Wilhelm Hey
Noch funfzig Fabeln für Kinder
Wilhelm Hey

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Gottes Auge.

           Gottes Auge, heilig klar,
            Siehst du nicht
            Mild und licht
Auf uns nieder immerdar?
Siehst auch auf mich schwaches Kind,
Auf mein Thun, auf Weg und Schritte,
Und was für Gedanken sind
Tief in meines Herzens Mitte.
O wie gerne möcht' auch ich
Dich in deinem Glanze schauen,
Recht dich lieben, dir vertrauen.
Auge Gottes, zeige dich!

   Schaust du aus der Morgenglut,
            Wenn sie weit,
            Himmel breit
Ueberströmt mit rother Flut?
Wenn mit Golde hell und rein
Rings sich alle Wolken malen,
Nur der lichte Widerschein
Ist es wohl von deinen Strahlen?
Doch das Morgenroth vergeht;
Kaum begonnen, ist's verschwunden;
Aber du zu allen Stunden
Wachest, schauest treu und stet.

   Oder bist in Nächten still
            Du ein Stern,
            Der von fern
Meinem Auge leuchten will
Gleiches Lichtes immerdar?
Wolken kommen, gehn vorüber,
Du bleibst immer rein und klar,
Wirst nicht heller und nicht trüber.
Doch auf weiter Himmelsflur
Sind ja ungezählte Mengen
All' der Sterne, die sich drängen;
Aber du bist Eines nur.

   O so ist's der Sonne Licht,
            Darin du
            Kehrest zu
Mir dein heilig Angesicht?
Und es ist dein Glanz so hell,
Daß ich nicht ihn kann ertragen,
Muß vor deinen Strahlen schnell
Scheu mein Auge niederschlagen.
Doch die Sonne schauet bloß,
Was zu Tage draußen stehet;
Aber deine Klarheit gehet
Tief bis in der Erde Schooß.

   Nein, dieß alles bist du nicht.
            Doch es schafft
            Deine Kraft
Ihnen allen Glanz und Licht;
Mild im Morgenrothe du
Weckst uns auf zu Lust und Leben,
Winkst im Abendroth uns zu:
Rastet nun von Müh' und Streben!
Führest in der Sonne Glanz
Sicher uns auf Tages Wegen,
Wachest treu und sendest Segen
Nieder aus der Sterne Kranz.

   Auge Gottes, heilig du!
            Wo ich geh',
            Was ich seh',
Ueberall winkst du mir zu,
Siehest jeden Tritt und Schritt,
Was ich thue, was ich lasse,
Gehst auf allen Wegen mit,
Daß mich nie ein Unheil fasse.
Auge Gottes, hell und klar,
Schauest tief in meine Seele,
Siehest, wo ich irr' und fehle;
Hilf mir, nimm mein treulich wahr!

 


 


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