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IV
1912

[Wie an unsichtbaren Fäden]

Wie an unsichtbaren Fäden
Rennt er immer hin und her.
Gestern wollte er noch reden,
Heute weiß er es nicht mehr.

»Ist es Irrsinn, ist's Erleben,
Daß man so ins Leere rennt?
Darf man wie 'ne Sonne schweben
Brennend hoch am Firmament?« Jesuslied

Er ist der Königstraum der Welt
Denn überall entbrennt sein Opfertod.
Auf Bergen brennt es und die Sterne hellt
Mit Flammenschrift die Kunde seiner Not.

Sieh die Allee im herbstlich roten Laub:
Aus seiner Wunde floß die bunte Pracht,
Die Straßen zieh und durch der Städte Staub:
Von seinen Wunden stöhnet ihre Nacht.

Und sind wir auch zerfetzt und bettelarm
Und alle Menschen sehn uns böse an,
Wir fühlen klein uns nur vor seinem Harm
Für ihn ertragen wir den Schimpf und Bann.

Wenn Abend uns aus hellen Dörfern treibt,
Wir Komödiantenpack und Bauernspott.
Und wenn uns auch kein warmes Plätzchen bleibt,
Wir lieben doch den schmerzenreichen Gott.

Maria blickt vom hohen Himmel her,
Die Bäume neigen sich vor ihrem Gehen.
Ein Sturmwind treibt uns morgen übers Meer
Wo ihre allerschönsten Schlösser stehen.

An einem Kreuzweg steht ihr hölzern Bild
Der Mond bescheint das tote Angesicht
Des Sohnes, wo die Schmerzensträne quillt.
Wir zittern stumm im grauenhaften Licht.

Wir steigen ohne Stützen steile Stufen
Viel tausend Stufen, die zum Tempel weisen.
Der Blütenbäume Duftgewölke kreisen.
Wir folgen mühsam unsres Gottes Rufen. Sein Haus so hoch, behäbig überdacht
Haßt du zu tief, das dich getröstet hätte –
Des weißen Heiles feuchte Rosenkette
Umwand das Tor mit ganz besondrer Pracht.

Durch Staub und Gneis die sonnenträgen Meilen
Gehst du allein mit zweifelhaftem Stolz,
Durch Schattentäler, wo die Wunder weilen,
Wo arger Traum dein lautes Denken schmolz.


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