrer Eltern habe.

Don Ranudo. Ich rufe mein sämmtliches Gesinde zu Zeugen, wie es hier zugeht.

Pedro. Ich kann nur bezeugen, daß hier eine Vermählung stattgefunden hat.

Leonora. Und ich kann nur bezeugen, daß das gnädige Fräulein Gonzalo schon seit Langem liebt. 427

Notarius. Kinder stehen allerdings unter Gewalt der Eltern und sind ihnen unbedingten Gehorsam schuldig, so lange die Eltern sich gegen sie betragen, wie es sich gehört und bei völligem Verstande sind; wo dies jedoch nicht der Fall ist, da weiß das spanische Gesetzbuch auch von solcher Gewalt nichts, gemäß dem Artikel: Si furiosus etc.

Don Ranudo. Sind wir etwa unseres Verstandes verlustig gegangen? Fragt meine Tochter und mein Gesinde, ob wir irgend etwas gethan haben, weshalb man uns den Verstand absprechen kann!

Donna Maria. Und doch, theuerste Eltern, vermag ich nicht einzusehen, wie es mit der gesunden Vernunft übereinstimmen soll, lieber mit sammt seinen Kindern zu verhungern, als eine Verbindung eingehen mit einem so ehrenwerthen Herrn wie Gonzalo.

Pedro. Ich bin ebenfalls der Meinung, der gnädige Herr und die gnädige Frau sind nicht richtig im Kopfe.

Leonora. Ich kann ihnen ebenfalls kein besseres Zeugniß ausstellen.

Gusman. Bei Verstand schienen der gnädige Herr und die gnädige Frau mir allerdings zu sein, aber so ein halb Dutzend Schrauben ist, um die Wahrheit zu sagen, doch wol los.

Notarius. Hier hört Ihr das Zeugniß Eurer Dienerschaft, dessen es doch in dieser Angelegenheit gar nicht bedarf; denn zum Ueberfluß kann ich Euch versichern, daß die ganze Stadt derselben Meinung, und daß alles, was geschehen, mit obrigkeitlicher Zustimmung geschehen ist.

Donna Olympia. Ach, theurer Ranudo, laß uns ins Kloster gehen!

Leonora. Und wir wollen hingehen und Hochzeit halten.

Eugenia. Ach, daß ich doch auch erst so weit wäre!


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