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Viertes Kapitel. Das Lotterie-Loos

Anderen Tages ging Moschele frühmorgens wieder auf die Wanderschaft dem Geschäfte nach, gab aber vorher der Tante Blumele Alles, was vom Geschenk des jungen Herrn von Barnefeld nach Ankauf des Pelzes noch übrig geblieben war, in Verwahrung, auch das Lotterie-Loos, welches wohl nur zufällig sich unter die Papierthaler gemischt haben mochte. Moschele achtete es nicht groß, Tante Blumele aber wußte es besser zu schätzen. Als Moschele fortgegangen war mit dem Packen auf dem Rücken, schlüpfte sie hinüber zum Nachbar Schlaume, der mit der Lotterie am besten Bescheid wußte, weil er Unter-Collecteur war und sich mit dem Verkaufe von Loosen befaßte. Sie zeigte ihm ihr Loos, und Nachbar Schlaume machte große Augen.

»Ein Viertel von der letzten Ziehung, die in drei Wochen anfängt,« sagte er. »Wo haben Sie's her, Nachbarin Blumele?«

»Dem Moschele ist's geschenkt von einem reichen Herrn,« erwiderte sie.

»Geschenkt? Dem Moschele?« rief Schlaume. »Schau doch, da wird sich's bald zeigen, ob der Moschele ein Schlemiehl ist, wie die Leute einst sagten, oder nicht. Kann er doch gewinnen das große Loos auf die Nummer, wenn er Glück hat. Geben Sie Acht auf das Viertelchen, Nachbarin, und wenn es heraus kommt, werd ich's Ihnen sagen und will mir die Nummer drum aufschreiben. Nummer 20,360. So! Werden nun sehen, Blumele, was geschieht!«

Blumele ging nachdenkend davon und wußte kaum, ob sie sich über die eröffnete Aussicht freuen sollte oder nicht. Wenn ein Gewinn auf das Loos fiel, auch nur ein kleiner, so war's freulich schön und gut; aber wenn es nun eine Niete war? Würde dann Nachbar Schlaume nicht wieder sagen, wie er sonst gesagt hatte: »Der Moschele ist und bleibt ein Schlemiehl?« Fast bereute sie, daß sie überhaupt von dem Lotterie-Loose zu ihm gesprochen hatte, und als sie nach Hause kam, schloß sie es sorgfältig in einen alten Schrank ein und nahm sich vor, Moschele kein Wort mehr von ihm zu sagen und ihn gar nicht wieder daran zu erinnern. Er selber dachte gewiß im Leben nicht mehr daran, und wenn es durchfiel, so brauchte er auch gar nichts weiter davon zu erfahren. Dem Nachbar Schlaume aber wollte sie schon Bescheid sagen, daß dieser reinen Mund hielt und ihr Moschele-Leben nicht in's Gerede brachte.

Was nun den Moschele selbst anbetraf, so hatte sich Blumele allerdings nicht verrechnet. Nachdem er das Loos einmal weggegeben, war es für ihn auch nicht mehr vorhanden, und am allerwenigsten hegte er die Hoffnung, daß er durch die Lotterie ein reicher Mann werden könne. Nach wie vor ging er seiner Wege, machte sein Handelchen mit Kattun und Bandschleifen und war zufrieden, wenn er Geld genug verdiente, um am Schabbes-Abend in Gesellschaft von Tante Blumele zwei Lichter anzünden und ein Gericht Karpfen oder Hecht verzehren konnte, das Tante Blumele mit wahrer Meisterschaft zu kochen verstand.

So war's denn freilich nicht zu verwundern, sondern nur ganz in der Ordnung, daß ihm eines Tages vor Erstaunen fast der Bissen im Munde stecken blieb, als plötzlich Nachbar Schlaume schweißtriefend und mit entstelltem Angesicht in den Hausflur herein stürzte, und mit lauter Stimme schon von weitem schrie: »Masel Tow (gutes Glück) Blumele-Leben, gesegnete Kreatur! Wo ist das Loos? Das pure Gold regnet Euch zum Dache herein, und Ihr sitzt da, als ob in der Welt nichts geschehen wäre! Masel Tow, Blumele! Masel Tow, Moschele! Nummer 20,360 hat gewonnen einen ganzen Haufen Geld! Jetzt soll Einer kommen und soll sagen, der Moschele sei ein Schlemiehl! Zweitausend Gulden, Blumele-Leben, zweitausend lebendige Gulden regnen Euch vom Himmel herunter!«

So schrie Schlaume mit Löwenstimme, und Tante Blumele saß ganz blaß in ihrem alten Lehnstuhle und zitterte, daß ihr die Gabel aus der Hand fiel, während Moschele voll Verwunderung den Nachbar anstarrte und nicht begreifen konnte, was sein Geschrei zu bedeuten habe.

»Seid Ihr schicker (betrunken) oder meschuge, Nachbar?« fragte er endlich, als Schlaume sich erschöpft auf einen Stuhl warf, mit dem rothbaumwollenen Taschentuch die perlenden Schweißtropfen von seiner Stirn wischte, und einmal über's andere Mal wiederholte: »Zweitausend Gulden! Zweitausend lebendige Gulden auf Einen Schlag! Das nenn' ich Broche (Segen), wie er nicht alle Tage vom Himmel fällt! Blumele-Leben, was jauchzen Sie nicht, was schreien Sie nicht, was tanzen Sie nicht, was singen und jubeln Sie nicht? Wenn mir das Glück passirt wär', ich wär' schon auf die Straße gesprungen und hätt' aller Welt gerufen, was der Schlaume für ein Glückskind ist!«

»Was sind das für Maissele (Geschichtchen), Nachbar?« nahm Moschele wieder das Wort, da er sich noch immer nicht erklären konnte, von was eigentlich die Rede sei. »Sprecht vernünftig, wenn Ihr zu vernünftigen Leuten kommt!««

»Moschele, er hat ja recht, der Nachbar Schlaume!« rief Blumele jetzt endlich, da sie allmälig ihr Glück zu fassen begann. »Denk' doch an das Lotterie-Loos, das dir damals der junge Herr geschenkt hat! Das Loos hat gewonnen, zweitausend Gulden gewonnen, Moschele, und du bist ein Glückskind, dem der Reichthum im Schlafe zufällt. Jetzt brauchst du nicht mehr in Wind und Wetter, in Kälte und Hitze über Land zu wandern! Jetzt kannst du dir das Leben bequem machen, einen Laden miethen, im Hause verkaufen und dein Glück ist gemacht!«

Einen Augenblick blitzte die Freude hell auf in Moschele's Gesicht und sprühete aus den funkelnden Blicken, aber das verging auch wieder, wie ein Blick, und im nächsten Augenblicke saß er wieder mit seiner gewöhnlichen Miene da, nur daß er mitleidig auf Tante Blumele schaute, da er mit Einem Worte alle Freude sollte zu Wasser machen.

»Was schreit Ihr, was wollt Ihr, was lärmt Ihr?« sagte er. »All' das viele Geld ist doch nicht mein, so wenig, wie Euch, Schlaume!«

»Und wem sonst?« rief der Nachbar. »Wirst doch deine Nummer nicht fortgegeben haben, Unglückskind?«

»Nein, das Loos ist noch da,« erwiderte Moschele. »Hol's auch, Tante.«

Blumele holte es aus dem alten Schranke herbei, wo sie es wie einen Schatz gehütet hatte, und Nachbar Schlaume riß es ihr aus der Hand, indem er mit allen zehn Fingern darnach griff. »Nummer 20,360! Es ist das rechte!« sagte er. »Masel Tow, Blumele! Bist doch eine gesegnete Kreatur! Zweitausend Gulden auf Einem Brette! Wünsch' Glück dazu!«

»Kein' Ursach', Nachbar,« entgegnete Moschele, indem er ihm kaltblütig das Loos wieder aus der Hand nahm und in seine Tasche steckte. »Sagen Sie mir lieber, wo wohnt der General Barnefeld?«

»Was ist mit dem General?«

»Ei, dem General, oder eigentlich seinem Sohne gehört das Loos, und ihm will ich's bringen mit der Nachricht, daß es gewonnen hat!«

»Moschele bist gescheid?« schrie Tante Blumele. »Moschele, bist meschuge?« schrie Nachbar Schlaume.

»Ich weiß nicht, ob gescheid, ob meschuge,« entgegnete Moschele, »aber jedenfalls ehrlich, und ehrlich währt am längsten. Denk' nur, Tante, ob mir der junge gnädige Herr das Loos geschenkt hätte, wenn er gewußt, daß es würde gewinnen zweitausend Gulden? Aus Versehen hat er mir's geschenkt, nur aus Versehen, und darum so bring' ich's ihm wieder.«

»Geschenkt ist geschenkt,« rief Schlaume, der Moschele's gewissenhafte Redlichkeit nicht zu fassen vermochte.

»Geschenkt ist geschenkt!« sagte auch Tante Blumele, aber mit betrübtem Gesicht, denn sie kannte ihren Moschele besser, als der Nachbar, und wußte, daß er sich durch kein Zureden werde abhalten lassen, den General aufzusuchen.

Moschele zuckte die Achseln und stand auf, um nach der Mütze zugreifen. »Wo wohnt der General?« fragte er.

»Bist ein Narr!« rief Schlaume. »Dableibst! Und her mit dem Loos!«

»Das Loos gehört dem jungen gnädigen Herr«, der mich für meinen geringen Dienst schon so reich belohnt hat, daß ich ihn nicht auch noch zu bestehlen brauche. Wo wohnt der General?«

»In der Hölle wohnt er!« schrie Schlaume giftig. »Willst bleiben, Moschele, oder nicht?«

»Ehrlicher Weg führt nicht in die Hölle, sondern in Gan-Eden (das Paradies) zum ewigen Leben,« erwiderte Moschele. »Wo wohnt der General?«

»Such' ihn dir selber, du Schlemiehl!« rief Schlaume noch giftiger als vorhin und stand voller Grimm und Galle von seinem Stuhle auf. »Verkrümmen und verschwarzen will ich, wenn ich dir helfe zu deiner Thorheit!«

»Wohl denn, so muß ich wo anders fragen,« entgegnete Moschele kaltblütig. »Ein großer Herr, wie der Herr General, wird nicht schwer zu finden sein.«

Mit diesen Worten ging er, ohne weiter auf das Schimpfen und Schreien Schlaume's zu achten, der ihn für den ausgemachtesten Narren erklärte, den jemals die Sonne beschienen habe. Blumele sagte kein Wort dazu; sie meinte nur, daß ihr goldenes Glück, welches sie schon so sicher gewonnen geglaubt hatte, wie eine leichte Seifenblase wieder geplatzt sei. Nicht einmal einen Versuch machte sie, Moschele zurückzuhalten, denn sie kannte schon seinen unbeugsamen Sinn und seine unerschütterliche Redlichkeit.

Ohne weiteres Bedenken und ganz entschlossen, das Rechte zu thun, fragte Moschele den ersten Besten nach der Wohnung des Generals, und wurde sogleich zurecht gewiesen. Es fand das Haus, trat dreist hinein und fragte nach dem General, den er zu sprechen wünsche. Der General war daheim, und zwei Minuten später wurde Moschele zu ihm geführt.

Wie er da erschrak, der Moschele! Aber vor Freuden, nicht aus Furcht oder sonst einem Grunde. Denn im General erkannte er auf den ersten Blick einen alten Bekannten, den stolzen, prächtigen Offizier wieder, der ihn vor Jahren einmal aus den gewaltigen Händen Richards gerettet und diesem eine so derbe Strafpredigt gehalten hatte. Purpurroth vor Freuden wurde da Moschele und war so überrascht, daß er eine ganze Weile nicht sprechen konnte, sondern nur voller Erstaunen den General anstarrte.

»Nun, mein Bursch,« sagte dieser endlich, – »was führt dich zu mir? Was willst du?«

»Gnädiger Herr! Ach, gnädiger Herr, ist's denn möglich?« rief Moschele endlich in überströmender Freude. »Kennen Sie mich nicht mehr, Herr General? Ich bin ja der Moschele, wissen Sie noch, der Moschele, und Sie sagten einmal zu mir, ich hätt' ein tapferes Herz! Mein Lebtag kann ich's nicht wieder vergessen. Ach, Herr General, tausendmal hab' ich seitdem an Sie gedacht!«

»Ja, ja, ich besinne mich,« erwiderte der General lachend. »Und wenn du ein so gutes Gedächtnis für eine so geringe Wohlthat hast, so muß ich wohl glauben, daß dein Herz nicht allein tapfer, sondern auch dankbar ist. Nun, es freut mich, daß ich dich sehe! Aber was kann ich für dich thun, guter Bursche!«

»Eigentlich wollt' ich nur nach dem jungen gnädigen Herrn fragen,« erwiderte Moschele.

»Nach meinem Sohne? Was hast du mit ihm zu schaffen? Aber gleichviel, er ist zufällig hier, und ich will ihn rufen. Robert, he, komm' auch einmal herein!«

Eine Seitenthür wurde geöffnet und der junge Barnefeld trat in die Stube. Kaum erblickte er Moschele, als er mit einem frohen Ausrufe auf ihn zueilte und ihm die Hand reichte.

»Moschele!« rief er. »Wie freut es mich, daß du mich aufsuchst! Lieber Vater,« wendete er sich hierauf zum General, – »dieser ist der junge Bursch, der mit Lebensgefahr die wichtigen Dokumente aus dem Feuer rettete.«

»Ist's möglich!« rief der General aus. »So hatte ich mich also nicht getäuscht, als ich ihn ein tapferes Herz nannte! Du hast uns einen wichtigen Dienst geleistet, mein braver Bursche, und gewiß, du sollst uns nicht undankbar finden!«

»Oh, nicht doch, nicht doch,« erwiderte Moschele. »Der junge gnädige Herr hat mich schon reich genug beschenkt, viel reicher, als die kleine Gefälligkeit werth war. Aber auch ein Versehen hat er gemacht und hat mir ein Lotterie-Loos geschenkt statt eines Thalers! Sehen Sie, da ist's!«

»Das kann wohl sein, Moschele!« sagte der junge Herr lachend. »Damals dacht' ich freilich nicht daran, die Tresorscheine einzeln nachzusehen, sondern gab dir, was ich eben bei mir hatte. Aber es thut nichts, Moschele, ich nehme dir das Loos wieder ab.«

»Das sollen Sie auch, gnädiger Herr, und just darum bin ich ja hergekommen,« entgegnete Moschele.

Der General blickte ihn fast erstaunt an, denn er mochte eine solche scheinbar eigennützige Absicht bei ihm nicht vermuthet haben. Auch der junge Barnefeld stutzte ein wenig; doch zog er ein Goldstück aus seiner Tasche und reichte es Moschele hin. »Nimm!« sagte er.

Moschele lächelte. »Wie kann ich Ihr Eigenthum an Sie verkaufen?« sprach er. »Gewiß wollten Sie mir doch das Lotterie Loos nicht schenken, gnädiger Herr?«

»Nein, gewiß nicht,« erwiderte der junge Barnefeld. »Ich hielt es natürlich für eine Banknote, und da ...«

»Das dacht' ich mir eben,« sagte Moschele. »Also hier ist das Loos!«

»Aber was soll ich damit?«

»Nun, freuen sollen Sie sich darüber, gnädiger Herr!« entgegnete gutmüthig Moschele. »Hat es doch gewonnen bei der Ziehung zweitausend Gulden!«

»Ach, so war's also gemeint!« rief der General sichtlich erfreut und angenehm überrascht aus, indem er Moschele seine Hand hinreichte. »Schlag' ein, mein braver Bursch! Ich sehe schon, du hast nicht nur ein tapferes, nicht nur ein dankbares, sondern auch ein grundehrliches und rechtschaffenes Herz! Bei Gott, wir müssen nähere Bekanntschaft mit einander machen!«

Der junge Barnefeld fiel Moschele geradezu um den Hals und küßte ihn. »Du bist wahrlich ein kreuzbraver Bursch, Moschele!« sagte er. »Solche ehrliche Haut ist mir noch nicht vorgekommen. Aber, Moschee, was willst du mit dem vielen Gelde anfangen?«

»Ich?« fragte er.

»Ja, du! Wer sonst?«

»Aber ...«

»Was aber? Du denkst doch nicht etwa, Moschele, daß ich das Loos wieder nehmen werde, nachdem ich dir's einmal geschenkt habe? Davon kann natürlich keine Rede sein, nun ich weiß, daß die Nummer gewonnen hat. Wär's eine Niete gewesen oder das Loos noch nicht herausgekommen, ja, dann wohl eher. Aber jetzt komm' mir nicht mit solchen Anmuthungen, wenn du mich nicht beleidigen willst.«

Moschele war ziemlich bestürzt über Alles, was er hörte, gleichwohl wär's nicht wahr, wenn ich sagen wollte, er hätte sich nicht über das viele Geld und daß er's behalten durfte, gefreut. Im Gegentheil, es freute ihn sehr, daß die Sache diese Wendung nahm, besonders um Tante Blumele willen, der die Herausgabe des Gewinnloses so gar große Schmerzen und Herzeleid gemacht hatte. Auch verbarg Moschele seine Freude nicht, sondern sagte ganz offen, daß er sich, eben wegen Tante Blumele, über den Gewinn sehr glücklich fühle.

»So geh' denn, Moschele, hole dir die Summe und bringe sie deiner Tante,« sagte der General, der ihm wohl ansah, dich ihm der Boden wie Feuer unter den Füßen brannte. »Morgen werd' ich dich besuchen und weiter mit dir reden, denn ich möchte wohl wissen, wie du dein Geld anlegen willst. Berathe dich darüber mit deiner Tante.«

»Das will ich thun, gnädigster Herr, gewiß!« antwortete Moschele. »Und ich darf also jetzt gehen und das Loos wirklich mitnehmen?«

»Versteht sich von selbst! Wir haben ja keine Komödie hier aufgeführt,« sagte der junge Barnefeld. »Lauf', Moschele, und grüße deine Tante.«

Moschele ließ sich die Weisung nicht wiederholen, sondern nahm Abschied von den beiden Herren und ging nach der Lotterie-Hauptkasse, um sich seinen Gewinn dort auszahlen zu lassen. Er bekam richtig gegen Rückgabe des Looses seine zweitausend Gulden und noch etwas darüber, und nun eilte er, so schwer ihn auch das Geld drückte, wie auf Windesflügeln nach Hause. Tante Blumele saß im alten Lehnsessel und weinte ihre bittersten Thränen über Moschele's Eigensinn, wie sie seine Rechtschaffenheit nannte; als aber Moschele jetzt keuchend herbei gestürzt kam und die blanken Guldenstücke vor die Tante aufschüttelte, als er mit hastigen Worten erzählte, wie reich seine Redlichkeit belohnt worden sei, da verwandelte sich Tante Blumele's Gesicht mit einem Male und aus ihren Augen lachte der hellste Sonnenschein der Freude.

»Jetzt ist mir's allerdings doppelt lieb, daß du dort gewesen bist beim General,« sagte sie. »Aber wer konnte auch wissen, daß er ein so großmüthiger Herr sein würde? Gott, was wird Nachbar Schlaume sagen, wenn er von unserm Glück hört!«

»Hab' ich's doch schon gehört,« sagte Schlaume selber, der Moschele an seiner Thür hatte vorbeihuschen sehen und ihm sachte nachgeschlichen war. »Ich muß gestehen, Moschele hat mehr Glück wie Verstand, und das ist viel, was man von einem Menschen kann sagen. Ein Schlemiehl ist er nicht, so viel steht fest, aber Ihnen, Blumele-Leben, hätt' er den Aerger sparen können, wenn er wäre gleich mit dem Loose hingegangen und hätte das Geld geholt. Es wäre ganz einerlei gewesen!«

»Nein, das wär's nicht, Nachbar Schlaume,« erwiderte Moschele fast heftig. »Jetzt hab' ich das Geld mit gutem Gewissen und wenn ich gehandelt hätte, wie Sie wollten, so hätt' ich's mit bösem Gewissen. Jetzt habe ich Freude dran, so aber hätt' ich nur Kummer d'rüber gehabt. Jetzt hoff' ich, daß der Segen Gottes wird ruhen auf dem Gelde, weil's auf ehrliche Weise in meine Hände gekommen ist, so aber hätt' ich gefürchtet, daß es mir nur Unheil bringen würde, weil's halb gestohlen gewesen wäre. Nein, nein, Nachbar Schlaume, Sie müssen mir kein Schlamassel (Geschwätz) machen! Ich bleibe bei meinem Grundsatz: Ehrlich währt am längsten

Schlaume wußte nicht, was er darauf erwidern sollte, und so that er das Klügste, was er thun konnte, das heißt, er schwieg still und entfernte sich bald darauf, um die beiden Glücklichen nicht länger in ihrer Freude zu stören. Moschele hielt ihn nicht zurück, denn er sehnte sich darnach, ruhig mit der Tante zu überlegen, was mit dem Gelde nun angefangen werden sollte. Bis spät in die Nacht saßen sie bei einander, erwogen Dieß, erwogen Jenes und blieben endlich dabei stehen, daß Moschele mit seinem Gelde ein kleines Wechselgeschäft anfangen solle. Tante Blumele hatte den Vorschlag dazu gemacht, und Moschele, obgleich ihm das Kapital, mit welchem er beginnen konnte, ein wenig sehr klein vorkam, gab endlich dennoch ihren Wünschen nach, weil es auch ihm angenehmer vorkam, daheim in der Stube am Pulte zu sitzen, als auf der offenen Landstraße mit dem Packen auf dem Rücken umher zu wandern und auf die mühsamste Weise von der Welt ein paar Gulden zu verdienen.

»Nur Muth, Moschele,« sagte die Tante, als sie endlich aufstanden, um sich zur Ruhe zu begeben. »Sparsamkeit, Fleiß und Redlichkeit lassen keinen Menschen verderben und verwandeln am Ende ein kleines Kapital in ein großes.«

Moschele mochte wohl gleiche Gedanken hegen, denn schon in der Frühe des nächsten Morgens ging er aus, und sah sich nach einem Lokal um, wohin er sein Geschäft verlegen wollte. Er fand eins, wie er es wünschte, nur der einzige Umstand gefiel ihm nicht, daß es dicht neben dem großen Hause lag, welches der reiche Banquier Wilberg, Richards Vater, bewohnte. Er fürchtete Richards Spott über sein kleines Geschäft, aber ein kurzes Nachdenken half ihm auch über diese Verlegenheit hinweg.

»Was kann er mir anhaben, wenn ich ehrlich und rechtschaffen bin?« sagte er zu sich selbst. »Und am Ende, wenn er höhnt und spottet, muß ich mir's dann zu Herzen nehmen? Wenn er sieht, daß ich mich weder ärgere, noch kränke, wird er's zuletzt müde werden, mich anzugreifen.«

So dachte Moschele und miethete das Lokal um einen mäßigen Zins, ohne sich weiter um den reichen Nachbar zu kümmern. Als er dann heimging, um Tante Blumele zu benachrichtigen, fand er im Hausflur den General mit seinem Sohne, die ihm freundlich ihre Hände entgegenstreckten.

»Glück zu, Moschele!« sagte der General. »Deine Tante hat uns erzählt, was du mit deinem Lotterie-Gewinne anfangen willst, und ich glaube selbst, daß du nichts Besseres thun kannst. Bleibst du nur brav und rechtschaffen, wie du seither immer gewesen bist, so wird auch der Segen Gottes nicht ausbleiben. Im Uebrigen vergiß nicht, daß ich dein Freund bin, und ich werde sehen, daß ich dir Beweise davon geben kann. Zunächst nur das Eine, daß ich heute noch den Rentamtmann auf meinen Gütern beauftragen werde, dich künftig als meinen Banquier zu betrachten und alle Ueberschüsse meiner Einkünfte bei dir anzulegen. Es ist dir doch recht so, Moschele?«

»Ob mir's recht ist, Herr General!« erwiderte Moschele hoch erfreut. »Das ist ein schöner Anfang zu meinem Geschäft und ich verspreche Ihnen, daß ich nie Ihr Vertrauen täuschen werde.«

»Daran zweifle ich nicht.« entgegnete der General freundlich. »Und nun, Gott mit dir, mein lieber Moschele! Es soll mich von Herzen freuen, wenn es dir so wohl ergeht in der Welt, als du es verdienst!«


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