Ludvig Holberg
Der elfte Juni
Ludvig Holberg

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Vierter Akt.

Erste Scene.

Ochsendorf allein.

Ochsendorf. Ha ha ha, das dacht' ich wol, daß das so kommen würde; mein Schwager ist ganz eifersüchtig. Und allerdings, wär' er nicht mein Schwager, ich macht' ihn zum Hahnrei. Es ist eins der niedlichsten und angenehmsten Weiber, die ich je gesehen habe. Auch merk' ich schon, sie ist zahm genug, so daß es mich nicht viel Mühe kosten würde. Sie läßt mich nicht aus den Augen, und wie sie mich zum ersten Mal sah, seufzte sie, als ob ihr die Seele aus dem Leibe führe. Ich bin auch kein Klotz und habe meine Empfindungen wie die Andern, ja ich muß sagen, wenn . . . . . Aber da ist mein Vetter Niels Christensen, ich muß doch hören, ob er noch nichts von der Geschichte gemerkt hat.

Zweite Scene.

Ochsendorf. Heinrich.

Ochsendorf. Serviteur, mon frère, wo kommst Du her?

Heinrich. Ich komme von unserer Schwägerin; Du hast Glück, Monfrere.

Ochsendorf. Wie so?

Heinrich. Du hast Glück.

Ochsendorf. Worin besteht das Glück? 229

Heinrich. Die Madame ist ganz verliebt in Dich.

Ochsendorf. Hast Du es auch gemerkt?

Heinrich. Nicht nur gemerkt hab' ich's, sondern auch gehört, und zwar aus ihrem eigenen Munde.

Ochsendorf. Du magst den Teufel?!

Heinrich. Es fiel mir gleich Anfangs auf, wie sie sich benahm; ich konnte doch unmöglich denken, daß solch ehrbares Weib sich verlieben könne. Als ich aber vorhin an ihrer Kammer vorbeiging, hört' ich ein Seufzen und Heulen, daß es einen Stein hätte erbarmen mögen. Ich ging etwas näher und da hört' ich denn, daß es meine Schwägerin war, und daß sie Monfrere's Namen wiederholte wol mehr als zehnmal. Ach mein allertheuerster Ochsendorf, sagte sie, daß doch dein Herz sich zu mir neigte, wie meins zu dir! Ach unselige Stunde, da ich dich zum ersten Mal erblickte! Und so in der Art weiter! Ich war ganz bestürzt darüber: denn ich kann Monfrere zuschwören, ich kenne sie nun in die acht Jahre und habe nie bemerkt, daß sie in die geringste Anfechtung verfallen wäre, obschon sie viele Anbeter gehabt hat. Aber Monfrere hat nun mal solchen glücklichen Stern, und ich selbst muß sagen, wär' ich ein Frauenzimmer, verliebte ich mich ebenfalls in Dich bis über die Ohren. Denn Du hast nicht nur ein schönes Aeußere, sondern auch ausgezeichnete angenehme Manieren, so daß es schwer hält, einem solchen Manne zu widerstehen.

Ochsendorf. Ich kann das nicht leugnen, Monfrere, daß ich schon manches Frauenzimmer in Versuchung geführt habe . . . Aber was will das Mädchen hier?

Ein Mädchen. Hier ist ein Brief von Jemand, den soll ich an Monsieur bestellen und soll auf Antwort warten. (Giebt ihm heimlich einen Brief.)

Ochsendorf (liest den Brief laut). »Monsieur! Nie hätte ich mir eingebildet, daß ein Mensch in der Welt im Stande wäre, mein Herz dermaßen in Unruhe zu versetzen, daß ich die Modestie verletzen sollte, welche bis dahin meine Haupttugend gewesen, und meine Liebe einem fremden Manne anbieten. Aber ach, trotze Niemand auf seine Tugend! Ich glaubte bisher auch 230 vollkommner zu sein als andere Menschen; aber Monsieurs Gestalt und angenehme Manieren haben meine Ehrbarkeit erschüttert und ein solches Feuer in meinem Herzen entzündet, daß dasselbe in kurzer Zeit verzehrt sein wird, wenn Monsieur nicht mit einer geneigten Antwort beruhigt, die ich verbleibe &c. Abelone Jacob Petersens. Postscript. Ich bitte den Brief doch ja gleich zu zerreißen.«

Heinrich. Element, ist's also richtig, wie ich sagte? Was willst Du nun antworten?

Ochsendorf. Ich kann nicht antworten, Monfrere, ich zittere an allen Gliedern.

Heinrich. Ja so, bist Du schon so angeschossen?

Ochsendorf. Will Monfrere nicht statt meiner antworten? Ich schreibe zwar einen Brief so gut wie Einer, in diesem Augenblick aber kocht mir das Blut dermaßen, daß ich nicht im Stande bin zu antworten. Schreib' ihr, mein Herzensmonfrere, daß ich noch zehnmal verliebter in sie bin . . . . Aber wahrhaftig, da kommt der Herr Schwager in Person, laß uns auf unsere Kammer hinaufgehen und den Brief schreiben. (Reißt den Brief in Stücke.)

Dritte Scene.

Jacob allein.

Jacob. Alles geht wie bestellt. Eine von den Mamsellen ist meine Frau und spielt ihre Rolle, daß es eine Lust ist zu sehen. Er ist verliebt und will mich zum Hahnrei machen, während ich doch gar nicht verheirathet bin, und ich bin eifersüchtig auf meine Frau, obschon ich gar keine habe. Heinrich läßt sich vortrefflich an, recht wie ein alter durchtriebener Schelm. Kurz, hier wird eine Komödie gespielt, die, wenn uns Niemand stört, ganz allerliebst werden kann. Da ist Heinrich. 231

Vierte Scene.

Jacob. Heinrich.

Heinrich. Nun, wie geht's, Schwager? Ist's wahr, bist Du wirklich so eifersüchtig?

Jacob. Krieg' Du den Teufel mit Deiner Schwägerschaft und Vetterschaft! Aber, Heinrich, ich fürchte, wenn die Historie einmal herauskommt, so geht's uns schlecht.

Heinrich. Die kann gar nicht herauskommen, außer wir verrathen uns selbst. Uebrigens wenn sie auch herauskommt, was hat es zu sagen? Ich bringe mich wol durch, und Dir kann doch auch nicht mehr passiren, als daß Du gehängt wirst. Na, und das ist wol ein rechtes Unglück, als ob es Dir nicht einerlei wäre, Du wirst heut gehängt oder morgen.

Jacob. Wenn es einerlei ist, ob man heut gehängt wird oder morgen, so hoff' ich, Du wirst aus alter Freundschaft Dich statt meiner hängen lassen.

Heinrich. Nein, Jacob, ich möchte Dich gern überleben, um Dir die Grabschrift zu setzen, und die sollte so lauten: Hier hängt Jacob Christophersen, weiland wohlverdienter Wirth im Paradiese, seines Alters vierzig Jahre. Fragst Du, wie es zugeht, daß er nicht schon vor zwanzig Jahren gehängt ist, so wisse, daß der Teufel seinen Leuten Zeit läßt. Dieses hat dem Verstorbenen zu Ehren errichtet sein tiefbetrübter nachgelassener Freund Heinrich Larsen, fecit.

Jacob. Nun, nun, Heinrich, nur nicht gar zu grob.

Heinrich. Ei, Jacob, ich weiß ja, daß Du Spaß verstehst.

Jacob. Alles mit Maßen.

Heinrich. Wärst Du nicht mein guter Freund, so würd' ich nicht so mit Dir spaßen.

Jacob. Spaß versteh' ich schon, aber meinem ehrlichen Namen und Ruf muß Keiner zu nahe treten.

Heinrich. Freilich wol, die Wirthe im Paradies waren 232 von jeher vortreffliche Leute. Aber weißt Du auch, Jacob, was der Dummkopf jetzt treibt?

Jacob. Nein.

Heinrich. Er schreibt eine höchst bewegliche Antwort auf der Mamsell ihren verliebten Brief.

Jacob. Ha ha ha, da kommt sie selbst.

Fünfte Scene.

Lucretia. Heinrich. Jacob.

Lucretia. Eben hab' ich einen Brief gekriegt, der ist Gold werth; nun ist das Spiel gewonnen.

Jacob. Was antwortet er?

Lucretia. Ei, das sind nichts als Engel vorn und hinten.

Jacob. Nu, spiele Deine Rolle nur brav weiter.

Lucretia. Possen, als ob ich nicht vom Handwerk wäre. Aber sieh, da kommt er.

Sechste Scene.

Ochsendorf. Heinrich. Jacob. Lucretia.

Ochsendorf. Serviteur, Schwager. Nun bin ich seelenvergnügt, ich habe mein Kapital einem unzuverlässigen Manne aus den Händen genommen und bei einem Andern untergebracht, bei dem mir meine Zinsen auf Tag und Stunde sicher sind.

Jacob. Wer ist der Mann, Schwager?

Ochsendorf. Das ist Lars Andersen.

Jacob. Ja, der ist freilich gut, ich wollte nur, ich hätte eine Tonne Goldes bei ihm stehen.

Ochsendorf. Er hat mir eine Hypothek dafür gegeben auf sein großes Haus am Markt, und das alles dank' ich meinem Vetter Niels Christensen; solchen Vetter giebt's nicht wieder.

Heinrich (den Wirth bei Seite ziehend). Hört, Schwager, Ihr 233 könnt Euch nicht vorstellen, was dem Ochsendorf seine Eltern für brave Leute sind. Und was für einen Namen sie sich gemacht haben. Das sind jetzt zwanzig Jahre her, da hatten sie nichts zu beißen noch zu brechen und waren verachtet bei allen Nachbarn, jetzt dagegen haben sie es durch ihren Fleiß und ihre Schlauheit so weit gebracht, daß ihre Nachbarn sammt und sonders Bettler sind und daß sie alles Geld allein haben. (Während sie mit einander sprechen, steht Ochsendorf und flüstert mit der Mamsell; Jacob sieht sich um und stellt sich bös darüber. Heinrich dreht ihm den Kopf wieder zu sich hin und fährt in seiner Erzählung fort:) Wie Henning Ochsendorf zuerst in die Höhe kam, Schwager, das war so: er kaufte sich von Zeit zu Zeit eine Menge Processe und wie er den ersten gewonnen hatte, da hatte er Geld in Händen, um die andern ebenfalls zu gewinnen. (Ochsendorf küßt der Mamsell die Hände; Jacob sieht sich um, wird bös und stampft vor Zorn auf die Erde. Heinrich dreht ihn wieder um.) Ich sage das nicht aus Parteilichkeit, Schwager; denn das Zeugniß müßt' ich ihnen geben und wenn sie gar nicht mit mir verwandt wären. Summa Summarum: er gewinnt einen Proceß nach dem andern, so unsicher sie waren, und davon bekamen die Leute vor ihm solchen Respect und solche Hochachtung, daß sie, wenn ihre Sache auch noch so gut war, ihre Ansprüche doch lieber gegen eine Kleinigkeit fallen ließen, ehe sie mit Ochsendorf vor Gericht gingen. Was dünkt Euch, Schwager, ist das nicht alles Mögliche von einem unstudirten Manne? (Jacob läuft hin und stellt sich, als ob er die Mamsell heimlich auszankte. Heinrich zieht ihn wieder zurück.) Summa Summarum, Schwager: wie er ein Mann von zehntausend Thalern geworden war, legte er sich auf die Handlung. Aber denkt Ihr, daß er sich darauf einließ, Schiffsparte zu kaufen, oder fremde Waaren kommen zu lassen, um sie wieder umzusetzen, oder Wechselhandel zu treiben oder irgend etwas Anderes, wobei ein Risico ist? Ja richtig, dazu war Henning Ochsendorf zu klug. (Jacob stellt sich, als ob er wieder hin will; Heinrich hält ihn zurück.) Summa Summarum: er ging den sichern Weg, Schwager, er ließ sich nur auf solche Geschäfte ein, wobei Gewinn war und kein Risico. Keinen Schilling lieh er aus ohne Unterpfand und auch das noch mit der Bedingung, daß, 234 wenn das Pfand nicht pünktlich zum Termin eingelöst wurde, so war es ihm verfallen. So wurde sein Haus angesehen und wird noch heutigen Tags angesehen als eine Bank für arme Leute, welche in Noth sind und kein Geld kriegen können außer gegen Pfand. (Jacob wird wieder unruhig und Ochsendorf lacht, daß er sich den Bauch hält.) Summa Summarum, allerwerthester Schwager: er hielt jährlich einmal Auction über diese Pfänder und das Allerergötzlichste dabei war, daß mitunter dieselben Leute, denen das Pfand gehörte, es um das Doppelte zurückkauften, wofür sie es versetzt hatten.

Jacob. Ist der Schnack noch nicht bald zu Ende?

Heinrich. Summa Summarum: es wäre zu wünschen, daß Andere Ochsendorfs Beispiel nachfolgten und eben solchen vorsichtigen Handel trieben, so würde es mit manchem besser stehen, als es thut.

(Lucretia geht ab, indem sie Ochsendorf zuwinkt.)

Siebente Scene.

Jacob. Ochsendorf. Heinrich.

Jacob. Was war denn das für ein Geflüster, Schwager, mit meiner Frau?

Ochsendorf. Ei nichts, sie fragte mich blos nach meinen Eltern; der Herr Schwager wird mir doch nicht zutrauen, ich könnte was anders mit ihr reden, als was Jeder hören kann?

Jacob. Nein doch, ich denke in der That zu gut von meiner Frau, als daß ich sie im Verdacht hätte.

Heinrich. Und für meinen Vetter Ochsendorf sag' ich gut.

Ochsendorf. Ich will mich nicht selbst rühmen, aber besondere Springhengste sind die Ochsendorfs nie gewesen.

Heinrich. Nein gewiß, das kann Jeder hören, Monfrere. Ich habe nie solche Leute gekannt wie in Deiner Familie, die gehen alle, so viel ich ihrer kenne, mit den Frauenzimmern ebenso um wie mit den Mannsleuten. Ich weiß aber noch nicht, ob das just eine Tugend ist, so sehr kaltsinnig zu sein. 235

Jacob. Ei gewiß, Schwager, ist das eine Tugend, und zwar eine von den größten Tugenden; Ihr dürft jungen Leuten ja nichts Anderes vorpredigen.

Heinrich. Ihr habt Recht, Schwager, vor jungen Leuten darf man nicht anders reden, aber immer ausgenommen Monfrere Ochsendorf. Denn wenn man dem auch ein ganzes Jahr vorpredigen wollte, man brächt' ihn doch nicht dazu, verliebt zu werden; wären alle junge Menschen von Natur so, da brauchte kein ehrlicher Mann sich um seine Frau zu ängstigen. Wo ein Mensch mal von Natur gut ist, Schwager, da ist er auch durch nichts zu verführen, und ebenso, wo die Natur schlecht ist, da hilft auch keine Ermahnung zum Guten.

Ochsendorf. Es gilt darüber ein gewisses lateinisches Sprüchwort, das kannst Du uns sagen, Monfrere, da Du ja studirt hast? Ich hab' es wol zehnmal gehört, es ist ein ganz bekannter Spruch.

Heinrich. Das heißt auf Latein, Monfrere: Gaudeamus igitur, post molestam sumus.

Ochsendorf. Nein, so, dächt' ich, hieße es nicht.

Heinrich. Ja, Monfrere, das Latein ist eine außerordentlich reiche Sprache, man kann darin ein und dieselbe Sache auf vielerlei Manieren sagen: so kann man das auch auf eine andere Manier geben, zum Beispiel: parva scintilulla habet contemtula nos habebit humus.

Ochsendorf. Entschuldigt mich, ich muß auf meine Kammer und einen Brief mit der Post schreiben. (Ab.)

Achte Scene.

Heinrich. Jacob.

Heinrich. Hol' Dich der Henker mit Deinem Latein, das war eine schöne Angst, die er mir damit gemacht hat!

Jacob. Ha ha ha! Aber wozu brauchen wir denn alle diese Umschweife? 236

Heinrich. Die sind sehr nöthig, Jacob: denn je eifersüchtiger Du Dich stellst, je verliebter wird er. Weißt Du, was Du nun zu thun hast? Sobald Du sie auf Ochsendorfs Kammer husten hörst, so ist dies das Signal, daß Du mit zwei Zeugen hereinbrichst, und da wollen wir ihn dann in eine Angst versetzen, wie er sie noch in seinem Leben nicht gehabt haben soll. Laß uns nur rasch gehen. 237


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