Ludvig Holberg
Der elfte Juni
Ludvig Holberg

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Erster Akt.

Erste Scene.

Drei Gutsbesitzer treten auf, einer nach dem andern, mit ihren Peitschen klatschend.

Erster Gutsbesitzer. Na, da sollt Ihr schön Dank haben, Herr Visitator, daß Ihr mir nicht auch noch in die Hosentaschen gefühlt habt! Das sind ja eigene Kerle hier, die gehen ja mit den Menschen um wie mit dem Vieh. Wär' ich in die Stadt gekommen, um mich zu verheirathen, so möchte es noch angehen, da könnt' ich denken, sie hätten sich versehen und mich für ein Thier mit Hörnern gehalten. Sieh da, da kommen meine Reisekameraden.

Der zweite Gutsbesitzer. Element, wie hat mich die verdammte Kutsche zugerichtet, die da vorbeifuhr! Man sollte denken, hier wohnten nichts als reiche Leute in der Stadt. Denn gehst Du auf die Straße, so kannst Du kaum fortkommen vor Pferden, Wagen und buntscheckigen Lakaien; kommst Du auf die Börse, so ist es ebenso. Willst Du aber Deine Zinsen haben, da heißt es: Mosjö, Er muß Geduld haben, das Geld ist nie so knapp gewesen wie dieses Jahr. Damit ruft und pfeift man nach Lakaien oder Läufern, sie sollen schnell da und da hinspringen und Geld holen. Die Lakaien thun, als ob sie darnach gingen, in Wahrheit aber bleiben sie in der Küche (denn so find sie abgerichtet) und kommen dann nachher herein mit dem Bescheid, morgen oder übermorgen könne der Herr so viel Geld kriegen, als er Lust habe, und übrigens lasse der Wechsler sich dem Herrn und der Madame bestens empfehlen. Vor diesem hieß der größte Kaufmann 194 schlechtweg Hans Jansen, Peter Petersen und seine Frau Anne Peters oder Else Christophers; aber da bekam man auch seine Zinsen richtig ausgezahlt, den zwölften oder dreizehnten Juni. Seit sie aber große Herrschaften geworden sind und in Kutschen fahren und sich Zunamen gemacht haben mit einem Von vorne dran und haben einen ganzen Haufen Kohlraupen hinter sich oder gestreifte Lakaien und Haarbeutel an den Perücken, seitdem ist der vierundzwanzigste Juni noch ein guter Zahltag. Ja, wenn das so zunimmt, so ist in zehn Jahren der vierundzwanzigste Juli ein guter Zahltag, nachher der vierundzwanzigste August, und zuletzt wird es dahin kommen, daß wir mit leeren Händen wieder fortreisen und es für eine prompte Bezahlung rechnen, wenn sie versprechen, den elften Juni nächsten Jahres zu bezahlen. Wenn es hier so viel Geldbeutel gäbe wie Haarbeutel, so wäre das eine reichere Stadt als Amsterdam oder London. Aber das ist das Unglück: sie haben die Beutel hinten hängen und nichts darin.

Erster Gutsbesitzer. Das ist ganz so, wie Du sagst, Brüderchen. Diese Leute sind wie ein Schaum, der sieht auch aus, als wäre er was, aber faßt man das Ding genauer an, da wird es zu nichts.

Dritter Gutsbesitzer. Ich bin nun dreimal auf der Börse gewesen, jedesmal in der Hoffnung, Geld zu kriegen; aber ich habe nichts gekriegt, als zerrissene Strümpfe, so haben sie mit ihren Degen und LichtspießenMit dem Degen an der Seite zu gehen, war damals allgemeine Sitte, nicht blos bei Edelleuten, sondern auch bei Bürgerlichen; die gewöhnlichen Patentdegen, deren die letzteren sich dabei bedienten, waren sehr leicht und dünn, daher dieser Vergleich mit einem »Lichtspieß«, wofür wir heutzutage, wo auch die »Lichtspieße« aus der Mode gekommen sind, wol eher sagen würden »Bratspieß«. – Die gleich darauf folgende Bemerkung über die Stiefel betreffend, muß man festhalten, daß Schuhe und Strümpfe damals in Kopenhagen (wie anderwärts) die allgemein übliche Tracht waren, Stiefel aber nur bei schlechtem Wetter, auf Reisen und bei ähnlichen Gelegenheiten getragen wurden. A.d.Ü. mich in die Beine gestochen. Ein andermal werde ich mich vorsehen und Stiefel anziehen, wiewol das schlecht aussieht im Junimonat. Ich glaube wahrhaftig, ich mache noch einen Vorschlag: nämlich alle die unnützen Degen in die Münze zu schicken und Federmesser daraus zu schlagen. Das ist ja wahrhaftig keine Börse mehr, sondern ein Assemblix oder Fechtboden. Die Kaufleute in England oder Holland sollten sich einmal so aufführen und mit dem Degen an der Seite auf die Börse kommen, ei ja! Ihr kennt doch den Adrian van Enkhuysen, der alle Jahre selbst kommt und Ochsen bei mir einkauft, das ist ein Mann von etlichen Tonnen Goldes und geht doch gekleidet, nicht anders, als ein gemeiner Schiffer. 195

Erster Gutsbesitzer. Apropos, Brüderchen, habt Ihr einen guten Handel gemacht mit Euren Ochsen?

Zweiter Gutsbesitzer. Gott beßre es mit dem Handel, den wir machen. Der Teufel ist in den Holländer gefahren, er fängt an, sich die Ochsen auszusuchen; alle Tage wird er klüger. Ich glaube wirklich, der Adrian van Enkhuysen ist einer von den gelehrtesten Ochsenhändlern in ganz Holland; kein Ambassadeur kann größere Intriguen anwenden bei einem Friedenstractat, als er gebraucht, um einen Ochsencontract zu schließen. Wenn er bei mir aufs Gut kommt, um Ochsen zu kaufen, stellt er sich, als wollte er eigentlich ganz wo anders hinreisen und käme nur blos so ein bischen mit vor bei mir. Wenn ich ihn dann frage: Sullen vü niet koepslagen mit malkander, Mynheer Adrian? so antwortet er: icken veet dat niet, dat is geen Kans langer hier to vaeren, Mynherr Proprietaris, dat is geen Stuyver meer op die Ossenhandel to verdienen: so daß ich ihm erst ein Paar Krüge Doppelbier in den Leib pumpen muß, ehe ich ihn dazu kriegen kann, sich zu äußern. Aber ein Jahr hab' ich ihn doch brav barbirt: ich goß ihm Branntwein ins Bier, da wurde er so weichherzig wie ein Kätzchen und sagte: het sall op an Daeler of tien niet aenkommen, Vader! Aber dafür hat er letztes Jahr mich wieder barbirt, da wies er mir einen falschen Brief wie vom Pächter Niels, der sollte ihm Ochsen angeboten haben für billiges Geld, so daß ich mich beeilte, mit ihm abzuschließen, und dabei schwor er auf seine Holländerseligkeit, daß er mir mehr gäbe, als er jedem Andern geben würde. Ein andermal indeß werde ich mich hüten, ihm wieder zu glauben, wenn er noch so viel schwört. Denn dem Pastor sein Sohn, der in der Fremde gewesen ist, der hat mir erzählt, daß es in Holland Leute giebt, die schwören darauf, der Satan solle sie holen, daß es keinen Teufel giebtMan erinnere sich sowol an die zahlreichen religiösen Secten, die im damaligen Holland bestanden, als auch an die Freistatt, die es schon damals den Anfängen der französischen Aufklärung bot. A.d.Ü.. 196

Zweite Scene.

Schuldenborg in gallonirten Kleidern. Heinrich in stattlicher Livree. Die drei Gutsbesitzer.

Schuldenborg. Serviteur, Messieurs. Ich bedaure vielmals, daß Ihr glücklich in die Stadt angekommen seid; die angenehmste Zeitung, die ich hören kann, ist, wenn so um den elften Juni herum Leute auf dem Wege von Kallundborg nach Aarhus ertrinken.Auf diesem Wege, den Holberg durch seinen Peter Paars unsterblich gemacht hat, pflegte damals die Ueberfahrt von Jütland (Aarhus) nach Kallundborg (Seeland) und umgekehrt gemacht zu werden. Der seltsame Rath, den Schuldenborg den jütländischen Pächtern einige Zeilen weiter ertheilt, nämlich um die Schabe (»Skagen«) herum zu fahren, würde darin bestanden haben, daß die Reisenden sich auf der westlichen, also der von Seeland abliegenden Seite eingeschifft hätten, durch das Skagerrak am Kap Skagenshorn vorbei, durch das Kattegat in den Sund gefahren und so erst nach Kopenhagen gelangt wären; eine Route, auf der die Entfernung etwa verzehnfacht worden wäre. In demselben Maße wäre aber natürlich auch die Gefahr gewachsen, und das eben ist es, was Schuldenborg wünscht, in dessen Augen diese jütischen Pächter, die zum 11. Juni nach Kopenhagen kommen, Gelder zu kündigen und Schulden einzutreiben, höchst überflüssige Leute sind, die am besten auf Meeresgrund gebettet würden. A.d.Ü.

Erster Gutsbesitzer. Was? Ist das christlich gesprochen? Aber mit Erlaubniß, wer Spaß ausgiebt, muß Spaß einnehmen: Mosjö ist gewiß kein besonders accurater Zahler, daß Ihm so bange ist vor dem elften Juni?

Die Uebrigen (lachend). Ha, ha, ha! Kommst Du mir so, komm' ich Dir so!

Schuldenborg. Das ist ganz so, wie Ihr sagt: ich weiß wirklich nicht, wie ich mich retten soll vor diesem elften Juni.

Zweiter Gutsbesitzer. Das ist eine schlimme Geschichte, da wird Mosjö in dieser Zeit wol wenig ruhige Nächte haben?

Schuldenborg. Ei warum nicht gar, ganz ruhige; ich habe ja auf nichts zu denken, ich habe beschlossen, nichts zu bezahlen, nämlich, weil ich nichts habe. Wie dagegen meine Creditoren schlafen können aus Angst wegen der Bezahlung, das weiß ich freilich nicht. Uebrigens wie steht es denn heuer mit dem Ochsenhandel in Jütland? Aber apropos, da wir doch von Ochsen sprechen, ist's richtig, daß Henning Nielsen diesmal hier erwartet wird? Ihr kennt ihn doch?

Erster Gutsbesitzer. Nu, ob wir ihn kennen, das ist ein reicher Pächter, er wohnt gar nicht weit von uns. Aber selbst kommt er dies Jahr nicht, sondern er schickt seinen ältesten Sohn nach Kopenhagen, Niels Ochsendorf, das ist noch ein junger Mensch, aber just so gerieben wie der Alte; er spart gräulich viel Geld zusammen, ich glaube, er wird noch mal ein zweiter Midas.

Schuldenborg. Das glaub' ich auch, wenigstens die Ohren, hör' ich, hat er schon. Aber sollten bei dem Sturm, den wir 197 gestern hatten, keine Fahrzeuge von Aarhus zu Schaden gekommen sein?

Zweiter Gutsbesitzer. Nein, auf diesem Wasser hört man nicht viel von Schaden.

Schuldenborg. Das ist eben das Unglück; warum fahrt Ihr aber auch nicht lieber gleich zu Wasser um die Schabe herum, durchs Cattegat, so spartet Ihr ja eine Menge Geld dabei?

Der Gutsbesitzer. Freilich wol, aber wir könnten auch verunglücken auf dem Wege.

Schuldenborg. Was will das sagen, einmal müßt Ihr ja doch sterben.

Der Gutsbesitzer. Nein, auf dem Wasser umkommen, das paßt uns nicht; Mosjö kann solche Reisen besser machen als wir, für ihn ist das nicht so gefährlich.

Schuldenborg. Wie so?

Der Gutsbesitzer. Ei nun, weil es im Sprüchwort heißt: Was hängen soll, ertrinkt nicht.

(Die Andern lachen wieder.)

Schuldenborg.. Aber, Messieurs, vom Spaße auf den Ernst zu kommen: ist das gewiß, daß Niels Ochsendorf so bald kommt?

Der Gutsbesitzer. Ja, er kommt, glaub' ich, heute oder morgen.

Schuldenborg. Aber ist er so gerieben, wie Ihr sagt?

Der Gutsbesitzer. Ja gewiß, sonst hätt' ihn sein Vater nicht allein hergeschickt, zumal er noch nie in Kopenhagen gewesen ist.

Schuldenborg. Ich will den Messieurs ein gutes Logement recommandiren.

Der Gutsbesitzer. Nein, wir danken Ihnen, mein Herr, wir haben unser Quartier ein für allemal in der WeinkanneDie verschiedenen Kopenhagener Wirthshäuser, die in diesem Stücke genannt werden, wie die Weinkanne, die Drei Hirsche &c., bestehen daselbst zum größten Theil noch heute. Ebenso Hungershof oder, wie er im Dänischen heißt: »Knap Naering«. Das Paradies, in welchem ein Theil unserer Komödie spielt, war zu Holbergs Zeit ein übel berüchtigtes öffentliches Haus. Der Holländerberg ist der heutige Königs-Neumarkt, der Hauptplatz von Kopenhagen; die Kallebörne heißt jetzt Am Friedrichsholmer Kanal. A.d.Ü., da geben wir zwei Schillinge die Nacht.

Schuldenborg. Pfui, schickt sich das für so reiche Leute, für zwei Schillinge täglich zu logiren?

Der Gutsbesitzer. Ebendeswegen haben wir auch was, gutes Herrchen. Angenommen übrigens, wir liegen einen ganzen Monat in der Stadt, so beläuft sich doch schon das Logement allein auf einen Thaler. Adieu! (Ab.) 198

Dritte Scene.

Schuldenborg. Heinrich.

Schuldenborg. Das waren ja verteufelte Kerle, ich glaube, die verzehren in einem ganzen Jahr nicht so viel, als ich in einem Tage. Ich hätte große Lust, einige von dieser Sorte hinter's Licht zu führen.

Heinrich. Ja, da muß der Herr sich nur anders anstellen, nicht seinen Geldmangel merken lassen und sie nicht so zum Narren halten. Aber da kommen zwei Andere, die sehen aus, als ob sie heute zum ersten Mal in die Stadt kommen.

Vierte Scene.

Zwei Fremde. Schuldenborg. Heinrich.

Schuldenborg. Serviteur, Messieurs, willkommen in Kopenhagen!

Fremder. Schön Dank, Mussör.

Schuldenborg. Ihr seid, wie ich sehe, gute ehrliche Leute, die man lieben und achten muß. Aber Ihr seid hier wol noch nicht bekannt in der Stadt?

Fremder. Ei versteht sich, das sind wir, liebes Herrchen, da ist keine große Straße, die wir nicht kennen, als z. B. der Holländerberg, die Westerstraße, die Kalleböstraße, die Kaufmacherstraße, der Ochsenplatz u. s. w.; ich für meinen Theil mache mich anheischig, von den drei Hirschen geradenwegs zum Zollhaus zu gehen, mutterseelenallein.

Schuldenborg. Nein, derart Bekanntschaft ist es nicht, die ich meine; ich wollte sagen, Ihr habt wol keine Gönner hier in der Stadt oder keine Adressen an vornehme Häuser?

Fremder. Nein freilich, die haben wir nicht.

Schuldenborg. Da will ich, meiner Treu', Wohldieselben bekannt machen, falls es Ihnen beliebt. Denn fremden Leuten zu dienen, ist mein größtes Vergnügen, insonderheit für die 199 Jütländer hab' ich eine wahre Passion. Ja ich kann darauf schwören, als ich zuerst die Ehre hatte, Wohldieselben zu erblicken, pochte mir das Herz im Leibe, so rührte mich der Anblick. Wohl denn, Messieurs, verlaßt Euch auf mich als einen honnête-homme, ich will Dieselben in acht Tagen an mehr als dreißig vornehmen Orten bekannt machen, damit Ihr doch auch sagen könnt, Ihr seid in Kopenhagen gewesen.

Fremder. Wir danken gehorsamst, wohlgeborner Herr, für Seine Gewogenheit: aber wenn wir so in die Stadt kommen, da haben wir immer eine Menge anderer Dinge zu besorgen.

Schuldenborg. Da haben wir's, Ihr Jütländer seid pardi sehr honnet, aber avec votre permission, Ihr wißt nicht zu leben. Meint Ihr denn wirklich, daß es der Mühe werth, so weit herzureisen, blos um ein bischen lumpiges Geld auszuthun und darüber die Bekanntschaft vornehmer Leute zu versäumen, die in Zukunft Euch und Eure Kinder protegiren können? Was gilt's, Ihr geht nicht einmal in die dänische Komödie? Nein, Ihr seid wirklich zu wenig neugierig, übrigens gute, ehrliche Leute. – Hört, Messieurs, ich denke eben nach, wie ich Euch Eure Geschäfte erleichtern und Euch der Mühe überheben will, alle Tage auf die Börse zu laufen. Wolan, wollt Ihr so ein halb Mandel Tausender bei mir unterbringen, so will ich Euch acht Procent dafür geben. Nicht, daß ich das Geld brauchte, ich kann Euch Wechsel und Obligationen zeigen auf sechzigtausend Thaler, die ich besitze, sondern blos um Deroselben einen Dienst zu leisten. Ist's nicht so, Heinrich?

Heinrich. Ja wol.

Fremder. Ja, wenn mein Herr uns hinlängliches Unterpfand geben will, da kann er schon Geld bei uns kriegen.

Schuldenborg. Ha, ha, das ist ma foi das erste Mal, daß Einer Pfand und Sicherheit von mir verlangt. Gerhard von Schuldenborg sollte man nicht trauen auf sein eigenes Wort? Ha, ha, Gerhard von Schuldenborgs Parole sollte nicht so sicher sein wie die beste Obligation? Ha, ha, ha, ich pardonnire den Messieurs, sintemal sie Gerhard von Schuldenborg nicht kennen. Ha, ha, Gerhard von Schuldenborg soll Pfand geben? 200 Fragt nur meinen Bedienten – Heinrich, hat je ein Mensch Pfand von mir verlangt?

Heinrich. Niemals, so lange ich in des Herrn Diensten bin.

Fremder. Aber der Herr muß das nicht ungnädig aufnehmen, daß wir Sicherheit verlangen, da wir ja doch nicht die Ehre haben, Ihn zu kennen.

Schuldenborg. Ei, tête bleue, Ihr könnt das ja wol an meinen Kleidern und Equipage sehen, daß ich ein honnête-homme und sicherer Mann bin?

Fremder. Da zweifeln wir gar nicht dran, mein Herr: allein sicherheitshalber kann es doch nichts schaden, wenn man ein Pfand hat.

Schuldenborg. Er soll ein Pfand kriegen, Er soll Schrift und Siegel von mir kriegen auf Stempelpapier.

Fremder. Das heißt bei uns nicht Pfand.

Schuldenborg. Borgt mir auf meine Ehre!

Fremder. Herzlich gern, wenn ein Pfand dabei ist.

Schuldenborg. Auf meine Cavaliers-Parole!

Fremder. Wie ich sage, Monsieur.

Schuldenborg. Ich pardonnire Ihm, Monsieur, weil Er mich nicht kennt: denn kennte Er mich, so würde Er mir gern sein ganzes Hab und Gut anvertrauen. Ich bin pardi der honneteste Cavalier in der ganzen Stadt; ist das nicht so, Heinrich?

Heinrich. Ich kann Monsieur versichern, daß Er sein Geld ohne Gefahr bei meinem Herrn unterbringen kann und daß mein Herr es Ihm schuldig bleiben wird, als ein honnête-homme.

Schuldenborg. Hört, Monsieur, da Ihr doch so mißtrauisch seid, wollt Ihr mir wol fünftausend Thaler borgen? Nämlich die Wahrheit zu sagen: ich bin beauftragt, morgen für einen guten Freund zwanzigtausend Thaler auszulegen, und habe, was mir noch nie passirt ist, nicht so viel Geld in der Kasse. Heinrich, wie viel Geld ist in der Kasse?

Heinrich. Da sind blos funfzehntausend Thaler.

Fremder. Mein Herr, habe Er so viel oder so wenig Geld in der Kasse, als Er will: aber ohne Sicherheit kann ich Ihm nichts leihen. 201

Schuldenborg. Ah tête bleue, wenn das ein Anderer wäre, der mir so begegnete, der sollte das nicht umsonst gethan haben!

Heinrich. Ei, das ist ja nicht der Mühe werth, sich darüber zu ereifern, wenn der Wechsler heut Abend nach Hause kommt, kriegt ja der Herr unzweifelhaft so viel Geld, als er haben will.

Schuldenborg. Aber, Heinrich, Du weißt ja, daß ich den Vorschuß noch heute machen soll; will Monsieur mir da nicht fünftausend Thaler leihen? Ich schäme mich ma foi solche geringe Summe in den Mund zu nehmen. Ist's nicht so, Heinrich?

Heinrich. Ja wol.

Fremder. Mein Herr, ich leihe nicht einen Schilling, adieu.

(Die Fremden ab.)

Fünfte Scene.

Schuldenborg. Heinrich. Ein anderer Fremder.

Heinrich. Nein, das Geld sitzt doch bei diesen Kerlen verflucht fest. Aber da seh' ich einen Andern vom Wagen steigen, wir müssen versuchen, was mit dem zu machen ist.

Schuldenborg. Serviteur très humble, Monsieur, willkommen in der Stadt! Hat Er nicht gehört, ob sich eine Person mit Namen Niels Ochsendorf auf dem Wege hieher befindet?

Der Fremde. Ja, mein Herr, wir waren zusammen in der Röskilder Schenke, wo er sich etwas verweilte, sonst wäre er mit mir zusammen gekommen.

Schuldenborg. Element, ist das möglich?!

Der Fremde. Sollte es etwa meines Herrn Gläubiger sein, so thut es mir leid, der Erste gewesen zu sein, der ihm diese Nachricht gebracht hat.

Schuldenborg. Ha ha ha, Gläubiger! Nein umgekehrt, ich soll sechstausend Thaler von ihm haben; ist's nicht so, Heinrich?

Heinrich. Ja wol.

Der Fremde. So, nun der ist der Mann dafür, zu 202 bezahlen, und wenn es zwanzigtausend wären. Das sind Leute, die scharren Geld zusammen wie Mist, mit Wucher und unbilligen Zinsen; der Sohn tritt nicht blos in des Vaters Fußtapfen, sondern wird noch schlimmer als er.

Schuldenborg. Kennt Monsieur ihn?

Der Fremde. Ja freilich.

Schuldenborg. Will Monsieur mir da wol einen Gefallen thun? Ich soll in der Eile sechstausend Thaler auszahlen; ich will Monsieur eine Anweisung auf Monsieur Ochsendorf geben, wenn Er mir etwa die Summe vorstrecken will. Ihm kann das ja einerlei sein; ist's nicht so, Heinrich?

Heinrich. Ja wol.

Der Fremde. Nein bei Leibe, gutes Herrchen, das thu' ich nicht.

Schuldenborg. Wie Ihm beliebt; ich dachte nur dem Ochsendorf, sowie Euch einen Dienst zu erweisen. Aber hört, Monsieur, ich sehe, Er ist ein stattlicher junger Mann, Er kommt zum ersten Male in die Stadt, die sehr verführerisch ist, und sich eine wahre Ehre daraus macht, die Fremden anzuführen. Laßt Euch mit Niemandem in ein Spiel ein, den Ihr nicht kennt, besonders kein Würfelspiel. Ich habe Fremde gesehen, die dabei um Hab und Gut gekommen sind. Monsieur, seht die Blessur, die ich hier an der Hand habe, die kriegte ich vergangenen elften Juni um eines Fremden willen, den ich gegen einen Spieler in Schutz nahm, welcher ihm eine große Summe Geldes mit falschen Würfeln abgenommen hatte. Ist's nicht so, Heinrich?

Heinrich. Ja wol.

Der Fremde. Mein Herr hat da ein christliches Werk gethan; ich wollte, die Stadt wäre voll lauter solcher ehrlicher Leute.

Schuldenborg. Ich bin selbst ein Liebhaber vom Spiel, allein ich will wissen, mit was für Würfeln ich spiele; darum trag' ich meine eigenen Würfel bei mir, da steht der Name des Mannes darauf, der sie gemacht hat, und das ist der ehrlichste Drechsler in der Stadt. Ist's nicht so, Heinrich? 203

Heinrich. Ja wol.

Schuldenborg. Seht her, Monsieur: an dieser Marke in der Ecke hier sind Drechsler Jespern seine Würfel zu kennen und da kann man ungenirt mit spielen. Ich will auch Monsieur das Haus dort in der Nähe recommandiren, wenn Er sich unterweilen divertiren will; da kann Er sicher hingehen, es sind gute ehrliche Leute, die gute Waaren haben. Wollen wir da mal ein bischen hingehen, uns die Zeit mit Karten oder Würfeln zu vertreiben? Meistens verlier' ich im Spiel, aber es macht mir beinahe noch mehr Spaß zu verlieren als zu gewinnen. Denn wiewol ich nur zum Zeitvertreib spiele, nicht um Geld zu gewinnen, so mache ich mir doch ein Gewissen daraus, fremden Leuten das Geld abzunehmen; daher, wenn ich Einen betrübt darüber sehe, so geb' ich ihm sein Geld meistens wieder zurück. Ist's nicht so, Heinrich?

Heinrich. Ja meiner Seele, so ist es.

Schuldenborg. Wollen wir gleich einmal hineingehen und zum Zeitvertreib ein bischen cinque et neuf spielen?

Der Fremde. Nein, mein Herr, ich spiele niemals.

Schuldenborg. Na, dann wollen wir hineingehen und ein Glas Wein zusammen trinken.

Der Fremde. Nein, ich trinke keinen Wein.

Schuldenborg. Nun, das hat nichts zu sagen, dann wollen wir die Zeitungen lesen.

Der Fremde. Ich mache mir auch nichts aus den Zeitungen; ich recommandire mich, adieu!

Schuldenborg. Na denn lauf', Du Schlingel!

Sechste Scene.

Schuldenborg. Heinrich.

Schuldenborg. Heinrich!

Heinrich. Herr!

Schuldenborg. Willst Du Compagnie mit mir machen?

Heinrich. Ei gern, wo gehen wir hin? 204

Schuldenborg. Ich will mich aufhängen.

Heinrich. Nein, Herr, dazu bin ich zu gering, mich mit Ihm zu hängen, lad' Er einen von Seinen Kameraden ein, der auch so in Schulden steckt, der wird sich ein Vergnügen daraus machen, dem Herrn Gesellschaft zu leisten.

Schuldenborg. Das ist eine Canaille gewesen, Heinrich, die es zuerst erfunden hat, daß man seine Schulden bezahlen soll; ich sehe darin keine Billigkeit.

Heinrich. Das ist sicher.

Schuldenborg. Ausgenommen, es sei, daß man bezahlen kann.

Heinrich. Das versteht sich.

Schuldenborg. Wenn ich mir nun etwas wünschen dürfte, weißt Du, was das wäre? Ich würde wünschen, daß kein Mond am Himmel wäre.

Heinrich. Wie so?

Schuldenborg. Ei, wenn es keinen Mond gäbe, so gäbe es auch keinen elften Juni, und gäb' es keinen elften Juni, so kümmerte ich mich den Teufel um Niels Ochsendorf. Da ich nun aber nichts zu wünschen habe, und auch keinen Ausweg für mich sehe, so ist es das Beste, ich hänge mich auf – außer wenn Du durch Deine Geschicklichkeit, Heinrich, mich retten kannst.

Heinrich. Hoffentlich, Herr, wenn wir Beide unsern Verstand zusammenlegen, so kann sich die Sache noch machen; ich denke schon über etwas nach, Herr. Hier ist ein Student in der Stadt, mit Namen Niels Christensen, der ist mit Niels Ochsendorf Geschwisterkind; der alte Ochsendorf hat großes Zutrauen zu ihm, und ohne Zweifel hat er auch seinen Sohn an ihn recommandirt.

Schuldenborg. Ja, aber was will das sagen?

Heinrich. Ich will mich für diesen Studenten ausgeben, ihm, wenn er ins Thor kommt, auflauern und ihn in ein Logement führen, wo wir bekannt sind und ihn mit Bequemlichkeit ausziehen können. Aber da seh' ich den Paradieswirth kommen, recht apropos, nun kann eine vollständige Komödie gespielt werden, zu der ein verschuldeter Herr gehört, ein 205 schalkhafter Diener, ein Fremder, der geprellt wird, und ein Wirth mit solchen Meriten.

Siebente Scene.

Die Vorigen. Jacob.

Heinrich. Sieh da, Jacob, bin ich doch beinahe vor Schrecken gestorben.

Jacob. Wieso?

Heinrich. Ich wußte nicht, ob Du es wärst oder Dein Geist; denn gestern hieß es in der Stadt, der Teufel hätte Dich den Tag zuvor geholt.

Jacob. Ich denke doch, ich bin's.

Heinrich. Da wundre ich mich, daß es nicht längst geschehen ist. Aber ich kann mir schon denken, der Teufel eilt sich nicht mehr, weil er Dich allzeit gewiß hat.

Jacob. Ich glaube vielmehr, Heinrich, er hat sich durch die Fürbitte eines so ehrenwerthen Mannes abhalten lassen, wie Du bist.

Heinrich. Nun, was hast Du gegen mich einzuwenden? Stehe ich nicht gegen Dich da als ein wahrer Heiliger?

Jacob. Gewiß, Heinrich, wenn ich Dir einen Paß ausstellen sollte, so könnte ich ihn Dir mit gutem Gewissen nicht anders geben als so: Dem günstigen Leser unsern Gruß zuvor! Dieser junge Mensch mit Namen Heinrich Larsen ist von unehelichen Eltern ehrlich geboren. Sein Vater war einer der besten Schnapphähne im letzten schwedischen Kriege, ingleichen einer der berühmtesten Spieler; denn er starb in seinem Beruf, mit Kreuzbuben in der Hand. Seine Mutter war ein braves Frauenzimmer, das anständigen Leuten, die in Leibesnöthen waren, nie mehr abnahm als vier Schillinge. Er selbst hurt, trinkt, doppelt, flucht, betrügt, hat jedoch im Uebrigen einige vorzügliche Eigenschaften und passirt für einen der geschicktesten Bedienten in Kopenhagen. 206

Heinrich. Hast Du diesen Paß mit gutem Gewissen ausgestellt?

Jacob. Das hab' ich.

Heinrich. Aber wie bist Du zu dem guten Gewissen gekommen? Noch in meinem Leben hab' ich nicht gehört, daß ein Paradieswirth ein gutes Gewissen gehabt hat. Ja solch ein Wirth mit gutem Gewissen ist so rar wie ein reicher Soldat, ein verschwiegener Barbier, ein ehrlicher Müller und ein friedfertiger Advocat.

Jacob. Die Lakaiengewissen, bild' ich mir ein, sind auch nicht weit her.

Heinrich. Nun Spaß bei Seite, Jacob: ich habe Dir einen Vorschlag zu machen, der sowol Dir als meinem Herrn von Nutzen sein wird. In Zeit einer Stunde erwarten wir einen jungen Menschen vom Lande, den wir in Deinem Hause einquartieren wollen; das wird einen fetten Braten geben, er hat Geld wie Heu.

Jacob. Das Geld soll ich ihm wol stehlen und mich dann hängen lassen für Euch?

Heinrich. Ich werd' ihm das Geld schon mit List wegpracticiren und Du sollst Deinen Theil davon haben, laß mich nur machen. Du hast verschiedentliche honnete Frauenzimmer in Deinem Hause – bitt' um Entschuldigung, ich wollte sagen, hübsche: davon muß die Schönste sich in ihn verliebt stellen und ihm einbilden, als wäre sie Deine Frau; Du selbst mußt Dich eifersüchtig stellen und ihn nicht aus den Augen lassen, um ihn desto mehr in seinem Glauben zu bestärken.

Jacob. Aber wenn er nun nicht verliebter Complexion ist, was soll das dann helfen?

Heinrich. Ei was, ein junger Mensch von zwei und zwanzig Jahren sollte nicht verliebter Complexion sein, das wäre eine schöne Geschichte, zumal wenn ein listiges Frauenzimmer ihm entgegenkommt. Da bin ich Mann dafür, daß er verliebt wird, ja, ich will ihn selbst noch darin bestärken, sobald er nur erst Vertrauen zu mir hat. Wenn wir ihn nur erst so weit haben, das Uebrige findet sich hernach, sobald ich Zeit habe, 207 nachzudenken. Laß ihn uns nur erst im Hause haben, so will ich die Sache schon weiter mit Dir überlegen.

Schuldenborg. Heinrich, jetzt fängt es mir schon an, leichter ums Herz zu werden.

Heinrich. Laßt uns jetzt nur rasch nach Hause gehen, ich muß mir einen schwarzen Rock besorgen, sintemal ich einen Studenten agiren soll. 208


 << zurück weiter >>