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Biskra.

(1909)

Drei Bodenformen, Pflanzen- und klimatische Gürtel, zeigt von Norden nach Süden das französische Algerien: Fruchtland, Steppe und Wüste; das Fruchtland des Tell, von den vereinzelten Zügen des Kleinen Atlas und deren Ausläufern erfüllt, im feuchten Anhauch des Meeres, mit wohl bewässerten Tälern und Ebenen, das hügelige Hochland der Steppe mit den Schotts, den Salzseen und -sümpfen, mit Halfagras und Weidekräutern, die Fels-, Stein- und Sandwüste der Sahara mit ihren Inseln, den Oasen. Durchquert man die ersten beiden mit der von Algier über Constantine südwärts führenden Eisenbahn, so gelangt man am zweiten Nachmittage, in weit ausgreifenden Kehren rasch abwärts gleitend, vor einen klaffenden Spalt des schroffragenden Dschebel Aures, des Höchsten im Lande, von den Alten »der Schuh des Herakles« genannt, von den Franzosen » la gorge«, die Kehle, von den Eingeborenen mit dem meisten Recht » Foum es Sahara«, »der offene Mund der Sahara«. Denn warm haucht es uns an und wie ein plötzliches Zauberbild schimmern uns durch den Spalt herauf tausend Palmenwipfel im Sonnenschein entgegen. Das ist die Oase El-Kantara, die nördlichste des Erdteiles, und ihr Erzeuger der Wed-Kantara, das Flüßchen, das neben uns her die Schlucht herabrauscht. Weiterhin, und es umfängt uns die Wüste, braungelbe, hügelige Flächen, mit Steingeröll bedeckt, von Trockenbetten zum Wed hin durchschnitten, der uns begleitet, Zeltlager – Duare –, weidende Kamele, Karawanen auf der Straße, die mit uns zieht, und vor uns ein rot leuchtendes, kahles Gebirge. Bis wir auch das im engen Tale durchflogen haben, liegt am Ende der Bahn, auch rechts und links von fernen Bergzügen umfangen, in der Abenddämmerung des ersten Dezembertages die Oase Biskra vor uns, die man die schönste der Sahara nennt, etwa 35 Grad nördlich vom Äquator, 125 Meter über dem Mittelmeer.

Am Morgen des nächsten Tages weckt uns ein häßliches, unwilliges Gebrüll – von Kamelen, die, eine ganze Herde, neben unserem Hotel im Freien genächtigt haben. Schon aber flammt uns auch die Sonne ins Zimmer, in nie gesehener Pracht. Es ist, als würden tausend goldene, blitzende Speere in den tiefklaren blauen Himmel geschossen. Schon auch fühlen wir den warmen Strahl im Zimmer, auf dessen Balkon wir eben zuvor 6° C abgelesen haben. Und nun hinaus in diese fremde Welt, sie zu erobern!

Auch diese Oase entstammt dem Flüßchen, das, gestern noch Kantara genannt, heute der Wed-Biskra heißt. Genau im Nordpunkte des Stadtgebietes tritt er ein, bei dem französischen Fort Saint-Germain, das imstande wäre, den Birkri das Wasser abzuschneiden, dessen Regulierung weiter oben ein gleichfalls durch eine Befestigung geschütztes Stauwerk besorgt. In Kanäle und Gräben gezwängt und dahin und dorthin zerteilt, muß er nun Arbeit leisten, während sein jetzt wasserleeres breites Kieselbett die Stadt im Osten begleitet. Das füllt sich erst wieder vorübergehend bei Schneeschmelze oder Gewittergüssen in seiner Gebirgsheimat. Südlich der Oase finden sich dann die nicht verbrauchten Gewässer wieder in ihm zusammen, um 100 Kilometer weiter im Schott Melrir, 31 Meter unter der Meeresfläche, auszuruhen, hier vom Fort aus verbreitet sich eine regelmäßige moderne Stadt, die wir rasch durcheilen, um das südlich sich anschließende alte, das echte Biskra zu finden. Das ist ein ausgedehntes Lehmhäuserdorf im Dattelpalmenwalde. An den Wassergräben hin führen die Wege, hier zwischen den flachgedeckten, oft fensterlosen Hütten, dort zwischen Lehmwänden, darauf dürres Dorngebüsch liegt, häufig sind diese eingefallen und wir blicken in die ebenso abgegrenzten Palmengärten.

Die Dattelpalme ist, voran dem Weizen und der Viehherde, die Haupternährerin der Menschen hier. Zumeist aus Schößlingen gezogen, trägt sie bereits im sechsten Jahr Früchte, gelangt aber erst nach dreißig Jahren zur Fülle, bleibt oft achtzig Jahre fruchtbar und kann zweihundert Jahre alt werden. Im März und April entfaltet sie ihre duftigen Blütenbüschel, im Oktober, November läßt sie an bandartigen, rotgelben Stengeln die schweren reifen Fruchttrauben den Stamm herabhängen. Bis 150 Kilogramm spendet ein ausgewachsener Baum, auf einen Hektar zählt man ihrer, da sie niemals dicht stehen, durchschnittlich 100 mit einem Ertrage von 5000 bis 7000 kg, so daß ein verhältnismäßig geringer Grundbesitz hinreicht, eine Familie dieser genügsamen Menschen zu ernähren, trotz der ziemlich hohen Besteuerung. Die Datteln der Saharaoasen sind die zucker- und stärkemehlreichsten, ein sättigendes Nährmittel und ein Labsal zugleich. Überall tritt hier der Fuß auf Dattelkerne, die in der Not auch noch Kamelfutter werden. Aus den Blättern flicht man Körbe, die Fasern dreht man zu Seilen, die im Wasser nicht faulen, das Holz des Stammes wird in die Lehmhütten verbaut, sein zuckerhaltiger Saft in eine Art Wein verwandelt. Tief dringen die Wasser suchenden Wurzeln ins Erdreich und in der Zeit der Fruchtreife, wo die Luftwärme bis auf 50° C steigt, verlangen sie reichlichen Trank. So steht dieser schlanke, eigenartig schöne Baum, »der König der Oasen« im Bilde des Arabers, »den Fuß im Wasser, das Haupt ins Feuer des Himmels getaucht«, und gewährt großmütig im lichten Schatten seiner wie feines Blech raschelnden Fiederblätter einer ganzen Ansiedlung von Nutzpflanzen Raum und immer noch Sonne genug der Weinrebe, dem Granat- und Feigenbaum, der Olive, der Zitrone und Orange, dem Getreide und Gemüse, was dem Griechen die Gabe der Demeter war, das ist dem Wüstenbewohner die Dattelpalme, die Schöpferin seiner Seßhaftigkeit und höheren Gesittung, und wird es immer von neuem, denn wo es den Franzosen gelingt, das Grundwasser der Tiefe durch Bohrung heraufzuholen, da ergrünt die Palmenoase.

Im Weiterschreiten durch das Gewirre der Dorfgäßchen, an einem muselmanischen Friedhof vorüber, an dessen länglichen Lehmhügeln dicht verschleierte Frauen beten, gelangen wir auf eine Anhöhe, die verfallene Zinnenmauern aus hart gestampftem Lehm trägt, zur alten Kasba. Mächtige Quadern, die noch eine Ecke zusammensetzen, erinnern uns, daß wir auf dem Boden des römischen Bescera stehen, das geradeso die Wüstenstraßen beherrschte, wie heute Biskra, ein Hauptposten der Franzosen auf ihrem Vormarsch nach dem freilich noch sehr fernen Sudan, vor den sich noch das unbegrenzte Reich der wahren Wüstenherren, der Tuaregs, legt. Ein grünes Meer, umwogt uns hier der Palmwald, über dessen sonnenglänzenden Kronen im Westen das ferne Wüstengebirge seine feine Kammlinie auf den blauen Himmel zeichnet. Es ist 10 Uhr vormittags und schon lesen wir 25° C am Thermometer und begreifen die faltige, weiße Kopfhülle der uns begegnenden Einheimischen. Zurückkehrend durch die reiche Oase, die unter ihren 140.000 Palmenbäumen in mehreren zerstreuten Weilern 6000 bis 7000 Menschen beherbergen mag, gelangen wir auf den Markt des Araberviertels, das sich zwischen Alt- und Neu-Biskra als Bindeglied einschiebt. Hier ist reges Treiben, hier liegt zum Tausche, was Oase und Wüste hervorbringen und was die Ferne schickt. Da sind Datteln, in diesem Korbe noch nicht ausgereifte, bräunlich harte, unseren Eicheln ähnlich; in jenem tiefbraune, weiche, glänzende; daneben Orangen, Mandarinen, Zitronen, Getreide, Gemüse; dann Hammel, Ziegen und Gazellen; die rohe Tierhaut, in Stücke und Streifen geschnitten, die das Beduinenweib in Sandalen verwandelt, Wolle, die sie spinnt, grellfarbiger Kattun für sie im zerfetzten Kleid, der Burnus und der weiße Wollmantel mit der Kapuze für ihren Herrn, der sie als gekaufte Sklavin behandelt. Da liegt Brennstoff: Wurzelwerk und Gestrüpp von Wüstenpflanzen, von immer angetriebenen, immer geprügelten kleinen Eseln hereingebracht, die daneben warten, den dicken Kopf schicksalergeben gesenkt, über den zierlichen Hufen gefesselt. Bunt durcheinander wimmeln Araber, Kabylen, Neger, – die ein Lehmhüttendorf für sich bewohnen –, französische Soldaten, die niemals Dienst zu haben scheinen, die einheimischen Spahis und Turkos, die Reiter und Schützen zu Fuß. In und vor den Kaffeehäusern hocken und liegen auf Halfagrasmatten die Wüstensöhne, oft schlafend, die Kapuze noch über den Turban gezogen, oft ins Brettspiel vertieft. Kamele einer eben angelangten Karawane trinken, von ihrer Last befreit, im steingefaßten Troge und schreiten langsam, wiederkäuend dem Fonduk, dem offenen Stalle der Karawanserei zu. Heiß atmet der Mittag und haucht den süßen Duft der gelben Köpfchen an den Akazien im Garten vor unserem Hotel. Es ist gut, im Süden um diese Zeit zu ruhen.

Aber die Reiselust hält uns wach und schon auch brüllt unterm Fenster das bestellte Reitkamel, da es sein Besitzer zu Boden zwingt. Es ist kein liebenswürdiges Tier, das Kamel, als ob es wüßte, daß es unentbehrlich ist. Es äußert seinen Unwillen, wenn es sich legen, es äußert ihn, wenn es aufstehen soll, und wenn es beladen wird, es schweigt überhaupt nur, wenn es unbehelligt schreitet oder liegt. Mit dreimaligem starkem Ruck erhebt es sich unter dem Reiter, indem es sich zuerst vorn auf die Knie stellt, dann rückwärts auf die Hufe, dann auch vorn. Diesmal verlassen wir die Stadt in südwestlicher Richtung auf der Straße, die, die Oase teilweise umringend, später in die von Alt-Biskra nach Tugurt führende uralte Handelsstraße mündet. Eben will eine Karawane dahin abgehen, links von unserer Straße haben sich die Tiere gesammelt, von einzelnen Beduinen dazu vermietet, die nun mitziehen, während das Weib zu Hause spinnt und die Kinder die Herde bewachen. Einige Kamele brüllen heftig und weigern sich aufzustehen, bis die Treiber die ungleich verteilte Last ins Gleichgewicht gebracht haben. Ein anderes bricht aus der Reihe und sträubt sich weiterzugehen, seine Last muß erleichtert werden. Sie tragen Getreide in braunen Säcken, die beiderseits über den Rücken hängen, einige allerlei europäischen Hausrat für die Oasenbewohner des tieferen Südens. Auch Esel mischen sich darunter, auch junge Eselein und Kamele trippeln fröhlich mit, sorglose Kinder, die des Lebens Lasten noch nicht ahnen. Die mageren, sehnigen Treiber sitzen auf oder schreiten neben und hinterher, barfuß oder in Sandalen von Halfagras oder Tierhaut, alle mit dem fleißig geschwungenen Prügel bewehrt, der zähen Rippe des Palmblattes. So ziehen die Tiere, ihrer fünfzig, hell- und dunkelbraune, auch schwarze und weiße, alle ohne Halfter, manches mit dem Wasserschlauch am Packsattel, in lockerem Neben- und Hintereinander, in unerschütterlich gleichem Tempo, hochmütig niederschauend, die Straße dahin. Sie führt noch 4 Kilometer durch Fruchtland, das freilich jetzt kahl daliegt, von Lerchenheeren und Staren überschwärmt; durch seinen lehmigen Boden laufen die trockenen Wassergräben. Reiter in faltigem Mantel, in tiefen Sätteln und schuhartigen Bügeln begegnen uns, die Flinte umgehängt, die untere Gesichtshälfte verhüllt, gegen den Staub am Tage, gegen die Dünste der Erde am Morgen und Abend, sagt der Führer. Von einem toten Tiere dort, Pferd oder Esel, erhebt sich eine Schar Kolkraben, einige Hunde ziehen sich scheu eine Strecke weit zurück, uns mit lauernden Blicken folgend. Sie alle finden hier einen reich besetzten Tisch. Denn der gemeine Araber nutzt sein Tier ohne Erbarmen aus, ob es Pferd, Kamel oder Esel heiße. Und beherrscht es doch unbeschränkt. Sie stehen einander eben näher und kennen einander ganz. Eine Karawane kommt uns entgegen, ein starkes Tier den anderen voran. Scheu mustern sie die fremdartige Erscheinung, manches drängt sich seitwärts. Ein leises Ächzen geht von ihnen aus, sie tragen in flachen Holzkisten, beiderseits zwei, die köstlichen Datteln von Tugurt. Wenn nur der Sandsturm ruht; denn der bläst die unendlich feinen Körnchen überall hin und der Esser beißt dann in Sand. Die Datteln von Biskra, die mit der Bahn reisen, sind dagegen verwahrt. Linkshin hat sich die Getreidekarawane gezogen, von fern eine dunkle Raupe, wir ziehen geradeaus. Sieh da, kleine, gelbweiße, grauweiße Hügel überall, wie erstarrte Schaumwellen. »Le desert,« sagt der Führer mit Bedeutung, die Wüste, die Sandwüste. Die Hügel runden sich immer sanfter, stehen immer höher und dichter, über ihre blendenden Flächen laufen unzählige, langhin geschwungene, schattende Fältchen, die Wege, darin der Wind lief. Dunkelnde Täler ruhen zwischen ihnen. Das sind die Dünen, denen an der Nord- und Ostsee vergleichbar und den Schneewehen der Heimat. Sie waren unser Ziel und wir freuen uns nun, in dem quellenden Sande zu waten, der ewig wandert und die Form wechselt, und einen felsigen Rücken zu besteigen, der uns einen großen Blick gewährt auf die fernen Bergzüge drüben, auf ein kesselartiges Wüstental unter uns mit Zeltlagern und weidenden Kamelen und auf unser nun 7 Kilometer entferntes Biskra. – Heimkehrend überholen uns zwei französische Offiziere auf hochbeinigen Rennkamelen, Dromedaren. Sie haben es besser als der Fremde, der ohne Reitsattel und -Bügel seine steifen Beine herabhängen lassen muß, wo sie die ihrigen behaglich um den vorderen schlanken Knauf ihrer Sättel herum auf dem Halse des Kamels ausruhen lassen. Eine Nomadenfamilie begegnet uns, die den Wohnsitz wechselt. Der Mann auf dem Schimmel, – das ist die Mehrzahl der Pferde hier – das Weib mit dem Säugling auf einem Kamel unter einem Baldachin, der große Junge zu Fuß, der kleine auf einem Esel, einige Kamele mit Zelt und Habe. Wie leicht mag ihm zu Mute sein, wie mag er unsereinen verachten! Kamelherden ziehen von der Weide heim, ihre langen Schatten ziehen mit. Aus den Nomadenzelten steigt Rauch auf, da das Weib das Kuskus, die Abendmahlzeit aus Weizen oder Gerste, bereitet. Immer drängender treibt mein Führer das Kamel an, die Sonne scheint rascher nach dem Kamme des westlichen Gebirges zu fallen. Da fließt eine wunderbare sanfte Farbenstimmung über die Welt, die vorderen Flächen erscheinen goldig, ein reifendes Weizenfeld, die näheren Hügelketten kupferrot und braun, die fernen Berge in violettem Duft. Strahlenschießend ist sie hinabgetaucht, auf den goldenen Abendhimmel werfen die ersten Palmen, die uns begegnen, ihre dunklen Schattenrisse und auf einmal ist es grau und kühl geworden. Gleich wird uns auch verständlich, warum die Eingeborenen immer den wollenen Mantel über der Schulter tragen, nach ihrem Sprichwort: Was für die Hitze gut ist, ist es auch für die Kälte. Im Dunkel sind wir zu Hause. Trotzdem war der Wintertag, weil näher dem Äquator, länger als in der Heimat. Wieder nächtigen neben unserem Hotel vielleicht 60 Kamele; den Ober- und Unterschenkel eines Vorderbeines wie ein Taschenmesser zusammengebogen und gefesselt, liegen sie wiederkäuend, indes die Treiber bei kleinen Feuern hocken. Leicht sinkt die Temperatur in dieser Jahreszeit nahe zum Gefrierpunkte. Durch den klaren Himmel aber wandern die Sterne in einem Glanze wie wohl selten bei uns.

Die Tage hier sehen einander sehr ähnlich und bringt doch jeder seine eigenen Gaben. – Da dringt die Steinwüste bis zum Bahnhofe vor, die Weide der Kamele, Schafe, Ziegen und der mattfarbigen, zottigen Zwergrinder, wo doch das Auge von fern nichts sieht als Steine. Aber da stehen Grasbüschel mit harten Blättern, Dornsträucher und Salzkraut und lugt das kleine Wunder der »Rose von Jericho« hervor: ein spannenhohes Pflänzchen, grau, lederartig, an den Zweiglein harte Knöspchen, abgestorben, scheint es. Aber laß nur den Frühlingsregen niedergehen, da erschließen sich im Augenblicke die Knöspchen, ein Blumenröslein hat sich aufgetan, freilich entfärbt, und läßt den feinen Samen, den es monatelang so geschützt hat, in die nun warme, feuchte Erde wehen. Da wieder liegen faustgroße, grünliche Bälle umher, an welken Ranken. Das sind die Früchte der Koloquintengurke, die durch lange Wurzeln das Grundwasser heraufsog und breite Blätter und saftige Früchte trieb. Schüttle eines am Ohr und du hörst die Samenkerne darin klappern. Auch sie warten auf den Frühlingsregen. Ein bräunliches Vöglein, die Wüstenlerche, fliegt piepend, satzweise vor dem Wanderer her, darin unserer Haubenlerche ähnlich; er folgt ihr auf der alten Straße nach Elkantara und Batna nordwärts und gelangt so, an weißen, salpeterbedeckten Flächen vorüber, auf den roten, weithin schauenden Felsberg Col de Sfa, auf dem schon Strabo stand und die ringsum zerstreuten Oasen die Flecken auf dem Pantherfell der Wüste nannte, und es lockt ihn, auch sie zu betreten. Im Niedersteigen erblickt er einen fernen Palmenhain dort, wo er ihn gestern doch nicht fand, von der Fata morgana hingezaubert. Es reizt ihn auch, die Zelte der Beduinen anzuschleichen, im Kampf mit den halbwilden Hunden und wohl auch von den zankenden Weibern und bettelnden Kindern verfolgt. Alte Moscheen laden zum Besuch, der hier nirgends verwehrt ist; in Sidi Okba, 20 Kilometer weit, die älteste Algeriens, in einer Lehmstadt, die gar nichts von Europa weiß. Das muselmanische Kunstgewerbe legt seine ebenso zierlichen als zweckmäßigen Waren aus, ein Pferderennen, vom französischen Offizierskorps veranstaltet, führt Hunderte der Wüstensöhne auf ihren feurigen Tieren von weither zusammen. Wenn der Reiter wartend so auf dem Boden hockt, sein Pferd, das den Kopf hängt, am Zügel haltend, wie müde und mutlos sehen da beide aus. Wenn er aber nun aufsitzt und mit dem breitbrüstigen Hengste dahinstürmt, daß der Mantel in der Staubwolke weht, ein Wesen mit ihm, so möchte man jauchzen zu diesem Bilde der Kraft und Schönheit.

So sieht der nachdenkliche Wanderer überall Pflanze, Tier und Menschen dieser Natur, ihrer Mutter, angeschmiegt und ihren Wandlungen angepaßt, um ihr eigentümliches Dasein zu erhalten und fortzusetzen; er begreift diese Menschen in ihrer Lebensweise und Sitte, mit ihren Fehlern und Vorzügen, mit ihrem Glauben, dem Islam, der, ja auch ein Bruder dieser Menschen, ihr Gemütsbedürfnis befriedigt und ihr Leben regelt, wie es keine fremde Religion vermöchte. Der Monat Dezember ist ja auch so still in Biskra, nur eine Handvoll Fremder hier und nichts stört den Beschaulichen als etwa die liebevolle Aufmerksamkeit der französischen Offiziere und Gendarmen, die in jedem Deutschen – und deutsch und österreichisch ist ja so schwer zu unterscheiden – einen Spion wittern, einen dreifach gefährlichen, wenn er eine Lichtbildkammer umgehängt trägt. Im Frühjahr aber, wenn die Tage und Nächte zum Gleichgewicht streben, wenn Saatengrün den Palmenwald umfängt und die Palmen blühen wollen, da fällt ein dichter Schwarm fremder Vögel in Biskra ein, das vor Langweile gähnende, nach Zeitvertreib hungernde fashionable Reisepublikum. Dann wetteifern die als geldgierig verschrienen Araber, Händler, Führer, Bettler, Vermieter von Reittieren und Wagen, mit den europäischen Hotelwirten und deren in allen Methoden geschultem Personal, die Vögel zu rupfen, ohne einander doch je übertreffen zu können. Aber wenige Wochen nur und der Spuk ist verflogen, die Saison zu Ende, die meisten Hotels geschlossen und das Leben der Menschen bewegt sich wieder in den Bahnen allein, die ihm die ewige Natur vorgeschrieben hat.


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