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Das dritte Kapitel

Warum die Ehen heilig genannt werden

Wenn der Hahn die Henne tritt, so verrichtet er kein heiliges Werk, denn gleich darauf tritt sie ein anderer. Zwei Leute, die ihre Leiber einander widmen und von anderen ausschließen, heiligen sich, und es ist gewiß, daß der Ehestand eine Art von geistlichem Orden ist, wo man das Gelübde der Beständigkeit und Enthaltsamkeit leistet, wozu bei den Frauen noch das Gelübde des Gehorsams kommt. Wenn ein Sakrament eine Handlung heißt, die durch die Offenbarung bestätigt wird, so ist es die Ehe. Die Liebe ist durch die Natur gestiftet, die Ehe aber durch die Vernunft. Wer du auch deines Glaubens und Vaterlandes seist, nach Stand und Würden, geschätzter Leser, so wirst du mir wenigstens so viel zugeben, daß in einem Staate nichts heiliger als die Ehe gehalten werden sollte.

Ein Vogel ist vollkommen, sobald er fliegen kann, allein ein Kind ist es noch lange nicht, wenn es gleich zu gehen versteht. Die Erhaltung, sagen die Theologen, ist die zweite Schöpfung, und nichts ist wahrer als jener königliche Gedanke, daß man seinem Erzieher mehr als seinem Erzeuger zu danken hat. Die Erziehung ist die Haupteigenschaft der Ehe, wodurch sie dem Staate so ehrwürdig wird. Die Tiere kennen und lieben ihre Jungen nicht länger, als bis sie groß sind. Die Zuneigung der Eltern gegen ihre Kinder dauert nicht allein, solange sie leben, sondern pflanzt sich auch auf die Enkel fort. Ich sage mit Fleiß: bis auf die Enkel, denn kommts weiter, so ist man gegeneinander kälter. Man frage sich selbst, ob man dem Adam wohl die Hand küssen würde.

Ein Kind, wenn es auf die Welt kommt, ist noch kein Mensch, es wird erst einer. Und du, heiliger Körper des Staats, brauchst du einen Redner, einen Helden, einen Scharfrichter, einen Nachtwächter, einen Postillion: nichts wird dir geboren, alles erzogen. Ein Edelmann wird geboren, sagt man. allein man sagt mehr Unrichtigkeiten als diese. Lege des Kutschers kleinen Jakob in die hochadlige Wiege und nimm den Junker Alexander und lege ihn in den Stall. Wer wird sie kennen? Die Geburt wird nur in Erbmonarchien für den Staat bedeutend, und nur die Herrscherfamilie sollte auf die Geburt stolz sein.


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