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Nachwort.

»Helle Wandertage waren,
Helle Wandertage winken ...«

(Franz Herold »Stilleben«: »Wandertage«.)

Der Lyriker Franz Herold ist längst und weit bekannt. Jedoch zum erstenmal legen wir hier einen geschlossenen Band seiner Prosa und zwar seine Reiseerlebnisse und -erinnerungen in die Hände seiner Freunde und derer, die es werden sollen. Auch in der ungebundenen Sprache, sei sie nun wissenschaftlich streng gerichtet, wie in seinem »Ausflug nach Ober-Ägypten« oder leichtere Erzählform wie in seinen anderen Reiseschilderungen, ist er Meister. Wohl haftet ihr ein Unterton der gleichen Herbheit an wie seinem Wesen, doch auch die gleiche Klarheit, Tiefe und Gründlichkeit. Und da es ein gottbegnadeter Dichter ist, dessen Augen all die bunte Reihe sonnenglutiger Länder des südlichen Europa und des nördlichen Afrika bis weit den Nil hinauf und westwärts in den Atlantischen Ozean hinein schauten, so ist natürlich auch alles mit den feinen Lichtern und der farbenfrohen Blumenpracht seiner lyrischen Kunst überstreut ...

Hier ist die Stelle, wo über Franz Herolds äußeren Lebenslauf so viel zu sagen ist, als es mir sein tiefbescheidenes, ja keusches Wesen überhaupt gestattet, das sich nur widerwillig, zumal gar mit persönlichem, in die Öffentlichkeit stellen läßt.

Franz Herold ist als Sohn eines wohlhabenden Bürgerhauses am 15. Februar 1854 in Böhmisch-Leipa geboren. Mit besonderer Liebe hing er an seiner Mutter, der er als schönstes Gedenken seine »Ernte« E. Pierson, Leipzig. (1908) widmete und in dieser ein wehmütiges Denkmalgärtlein, über das er dankend viel »weiße Rosen« streute. Die Mittelschulbildung erwarb er sich auf dem Gymnasium seiner Vaterstadt, die Hochschuljahre sahen ihn auf der Prager deutschen Universität, wo er sich als fröhlicher Farbenstudent betätigte. Als dann die goldene Herrlichkeit vorüber und das Philisterium da war, wirkte er als Professor für Deutsch, Geschichte und Geographie vorerst in Budweis, Kremsier, Prag, und schließlich am Akademischen Gymnasium in Wien, ein strenger, aber ein menschlicher Lehrer.

Hier war es auch, von wo – abgesehen von seiner ersten Italienreise, die er schon von Prag aus unternommen – seine späteren Reisen ihren Ausgang nahmen, der große Ausflug nach Ober-Ägypten (und Griechenland) noch während seiner Schuldienstzeit, die nächstfolgenden bereits während seines Ruhestandes, in den er 1908 trat. Siehe die soeben auch im Schulbücherverlag erschienenen neuesten lyrischen Gedichte und Sprüche, Nachwort. Studienzwecke waren ihr erster Anlaß und vor der eben erwähnten Ägyptenreise verschaffte ihm sogar der damalige Unterrichtsminister Dr. Ritter v. Hartel, dessen Namen hier im Verein mit dem des Landesschulinspektors Dr. August Scheindler in Ehren genannt sei, Urlaub und ein Reisestipendium. Doch wie es wohl schon manchem erging, der einen Dichter auf Studienreisen schickt, so auch hier den beiden Gönnern: zwar hat Herold gewißlich mit wissenschaftlichem Ernst und Auge Hellas und Rom und die versunkene Welt Alt-Ägyptens angeschaut und über diese letztgenannte Reise den Nil hinauf sogar auch im Programm des Akademischen Gymnasiums vom Jahre 1902 das Gesehene und Empfundene unter großen Gesichtspunkten und streng wissenschaftlich in seinem schon mehrfach erwähnten »Ein Ausflug nach Ober-Ägypten« niedergelegt (der auch in den vorliegenden Band aufgenommen ist); doch zu einer eigentlichen wissenschaftlichen Ausbeute ist es nicht gekommen. Um so größer war die dichterische Ernte all dieser frohen und befreienden Wanderfahrten in sonnenreiche Himmelsstriche dreier Erdteile. Indem diese Reisen nordsüdlich durch Europa bis tief nach Afrika hinein und ostwestlich von Syrien bis auf die Kanarischen Inseln seinen äußeren Blick ausdehnten und seinen inneren Menschen weiteten und bereicherten, gaben sie auch dem Dichter in ihm viel Anreiz, das heimatliche mit dem Fernen, das Engste mit dem Weiten zu verbinden und schufen so an seiner dichterischen Persönlichkeit mit, die ebenso, wie ihr nichts Menschliches fremd ist, nichts Kleinliches und Gegrenztes kennt, sondern mit der gleichen Andacht vor der kleinen Alpenblume kniet wie kühn in die fernsten Zeiten zurück und in die Unermeßlichkeit des Weltraumes hinausfliegt ...

Herold ist weit herumgekommen. Schon 1893 hatte er, wie wir hörten, Italien und Sizilien gesehen, 1898 bereiste er wieder Italien und unternahm im gleichen Jahre den eben genannten großen »Ausflug« nach Ober-Ägypten und Griechenland (wo er sich einer Studiengesellschaft anzuschließen hatte); 1908 flog er der Wanderschwalbe gleich die Nordküste Afrikas (Tunis, Algerien) entlang über die Balearen und Südfrankreich nach Korsika. In den Jahren 1909 bis 1910 weilte er auf den Kanarischen Inseln und in Südspanien, wo er andächtig vor der großen, versunkenen maurischen Kunst stand. 1911 zog es ihn abermals nach Ägypten, dann nach Syrien und letztlich nach Konstantinopel. 1912 finden wir ihn an der Riviera und wieder in Südfrankreich und hernach in Paris. Korfu wählte er 1913 zum Reiseziel zugleich mit Sizilien. Und selbst noch in der ersten Hälfte des Weltunglücksjahres 1914 wanderte er wieder in Italien, in Rom und an der Riviera.

Viel sinnige Erinnerungsschätze an diese vielen Länder birgt sein trautes Dichterheim in Penzing. Die schönsten aber, die seine Seele mit heimführte, geben wir hiemit an die lesende und – lernende Welt hinaus. Wir haben alles unverändert gelassen, wie es schon seinerzeit in mehrerlei Zeitschriften aus der Druckerschwärze stieg: es sollte von dem feinen Duft und Schmelz, der über allem liegt, nichts verloren gehen. Der Geschichte mitlebende Leser wird ja leicht zu deuten vermögen, wenn sich vielleicht weit hinten in der Türkei oder am afrikanischen Nordmeer eine Kleinigkeit verschoben haben sollte.

Wie Herold wanderte und reiste, das sagt er uns an vielen Stellen seiner erinnerungsschweren Bücher, so zum Beispiel im »Stilleben« (»Kreislauf«):

»Ich sprang, ein Quell, die Weiten ahnend,
Aus Wald und Busch zur Welt hinaus,
Ich sucht', ein Fluß, den Weg mir bahnend,
Des Meeres ewig Vaterhaus;
Ich kehr' auf feuchten Windesflügeln
Aus rauhem, ruhelosem Meer
Zu meiner Jugend Waldeshügeln
In meine Kinderheimat her.«

Man darf auch hier (wie im Nachwort zu den soeben im gleichen Verlag erschienenen neuesten Gedichten »Aus Einsamkeit und Zeit«) mit Freude feststellen, daß er trotz seiner weiten und vielen Reisen der Heimat, des eigenen Volkes und Vaterlandes nie vergessen hat, auch da ein Vorbild für viele. Und indem Franz Herold das Wandern auf der Erde oft für ein Gleichnis mit dem Menschenleben nimmt, hebt er selbst alles, was er sah und schrieb, in jenen großen Zusammenhang hinauf, in dem sich unser Ausgang und unser Ende treffen, und gibt so auch seiner Prosa einen Sinn, der nicht für den Tag ist.

Auch von ihr mußte, wie es im Nachwort zu den soeben genannten Gedichten beklagt steht, viel Wertvolles zurückbleiben, weil uns sonst Raum und Rahmen viel zu eng geworden wären. Doch auch hier darf ich (wie im erwähnten Nachwort) der festen Zuversicht Ausdruck geben, daß der emsige Förderer und Freund der beiden neuen Heroldbücher, Herr Regierungsrat Franz Drexler im Verein mit Herrn Dr. Heinz Kindermann vom Unterrichtsministerium (Volksbildungsamt) unsere Pläne, auch die zurückverbliebene Prosa, zuvörderst »Aus dem Tagebuch eines Lehrers«, das heimatlichen Beruf und seine Freuden und Leiden und Griechenlandfahrten und italienische Reise beschreibt, bald der Öffentlichkeit schenken zu können, nicht minder freundlich unterstützen wird. So kommt es dank jener Männer und Ämter Die erste Anregung der Herausgabe neuer Herold-Dichtung stammt übrigens von Rudolf Kuthmayer, dem Obmann der Franz Keim-Gesellschaft-Wien. nicht dazu, daß das bittere Heroldwort Geltung behält, das in seinen Sprüchen steht:

»O köstlicher Ersatz für ein verleidet Leben:
Nach seinem Tod wird man herausgegeben!« –

Gerne wiederholen wir auch hier wie im Nachwort zur obigen Gedichtausgabe unsern tiefen Dank an Unterrichtsministerium (Volksbildungsamt) und Schulbücherverlag für die Ermöglichung dieses wie des eben erwähnten andern, zur gleichen Stunde erscheinenden Auswahlbandes aus Franz Herolds Schriften. Von einem großen Menschen und seinen Büchern, seinen Kindern, kann die Wirkung nicht klein sein. Und was wäre unserer unseligen Zeit nötiger als Selbstbesinnung, als Verinnerlichung alles dessen, was uns auf den kleinen Wegen der Heimat und den großen Straßen der Welt entgegenkommt?

Mit dem Wunsche, daß dies Buch seine Pflicht tue, wie sie sein Schöpfer stets gegen Mensch und Welt erfüllte, lege ich es in die Hände der Leser: es habe das freundlichste Geschick für viele, viele Jahre!

Wien, im Januar 1924.

Michel Nöbauer.


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