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Der zweite Brief

Mein Herr,

obgleich bereits acht Jahre verflossen sind, seitdem wir keine Briefe miteinander gewechselt haben, so kann ich dennoch aus dem mir vor kurzer Zeit eingehändigten Schreiben abnehmen, daß die vorige Freundschaft in einer so langen Zeit noch nicht erloschen sei, und da Sie mir annoch ein geneigtes Andenken gönnen. Sie verlangen von mir, daß ich meine Lebensgeschichte weiter fortsetzen und Ihnen zugleich Nachricht von meinen Schriften erteilen soll, die ich seit der Zeit, da ich meinen ersten Brief an Sie geschrieben, ans Licht treten lassen. Ich schätze es billig für eine Pflicht, diesem Befehl ohne Verzug nachzukommen. Wie ich aufhörte, satirische Schriften herauszugeben, womit ich mich einige Jahre beschäftiget hatte, so nahm ich meine alte und längst angefangene Arbeit wieder zur Hand. Es ward zwar der dänische Schauplatz nicht lange darauf wieder eröffnet, und meine Freunde munterten mich öfters auf, neue Lustspiele aufzusetzen. Ich blieb aber bei meinem Entschlusse und hatte keine Lust, mir neue Verdrießlichkeiten zuzuziehen. Ich sahe also nur bloß die vorigen Lustspiele noch einmal durch und verbesserte solche an verschiedenen Orten. Die neue theatralischen Stücke, welche ich ausgearbeitet hatte, schenkte ich den Komödianten. Endlich suchte ich das Werk völlig zustande zu bringen, woran ich bereits so oft zu arbeiten angefangen und welches eine Beschreibung des geistlichen und weltlichen Zustandes in Dänemark und Norwegen in sich fassen sollte. Wie ich mit dieser Arbeit beschäftiget war, so wurden von einigen ungenannten Verfassern verschiedene Schandschriften gegen die ostindische Handelsgesellschaft ausgestreuet. Die Handlung nach Indien war wegen der damaligen schlechten Zeiten so sehr in Abnahme geraten, daß sie dem Ansehen nach nicht bestehen konnte, wo man nicht bald andre Mittel zu ihrer Erhaltung vorkehrte. Desfalls wandten die Directeurs dieser Handelsgesellschaft alle Mühe an und suchten, diese sinkende Handlung durch einen neuen und nützlichen Anschlag wieder auf festen Fuß zu setzen. Sie suchten, neue Kaufleute von den nächstangrenzenden Nationen zu bewegen, daß sie mit in diese Gesellschaft treten möchten. Weil aber einige die Aufnahme des nordischen Handels mit neidischen Augen ansahen, so gaben sie diese Bemühung für unnütz und vergeblich aus, damit andre möchten abgeschreckt werden, einen Vorschuß an Geld herzugeben. Man ersuchte mich, eine Schutzschrift aufzusetzen und in derselben diese Verleumdungen zu widerlegen. Weil ich aber in Handelssachen nicht sonderlich erfahren war, so suchte ich sehr lange, diesen Antrag von mir abzulehnen. Endlich ließ ich mich durch das beständige Anhalten meiner Freunde überreden und gab eine Schrift in lateinischer Sprache heraus, welche auf Veranstaltung der Directeurs gleich darauf ins Dänische und Deutsche übersetzt ward.

Nicht lange darnach gab ich eine andre Schrift heraus, worin ich diese Sache in eine noch reifere Überlegung zog. Diese Arbeit ward von den Kaufleuten in dieser königlichen Residenzstadt so wohl aufgenommen, daß auch einige den Vorschlag taten, den Verfasser für seine Bemühung reichlich zu belohnen. Wie man aber deswegen auf der Börse ratschlagte, so wandten einige sehr vernünftig ein: Weil ich niemals etwas für Geld geschrieben, so würde es mir weit angenehmer sein, wenn sie mir mündlich ihre Danksagung abstatteten. Und hierin irrten sie sich auch nicht, denn dieses Zeichen der Dankbarkeit war alles, was ich verlangte.

Nun muß ich von dem betrübten Tage reden, an den man nicht ohne Entsetzen gedenken kann, da der größte Teil dieser königlichen Residenzstadt nebst den vornehmsten Kirchen und der ganzen Akademie in die Asche gelegt ward. Gewiß, dieser höchst unglückliche und betrübte Zufall könnte allein zu einer sehr weitläuftigen Ausführung Gelegenheit geben. Das Feuer ging des Abends in der Gegend des sogenannten Westertors zuerst auf und breitete sich gleich auf eine unglaubliche Art aus, teils, weil der Wind sehr stark war und das Feuer aus einer Gasse in die andre trieb, teils, weil die Leute über dieses ungewöhnliche und plötzlich einbrechende Unglück gleich so bestürzt waren, daß sie als ledige und müßige Zuschauer dieses große Elend ansahen. Es sind hier sonst bei einer Feuersbrunst die vortrefflichsten Anstalten vorgekehrt, und obgleich in einem Jahre sehr oft ein Feuer entsteht, so geschieht es dennoch sehr selten, daß ein ganzes Haus in die Asche gelegt wird. So unerwartet demnach dieses Unglück einbrach, desto bestürzter waren die Einwohner und stellten sich die Gefahr weit größer vor, als sie an sich selbst war. Männer, Kinder und Weiber heulten und schrien untereinander, und es fehlte auch nicht an Leuten, welche den Leichtgläubigen einbildeten, daß sich in der Stadt Mordbrenner aufhielten, welche erkauft wären, die Stadt in Brand zu setzen. Auch diejenigen, welche dazu bestellt waren, das Feuer zu dämpfen, waren so bestürzt, daß sie nicht wußten, was sie anfangen sollten. Sie liefen wie die Unsinnigen herum, und der eine fiel dem andern ins Amt. Sie hatten keine Sprützen, keine Brandleitern, keine Brandhaken oder sonst irgendein Werkzeug, wodurch das Feuer kann gedämpft werden. So verwirrt und bestürzt hatte sie dieses unvermutete Elend gemacht.

Inzwischen nahm das Feuer immer stärker überhand. Die öffentlichen Gebäude und die andern Häuser wurden so schnell von dem Feuer in die Asche gelegt, daß man sie nicht für steinerne Gebäude, sondern vielmehr für Strohhütten hätte halten sollen. Je weiter man im Anfange von dem Orte entfernet war, wo das Feuer zuerst aufging, desto größern Schaden litte man. Denn diejenigen, deren Häuser zuerst den Flammen zuteil wurden, retteten annoch größtenteils ihr Gut und Vermögen, indem ihre Freunde gleichsam recht miteinander stritten, ihnen Hülfe zu leisten und ihre Sachen in Sicherheit zu bringen. Da aber hienächst auch diejenigen, welche weit entfernt in der Stadt wohnten, kaum soviel Zeit hatten, ihr eignes Vermögen zu retten, so konnte einer dem andern nicht mehr zu Hülfe kommen. Das Feuer fand keinen Widerstand, und daher nahm es je länger, je stärker zu. Und da die Einwohner die Stadt an verschiedenen Orten zugleich in Brand stehen sahen, so verließen sie dieselbe und glaubten, solche niemals wiederzusehen. Einige flohen aus den Toren, einige begaben sich in Boote und fuhren damit aufs Wasser, weil sie glaubten, daselbst sicherer zu sein als auf dem Lande. Es war recht erbärmlich anzusehen, wie die armen Menschen aus Verwirrung und Schrecken allenthalben herumliefen und die Stadt ohne Rettung ließen.

Wie das Feuer bereits zwei Tage so sehr gewütet hatte, daß beinahe das ganze alte Kopenhagen nebst einem Teile der Neustadt in die Asche gelegt worden, so wurden die Einwohner gleichsam aus einem tiefen Schlafe aufgeweckt, um dasjenige wieder zu ersetzen, was sie versäumt hatten. Es ist unglaublich, mit welcher Hurtigkeit sie nunmehro das äußerste wagten, um den noch übrigen Teil der Stadt zu retten. Kein Stand, kein Alter, kein Geschlecht weigerte sich, auch die allerbeschwerlichste Arbeit zu übernehmen, indem sowohl der König selbst, als auch der Kronprinz, unser itztregierender allergnädigster König, nebst allen hohen Ministern gegenwärtig waren und die Leute zum Retten aufmunterten.

Hier konnte man recht sehen, was die Menschen erdenken können und was so viele Hände und vereinigte Kräfte mit dem Beistand des Höchsten auszurichten vermögend sind. Denn, wo man auch nur itzt dem Feuer Widerstand tat, da ward dasselbe gleich gelöscht. In dieser höchst unglücklichen Feuersbrunst gingen im Rauch auf: die Marienkirche, die Kirche Zum Heiligen Geist, die Trinitatiskirche nebst der darangebauten akademischen Bibliothek, der astronomische Turm mit dem Globo und den übrigen Instrumenten des Tycho Brahe, die Peterskirche, das Rathaus, die Hospitäler, die ganze Akademie nebst den Häusern der Professoren, die Communität, wo hundert arme Studenten gespeiset wurden, vier herrliche Collegia, nämlich die Regenz, das Walkendorfische, das Mediceische und das Elersische und unzählige andre Häuser, welches alles so bekannt ist, daß es überflüssig sein würde, wenn ich weitläuftig davon reden wollte. Das Konsistorium allein, worin die Professores ihre Versammlungen zu halten pflegen, blieb mitten in diesem unaussprechlichen Elend und mitten unter so vielen brennenden Häusern und Gebäuden unbeschädigt. Nun konnte man von dieser berühmten hohen Schule sagen:

Hic seges, ubi Troja fuit. Hie seges ...: Dort, wo Troja gestanden hat, ist jetzt ein Saatfeld. (Ovid, Heroides I, 53)

Wie das Feuer gedämpft war, so empfunden die Einwohner erstlich das Unglück und den Schaden recht, welchen sie erlitten hatten. Diejenigen, welche vor kurzer Zeit sehr reich gewesen waren, mußten nunmehro fast ihr Brot von andern bitten und bereueten, wiewohl zu spät, daß sie vorher so verschwenderisch hausgehalten hatten. Die Mittel waren verschwunden, und es blieb ihnen davon nichts als die Erinnerung übrig, daß sie ehedem reich gewesen waren. Da sahe man diejenigen zu Fuße gehen, welche vor kurzer Zeit gleichsam keine Beine hatten und sich beständig herumfahren ließen. Diejenigen begehrten nun selbst Almosen, welche sonst andern Almosen gereicht hatten. Ich kann dieses indessen zu meinem Ruhme anführen, daß mein Gemüt bei dieser großen Verwirrung und bei diesem außerordentlichen Elend nicht niedergeschlagen gewesen. Denn da ich von meiner Jugend an sehr genau und enthaltsam gelebt, so schlägt mich auch ein jedes Unglück nicht gleich so sehr als andre nieder, welche im Überflusse zu leben gewohnt sind und nur allein zu dem Ende in der Welt sind, daß sie darin essen mögen.

Dieses war mir sehr empfindlich, daß ich aus meiner alten Wohnung und von meinem alten Wirt zu weichen gezwungen worden und daß ich meine Studierstube verlassen mußte, worin ich recht vergnügt und ruhig so viele Jahre unter meinen Büchern und Schriften zugebracht hatte. Ich ward durch den Verlust meiner bequemen Wohnung weit mehr als durch den Verlust meines Vermögens gerührt, weil ich an der Stille und Ruhe mein größtes Vergnügen finde und mein Gemüt niemals besser als bei einer wohleingerichteten Lebensart aufgeräumt ist. Ich hatte alles aufs bequemste nach meinem Sinne eingerichtet. Ich konnte ruhen oder arbeiten, schlafen oder wachen, wie und zu welcher Zeit ich wollte. Ich konnte ernsthafte Dinge vornehmen oder auch an Kleinigkeiten ein Vergnügen finden. Eine jede Beschäftigung hatte ihre gewisse Zeit und Ordnung. Ich bemühete mich einige Tage, in der annoch überbliebenen Stadt eine so bequeme Wohnung wieder anzutreffen, und ich war endlich auch so glücklich, daß ich dieselbe fand, wo ich meine verwirrten Sachen wieder einigermaßen in Ordnung bringen und meine alte Lebensart wieder anfangen konnte.

Unter die größten Unglücksfälle, von denen man einen neuen Zeitlauf in den Geschichten festsetzen kann, ist mit dem größten Rechte die kopenhagensche Feuersbrunst zu rechnen. Zwar, wenn man auf die Größe allein siehet, so wird diese Residenzstadt von vielen andern Städten in Europa übertroffen; wenn man aber auf die Wichtigkeit siehet, so gibt sie sehr wenigen etwas nach, indem hier, wie in einem Mittelpunkte, alles angetroffen wird, was die Zierde und Stärke beider Reiche ausmacht. Bei diesem äußersten Elende der Stadt hatte die ganze Welt Gelegenheit, die hohen und recht königlichen Eigenschaften des höchstseligen Königs und die recht väterliche Huld Sr. Majest. zu bewundern. Auch die spätesten Nachkommen werden es noch mit der tiefsten und ehrerbietigsten Erkenntlichkeit preisen, mit welcher weisen Sorgfalt dieser große Monarch der teuren Zeit, die insgemein darauf zu erfolgen pflegt, vorgebauet, wie S[e]. Majest. den Jammer der Armen durch eine außerordentliche und recht königliche Mildtätigkeit und Großmut gelindert und mit welcher Klugheit dieser huldreichste Landesvater alle fernere Unglücksfälle abgewendet. Und es scheint fast, daß dieses große Unglück eben zu dieser Zeit geschehen sollen, damit der König eine so große Gelegenheit erhalten möchte, von seiner ungeheuchelten Gottesfurcht und recht väterlichen Liebe zu seinen Untertanen solche erhabene und unwidersprechliche Merkmale abzulegen.

Ob man nun gleich das Feuer bereits gelöscht hatte, so verging doch in drei Wochen fast kein Tag, da nicht eine neue Gefahr zu besorgen war. Denn wenn man eilte, dieses Haus, welches von neuem brannte, zu retten, so erhielt man gleich darauf die Nachricht, daß ein anderes in einer andern Gegend der Stadt ebenfalls in vollen Flammen stünde. Daher geriet man auf einen neuen Argwohn und auf neue Prophezeiungen, daß man öfters aus Furcht in einigen Nächten nicht schlafen konnte. Einige konnten sich in diesen ungewöhnlichen Zufall nicht finden und prophezeiten der Stadt ihren gänzlichen Untergang. Einige wurden erbittert und schrien, es müßten Mordbrenner in der Stadt sein, die man aufsuchen und nach Verdienst abstrafen sollte. Ich habe aber bereits lange aus der Erfahrung gelernet, daß ein Unglück insgemein ein andres nach sich zieht und daß aus einer Feuersbrunst insgemein eine andre zu entstehen pflegt. Ich weiß, daß sich dieses in Bergen zweimal zugetragen. Und da die dortigen Einwohner dieses Unglück öfters erfahren, so pflegen sie sich nach einer überstandenen Feuersbrunst gleich wieder auf eine neue gefaßt zu machen.

Wie nun mit der Zeit dieses Unglück gedämpft war und man darauf bedacht sein mußte, die Stadt wieder aufzubauen, so zeigte es sich recht, wie sehr Kopenhagen mit Räten überhäuft war. Hier waren so viele Anschläge als Köpfe, so viele Baumeister als Hände und so viele Rathäuser als Wohnungen. Man hätte denken sollen, daß die ganze Stadt ein Collegium politicum geworden wäre, so groß war die Anzahl der Staatsmänner, welche aus der Asche der Stadt hervorzukommen schienen. Es war kein Schiffer, der nicht von weit mehrern Dingen zu reden wußte als vom Winde, ein jeder Schuster verließ seinen Leisten und erteilte einen guten Rat, wie man die Sache angreifen müßte. Nichts aber erregte so viele Streitigkeiten als die ersten Gelder, welche man auf die Häuser gelegt hatte und wovon fast kein Haus befreiet war. Einige meinten, die vorigen Schulden müßten erlassen werden, andre wollten solche bezahlt haben, und noch andre glaubten, der beste Weg, allen Verdrießlichkeiten ein Ende zu machen, bestünde darin, daß man sich bemühete, einen Vergleich zu treffen. Ich übergehe noch andre Streitigkeiten, wodurch die Gemüter gleichfalls sehr gegeneinander aufgebracht wurden.

Bei einem so allgemeinen Geräusche faßte ich den Entschluß, nicht allein müßig zu sitzen, sondern meine Gedanken von den vornehmsten Streitigkeiten, die damals geführt wurden, etwas genauer und ausführlicher zu entwerfen. Ich habe nachher erfahren, daß der König selbst meine Aufsätze öfters durchgelesen, und es erweckte mir ein überaus großes Vergnügen, daß meine geringen Blätter das Glück hatten, einen so großen Monarchen zu gefallen.

Endlich hörte alle Unruhe völlig auf, die aus einer so großen Veränderung insgemein zu entstehen pflegt. Und ich konnte also auch mein Studieren wieder ruhig fortsetzen. Ich arbeitete hierauf in dem folgenden Winter das Werk völlig aus, worauf ich so lange gedacht hatte. Es trat auch 1729 unter dem Titel: ›Beschreibung der Königreiche Dänemark und Norwegen‹ ans Licht und ward in zwei Jahren dreimal, nämlich zweimal in dänischer und einmal in deutscher Sprache zum Druck befördert.

Hiedurch ward ich zu mehrern und wichtigern Arbeiten aufgemuntert und entschloß mich, die Geschichte des dänischen Volks vom Anfang des Reichs bis auf unsre Zeiten abzufassen. Es war dieses ein überaus schweres Werk, welches andre noch nicht versucht hatten. Denn alle diejenigen, die dem Vaterlande diesen Dienst erweisen wollen, waren durch die mit dieser Arbeit verknüpfte Beschwerlichkeit gleich wieder davon abgeschreckt worden. Da ich aber bereits ehedem allerhand Hindernisse glücklich überwunden und ich mich dadurch um mein Vaterland wohlverdient machen konnte, so ward ich durch die Wichtigkeit des Werks selbst aufgemuntert, einen Versuch zu wagen, ob meine Kräfte dazu hinlänglich sein würden.

Das ganze Werk, welches ich auch glücklich zustande gebracht habe, bestehet aus drei Teilen, von denen der erste, welcher die Geschichte des dänischen Volks vom Anfang des Reichs bis auf Christian den II. in sich faßt, 173a in 4t. 4 Alph. 15 Bogen stark aus der Presse gehoben ward. In diesem ersten Teile habe ich die Quellen, aus denen der berühmte Hvitfeld seine Historie entlehnt, aufs genaueste untersucht und durch deren Hülfe nicht nur verschiedene Irrtümer verbessert, sondern auch dasjenige, was noch hin und wieder fehlte, hinzugetan. Die Handschriften, Bücher und Urkunden, woraus das meiste genommen ist, habe ich in der Vorrede angezeigt, und die große Anzahl der Geschichtschreiber, welche am Rande bemerkt und größtenteils gleichzeitig sind, bezeigen zur Gnüge, was für einen großen Vorrat ich gebraucht habe, diese Geschichte abzufassen.

In dem gleich darauffolgenden Jahre trat der andre Teil ans Licht, welcher 5 Alph. ausmacht. Der halbe Teil desselben ist fast allein mit den Taten Christian des Vierten angefüllet, welche ich größtenteils aus ungedruckten Urkunden und eigenhändigen Briefen dieses großen Königes beschrieben habe, wodurch dieses Werk einen großen Vorzug erhält.

Der dritte Teil, welcher 4 Alph. 10 Bogen beträgt und die Geschichte Friedrich des Dritten allein begreift, kam 1735 mit einem Register über alle drei Teile heraus, und ich fügte demselben anstatt einer Vorrede ein Bedenken über die nordischen Geschichtschreiber bei. Das meiste in diesem Teile ist gleichfalls aus Urkunden, Briefen und andern Handschriften genommen, und ich kann also mit Wahrheit behaupten, daß ich eine neue und bisher unbekannte Geschichte von dem dänischen Volke ans Licht gebracht habe.

Ehe ich dieses wichtige Werk anfing, so sahe ich zur Gnüge ein, daß mir ein großer Vorrat von Urschriften zu diesem Vorhaben nötig sein würde. Ich sparete deswegen keine Mühe, von allen Orten des ganzen Reichs historische Nachrichten aufzutreiben und diejenigen, denen mein Vorhaben kundworden, stritten recht miteinander, mir ihren Vorrat, den sie gesammlet hatten, mitzuteilen.

Wie ich noch hiemit beschäftiget war, so wurden meine Komödien, die teils bereits gedruckt, teils aber noch ungedruckt waren, von neuem herausgegeben. In dieser neuen Ausgabe, welche aus fünf Teilen besteht, sind fünfundzwanzig Lustspiele befindlich. Die letzten, welche niemals aufgeführt worden, führen folgende Namen: ›Rasmusberg‹, ›Die Unsichtbaren‹, ›Der edle Ehrgeiz‹, worin diejenigen lächerlich gemacht werden, die unter dem Deckmantel eines erlaubten Ehrgeizes nach Ehrentiteln ringen, ›Der glückliche Schiffbruch‹ und ›Der panische Schrecken‹. Von dem Inhalte und der Absicht dieser Lustspiele will ich hier nichts beifügen. Sie sind alle philosophisch und moralisch, ob man gleich aus ihrer Aufschrift nichts als lauter Scherz vermuten sollte.

In meinem ersten Briefe habe ich bereits eines kleinen Werks erwähnt, dem ich den Namen einer Einleitung in das Natur- und Völkerrecht beigelegt. Ich habe daselbst auch angeführt, wie schlecht dieses Werk im Anfange aufgenommen worden. Nach Verlauf einiger Jahre aber ward es desto begieriger gesucht, und es wurden nicht nur alle noch übrige Exemplare von der ersten Ausgabe verkauft, sondern es ist auch hiernächst noch zweimal wieder aufgelegt worden. Die dritte Auflage erfolgte 1734 und war vollständiger als die ersten Ausgaben. Ich änderte daselbst auch den Titel und wagte es, dieses Buch nicht mehr eine Einleitung, sondern ein System des Natur- und Völkerrechts zu nennen. Dieser letztern Ausgabe ist auch ein Register beigefügt, welches in den vorigen fehlet.

Diese Arbeiten bezeugen hoffentlich zur Gnüge, daß ich meine Tage nicht müßig zugebracht habe. Wie vorteilhaft aber auch andre von meinem Fleiße urteilen mögen, so werden mich doch diejenigen von dem Müßiggang kaum freisprechen, welche die Gelehrsamkeit von einer andern Seite ansehen und ihren ganzen Ruhm im Reden und Disputieren suchen. Denn da die Dialektik auf einigen hohen Schulen als die vortrefflichste Wissenschaft angesehen wird, so können Sie leicht erachten, mein Herr, daß diejenigen von meinen Arbeiten nur sehr schlecht urteilen werden, welche gewohnt sind, sich Ehrenbogen aus der Niederlage ihrer Opponenten aufzubauen, welche nur von Barocco und Dario reden und welche ihre einzige Ehre darin suchen, daß sie ein halb Dutzend Syllogismos zernichten können. Wenn überhaupt von der Beförderung der Künste und Wissenschaften die Rede ist, so stimme ich mit andern Gelehrten vollkommen überein. Wenn man aber auf die Art und Weise kömmt, wie solche müssen befördert und weiter ausgebreitet werden, so weiche ich oft von ihren Meinungen ab, weil mich dünkt, daß durch die Mittel, welche andre so sehr anpreisen, öfters der Ausbreitung der Wissenschaften die größten Hindernisse in den Weg gelegt werden.

Sie verlangen in Ihrem letzten Schreiben eine Nachricht von meinem gegenwärtigen Zustande und von den Arbeiten zu erhalten, mit welchen ich mich itzt beschäftige. Und es ist billig, daß ich auch in diesem Stücke ihrem Befehl Gehorsam leiste: Ich beobachte annoch meine alte Lebensart, und obgleich meine Umstände sich soweit gebessert haben, daß ich mehr aufwenden könnte, so weiche ich doch von meiner alten und einmal erwählten Lebensart nicht im geringsten ab. Wenn sie desfalls nach so vielen Jahren wieder hieherkommen sollten, so würden Sie bei mir alles nach der alten und Ihnen längst bekannten Einrichtung antreffen. Ich bin annoch ganz unverändert, außer daß sich das Alter durch verschiedene Spuren in meinem Gesichte deutlicher zeigt und daß meine Stirn runzlichter geworden. Sie würden sehen, daß ich noch zu Fuße, ohne einen Bedienten oder eine Leibwache durch die Stadt gehe und daß ich noch öfters von den Karossen besprützt werde, worin diejenigen fahren, die mir vorher am Stande gleich gewesen, nun aber große und vornehme Herren sind. Denn die Begierde nach Rang und Titeln, welche Sie so sehr haßten, da Sie sich annoch hier in der Stadt aufhielten, ist nun so unmäßig und allgemein, daß man fast ehe eine Person vom Range als einen Menschen finden kann. Aber ich will dieses übergehen und nur von mir selbst reden. Einige glauben, daß meine genaue und enthaltsame Lebensart vom Geiz herrühre. Damit ich aber diese Beschuldigung von mir ablehnen möge, so gebe ich den Armen jährlich so viel, als ich sonst zur Unterhaltung eines müßigen Fußgängers oder Lakain anwenden müßte. Ich habe schöne und nette Zimmer, ich kleide mich sauber, ich kaufe öfters neue Bücher und, damit ich mich endlich von allem Verdachte befreien möge, so habe ich mein ganzes Vermögen dem Nutzen des gemeinen Wesens gewidmet. Der erste Entwurf der Stiftung zu diesem Endzweck ist bereits von mir abgefaßt. Ich habe ihn einigen, deren Rat ich in allen Stücken zu folgen pflegte, zur Untersuchung vorgelegt, und diese versprechen dem Publico daher sehr viel Gutes.

Ich studiere noch, soviel es meine schwachen Kräfte erlauben. Ich schreibe, lese und denke, soviel in einer Stadt geschehen kann, welche sehr fruchtbar an solchen Dingen ist, die jemand von dem Fleiße im Studieren abhalten können. Und worüber sich manche vielleicht am meisten wundern werden, so lebe ich bei diesem großen Geräusche für mich allein und in der größten Einsamkeit. Zwo oder drei Stunden wende ich allein des Nachmittags zu meiner Aufmunterung an und gehe entweder spazieren oder besuche auch gute Freunde. Die übrige Zeit des Tages widme ich teils der Arbeit, teils der Musik. Hierin besteht mein einziges und größtes Vergnügen.

Zum Nutzen der Jugend habe ich vor kurzer Zeit eine Einleitung in die Geschichte und Geographie herausgegeben, welche sowohl in den Schulen in beiden Reichen als auch auf der Akademie der Jugend erklärt wird. Wenn man diese Schrift meinen andern Schriften beifügt, so ist das Verzeichnis derselben gewiß recht ansehnlich.


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