Unbekannte Autoren
Tausend und eine Nacht. Band XXII
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Die Geschichte des Prinzen Habîb und der Herrin Durret el-Ghawwâs.

Man erzählt, – jedoch kennt Gott allein am besten sein Mysterium und weiß, was in den Annalen der Menschen zuvor geschah und stattfand, – daß in alten Zeiten und längstentschwundenen Tagen unter den Araberstämmen ein Stamm lebte, die Banû Hilâl geheißen, deren Häuptlinge der Emir Hilâl und der Emir Salâme waren. Nun war dieser Emir Salâme ein überaus betagter Scheich, ohne daß ihm ein Kind beschert worden war; dabei war er ein wackerer Herrscher, gebieterisch, ein Wehrer der Feinde und ein edler Ritter von stattlicher Erscheinung. Er zählte an tausend Reiter der namhaftesten Degen und er gelangte zur Oberherrschaft über sechsundsechzig Araberstämme. Eines Nachts nun, als er in des Schlummers Süße schlafend lag, redete eine Stimme zu ihm und sprach: »Steh' allstund auf und erkenne dein Weib, denn es soll mit Gottes, des Erhabenen, 155 Erlaubnis schwanger werden.« In solcher Weise in seiner Ruhe gestört, sprang der Emir auf und suchte seine Gemahlin Kamar el-AschrâfDer Mond der Edeln. heim; sie aber ward durch seine Umarmung schwanger, und, als ihre Tage ein Ende nahmen, gebar sie ein Knäblein gleich dem Mond in der Nacht seiner Fülle, der nach seines Vaters Bestimmung den Namen HabîbGeliebter, Liebling. erhielt. Und wie die Zeit dahinstrich, freute sich sein Vater seiner in ausnehmender Freude und erzog ihn aufs beste und befahl ihnen, ihn den Koran lesen zu lehren zugleich mit den ruhmvollen Namen Gottes, des Erhabenen, und ihn in der Schreibkunst und allen andern Künsten und Wissenschaften zu unterweisen. Alsdann verlieh er den Lehrern Ehrenkleider und schenkte ihnen Geld und Gewänder; und sie hatten den Sultan Habîb, als er das siebzehnte Lebensjahr erreicht hatte, zum einsichtsvollsten, scharfsinnigsten und kenntnisreichsten Jüngling unter den Söhnen seiner Zeit gemacht. Die Leute bewunderten in der That seinen umfassenden Verstand und sprachen bei sich: »Sicherlich wird dieser Jüngling zu hoher Würde gelangen, die Männer von höchstem Verstand laut rühmen werden.« Er konnte nämlich die sieben Schönschriften schreiben, Traditionen erzählen und Verse machen; und einst als sein Vater ihn bat, Verse zu improvisieren, um zu sehen, was herauskommen würde, sprach er:

»Mein Vater, Herr bin ich des Wissens, das Menschen wußten und wissen,
Mein Inneres hab' ich mit Wissen und wahren Mären erfüllt.
Fort und fort wiederhol' ich, was dieses Gedächtnis an Wissen bewahrt,
Und wie Rubinen und Perlen erscheint meine Handschrift dem Aug'.«

Da verwunderte sich der Emir Salâme über die Feinheit des Ausdrucks seines Sohnes; als aber die Häupter des Stammes seine Verse und Prosa vernahmen, standen sie erstaunt über ihre Trefflichkeit da, während der Vater sein 156 Kind an seine Brust zog und sofort seinen Erzieher vor sich befahl. Er erwies ihm nicht nur die höchsten Ehren sondern schenkte ihm auch vier mit Gold und Silber beladene Kamele und setzte ihn über einen der ihm unterworfenen Araberstämme, indem er zu ihm sprach: »Fürwahr, du hast wohlgethan, o Scheich; so nimm dies Gut und ziehe damit zu dem und dem Stamm, ihn in Gerechtigkeit und Billigkeit bis zu deinem Todestage zu regieren.« Der Erzieher erwiderte jedoch: »O König der Zeit, ich kann auf keine Weise deine Gabe annehmen, da ich nicht zum Menschengeschlecht gehöre sondern vom Geschlecht der Dschinn bin; auch bedarf ich weder des Geldes noch der Herrschaft. Wisse, mein Herr, vordem saß ich als Kadi unter den Dschinn und thronte als König inmitten der Dschânn, als eines Nachts eine Stimme im Schlaf zu mir redete und also zu mir sprach: »Stehe auf, begieb dich zum Sultan Habîb, dem Sohn des Emirs Salâme, des Beherrschers der den Banu Hilâl botmäßigen Araberstämme, und werde sein Lehrer und unterweise ihn in allen unterweisbaren Dingen; und, so du dich weigerst, hinzugehen, reiße ich dir die Seele aus dem Leib.« Als ich dies Wundergesicht in meinem Schlafe hatte, erhob ich mich allstund und begab mich zu deinem Sohn, zu thun, wie ich geheißen war.«

Als der Emir Salâme die Worte des Scheichs vernahm, beugte er sich vor ihm nieder und küßte seine Füße, indem er rief: »Gelobt sei Gott, der dich uns in seiner Huld beschert hat! In der That dein Kommen zu uns war ein gesegnetes, o Kadi der Dschânn.« Hierauf fragte der Erzieher: »Wo ist dein Sohn?« Der Vater versetzte: »Er ist zur Stelle, zur Stelle.« Alsdann ließ er sein Kind vor sich kommen und, wie nun der Erzieher seinen Zögling anblickte, weinte er bitterlich und rief: »Von dir zu scheiden, o Habîb, fällt uns schwer.« Dann fügte er hinzu: »Ach, wüßtet ihr alles, was bald nach meinem Fortgang, wenn er fern von mir ist, diesem Jüngling widerfahren wird!« Da fragten 157 alle in der Versammlung Anwesenden den Scheich und sprachen:

»Und was, o Scheich, wird allstund geschehn?«
Er sprach; »Der Wunder schlimme werdet ihr sehn.
Doch mag ich's nicht sagen, mir fehlt der Mut.«
Da nahte Habîb dem Lehrer gut,
Und der Alte preßte ihn fest ans Herz
Und küßte die Wang' ihm und schrie vor Schmerz.«

Alle wurden verwirrt und bestürzt beim Anblick dessen, was der Scheich that, als dieser plötzlich vor ihren Augen entschwand und nicht mehr gesehen ward. Der Emir Salâme aber redete nun seine Mannen an und sprach: »O ihr Araber, wer weiß da, was alsbald meinem Sohn widerfahren wird? Ach hätte ich doch einen, ihm Rat zu geben!« Die Senioren und Ratgeber erwiderten: »Wir wissen keinen.« Der Sultan Habîb bekümmerte sich jedoch über das Verschwinden seines Lehrmeisters und sprach bitterlich weinend: »O mein Vater, wo ist mein Erzieher, der mich in jeglichem Wissen unterwies?« Der Emir erwiderte: »O mein Sohn, an einem der Tage nahm er Lebewohl von uns und verschwand mit einem lauten Aufschrei, so daß er nicht mehr von uns gesehen ward.« Da sprach der Jüngling die Verse:

»Von den Uebeln, vor denen mir bangte, bin ich nun schwer gequält,
Von Trennung und trüben Gedanken, bei denen die Seele klagt.
O schwere Trübsal in meinem Innern, die nimmer weicht,
Nie soll die Liebe zu ihm aus meinem Herzen vergehn.
Wohin zog der Mann so hochgemut, der mit Wissen mich schmückte?
Ach weh, o mein Vater, o weh mir, was ist geschehn?«

Als der Emir Salâme diese Verse vernahm, vergoß er samt allen Anwesenden Thränen und sprach zu seinem Sohn: »O Habîb, wir sind durch sein Thun schwer bekümmert.« Der Jüngling aber klagte: »Wie soll ich die Trennung ertragen von einem, der mich erzog und zu Ruhm und Ehren und zu hohem Rang beförderte?« Alsdann sprach er die Verse:

»Fürwahr, meines Herzens Leid ist schwer,
Und Wachen verscheucht aus dem Aug' mir den Schlaf. 158
Ihr zogt, meine Herren, von mir hinfort
Und ließt einen Liebenden klagend zurück.
Ich weiß nicht, wo in der Welt ihr weilt,
Und wie lang ich's, wo keiner mir nah, ertrag'.
Ihr gingt, und mein Auge beweint euer Gehn,
Und mein Leib ist verzehrt und mein Herz verdorrt.«

Während nun aber der Emir Salâme auf seinem Ehrensitz saß und Sultan Habîb in der Gegenwart seines Vaters Verse sprach und Thränen vergoß, vernahmen sie plötzlich eine Stimme, ohne jemand zu schauen, worauf der Jüngling wieder in Thränen ausbrach und rief: »O mein Vater, ich brauche jemand, der mich die Ritterschaft lehrt und die Weise von Hieb und Stich und Ansprung und Weichen und Speerkampf und Spornen auf dem Plan; denn mein Herz sehnt sich nach hochgemutem Thun als Reiten im Vortrab und Streiten mit freislichem Degen und Reitersmann.« Während sie aber noch miteinander sprachen, erschien plötzlich vor ihnen eine Gestalt mit rundem Haupt, von riesigem Wuchs und fürchterlich, mit weit entfaltetem Turban, deren breite Brust gewappnet war mit doppeltem Panzerhemd von vielen engmaschigen Ringen nach dem Muster Davids des Propheten – Frieden sei auf ihm! In seiner Hand trug er eine Keule, gehauen aus hartem Felsenblock, deren Schlag vierzig der wackersten Degen Einhalt geboten hätte, und umgehangen hatte er eine indische Klinge, die im Griff der Hand zitterte, und mit ruhender Samharīlanze ritt er auf einem schwarzpunktierten Braunen, der unter den Araberrossen seinesgleichen nicht fand. Nun hielt er wie ein Vasall vor dem Emir Salâme und entbot allen den Salâm und begrüßte die Anwesenden, mochten sie stehen oder sitzen. Sie erwiderten seinen Salâm, und die Pagen eilten, ihm von seinem Roß herunterzuhelfen. Nachdem sie dann eine geschlagene Stunde gewartet hatten, damit er ein wenig der Ruhe pflegen könnte, trat der fremde Rittersmann und freisliche Degen vor und sprach: »O Emir, ich kam hierher, deinen Wunsch, den du äußertest, zu erfüllen; wenn dir dies 159 beliebt, so will ich deinen Sohn im Streit und Gefecht und in der Tüchtigkeit auf der Schwert- und Lanzenstätte unterweisen. Zuvor möchte ich jedoch deine Geschicklichkeit in der Ritterschaft erproben; tritt daher, o Emir, als Einzelkämpe auf dem Plan an, wo ich dir zeigen will, was Ritterschaft heißt.« Der Emir entgegnete: »Ich höre und gehorche; wenn du den Zweikampf mit uns begehrst, so wollen wir dich nicht abweisen.« Da sprangen die Scheiche und Hänptlinge auf und riefen: »O Emir, um Gott, tritt diesem Ritter nicht im Streit entgegen, denn du weißt nicht, ob er ein Mensch oder Dschinnī ist; laß dich daher nicht durch seine Listen und Fallen fangen.« Der Emir versetzte jedoch: »Laßt mich heute dieses Ritters Ritterschaft erschauen und wisset, so er mir überlegen ist, so ist es ein Ritter, mit dem sich niemand messen kann.« Mit diesen Worten erhob sich der Emir und begab sich in sein Zelt, wo er den Sklaven befahl, die beste seiner Halsbergen hervorzuholen; als ihm dann diese alle vorgelegt wurden, erwählte er ein Davidisches Panzerhemd von vielen engmaschigen Ringen und zog es an, worauf er einen Indierstahl umhängte, hättest du damit einen Felsen gehauen, du hättest ihn zerspalten, und hättest du damit einen Hügel getroffen, du hättest ihn eben gemacht wie einen Plan. Dann nahm er eine Rudeinīlanze von Chatt Hajar in die Hand, dreißig Ellen lang, auf deren Kopf ein Speereisen wie eine Basiliskenzunge saß, und zum Schluß befahl er seinen Sklaven ihm sein Schlachtroß zu bringen, das der flinkhufigste aller Renner im Wettlauf war. Alsdann traten die beiden Kämpen auf dem Plan an, begleitet von den Stammesgenossen, von denen keiner, Groß oder Klein, im Lager verblieb, aus Verlangen dem Kampf dieser Degen zuzuschauen, die beide wie reißende Löwen waren. Zuerst redete jedoch der fremde Rittersmann seinen Gegner an und sprach mit freier und wohlberedter Zunge: »Ich will mich mit dir messen, o Emir Salâme, wie sich Degen messen; hüte dich daher vor mir, denn ich bin's, der die Degen 160 allzumal gefällt hat.« Nach diesen Worten setzte jeder wider seinen Gegner und die beiden Kämpen bedrängten einander geraume Zeit; der Rabe von Hieb und Stich krächzte über dem Streitgefild, und sie tauschten Hieb um Hieb mit dem Indierstahl und stießen und stachen mit dem Chattispeer, und mehr als eine Klinge und ein geschmeidiger Lanzenschaft ward zersplittert und zerspellt, während alle Stammesgenossen beiden zuschauten. So ließen sie nicht ab wider einander loszusprengen und zurückzuweichen, einander zu nahen und sich zurückzuziehen und anzugreifen und abzuwehren, bis ihnen die Arme schmerzten und ihr Eifer erlahmte. Und schon zeigte sich bei dem Emir Salâme etwas von Müdigkeit und Ermattung; wie er jedoch seines Gegners Geschicklichkeit im Turnei und Strauß gewahrte, sah er zu, alle seine Schwertstreiche mit der Tartsche aufzufangen. Als ihn schließlich jedoch Mattigkeit und der Verlust seiner Kräfte zu stark überkamen, so daß er merkte, daß er nicht länger imstande war zu kämpfen, hemmte er seinen Eifer und zog sich aus der Hitze des Gefechts zurück. Da stieg der fremde Rittersmann ab und, dem Emir zu Füßen fallend, küßte er sie und rief: »O König der Zeit, ich kam nicht hierher mit dir zu kämpfen, sondern nur in der Absicht deinen Sohn, den Sultan Habîb, die vollendete Waffenkunst zu lehren und ihn zum Ritter seiner Zeit zu machen.« Salâme versetzte: »Fürwahr, o Ritter der Zeit, du hast in deiner Rede schön gesprochen; auch ich hatte nicht die Absicht mit dir zu fechten und mich mit dir auf dem Plan zu messen. Nein, mein einziger Zweck war, meinen Sohn anzuspornen, den Kampf und das Gefecht zu lernen und den Angriff der himjarischen Helden wacker zu bestehen.« Alsdann stiegen die beiden ab und jeder küßte seinen Gegner, worauf beide zum Stammeslager zurückkehrten, und der Emir befahl dasselbe und alle Wohnungen der Araberstämme aufs schönste auszuschmücken; dann schlachteten sie die Opfer und richteten Bankette an, und den ganzen Tag über schmausten und zechten die Stammesgenossen 161 und speisten die Wanderer und Wegfahrer und alle Armen, Elenden und Bedürftigen. Als man aber dem Sultan Habîb über jenen fremden Ritter Auskunft gab, wie er seinen Vater auf dem Gefechtsplan überwunden hatte, begab er sich zu ihm und sprach: »Der Frieden sei auf dem, der aus Verlangen nach uns herkam und nach unserer Gesellschaft trachtete! Wer bist du, wackerer Degen und Feindbezwinger im Gefecht?« Der andere versetzte: »Wisse, Habîb, Gott hat mich zu dir entsandt.« Nun fragte Habîb: »Und wie ist dein Name?« Er entgegnete: »Ich heiße El-Abbûs, der mit der grimmgerunzelten Stirn.« Da sagte Habîb: »Ich sehe dich lächelnden Antlitzes, während dein Name deiner Natur widerspricht.«

Hierauf übergab der Emir Salâme seinen Sohn dem neuen Lehrer und sprach zu ihm: »Ich wünsche, daß du mir diesen Jüngling zum Degen seiner Zeit machst.« Der Fremde erwiderte: »Ich gehorche zunächst Gott und dann dir und will deinem Sohn Habîb dienen.« Nachdem dies abgemacht war, begaben sich der Jüngling und der Lehrer jeden Tag auf den Plan, und nach einer Weile war Habîb der beste Mann seiner Zeit im Streit und Gefecht geworden. Als dies sein Lehrer sah, sprach er zu ihm: »Wisse, o Sultan Habîb, du wirst Gefahren und Schrecknisse und Abenteuer zu bestehen haben, die niemand zu beschreiben vermag, und du wirst bei dir sprechen: »Ach hätte ich solches nie erschaut und wäre ich frei davon! In alle Drangsale und Schrecknisse sollst du geraten, bis du mit der schönen Durret el-GhawwâsDie Perle des Tauchers. vereint bist, der Tochter der Königin Kamar es-Samân.« Sobald aber Habîb diese Worte in betreff Durret el-Ghawwâs' vernahm, verwirrten sich seine Sinne, und verstört sprach er zu El-Abbûs: »Ich beschwöre dich bei Gott, ist das Fräulein ein Menschenkind oder gehört es zur Sippe der Dschinn?« El-Abbûs versetzte: »Sie ist eine Dschinnîje und sie hat zwei 162 Wesire, einen vom Menschengeschlecht und den andern vom Geschlecht der Dschinn, die all ihre Herrscher beherrschen, und tausend Eilande der See sind ihr unterthan, während eine Schar von Seijiden und Scherîfen und Großen zusammengeströmt ist, sich um sie zu bewerben, ihr reiche Gaben und kostbare Geschenke bringend; keiner aber von ihnen gewann bisher seinen Wunsch, sondern alle mußten abgewiesen und enttäuscht heimkehren.« Als der Sultan Habîb dies von ihm vernahm, rief er im Übermaß seiner Verwirrung und Verstörtheit: »Auf und laß uns heimkehren, damit wir uns setzen, um über solche aufregende Sache zu reden und ihre vergangenen und künftigen Ereignisse zu besprechen.« El-Abbûs versetzte: »Ich höre und gehorche;« alsdann zogen sich die zwei zurück, um sich in Muße über die Prinzessin zu unterhalten, und El-Abbûs nahm das Wort und hob an zu erzählen: »Es lebte einmal unter den Seekönigen ein König, Namens Sābûr, der über die Krystallinseln herrschte, und der ein mächtiger und großmütiger König und ein gebieterischer und ruhmvoller Herrscher war. Er liebte die Frauen und ließ sich voll Eifer die schönsten Mädchen aussuchen, jedoch waren viele Jahre seines Lebens verstrichen, ohne daß ihm ein Knabe beschert worden war. Da versank er eines Tages in Gedanken und sprach bei sich: »Zu diesen hohen Jahren bin ich nun gekommen und habe fast das Ende meines Lebens erreicht und bin immer noch kinderlos; was soll da aus mir geschehen?« Mit einem Male aber, als er auf dem Thron seines Königreiches saß, sah er zu sich einen Ifrîten, schön von Gesicht und Wuchs, eintreten, der kein anderer war als Atrûs, der König der Dschânn; derselbige sprach zu ihm: »Der Frieden sei auf dir, o König! Wisse, ich komme zu dir von meinem Herrn, der dich liebt. Mir geschah es, daß ich im Schlaf eine Stimme hörte: »Während all seiner Tage ist dem König kein Kind zu teil geworden, sei es Knabe oder Mädchen; laß ihn daher jetzt meinem Befehl gehorchen, und er soll seinen Wunsch gewinnen. Laß ihn Gerechtigkeit 163 und Geschenke austeilen, den Vergewaltigten Recht verschaffen, dem Volke das Gute gebieten und das Üble verwehren, keinem zur Tyrannei und Neuerungen im Reich Verstand leisten, die Unglücklichen nicht verfolgen und alle Gefangenen aus dem Kerker entlassen.« Bei diesen Worten der Stimme erwachte ich, erschrocken über mein Gesicht, und eilte unverzüglich zu dir; und nun bin ich zu dir gekommen, o König der Zeit, dir mitzuteilen, daß ich eine Tochter habe, geheißen Kamar es-Samân, die ihresgleichen nicht hat in ihrer Zeit, und mit der sich niemand messen kann in diesen Tagen, und ich beabsichtige sie dir zum Weib zu geben. Die Könige der Dschânn haben häufig um sie angehalten, ich aber wollte keinen von ihnen haben, sondern allein einen Menschengebieter gleich dir, und gelobt sei Gott dafür, daß er deine Hoheit in meine Gedanken kommen ließ, denn dein Ruf in der Welt ist schön und deine Werke sind rechtschaffen. Vielleicht wirst du durch den Segen derselben von meiner Tochter einen Knaben zeugen, einen frommen und tugendhaften Erben.« Der König versetzte: »O du, der du zu uns kommst und unser Wohl willst, ich nehme dein Anerbieten gern und erfreut an.« Alsdann entbot Sabûr, der König der Krystallinseln, den Kadi und die Zeugen vor sich, und der Ifrît sprach: »Ich willige in deine Worte ein und will mich deinem Vorschlag nicht widersetzen.« Hierauf setzten sie die Brautgabe fest und verbanden den König durch das Eheband mit der Tochter des Königs der Dschinn El-Atrûs, worauf derselbe sofort einen seiner fliegenden Dschânn ausschickte, die Braut zu holen. Sie erschien alsbald, und nun kleideten sie sie und schmückten sie mit allerlei Schmucksachen, daß sie alle Mädchen ihrer Zeit übertraf. Als sie dann der König Sābûr heimsuchte, fand er in ihr eine reine Maid, und so ruhte er bei ihr, und Gott, der Erhabene, wollte es so, daß sie von ihm empfing. Als die Tage und Monde ihrer Schwangerschaft verstrichen waren, kam sie mit einem Mägdlein gleich dem Mond nieder, und es ward den Ammen und Wärterinnen 164 übergeben, und, da sie ihr zehntes Jahr erreicht hatte, setzten sie Erzieherinnen über sie, die sie im Lesen des Korans, in der Schreibkunst, der Gelehrsamkeit und den schönen Wissenschaften unterwiesen; kurz, sie erzogen sie in der schönsten Weise.«

Solches war das Los von Durret el-Ghawwâs, dem Kind von Kamar es-Samân, der Tochter des Königs Atrûs und Gemahlin des Königs Sābûr. Was aber den Sultan Habîb und seinen Lehrmeister El-Abbûs anlangt, so wanderten die beiden unablässig von Ort zu Ort auf der Suche nach der verheißenen Maid, bis der Jüngling eines Tages seines Vaters Garten betrat und die Steige entlang wanderte zwischen den Rändern und Basilienblüten und vollerblühten Rosen und sich an den Werken des Allerbarmers erfreute und die Wohlgerüche und Düfte der Blumen genoß, die sie dort aushauchten. Während er aber in solcher Weise beschäftigt war, gewahrte er mit einem Male die Maid Durret el-Ghawwâs, die in den Garten gleich dem Mond eintrat; und nichts von allem, was die Erde hervorbringt, konnte lieblicher als sie sein, die anmutig wie eine Huri Edens war, und die kein Beschreiber recht zu beschreiben vermochte. Als Sultan Habîb seine Blicke auf sie richtete, vermochte er nicht länger sich zu bemeistern; doch sprach er, einen langen Blick auf sie heftend, bei sich: »Ich fürchte, sie wird, wenn sie mich sieht, vor meinen Blicken entschwinden.« Alsdann zog er sich zurück und erklomm die Zweige eines hohen Baumes an einer Stelle, von wo er sie ungesehen in aller Gemächlichkeit betrachten konnte. Die Prinzessin aber lustwandelte fort und fort durch den Garten des Emirs Salâme, bis mit einem Male vierzig schneeweiße Vögel zu ihr kamen, ein jeder begleitet von einer Sklavin, schön wie der Mond. Die Vögel ließen sich nun vor ihr auf den Boden nieder und sprachen: »Der Frieden sei auf dir, o unsere Königin und Gebieterin!« Sie versetzte jedoch: »Keinen Willkomm euch und keinen Gruß! Sagt an, weshalb bliebt ihr bis zu dieser Stunde 165 aus, wo ihr wußtet, daß ich mich sehne, Sultan Habîb, den Sohn Salâmes, zu schauen und ihn zu besuchen, da er meines Herzens Liebling ist? Ich befahl euch deshalb, mich zu begleiten, ihr aber gehorchtet mir nicht, und vielleicht spottet ihr mein und meines Befehls.« Sie erwiderten: »Wir sind nimmer deinem Befehl ungehorsam, sei es in Wort oder That.« Alsdann begannen sie ihren Geliebten zu suchen. Als aber Sultan Habîb diese Worte von ihr vernahm, beruhigte sich sein Herz; sein Gemüt ward getröstet, seine Gedanken wurden recht geleitet, und seine Seele fand ihren Frieden. Er wollte zuerst, als er sich ihrer Worte vergewissert hatte, vor ihr erscheinen; plötzlich aber überkam ihn Furcht vor ihr, und er sprach bei sich: »Vielleicht erteilt sie einem der Dschinn Befehl mich umzubringen; besser ist's daher, ich gedulde mich und schaue, was Gott in seinem allmächtigen Ratschluß über mich beschließt.« Inzwischen wanderten die Prinzessin und ihre Begleiterinnen von Ort und zu Ort und von einer Seite zur andern im Garten, bis sie die Stelle erreichten, wo sich der Sultan Habîb versteckt hatte, an der Durret el-Ghawwâs stehen blieb und bei sich sprach: »Ich kam aus meiner Residenz nur hierher, um ihn zu schauen, und ich wollte ihn sehen und von ihm gesehen werden, so wie die Stimme es mir von ihm verhieß, ihr Mädchen; vielleicht hat dieselbe Stimme ihm auch von mir Auskunft gegeben.« Alsdann schritt die Prinzessin mit ihrem Gefolge noch näher zu seinem Versteck und fand hier einen Teich im Garten des Arabers, bis zum Rand voll Wasser, mit einem Löwen aus Messing in der Mitte, in dessen Rachen das Wasser strömte, um aus seinem Schweif wieder herauszukommen. Die Prinzessin verwunderte sich hierüber und sprach zu ihrem Gefolge: »Dies ist, fürwahr, ein wunderbarer Teich mit dem Löwen darinnen; wenn ich, so Gott will, der Erhabene, heimgekehrt bin, will ich mir einen Teich nach diesem Muster machen und auch einen Löwen aus Messing darein setzen lassen.« Hierauf befahl sie ihnen, ihre Kleider abzulegen und 166 in das Wasser hineinzusteigen und zu schwimmen, worauf sie versetzten: »O unsere Herrin, wir hören und gehorchen; jedoch wollen wir uns nur entkleiden und schwimmen, wenn du das gleiche thust.« Da entkleidete sie sich mit ihnen, und alle stiegen zusammen in den Teich, während Sultan Habîb durch das Laubwerk spähte, sich an dem schönen Schauspiel zu ergötzen, wobei er rief: »Gesegnet sei der Herr, der beste Schöpfer!« Als dann die Mädchen müde vom Schwimmen geworden waren, befahl ihnen die Prinzessin wieder aus dem Wasser zu steigen und sprach: »Wenn der Himmel will, daß meines Herzens Wunsch in diesem Garten erfüllt wird, was meint ihr, soll ich dann mit meinem Geliebten thun?« Sie erwiderten: »Das würde nur unsere Freude und Fröhlichkeit erhöhen.« Sie versetzte darauf: »Fürwahr, mein Herz sagt mir, daß er hier weilt und sich in den Bäumen jenes verschlungenen Dickichts verborgen hat.« Alsdann winkte sie mit der Hand nach der Stelle, wo sich Habîb verborgen hatte, worauf er, angesichts dessen, in höchster Freude rief: »Es giebt keine Macht und keine Kraft außer bei Gott, dem Hohen und Erhabenen! Was begehrt diese Maid? Fürwahr, ich fürchte mich, an dieser Stelle zu bleiben, daß sie nicht hierher kommt und mich hervorholt und Schande über mich bringt; besser ist's, ich komme aus freien Stücken aus meinem Versteck heraus und rede sie an, mag sie dann mit mir thun, was sie beabsichtigt und begehrt.« Hierauf stieg er aus dem Gipfel des Baumes, in dem er sich verborgen hatte, und zeigte sich der Prinzessin Durret el-Ghawwâs, die nun auf ihn zutrat und rief: »O Habîb, willkommen Habîb! Ist's so, daß wir von Liebe und Verlangen zu dir gequält wurden? Wo bist du während dieser ganzen Zeit gewesen, o mein Liebling, mein Augentrost und Stück meines Herzens?« Er versetzte: »Ich befand mich in dem Wipfel jenes hohen Baumes, auf den du mit deinem Finger wiesest.« Als sie dann einander anschauten, trat sie ganz nahe an ihn heran und sprach die Verse: 167

Du hast mich, o Zweiglein des Bân, zur Verzweiflung gebracht,
Wo ich in Ehren einherfuhr, in Ansehn und Macht.
In Herrschaft lebt' ich und Leute dienten mir
Und Scharen harrten rings auf meinen Befehl.«

Hierauf sprach Sultan Habîb: »Gelobt sei Gott, der geruhte nur dein Antlitz und deine Gestalt zu zeigen! Weißt du wirklich nicht, was es war, das mir Leiden schuf und mich um deinetwillen siech machte, o Durret el-Ghawwâs?« Da fragte sie: »Und was schuf dir Weh und machte dich siech?« Er entgegnete: »Es war die Liebe zu dir und die Sehnsucht nach dir.« Nun fragte sie: »Und wer war es, der dir zuerst von mir sprach und dich mit mir bekannt machte?« Er erwiderte: »Eines Tages, als ich unter meiner Sippe und meinem Stamm dasaß, geschah es, daß ein Dschinnî, El-Abbûs geheißen, mein Lehrmeister ward und mich in der Weise von Stoß und Hieb und der Ritterschaft unterwies. Ehe er mich verließ, sprach er mir von deiner Schönheit und Lieblichkeit und erzählte mir im voraus alles, was sich zwischen mir und dir zutragen würde. So liebte ich dich, bevor dich meine Augen erblickten, und seit jener Stunde wichen von mir des Schlafes Freuden, Fleisch und Speise schmeckten mir nimmer süß, und Trank und Wein hatten ihre Wonne für mich verloren. Gelobt sei daher Gott, der da geruhte, mich mit meines Herzens Wunsch in dieser Weise zu vereinigen!« Alsdann umarmten sich die beiden so lange, bis ihnen die Sinne schwanden und sie ohnmächtig zu Boden sanken, worauf die Mädchen sie nach einer Weile wieder aufhoben und ihnen Rosenwasser ins Gesicht sprengten, was sie wieder ins Leben brachte.

Alles dies trug sich zu, ohne daß der Emir Salâme wußte, was mit seinem Sohn Habîb vorgegangen war, und ohne daß seine Mutter eine Ahnung hatte, was ihrem Kind geschehen war. Und so traf es sich, daß der Emir zu seiner Gemahlin eintrat und zu ihr sprach: »Fürwahr, dieser Knabe hat uns müde gemacht; wir sehen ihn des Nachts nicht an 168 seinem Platz schlafen, und heute früh ging er mit dem Morgengrauen fort und ließ sich den ganzen Tag über nicht sehen.« Seine Gemahlin erwiderte: »Seit dem Tag, daß der Knabe zu El-Abbûs ging, versank er in Gram und Kümmernis.« Da sagte der Emir: »Fürwahr, unser Sohn geht im Garten umher, und Gott weiß, daß es keinen Ausgang aus ihm giebt. Dort wirst du ihn finden und magst ihn fragen, was ihm fehlt.« In dieser Weise redeten sie über ihn in schwerer Sorge und Unruhe. Als aber der Sultan Habîb im Garten saß, während die Mädchen ihm und der Prinzessin Durret el-Ghawwâs aufwarteten, schoß plötzlich ein großer Vogel zu ihnen nieder, der sich mit einem Male in einen Scheich von hübschem Aussehen und Gesicht verwandelte und, sich ihnen nahend, ihnen demütig die Füße küßte. Der Jüngling verwunderte sich über dieses Benehmen des Scheichs und gab der Prinzessin ein Zeichen wie um zu fragen: »Wer ist wohl dieser Scheich?« worauf sie in derselben Weise antwortete: »Dies ist der Wesir, welcher mich veranlaßte, mit dir zusammenzukommen.« Dann fragte sie den Scheich: »Was ist dein Begehr?« Er versetzte: »Ich kam um deinetwillen hierher und, wenn du nicht sogleich zu deinem Land und Königreich heimkehrst, so wird dir die Herrschaft über die Dschânn aus der Hand fallen; denn die Herren des Landes und Großen des Reiches suchen nach dir, und nicht wenige der Edeln fragten mich und sprachen: »O Wesir, wo ist unsere Königin?« Ich antwortete ihnen darauf: »Sie befindet sich in ihrem Palast und ist heute mit einer Sache beschäftigt.« Solche Ausrede kann jedoch nicht lange gelten, und, so du nicht mit mir in die Gegend deines Reiches heimkehrst, verrät dich irgend einer der Mâride, und die Truppen empören sich wider dich, deine Herrschaft nimmt ein Ende, und du wirst vom Befehl und Sultanat abgesetzt.« Da fragte sie: »Was ist demnach dein Rat und Geheiß?« Er entgegnete: »Dir bleibt kein anderer Weg übrig als diese Stätte zu verlassen und zu deinem Reich zurückzukehren.« 169

Als diese Worte das Ohr Durret el-Ghawwâs' erreichten, ward ihre Brust beklommen, und, von übermäßigem Gram über die Trennung von ihrem Geliebten ergriffen, redete sie ihn mit folgenden Worten an: »Was sagst du zu dem, was du gehört hast? Fürwahr, ich möchte mich nicht von dir trennen und erachte den Untergang meines Reiches als ein Geringes. So komm mit mir, Geliebter meines Herzens, und ich will dich zum Herrn über die Inseln der See und ihrem alleinigen Gebieter machen.« Da sprach Sultan Habîb bei sich: »Ich kann die Trennung von meinen Angehörigen nicht ertragen, was dich jedoch anlangt, so wird deine Liebe nie vergehen;« alsdann sprach er laut: »Wenn du mir Gehör leihen möchtest, so gieb auf, was du beabsichtigst, und befiehl deinem Wesir die Inseln und deine väterliche Stätte zu regieren; dann wollen wir zwei, ich und du, für uns alle Zeit leben und die fröhlichsten Tage genießen.« Ihre einzige Antwort hierauf war: »Das kann nimmermehr geschehen;« dann rief sie ihrem Wesir zu: »Trag' mich von hier fort, daß ich in mein Land heimkehre.«

Nachdem sie sich von ihrem Geliebten verabschiedet hatte, bestieg sie den Rücken des Wesirs und befahl ihm sie fortzutragen, worauf er mit ihr fortflog, während ihn die vierzig Mädchen, hoch in die Luft entschwebend, begleiteten. Da hob Sultan Habîb an, bittere Thränen zu vergießen; und, wie ihn nun seine Mutter im Garten bitterlich weinen hörte, begab sie sich zu ihrem Gemahl und fragte ihn: »Weißt du nicht, welches Leid deinem Sohn widerfahren ist, daß ich ihn dort stöhnen und jammern höre?« Als dann die Eltern in den Garten traten, fanden sie ihn völlig in Gram versunken, und die Thränen flossen über seine Wangen wie unversiegliche Regenschauer, so daß sie den Pagen befahlen, Flaschen mit Rosenwasser zu holen, und ihm damit das Gesicht besprengten. Sobald er jedoch wieder zu sich kam und seine Augen öffnete, begann er von neuem übermäßig zu weinen, so daß seine Eltern in dem Brand ihres Herzens mit ihm 170 weinten und ihn fragten: »O Habîb, welches Leid hat dich befallen und wessen Unheil hat dich niedergeworfen? Sag' uns, wie es in Wahrheit mit ihm steht.« Da erzählte er ihnen alles, was sich zwischen ihm und Durret el-Ghawwâs zugetragen hatte, worauf seine Mutter über ihn weinte, während sein Vater rief: »O Habîb, gieb diese Worte auf und laß dieses dein Verlangen fahren, daß du die Freuden von Speise und Trank und Schlaf immerdar genießen magst.« Er versetzte jedoch: »O mein Vater ich werde über diese Sache nicht eher schlafen als bis ich den Schlaf des Todes entschlafen bin.« Da sagte der Emir: »Steh' auf, mein Kind, und laß uns heimkehren.« Der Sohn entgegnete jedoch: »Ich will mich von dieser Stätte nicht trennen, wo ich von meiner Herzgeliebten geschieden ward.« Da drängte sein Vater von neuem in ihn und sagte: »Laß diese Worte und beharre nicht in diesem Vorhaben, denn ich bin besorgt um dich;« alsdann hob er an ihn zu trösten und aufzuheitern. Nach einer Weile erhob sich denn auch Sultan Habîb und kehrte an der Seite seines Vaters heim, der fortwährend zu ihm sprach: »Gedulde dich, mein Kind, während ich inzwischen dir helfen will nach dieser jungen Maid zu suchen und Leute ausschicken will, die sie zu dir bringen sollen.« Sein Sohn versetzte jedoch: »O mein Vater, ich kann die Trennung von ihr nicht länger ertragen; mein Wunsch ist es, daß du nur einige Kamele mit Gold und Silber, Waren und Geldern beladest, damit ich ausziehen kann, sie zu suchen; wenn ich meinen Wunsch erreiche, und Gott mich am Leben erhält, will ich wieder zu euch zurückkehren; wenn aber meines Lebens Ende zur Stelle ist, dann kommt der Befehl Gott, dem Einigen, dem Allmächtigen, zu. Laßt eure Brust deshalb nicht beklommen sein, und seid überzeugt und glaubt es mir, wenn ich bei euch bleibe und die Geliebte meiner Seele nicht schaue, so komme ich um in meinem Leid, während ihr dasteht und meinem Tode zusehen müßt. Laßt mich deshalb die Fahrt antreten und mein Ziel erreichen; denn von dem 171 Tage an, daß meine Mutter mich gebar, ward es mir so geschrieben, daß ich über Steppe und Wüste zu ziehen habe und über die siebenfältigen Meere fahren muß.« Als der Emir Salâme diese Worte seines Sohnes vernahm, befahl er, ihm vier Kamelladungen der seltensten Stoffe zu verpacken, und schenkte ihm eine Dromedarstute beladen mit Thronen von rotem Gold; dann sprach er zu ihm: »Schau, mein Sohn, ich habe dir mehr gegeben als du verlangtest.« Habîb versetzte: »O mein Vater, wo ist mein Roß, mein Schwert und mein Speer?« Da brachten ihm die Pagen ein Davidisches Panzerhemd, einen maghribitischen Stahl und eine Chattī- und Samharīlanze und legten die Sachen vor ihn, worauf Sultan Habîb die Halsberge anlegte und, den Säbel ziehend und die Lanze in Ruhe setzend, sein Roß bestieg, welches von dem edelsten Blut entsprossen war, bekannt allen Arabern. Alsdann sprach er: »O mein Vater, ist es dein Wunsch, mich mit einem Trupp von zwanzig Rittern zu entsenden, daß sie mir zum Land El-Jemen das Geleit geben und mich dann wieder zu dir zurückbringen?« Sein Vater versetzte: »Ich will dir Freunde mit auf den Weg geben.« Habîb bat ihn zu thun, wie ihm beliebte, worauf ihm der Emir zehn Ritter auserwählte, wackere Degen, die den Tod nicht fürchteten, wie plötzlich und grauenhaft er auch kommen mochte. Alsdann verabschiedete sich der Jüngling von Vater und Mutter, Sippe und Stamm und bestieg, sich seinem Geleit anschließend, sein Roß, während Salâme zu seinem Gefolge sagte: »Seid meinem Sohn in allem, was er euch heißt, gehorsam.« Sie versetzten: »Wir hören und gehorchen.« Hierauf verließen Habîb und seine Mannen die Heimstatt und machten sich auf den Weg.

In dieser Weise schied Sultan Habîb von seinen Eltern; nun aber vernimm, was die Ritter thaten, die ihn begleiteten. Nach einer Reihe von Tagen voll Mühsal und Plackerei wurden sie unzufrieden und mutlos und sprachen, miteinander des Rates pflegend: »Kommt, laßt uns diesen Knaben 172 erschlagen und die Lasten und Stoffe und Gelder, die er bei sich hat, fortführen; wenn wir heim gelangen und nach ihm gefragt werden, wollen wir sagen, er sei an dem Übermaß seiner Sehnsucht nach der Prinzessin Durret el-Ghawwâs gestorben.« Sie einigten sich auf diesen Rat hin, ohne daß ihr Herr etwas von dem Fallstrick wußte, den seine Begleiter ihm gelegt hatten. Nachdem sie den Tag über geritten waren, und die Nacht der Trauer sich ausbreitete, sprachen seine Gefolgsmannen: »Laßt uns auf dieser Aue absteigen, daß wir hier während der dunkeln Stunden der Rast pflegen, um dann mit Anbruch des Morgens wieder die Fahrt weiter anzutreten.« Da der Sultan Habîb sich ihnen nicht widersetzen mochte, stiegen alle ab und ließen sich auf jener Aue nieder, indem sie die Zehrung, die sie bei sich hatten, hervorholten. Dann aßen und tranken sie, bis sie genug hatten, worauf sich alle bis auf ihren Herrn schlafen legten, der in seiner Liebessehnsucht kein Auge zuzuthun vermochte. Als sie ihn deshalb fragten: »O Habîb, weshalb und warum schläfst du nicht?« antwortete er: »O meine Gefährten, wie soll der Schlummer zu einem kommen, der sich nach seiner Liebsten sehnt? Fürwahr, ich will wach liegen und nimmer der Ruhe genießen, als bis ich Durret el-Ghawwâs, meines Herzens letzten Pulsschlag, erschaut habe.« Da schwiegen sie; hernach aber berieten sie untereinander und sprachen: »Wer unter uns kann etwas Bendsch beschaffen, daß wir ihn in Schlaf bringen und ihn dann ohne Mühe beseitigen?« Einer von ihnen erwiderte: »Ich habe zwei Mithkâl Bendsch bei mir,« worauf die andern es von ihm nahmen und es bei günstiger Gelegenheit in einen Becher Wasser thaten, den sie Habîb anboten. Habîb nahm den Becher in die Hand und leerte ihn auf einen Zug; und sofort wirkte der Bendsch in seinen Eingeweiden, und sein Rauch stieg in seinen Kopf, ihm die Sinne benehmend, so daß ihm alles im Kopf wirbelte und er in die Tiefen der Bewußtlosigkeit versank.

Alsdann sprachen seine Geleitsmannen: »Wenn sein 173 Schlummer am gesündesten und sein Schlaf am tiefsten ist, wollen wir aufstehen und ihn ermorden und wollen ihn auf der Stelle, auf der er schläft, begraben. Dann wollen wir zu seinen Eltern heimkehren und ihnen sagen, daß er im Übermaß seiner Sehnsucht nach der Geliebten gestorben sei.« Auf diese verräterische That einigten sich alle. Als nun der Morgen anbrach und es licht ward und tagte, erwachten die Ritter, und, da sie ihren Herrn in tiefen Schlaf versunken sahen, pflogen sie des Rates, und einer von ihnen sagte: »Laßt uns ihm den Hals von einem Ohr bis zum andern abschneiden.« Ein anderer versetzte jedoch: »Nein, besser ist's wir graben eine Grube von der Länge eines Menschen und werfen ihn mitten hinein, worauf wir Erde über ihn häufen, daß er stirbt, ohne daß jemand etwas von ihm weiß.« Als dieses ein Ritter aus dem Gefolge, Namens Rabîa, vernahm, sprach er: »Befürchtet ihr nichts von Gott, dem Erhabenen, und denkt ihr nicht an die Huld, mit der sein Vater euch begnadete, und erinnert ihr euch nicht des Brotes und Salzes, das ihr in seinem Haus und von seinen Angehörigen aßet? Erst vor kurzem erwählte euch sein Vater zum Geleit seines Sohnes, daß ihr ihn an seiner Statt tröstetet, und vertraute euch sein Herzblut an, und jetzt wollt ihr ihn ermorden und durch seinen Tod das Leben seiner Eltern vernichten. Glaubt ihr denn wirklich, daß solch eine Missethat vor seinem Vater verborgen bleiben kann? Ich schwöre bei der Ehre der Araber, kein Mann und kein Feueranbläser, so niedrig und gering er auch sein mag, wird uns nach solch einer That aufnehmen. Nehmt daher zum wenigsten Rücksicht auf eure Angehörigen und eure Sippe und eure Weiber und Kinder, die ihr im Stammeslager zurückgelassen habt, und beschützt sie; jetzt aber wollt ihr uns insgesamt von Grund aus vernichten und uns nach unserm Tod den Namen von Verrätern anheften und über unsere Weiber und Kinder Sklaverei bringen und keinem von uns etwas Erstrebenswertes übrig lassen.« Da versetzten sie spottend: »Laß hören, was 174 du an rechtem Rat vorzubringen hast.« Er versetzte: »Habt ihr euch fest vorgenommen ihn zu ermorden und sein Gut zu rauben?« Sie erwiderten: »Ja.« Er entgegnete jedoch von neuem: »Kommt und hört auf meinen Rat, wiewohl ich an dieser Sache keinen Anteil haben will. Ihr habt in dieser Angelegenheit euern Entschluß gefaßt, und ihr wißt besser als ich, was ihr zu thun habt; ich aber bin der Ansicht: Vergehet euch nicht gegen sein Blut, daß die Schuld nicht auf euch ruhen bleibt; wollt ihr Hand an seine Kamele und sein Geld und Gut legen, so treibt sie fort und lasset ihn, wo er liegt; bleibt er am Leben, so ist's gut, stirbt er aber, nun, dann ist's um so besser.« Da entgegneten sie: »Dein Rat ist gut,« und nahmen sein Roß und seine Halsberge, sein Schwert und seine Wehr und alles, was er an Geld und Gut besaß, mit sich, ihn nackend auf den Boden legend und die Kamele forttreibend. Unterwegs fragte einer den andern: »Wenn wir den Stamm erreicht haben, was sollen wir dann zu seinem Vater und seiner Mutter sagen?« Sie versetzten: »Was uns Rabîa rät.« Da sagte Rabîa: »Sprecht zu ihnen: Wir zogen mit euerm Sohn fort und fort des Weges, verloren ihn aber aus dem Gesicht; und, als wir ihn wieder fanden, lag er ohnmächtig und bewußtlos auf dem Wege. Wir riefen ihn beim Namen, doch gab er uns keine Antwort, und, als wir ihn dann mit unserer Hand schüttelten, da war er ein vertrocknetes Reis geworden. Als wir aber sahen, daß er tot war, bestatteten wir ihn und brachten sein Gut und seine Sachen zu euch zurück.« Als darauf einer sagte: »Und wenn sie euch fragen: An welcher Stätte und in welchem Land begrubt ihr ihn, und ist der Ort nahe oder fern? was werdet ihr dann antworten?« erwiderte Rabîa: »Alsdann sprecht zu ihnen: »Unsre Kraft war erschöpft, und wir waren vom Brand des Herzens und Mangel an Wasser schwach geworden, so daß wir seine Überreste nicht mitbringen konnten.« Wenn sie dann fragen: Konntet ihr ihn nicht auf eines der Kamele laden? Dann 175 sagt, daß ihr es aus zwiefachen Gründen nicht thun konntet, da einerseits sein Leib geschwollen und von der glühenden Luft stinkend geworden war, und ihr auch fürchtetet, daß, falls sein Vater ihn im Zustand der Verwesung gesehen hätte, er den Anblick nicht hätte ertragen können und sich um so mehr gegrämt hätte, da er sein einziges Kind ist und sein Vater kein anderes hat.« Alle kamen überein, diesen Rat Rabîas anzunehmen, und jeder rief: »Dies ist in der That der beste trefflichste Rat.« Alsdann ritten sie ununterbrochen, bis sie in die Nähe des Stammes gelangten, worauf sie von ihren Rossen sprangen und, sich schwarz kleidend, in tiefster Trauer ins Lager einzogen. Bekümmert, weinend und beim Gehen aufschreiend, begaben sie sich zum Zelt seines Vaters; als aber der Emir Salâme sie in dieser Verfassung sah, wie sie sich schreiend und für den Verstorbenen die Totenklage erhebend zusammenscharten, fragte er sie: »Wo ist mein Sohn?« Sie versetzten: »Er ist tot.« Diese Lüge fiel Salâme schwer aufs Herz, und in tiefem Gram streute er sich Staub aufs Haupt, raufte sich den Bart aus und zerriß seine Kleider, indem er dabei laut klagte: »Weh um meinen Sohn! Weh um Habîb! Weh um meines Herzens Stück! Ach, mein Leid! Weh um mein Herzblut!« Da kam seine Mutter heraus und, als sie nun ihren Gatten in diesem Zustande, mit Staub auf dem Haupt, mit ausgerauftem Bart und zerrissenem Halskragen, sah, und ihres Sohnes Roß gewahrte, schrie sie: »Weh über mich und über mein Kind!« und sank für eine geschlagene Stunde in Ohnmacht. Als sie dann wieder zu sich kam, sprach sie zu den Geleitsmannen: »Wehe, ihr Unheilsleute, wo habt ihr meinen Knaben begraben?« Sie erwiderten: »In fernem Land, dessen Namen wir nicht kennen, und das völlig wüst und von wilden Tieren bewohnt ist.« Da versank sie in schweres Leid, und der Emir Salâme, seine Gemahlin, sein Haushalt und alle die Stammesgenossen legten schwarze Gewänder an und streuten Asche aus, darauf zu sitzen, und Speise 176 und Trank, Fleisch und Wein schmeckte ihnen nicht. Und sie ließen nicht ab über ihren Verlust zu weinen und vermochten nicht zu fassen, was ihren Sohn betroffen hatte, und welches Unheil vom Himmel über ihn herabgekommen war.

So stand es mit ihnen; was aber Sultan Habîb anlangt, so schlief er weiter, bis der Bendsch in seinem Kopf die Wirkung verlor, worauf Gott einen frischen, kühlen Wind sandte, der ihm in die Nüstern wehte, so daß er niesen mußte, wodurch er den Bendsch auswarf und, die Hitze der Sonne verspürend, zu sich kam. Infolgedessen öffnete er die Augen und gewahrte ein wildes und wüstes Land, ohne seine Geleitsmannen die Ritter, sein Roß, sein Schwert, seinen Speer und sein Panzerhemd zu sehen; vielmehr fand er sich selber splitternackt und durstig und hungrig. Da schrie er laut in der Wüstenei, die sich weit vor seinen Blicken ausbreitete, und, schwer bekümmert über seine Lage, weinte und stöhnte er und klagte zu Gott, dem Erhabenen, und rief: »O mein Gott, mein Herr und Meister, zeichne mein Los auf, wenn du es auf der wohlbehüteten Tafel aufgezeichnet hast; denn wer soll mir Recht verschaffen, wenn nicht du, o Herr der Allmacht und Größe, Allmächtiger, Vortrefflicher!«

Während er aber nach rechts und links ausspähte, siehe, da gewahrte er einen schwarzen, hoch in die Luft ragenden Gegenstand, so daß er bei sich sprach: »Sicherlich ist jener dunkle Gegenstand eine große Stadt oder ein ausgedehntes Lager; ich will mich dorthin auf den Weg machen, bevor mir die Glut der Sonne zu heiß wird, und ich die Kraft zum Gehen verliere und elendiglich umkomme, ohne daß jemand etwas von meinem Schicksal weiß.« Alsdann stärkte er sein Herz und schritt auf den schwarzen Gegenstand zu, bis er sich ihm genähert hatte; nun aber vermochte er nicht weiter zu wandern, und das Gehen strengte ihn an, da er zuvor nie zu Fuß, geschweige denn barfuß, gereist war; seine Kräfte wurden schwach, seine Gelenke lösten sich und seine 177 Willensstärke und Entschlossenheit erlahmte. Während er jedoch in dieser Weise ratlos nicht aus noch ein wußte, ließ sich plötzlich vor ihm ein schneeweißer Vogel nieder, groß wie die Kuppel eines Warmbads und mit Schenkeln gleich dem Stamm eines Palmbaums. Beim Anblick dieses Rochs verwunderte sich der Sultan Habîb und sprach bei sich: »Gesegnet sei Gott, der Schöpfer!« Dann näherte er sich dem Vogel sacht und erfaßte seine Füße, ohne daß er es merkte. Mit einem Male breitete der Vogel seine Schwingen aus, während er an ihm hing, und stieg mit ihm zu den Grenzen des Himmels empor, als plötzlich eine Stimme rief: »O Habîb! Habîb! Halt dich am Vogel so fest als du kannst, oder er wirft dich nieder zur Erde, und du wirst in Stücke gerissen, Glied von Glied!« Als er diese Worte vernahm, griff er noch fester zu, während der Vogel fort und fort flog, bis er zu jenem schwarzen Gegenstand gelangte, welches die Umrisse des gewaltigen Berges Kâf waren, auf dessen Gipfel er den Jüngling absetzte, worauf er ihn verließ und seines Weges flog. Mit einem Male vernahm Sultan Habîb eine Stimme, die da sprach: »Setze dich, Habîb; vergangen ist, was dich auf deinem Wege zu Durret el-Ghawwâs hierherführte.« Als diese Worte in sein Ohr tönten, erhob er sich und stieg den Abhang des Berges zu der seinen Fuß umgebenden Ebene herunter, wo er eine Höhle gewahrte. Da sprach er bei sich: »Wenn ich in diese Höhle trete, verliere ich mich vielleicht und komme vor Hunger und Durst um;« dann aber überlegte er bei sich und sprach: »Früher oder später naht mir der Tod, ich will mich deshalb in diese Höhle wagen.« Wie er nun in dieselbe eintrat, hörte er mit einem Male jemand so laut rufen, daß ihm davon die Ohren wiederhallten. Bald darauf erschien jedoch der Rufer in der Gestalt von El-Abbûs, seinem Lehrmeister, der ihn im Waffenhandwerk unterwiesen hatte, und nun erzählte Habîb ihm, nachdem er ihn in mächtiger Freude begrüßt hatte, sein Liebesabenteuer. Der Dschinnī hielt in seiner Linken ein Schwert, 178 das Werk der Dschânn, und in der Rechten einen Becher voll Wasser, den er seinem Zögling überreichte. Der Trank ließ ihn für eine Weile in Ohnmacht sinken, und, als er wieder zu sich kam, richtete ihn El-Abbûs auf und badete ihn und kleidete ihn in die seltensten Kleider, worauf er ihm einen Imbiß brachte, und beide zusammen aßen und tranken. Alsdann sprach Habîb zu El-Abbûs: »Weißt du nicht die wundersamen Dinge, die mir mit Durret el-Ghawwâs widerfuhren?« El-Abbûs fragte: »Und was ist's gewesen?« Nun versetzte Habîb: »O mein Bruder, Gott wollte, daß du mir erschienst und mich zu meiner Herzliebsten und meinem Augentrost leitest.« El-Abbûs versetzte jedoch: »Laß dieses kindische Geschwätz, denn wo bist du, und wo ist Durret el-Ghawwâs? Fürwahr, zwischen dir und ihr liegen Schrecknisse und Gefahren, weite Länderstrecken, wunderbare Meere, und absonderliche Abenteuer, welche reißende Löwen mit Erstaunen und Entsetzen erfüllen würden, und Schauspiele, daß Säuglinge und sonst welche Menschenerzeugte davon graue Haare bekommen könnten.« Als Habîb diese Worte vernahm, zog er seinen Lehrmeister an die Brust und küßte ihn zwischen die Augen, worauf dieser zu ihm sagte: »O mein Liebling, stünde es in meiner Macht, dich mit ihr zu vereinen, ich würde es thun, jedoch ist es zuerst mein Wunsch dich mit deinen Angehörigen schneller als in einem Augenblick wieder zusammenzubringen.« Habîb versetzte jedoch: »Trüge ich nach meinen Angehörigen Verlangen, ich hätte sie nimmer verlassen und meine Tage mit Fährlichkeiten erfüllt, und nimmer hättest du mich an dieser Stätte gesehen; wie die Sachen aber jetzt stehen, will ich nimmer von meiner Fahrt heimkehren, als bis meine Hoffnung erfüllt ist, sollte auch meines Lebens Termin ablaufen, denn mich verlangt nicht weiter nach dem Leben.« Da erwiderte El-Abbûs auf diese seine Worte: »Wisse, o Habîb, die Höhle, in der du dich befindest, enthält die Schätze unsers Herrn Salomo, des Sohnes Davids, – Frieden auf beide! – und er stellte sie 179 unter meine Obhut und verbot mir sie zu verlassen, bis er es mir selber erlaubte; ferner sollte ich jeden, Menschen sowohl wie Dschinnī, hindern, zum Schatz einzutreten; denn wisse, Habîb, in dieser Höhle befindet sich ein Schatzhaus, und in dem Schatzhaus sind vierzig Kammern zur Rechten und Linken. Wenn du dir diesen Reichtum an Perlen, Rubinen und Edelsteinen ansehen willst, so grabe, bevor du durch die erste Thür eintrittst, unter ihrer Schwelle, wo du die Schlüssel zu allen Magazinen vergraben finden wirst. Den ersten derselben nimm in die Hand und schließ die Thür auf, wonach du imstande sein wirst, alle die andern Thüren zu öffnen und dir die Juwelenvorräte anzusehen. Willst du dann den Schatz verlassen, so wirst du einen Vorhang vor dir sehen, an dem rings herum achtzig Haken von rotem Gold befestigt sind; hüte dich aber, den Vorhang aufzuheben, ohne alle die Haken mit Baumwolle zu umwickeln.« Nach diesen Worten gab er ihm ein Bündel Baumwolle, das er bei sich hatte, und fuhr fort: »O Habîb, wenn du den Vorhang aufgehoben hast, so wirst du eine Thür mit zwei Flügeln entdecken, ebenfalls aus rotem Gold, auf der Verse geschrieben stehen; was nun das erste Versepaar anlangt, so sollst du, wenn du den Sinn der Namen und Talismane bemeisterst, von allen Fährnissen und Schrecken gerettet werden; gelingt es dir jedoch nicht, sie zu begreifen, so wirst du in jenem Hort umkommen. Hast du aber die Thür geöffnet, so schließe sie nicht mit Lärm und schau auch nicht hinter dich, sondern gieb wohl acht, da ich für dich vor den Hütern des Platzes und seiner Wandteppiche besorgt bin. Bist du hinter den Vorhang getreten, so wirst du ein wogendes und wellenbrandendes Meer gewahren, welches eins der sieben Meere ist, das dir, o Habîb, Wunder zeigen wird, über die du staunen sollst, und von denen die Erzähler die seltsamsten Mären berichten sollen. Stelle dich hier an das Seegestade, von wo aus du ein segelndes Schiff gewahren wirst, und ruf' laut nach der Mannschaft, die dann zu dir 180 steuern und dich an Bord nehmen wird. Nach diesem weiß ich nicht, was dir auf jenem Meer widerfahren wird, und solches ist das Ende meiner Rede und das letzte meiner Worte, o Habîb, und der Frieden sei auf dir!« Da freute sich der Jüngling über die Maßen, wie keine Freude größer sein konnte, und sagte, indem er El-Abbûs' Hand ergriff und sie küßte: »O mein Bruder, du hast mir in deinen Worten große Güte bezeugt, und Gott lohne es dir an meiner Statt mit allem Guten, und magst du vor allem Übel behütet bleiben!« El-Abbûs entgegnete: »O Habîb, nimm dieses Schwert und hänge es dir um, denn es wird dich stärken und dein Herz festigen; und leg' auch diesen Anzug an, der dich gegen deine Feinde schützen wird.« Der Jüngling that, wie ihm geheißen war, worauf er sich von dem Dschinnī verabschiedete und auf den Weg machte, indem er rüstig fürbaß schritt, bis er zum Ende der Höhle gelangte, wo er auf die Thür stieß, von der sein Lehrmeister zu ihm gesprochen hatte. Infolgedessen trat er an ihre Schwelle und grub unter ihr, bis er einen schwarzen Beutel hervorzog, der im Verlauf der Jahre zerknüllt und voll Flecken war. Er öffnete ihn und fand einen Schlüssel in ihm, den er ins Schloß steckte, worauf sich dasselbe alsbald öffnete und ihm Zutritt zu dem Schatz gab, wo er in der außerordentlichen Dunkelheit und Finsternis nicht sehen konnte, was er in der Hand hielt, so daß er bei sich sprach: »Was ist zu thun? Hat etwa El-Abbûs meinen Untergang geplant?« Während er aber in dieser Weise in Gedanken versunken dasaß, gewahrte er mit einem Male ein Licht in der Ferne, und, als er nun darauf losschritt, führte ihn sein Schein zu dem Vorhang, von dem zu ihm der Dschinnī gesprochen hatte. Bei näherm Zusehen gewahrte er über demselben eine smaragdene Tafel, die mit Perlen und Edelsteinen besetzt war, während unter ihr der Schatz lag, der den Platz wie die aufgehende Sonne erhellte. Da eilte er näher und sah auf der Tafel die folgenden beiden Verse geschrieben: 181

Ich wundre mich über den, der nunmehr von Weh befreit,
Keine Freude bezeugt, entronnen in Sicherheit;
Und Wunder auch nimmt es mich, wie die Zeit den Menschen täuscht,
Erwägt er Vergangenes; doch ach, tyrannisch ist die Zeit!

Der Sultan Habîb überlas diese Verse mehr als einmal und weinte, bis er in Ohnmacht sank; als er dann wieder zu sich kam, sprach er bei sich: »Der Tod wäre mir lieber als das Leben ohne meine Geliebte!« Alsdann wendete er sich zu den Kammern, die sich rechts und links von ihm befanden und öffnete sie alle, worauf er sich die Hügel von Gold und Silber und die Haufen und Ballen von Rubinen, Perlen, Edelsteinen und Perlenschnüren besah und, verwundert über alles, was er schaute, bei sich sprach: »Würde nur ein einziges Magazin dieser Schätze aufgedeckt, alle Völker der Erde wären reich.« Hierauf schritt er auf den Vorhang zu, als mit einem Male Dschinn und Ifrîte von allen Seiten erschienen und Stimmen und Schreie so laut in seine Ohren tönten, daß ihm der Verstand fast aus dem Kopf flog. Er geduldete sich deshalb eine geschlagene Stunde, bis plötzlich ein Rauch in die Luft wirbelte und sich dann verdichtete und niedersenkte, worauf der Lärm nachließ und die Dschinn verschwanden. Da kam ihm der Auftrag El-Abbûs' wieder in den Sinn und, die Baumwolle, die er bei sich hatte, hervorholend, umwickelte er die goldenen Haken und zog den Vorhang zurück, worauf er das Portal gewahrte, das ihm der Dschinnī beschrieben hatte. Er steckte nun den Schlüssel ein und öffnete die Thür, vergaß hierbei jedoch die Warnung und schlug in seiner Furcht und Vergeßlichkeit die Thür laut zu, ohne jedoch zu wagen sich umzusehen. Da kamen die Dschinn von allen Ecken und Enden auf ihn losgefahren und schrieen: »Du gemeinster der Menschen, weshalb reizest du uns und störst uns an unserer Stätte? Trügst du nicht die Tracht der Dschânn, so erschlügen wir dich auf der Stelle.« Habîb gab ihnen jedoch keine Antwort, sondern wartete eine Weile, sich mit Geduld und Frömmigkeit 182 wappnend, bis sich der Lärm gelegt hatte und die Dschinn nicht mehr auf ihn einschrieen. Als dann auf den Sturm Stille gefolgt war, schritt er vorwärts zum Strand und blickte auf das wogende und wellenbrandende Meer hinaus. Verwundert über die Wogen, sprach er bei sich: »Fürwahr, niemand vermag die Geheimnisse der See und die Rätsel der Flut zu wissen als allein Gott!« Mit einem Male gewahrte er ein Schiff, das den Strand entlang zog, worauf er sich an den Strand setzte, bis die Nacht ihren schwarzen Mantel auf ihn niederließ, von übermäßigem Hunger und Durst gequält. Als der Morgen anbrach und es licht ward und tagte, erwachte er in schwerer Kümmernis und siehe, da sah er, wie zwei Meerjungfern von den Töchtern der Tiefe, beide schön wie der Mond, dicht bei ihm aus dem Wasser emportauchten. Nicht lange darauf sprach die eine zur andern: »Sag' an, weißt du wohl, wer jener Mensch ist, der dort sitzt?« Die andere versetzte: »Ich kenne ihn nicht.« Da hob die erste von neuem an: »Es ist Sultan Habîb, der gekommen ist, Durret el-Ghawwâs, unsere Königin und Gebieterin, zu suchen.« Sobald der Jüngling diese Worte vernahm, faßte er sie scharf ins Auge und freute sich, sich über ihre Schönheit und Anmut verwundernd, und seine Freude und Fröhlichkeit wuchsen. Die andere aber versetzte nun: »Fürwahr, der Sultan Habîb ist in dieser Sache etwas beschränkt und kurz von Verstand; wie kann er Durret el-Ghawwâs lieben, wo zwischen ihr und ihm eine Entfernung liegt, die allein durch eine Meeresfahrt von der Dauer eines Jahres über die gefährlichsten Tiefen durchmessen werden kann? Warum kehrt er nicht nach all dem Leid, das ihm widerfahren ist, nach Hause zurück, und weshalb errettet er sich nicht aus diesen Schrecknissen, die durch all seine Tage zu dauern verheißen und sein Leben schließlich in die Grube des Verderbens stürzen?« Die andere entgegnete darauf: »Wüßte ich nur, ob er sie jemals bekommen wird oder nicht?« Ihre Gefährtin antwortete: »Ja, er wird sie bekommen, jedoch erst 183 nach langer, langer Zeit und nach viel Seelentrübsal.« Als aber Habîb diese Verheißung von den Seejungfern vernahm, ward sein Kummer getröstet, und all die Qualen, die er von Hunger und Durst erlitt, wichen von ihm. Während er aber seinen Gedanken hierüber nachhing, tauchte plötzlich eine dritte Meermaid aus der Tiefe hervor und fragte ihre Gefährtinnen: »Worüber plaudert ihr?« Sie versetzten: »Fürwahr, der Sultan Habîb sitzt dort auf dem Meeresstrande nunmehr die vierte Nacht.« Da sagte sie: »Ich habe eine Base, die Tochter meines Oheims von väterlicher Seite, die ich, als sie mich in der letzten Nacht besuchte, fragte, ob ein Schiff bei ihr vorübergefahren wäre, worauf sie mir erwiderte: »Jawohl, ein Schiff segelte auf uns zu, getrieben von starkem Wind, und sein einziger Zweck war euch zu suchen.« Da versetzten die andern: »Gott sende dir gute Nachricht!« Der Jüngling ward über diese Worte fröhlich und freute sich über die Maßen; die Seejungfern aber riefen mit einem Male einander zu und tauchten wieder in die Tiefe, den Lauscher auf dem Strand stehen lassend. Nach kurzer Zeit vernahm er die Rufe der Mannschaft von dem angekündigten Schiff, und nun rief er ihnen zu, worauf sie, seine Aufforderung wahrnehmend, am Strand beilegten und ihn an Bord nahmen. Als er sich über Hunger und Durst beklagte, fragten sie ihn und sprachen: »Wer bist du? Sag' uns, gehörst du zum Volk der Kaufleute?« Er versetzte: »Ich bin der Kaufmann so und so, und mein Schiff ging unter, wiewohl es ein großes Fahrzeug war. Eines Tages, als wir einhersegelten, erhob sich ein gewaltiger Sturm wider uns, der es zerbrach, so daß alle meine Gefährten ertranken, während ich allein auf einer der Schiffsplanken einhergetrieben und durch die Strömung an den Strand geworfen wurde. In der That, drei Tage lang bin ich auf dem Meer umhergetrieben und dies ist die vierte Nacht.« Wie nun die Kaufleute dieses Abenteuer von ihm vernahmen, riefen sie: »Bekümmere dein Herz nicht weiter, sondern sei guten Mutes 184 und kühlen Auges; Seefahrten sind immer solchen Zufällen ausgesetzt, und so ist der Gewinn beschaffen, den wir hierbei erlangen. So Gott geruht, uns am Leben zu erhalten und uns das Gut zu bewahren, das er uns gewährte, so wollen wir dir einen Teil davon schenken.« Hierauf segelten sie weiter, bis ein Sturm über sie losbrach und ihr Schiff bald nach der Backbord-, bald nach der Steuerbordseite warf, so daß sie ihren Kurs verloren und verschlagen wurden. Da rief der Lotse laut: »Ihr Leute an Bord, nehmt Abschied voneinander, denn wir sind in unbekannte Meerestiefen verschlagen und können unsern Kurs nicht innehalten, da der Wind steif in unser Gesicht bläst.« Bei diesen Worten hoben die Reisenden an den Verlust ihres Lebens und ihrer Güter zu beweinen, und Sultan Habîb vergoß Thränen in Strömen über seine Wangen und rief: »Ach, wäre ich doch gestorben, bevor ich diese Qual erschaut hätte! Fürwahr, dies ist ein wundersames Ding!« Als aber die Kaufleute den Jüngling so betrübt und in der Seele bekümmert weinen sahen, sprachen sie zu ihm: »O König der Kaufleute, laß deine Brust nicht beklommen und dein Herz nicht entmutigt sein; vielleicht gewährt Gott uns und dir noch Freude; überdies, kann eitler Kummer und Seelengram und Thränenvergießen etwas frommen? Bete lieber zum Allmächtigen, daß er uns errettet und unsere Reise gelingen läßt.« Wie nun aber das Schiff mitten durch das Meer rauschte, hielt es plötzlich in seinem Lauf an und stoppte, ohne sich nach rechts oder links zu bewegen, und der Lotse rief: »Ihr Leute ist einer unter euch, der dieses Meer kennt?« Sie versetzten jedoch: »Wir kennen nichts von ihm, und haben in unserm Leben nichts gesehen, das ihm gleicht.« Da sagte der Lotse: »O ihr Leute, dieses Meer heißt das blaue Meer, und jeder Kaufmann, der in dasselbe gelangte, kam bisher um; denn es ist die Behausung der Dschinn und die Heimstätte der Ifrîte, und der, welcher jetzt unser Schiff festhält in seinem Lauf, ist bekannt als El-Ghaschamscham, den unser Herr 185 Salomo, der Sohn Davids, – Frieden auf beide! – beauftragte, von jedem Schiff, das durch diese verbotenen Tiefen führe, alle menschlichen Wesen, und insbesondere die Kaufleute, zu packen und fortzuschleppen und lebendig aufzufressen.« Da rief Habîb: »Weh dir, weshalb gebietest du uns des Rates zu pflegen, wo du uns sagst, daß hier ein Dämon haust, über den wir keine Macht haben, und uns durch den Gedanken, von ihm verschlungen zu werden, erschreckst? Ich will das Unheil dieses Ifrîts von euch abwehren.« Sie entgegneten: »Wir sind um dein Leben besorgt, o König der Kaufleute!« Habîb erwiderte jedoch: »Für euch ist keine Gefahr.« Alsdann legte er einen enggewebten Panzer an und wappnete sich mit dem magischen Schwert und Speer, worauf er die Häute von frischgeschlachteten Tieren nahm und sich eine Kappe und ein Visier davon machte und ebenso Streifen davon um seine Arme und Beine wand, daß das Meer seinem Körper keinen Schaden zufügen könnte. Nach diesem befahl er seinen Schiffsgenossen, ihm unter die Achselgruben Stricke zu binden und ihn so mitten in die Meeresflut hineinzulassen. Sobald er den Meeresboden berührte, trat ihm der Ifrît entgegen, der auf ihn losstürmte, einen Bissen aus ihm zu machen; da aber hob Sultan Habîb seinen Vorderarm und versetzte ihm einen Schwertstreich auf den Nacken, der ihn in zwei Hälften auseinanderspaltete, so daß er in den Tiefen umkam. Sobald dann der Jüngling seinen Feind erschlagen sah, zog er an dem Seil, worauf seine Genossen ihn heraufzogen und wieder ins Schiff nahmen, während dieses nunmehr wieder wie ein aus dem Herzen des Bogens entsandter Pfeil dahinschoß.

Angesichts dessen verwunderten sich alle Kaufleute höchlichst und eilten auf den Jüngling zu, ihm die Füße küssend und rufend: »O König der Kaufleute, wie gelang es dir, ihn zu übermögen und zu Tode zu fällen?« Habîb versetzte: »Als ich in die Tiefe stieg, ihn zu erschlagen, rief ich 186 Gott um Hilfe wider ihn an, der mir seinen Beistand gewährte, und auf solche Weise fällte ich ihn.« Als sie diese frohe Botschaft vernahmen und sich von dem Tod ihres Feindes vergewissert hatten, boten sie ihm ihre Güter und ihren Gewinn an, während er nichts, nicht einmal ein Senfkorn, annahm. Unter der Anzahl der Kaufleute befand sich jedoch auch ein Scheich, an Jahren hochbetagt und in allen Angelegenheiten, die Leitung erforderten, voll Einsicht. Dieser Alte nun trat an den Jüngling heran und sprach zu ihm, sich tief vor ihm verneigend: »Bei dem, der dich uns und uns dich sandte, was bist du, wie ist dein Name, und welches ist der Grund, daß du auf dieses Meer gerietest?« Der Sultan Habîb wollte ihm zuerst nichts von seiner Fahrt mitteilen, als ihn der Scheich jedoch weiter mit Fragen bedrängte, endete er damit, daß er ihm alle seine Abenteuer von Anfang bis zu Ende erzählte; und mit einem Male rief der Pilot, als sie einherfuhren: »Freut euch der frohen Botschaft, und seid fröhlich, ihr Leute, denn ihr seid den Gefahren dieser schrecklichen Tiefen entronnen und nähert euch der Stadt des Königs Sābûr, der die Krystallinseln beherrscht; seine Hauptstadt, die bevölkert ist und in hohem Flor steht, zählt als die erste unter den Städten Indiens, und sein Reich ist das größte unter den Inseln der See.« Alsdann lenkte das Schiff dorthin ein und, langsam näher ziehend, fuhr es in den Hafen und warf daselbst Anker, worauf die Einbäume herangerudert kamen und die Lastträger an Bord stiegen und das Gepäck der Reisenden und der Schiffsmannschaft forttrugen, die nunmehr von aller Sorge und Angst befreit waren.

Soweit von ihnen; was aber Durret el-Ghawwâs anlangt, so ward sie, als sie von ihrem Geliebten, dem Sultan Habîb, geschieden war, schwer von der Trennung niedergedrückt, daß sie keine Freude an Speise und Trank und Schlummer und Schlaf fand. Während sie sich aber in diesem Zustand befand und auf dem Thron ihres 187 Königreiches saß, erschien plötzlich ein Ifrît vor ihr und sprach, indem er vor sie trat: »Der Frieden Gottes sei auf dir, o Königin der Zeit und Kaiserin des Jahrhunderts und Äons!« Sie versetzte: »Und auf dir sei der Friede und die Barmherzigkeit Gottes und seine Segnungen! Was ist dein Begehr, o Ifrît?« Er entgegnete: »Es ist neuerdings ein Schiff voll Kaufleute bei uns eingetroffen, und ich hörte davon reden, daß sich der Sultan Habîb unter ihnen befände.« Als diese Worte ihr Ohr erreichten, beschenkte sie den Ifrît und sprach zu ihm: »So du die Wahrheit sprichst, will ich dir schenken, was du nur begehren magst.«

Nachdem sie sich dann über die Nachricht vergewissert hatte, befahl sie die Stadt aufs prächtigste auszuschmücken und ließ die Freudenkunde mit Kesselpauken austrommeln und den Weg, der zum Palast führte. mit Zindelteppichen belegen. Hierauf rief sie ihre Pagen und befahl ihnen, ihren Geliebten vor sie zu bringen. Infolgedessen folgte ihnen Habîb, und die Pagen schritten fürbaß, bis sie ihn in den Palast geleitet hatten, wo die Königin alle Pagen entließ, so daß niemand als allein die beiden Liebenden im Palast zurückblieben. Nach dieser glücklichen Wiedervereinigung ließ sie den Kadi und seine Beisitzer vor sich kommen und befahl ihnen, ihren Ehekontrakt mit Habîb zu schreiben. Der Kadi that, wie ihm geheißen war, und die Zeugen bezeugten es sowie, daß die Mitgift nach Gebühr bezahlt sei.

Dieser Stand der Dinge währte geraume Weile, bis der Sultan Habîb nach seinen Eltern, seiner Familie und seinem Heimatsland Sehnsucht bekam, so daß er, als ihm von seiner Gemahlin eines Tages ein Mahl gedeckt wurde, er sich weigerte, davon zu kosten. Da sie jedoch seinen Zustand wahrnahm und ihn begriff, sprach sie zu ihm: »Sei guten Mutes, noch heute Nacht sollst du dich unter deinen Angehörigen befinden.« Hierauf entbot sie ihren Wesir von den Dschânn zu sich, und, als er vor ihr erschien, ließ sie unter Vornehm und Gering in der Hauptstadt ankündigen und 188 ausrufen: »Dieser mein Wesir soll mein Vicekönig über euch sein, und, wer sich ihm widersetzt, den lasse ich hinrichten;« worauf das Volk erwiderte: »Wir hören und gehorchen Gott und dir und dem Wesir.« Alsdann wendete sie sich zu ihrem neuernannten Stellvertreter und sprach zu ihm: »Ich wünsche, daß du mich zu dem Garten bringst, in dem sich der Sultan Habîb befand.« Der Wesir versetzte: »Auf Kopf und Auge!« Und so ward ein Ifrît herbeigerufen, und Habîb, der sich mit der Prinzessin Durret el-Ghawwâs auf seinen Nacken setzte, befahl ihm sich nach dem erwähnten Garten aufzumachen, worauf der Dschinnī entschwebte und das Paar schneller als im Augenblick nach ihrem Ziel trug.

So geschah die Vereinigung des Sultans Habîb mit Durret el-Ghawwâs und ihre freudige Verbindung; was nun aber den Emir Salâme und seine Gemahlin anlangt, so saßen sie da, ihres einzigen Kindes gedenkend, und sprachen hin und her, was für ein Schicksal ihm wohl widerfahren wäre, als mit einem Male Sultan Habîb vor ihnen stand und ihm zur Seite seine Gemahlin Durret el-Ghawwâs. Sobald aber ihre Blicke auf sie fielen, wurden sie im Übermaß ihrer Freude und Wonne von Weinen überwältigt, und beide Eltern stürzten sich auf sie und sanken ohnmächtig zu Boden. Sobald sie sich dann wieder erholt hatten, erzählte ihnen der Jüngling alle seine Erlebnisse von Anfang bis zu Ende, worauf sie einander beglückwünschten; alsdann trommelten die Kesselpauken die frohe Kunde aus, und eine Menge Volks von all den Beduinenstämmen und den Stadtbewohnern scharte sich um sie und beglückwünschte sie von Herzen zu ihrer Wiedervereinigung. Ebenso wurde das Lager im ganzen und einzelnen geschmückt, und Freudenfeste wurden für sieben volle Tage anberaumt; Bankette wurden angerichtet und die Tafeln gedeckt, und alle setzten sich an sie im angenehmsten Leben und schmausten und zechten; die Hungrigen wurden gesättigt und die Armen und Elenden und Bettler bis zum Ende des siebenten Tages festlich 189 bewirtet. Dann aber machten sie sich daran, die zehn Ritter, die der Emir Salâme seinem Sohn als Geleit mitgegeben hatte, zu bestrafen, und der Sultan Habîb erteilte Befehl, von ihnen Entschädigung und Wiedererstattung alles Geldes und Guts und der Pferde und Kamele, die ihnen von seinem Vater anvertraut waren, zu verlangen. Nachdem diese Sachen von ihnen wieder zurückgegeben waren, befahl er für sie ebenso viele Pfähle in dem Garten, in dem er mit seiner Gemahlin saß, aufzustellen, wo er sie, einen jeden auf seinen Pfahl, in ihrem Beisein spießen ließ. Alsdann führten sie vereint das angenehmste und fröhlichste Leben, bis der alte Emir Salâme das Zeitliche segnete, worauf sie ihn sieben Tage lang aufs tiefste betrauerten. Nach Verlauf derselben ward sein Sohn, der Sultan Habîb, Herrscher an seiner Statt und nahm die Huldigung aller Stämme und Clane entgegen, die vor ihm erschienen und für seinen Sieg und seines Lebens Dauer flehten; und die Nacken seiner Unterthanen, auch die widerspenstigsten unter ihnen, beugten sich demütig vor ihm. In dieser Weise herrschte er über die Krystallinseln Sābûrs, seines Schwiegervaters, in Gerechtigkeit und Billigkeit, und seine Gemahlin, die Königin Durret el-Ghawwâs, gebar ihm eine Anzahl Kinder, die zur rechten Zeit den Fußstapfen ihres Vaters folgten.

Und hier endet die Geschichte von Sultan Habîb und Durret el-Ghawwâs in aller Vollendung und Vollkommenheit und unter gutem Vorzeichen.

 


 

Ende des zweiundzwanzigsten Bandes.

 


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