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Tausend und eine Nacht. Band XXII
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Die Geschichte von der Dolmetscherin, der Duenna und dem Prinzen.

Ferner erzählt man, – doch Gott allein ist allwissend in betreff der Geschichten uns vorausgegangener Völker, – daß in einer Stadt Rûms ein König von hohem Rang und erhabener Würde regierte, ein Herr von Macht und Gewalt. Jedoch hatte dieser König keine Sprößlinge, und er flehte unablässig zu Gott, dem Erhabenen, ihm ein Kind zu bescheren, bis sich der Herr seiner erbarmte und ihm ein Knäblein zu teil werden ließ. Da ließ er den jungen Prinzen aufs zärtlichste erziehen und ihn alle Wissenszweige sowie die göttlichen Gebote in betreff der Weisheit, Moral und Sitte lernen, so daß keine nützlichen Kenntnisse übrigblieben, in denen der Jüngling nicht unterwiesen wurde; und der König 77 ließ sich seine Erziehung ein hübsches Stück Geld kosten. Als aber der Knabe herangewachsen war, kehrte sich die Zeit wider den König, seinen Vater, so daß er ratlos in betreff seiner selbst wurde und nicht wußte, was er thun sollte. Da faßte sich sein Sohn ein Herz ihn recht zu leiten und sprach zu ihm: »O mein Vater, sag' mir, willst du auf meine Worte, die ich zu dir sprechen möchte, hören?« Der König versetzte: »Sprich nur, dein ist der Rat.« Nun sagte der Jüngling: »So erheb' dich, mein Vater, und laß uns diese Stadt verlassen, ehe es jemand merkt; wir werden dann Ruhe finden und ein Entkommen aus der Drangsal der Not, die uns jetzt rings umgiebt. An dieser Stätte finden wir unsern Unterhalt nicht mehr, und die Armut hat uns verzehrt, daß wir in die übelste Lage versetzt sind, wie es keine schlimmere geben kann.« Sein Vater erwiderte: »O mein Kind, dein Rat, den du uns giebst ist trefflich und liebevoll und ehrerbietig, o mein Sohn; mag die Sache nun Gott und dir anheimgestellt sein!« Hierauf machte der Sohn alles zurecht und, sich eines Nachts erhebend, nahm er Vater und Mutter, ohne daß es jemand merkte, worauf die drei im Vertrauen auf Gott, den Erhabenen, von der Heimat fortzogen. Sie wanderten unaufhörlich durch die Steppen und Wüsten, bis sie schließlich auf ihrem Wege eine große und prächtige Stadt erblickten. Sie betraten dieselbe, und, nachdem sie einen Platz zur Einkehr ausfindig gemacht hatten, erhob sich der Prinz, um durch die Stadt zu streifen und sich dieselbe zu besehen, wobei er über die Stadt und ihren König Erkundigungen einzog. Die Leute gaben ihm die erwünschte Auskunft und sagten: »Dies ist die Residenz eines Sultans, der gerecht ist und unter den Königen in hohen Ehren steht.« Da kehrte er zu seinen Eltern zurück und sprach zu ihnen: »Ich möchte euch als Sklaven diesem Sultan verkaufen; was meint ihr dazu?« Sie erwiderten: »Wir haben Gott, dem Erhabenen, und dann dir unsere Sache anheimgegeben; thu' daher, was dir beliebt und recht scheint.« 78 Hierauf begab sich der Prinz zum Palast und ersuchte um Audienz beim König, worauf er nach erhaltener Erlaubnis bei dem König eintrat und sich vor ihm verneigte. Als der Sultan ihn daraufhin anblickte und sah, daß er zu den Söhnen der Großen gehörte, fragte er ihn: »Was begehrst du, o Jüngling?« Er versetzte: »O mein Herr, dein Sklave ist ein Kaufmann, und ich habe einen Gefangenen bei mir, geschickt im Handwerk, gottesfürchtig, fromm und ein Muster von Ehrbarkeit und vollendeter Ehre; ebenso habe ich eine Sklavin von trefflicher Anmut und von vollendeter Lebensart in allem, was du von Sklavinnen verlangen kannst; diese, o mein Herr, wünsche ich deiner Hoheit zu verkaufen, und, so du sie von deinem Sklaven zu kaufen begehrst, stehen sie vor dir und zu deiner Verfügung, und wir alle drei sind deine Sklaven.«

Als der König diese gefälligen Worte von dem Jüngling vernahm, fragte er ihn: »Und wo sind sie? Bring' sie her, damit ich sie mir besehen kann; und, wenn sie so sind, wie du es mir beschreibst, dann will ich Befehl erteilen, daß man sie von dir kauft.« Da verließ ihn der Jüngling und teilte seinen Eltern des Königs Anerbieten mit, worauf er zu ihnen sprach: »Steht auf und begleitet mich, daß ich euch verkaufen und euern Preis vom Sultan empfangen kann: ich will dann in fremde Länder ziehen und mir soviel verdienen, daß ich euch nach meiner Rückkehr loskaufen und wieder freimachen kann, worauf wir von dem Rest leben wollen.« Sie versetzten: »O unser Sohn, thue mit uns, was dir beliebt.« Alsdann erhoben sich seine Eltern und machten sich fertig ihm zu folgen, und der Jüngling nahm sie und führte sie vor den Sultan, vor dem sie sich verneigten. Der König aber verwunderte sich beim ersten Blick über sie und fragte sie: »Seid ihr dieses Jünglings Sklaven?« Sie versetzten: »Jawohl, unser Herr.« Alsdann wendete er sich zum Jüngling und fragte ihn: »Was soll ihr Preis sein?« Der Jüngling erwiderte: »O mein Herr, gieb mir als Preis für diesen 79 Sklaven ein Roß, gesattelt und gezäumt und mit Waffen und allem sonstigen Zubehör; für die Sklavin aber wünsche ich von dir einen Anzug der feinsten und tadellosesten Kleider.« Der Sultan befahl, ihm alles erwünschte zu zahlen und schenkte ihm noch obendrein hundert Dinare, worauf der Jüngling nach Erlangung seiner Forderung und solcher Zeichen der königlichen Freigebigkeit des Königs Hände küßte und sich von Vater und Mutter verabschiedete. Dann machte er sich auf den Weg, um Glück von Gott zu suchen, ohne jedoch zu wissen, wohin er sich wenden sollte. Unterwegs stieß er auf einen Reiter, und beide tauschten Gruß und Willkommen aus, wobei der Fremde sich über die Höflichkeit des Prinzen und seine gefällige Ausdrucksweise außerordentlich erfreut zeigte; und mit einem Male zog er einen gesiegelten, in ein Tuch gewickelten Brief heraus und reichte ihn dem Jüngling mit den Worten: »Fürwahr, mein Bruder, mein Herz ist infolge deines feinen Wesens, deines gefälligen Benehmens und deiner süßen Sprache von Liebe zu dir ergriffen, so daß ich durch dieses Schreiben dein Wohl betreiben möchte.« Der Prinz fragte: »Was für Wohl mag das sein?« Der Reitersmann entgegnete: »Nimm diesen Brief zu dir und, sobald du am Hof des Königs, zu dem du ziehst, angelangt bist, überreiche ihn demselben; hierdurch wirst du von ihm überreichen Gewinn und gewaltig viel Gut erlangen und wirst bei ihm den höchsten Ehrenrang einnehmen. Dies Papier, das mir von meinem Lehrer gegeben wurde, hat mir bereits reiches Gut und übergroßen Gewinn eingetragen, und ich gab es dir wegen deines feinen Wesens, deiner guten Erziehung und deiner Artigkeit, mit der du mir Respekt bezeugtest.« Der junge Prinz erwiderte ihm hierauf: »Gott lohne es dir mit Gutem und gewähre dir deines Wunsches Erfüllung!« Mit diesen Worten nahm er den Brief von dem Reitersmann mit rechtschaffenem Herzen und aufrichtiger Absicht, indem er bei sich sprach: »So Gott will, der Erhabene, wird mir durch den Segen dieses Briefes Glück 80 zu teil, worauf ich mich aufmachen und meine Eltern freikaufen will.« Alsdann zog der Prinz weiter, innerlich frohlockend, zumal darüber, daß er in den Besitz des Briefes gekommen war, der ihm überreiches Gut verschaffen sollte. Es traf sich aber, daß er übermäßig müde wurde, ohne daß er auf seinem Pfad Trinkwasser sah, so daß er durch die Folterqualen, die ihm der Durst bereitete, dem Tode nahe kam. Infolgedessen wendete er sich um und sah nach seinem Roß, wobei er fand, daß es mit ganz ungewöhnlichem Schweiß bedeckt war. Da stieg er ab und zog die Hülle hervor, in die der Brief gewickelt war, worauf er sie abnahm und mit ihr den Schweiß des Tieres abwischte; dann drückte er ihn in einen Becher und trank ihn und fand zu seiner Freude, daß er sich etwas gestärkt fühlte. In seiner außerordentlichen Genugthuung über den Brief sprach er dann bei sich: »Wüßte ich nur, was darin steht, und was das für ein Nutzen ist, der mir nach des Reiters Verheißung daraus erwachsen soll! Ich will ihn öffnen und sehen, was er enthält, daß mein Herz zufrieden wird und meine Seele sich freut.« Hierauf that er nach diesen Worten und las seinen Inhalt, den Sinn der Worte und das dem Schreiben anvertraute Geheimnis begreifend, das also lautete: »O mein Herr, sofort nach Ankunft des Trägers dieses Schriftstücks erschlag' ihn und laß ihn keinen Augenblick weiter am Leben. Dieser Jüngling kam zu mir, und ich erwies ihm die höchsten Ehren, die es nur giebt, während mich dieser Verräter des Salzes, dieser Ruchlose, in einer Tochter, die ich bei mir hatte, entehrte. Ich fürchtete mich, ihn zu erschlagen, um nicht selber zugleich mit meinen Stamm unter dem Volk in Schimpf und Schande zu geraten, weshalb ich ihn zu deiner Hoheit entsandte, daß du ihn mit den verschiedenen Foltern folterst und seiner Sache durch seine Hinrichtung ein Ende machst, uns so von der Schande befreiend, die uns durch diesen ruchlosen Verräter betraf.«

Als der junge Prinz dieses Schreiben las und seinen 81 Inhalt begriff, merkte er, daß es nicht in Bezug auf ihn geschrieben war, und sprach nachdenklich bei sich: »Wenn ich nur wüßte, was ich diesem Reitersmann angethan habe, der so eifrig meinen Tod heischt, denn er hatte doch keine Tochter bei sich, da er ganz allein seines Weges zog; und ich schloß mit ihm Bekanntschaft, ohne daß ein unwürdiges oder unpassendes Wort zwischen uns gefallen wäre. Diese Sache muß sicherlich zwei Seiten haben; entweder ist ihm wirklich solch ein Mißgeschick von einem Jüngling, der mir ähnlich ist, zugestoßen, so daß er mir, als er die Ähnlichkeit sah, den Brief gab; oder es ist eine mir von Gott, dem Erhabenen, gesandte Prüfung, und dann sei Gott, der Erhabene, dafür gepriesen, daß er mir eingab, das Schreiben zu öffnen! Auf jeden Fall danke ich dem Allerhöchsten und preise ihn dafür, daß er dieses Unheil und Unglück, das auf mich niederkam, von mir abwehrte und mich davon befreite.«

Alsdann ritt der Jüngling durch die wildesten Gegenden weiter, bis er zu einer gewaltig großen Stadt kam, in die er ritt, worauf er sich in einem Chân eine Wohnung mietete und abstieg und, nachdem er sein Roß angebunden und ihm hinreichend Futter gegeben hatte, fortging und durch die Straßen der Stadt wanderte. Da traf es sich, daß ihm eine Alte begegnete, die ihn anschaute, wobei sie bemerkte, daß er ein hübscher und feiner Jüngling war, von hohem Wuchs und mit dem Zeichen des Wohlstandes zwischen den Augen. Er redete sie an und fragte sie nach den Bewohnern der Stadt und ihren Verhältnissen, worauf sie ihm erwiderte: »Hier in unserer Stadt regiert ein König von erhabener Würde, der eine schöne Tochter hat, die Lieblichste des Volkes ihrer Zeit. Sie hat sich jedoch vorgenommen, nimmerdar einen Mann zu heiraten, der sie nicht mit Beweisen und Argumenten besiegt und eine zufriedenstellende Antwort auf alle ihre Fragen erteilen kann. Und dies geschieht unter der Bedingung, daß, wenn er als Sieger daraus hervorgeht, er ihr Gemahl wird; unterliegt er jedoch, 82 so schlägt sie ihm den Kopf ab, und in dieser Weise ist sie bereits mit neunundneunzig Männern von edelstem Geblüt verfahren, wie Söhne von Königen und dergleichen. Ferner besitzt sie ein hochragendes Schloß, erbaut auf den Höhen, die diese ganze Stadt beherrschen, von wo sie jeden, der unter ihren Wällen vorüberzieht, schauen kann.«

Sobald der junge Prinz diese Worte von der Alten vernahm, ward sein Herz von Liebe zur Prinzessin in Beschlag genommen, und er verbrachte die Nacht als die längste aller Nächte und konnte es gar nicht erwarten, daß der Morgen anbrach. Sobald dann die Dämmerung anbrach und es licht ward und tagte, erhob er sich unverzüglich und sattelte sein Roß, worauf er es bestieg und zum Palast der Prinzessin ritt; dort angelangt, stellte er sich dann unter dem Portal auf. Infolgedessen betrachteten ihn die Leute, die dort waren, und fragten ihn: »Weshalb stehst du hier?« Er versetzte: »Ich wünsche die Prinzessin zu sprechen.« Kaum aber hatten sie seine Worte vernommen, da begannen sie mit freundlichen und artigen Worten auf ihn einzureden, indem sie ihm von seinem Vorhaben abrieten und zu ihm sprachen: »O du schöner Jüngling, fürchte Gott, habe Mitleid mit dir selber und erbarme dich deiner Jugend! Unterfange dich nicht, mit der Prinzessin ein Gespräch zu suchen, denn sie hat bereits neunundneunzig Edle und Königssöhne getötet, und wir sind um dich in schweren Sorgen, daß du das Hundert voll machst.« Der Prinz wollte jedoch weder auf eines ihrer Worte hören noch auf ihren Rat achten; ebenso ließ er sich durch niemand anders warnen, sondern blieb beharrlich weiter am Palastthor stehen. Schließlich ersuchte er um Audienz bei der Prinzessin, die sie ihm jedoch verweigerte, indem sie sich damit begnügte, ihre Dolmetscherin zu ihm zu schicken und ihm sagen zu lassen: »O du schöner Jüngling, bist du bereit und verlangst du danach, Gefahren und Schwierigkeiten die Stirn zu bieten?« Er erwiderte: »Ich bin's.« Da sagte sie zu ihm: »So begieb dich zum König, dem Vater dieser 83 Prinzessin, teile ihm deine Sache und dein Vorhaben mit und sei vor dem Kadi Zeuge wider dich selber, daß du der Gemahl der Prinzessin werden sollst, wenn du seine Tochter in ihren Fragen besiegst und sie auf eine deiner Fragen nicht zu antworten vermag. Besiegt sie dich jedoch, so soll sie dir rechtmäßig den Kopf abschlagen, wie sie so viele vor dir geköpft hat. Hast du dies erledigt, so kehre zu uns zurück.«

Da begab sich der Prinz unverzüglich zum König, so wie ihm geheißen war, worauf er zur Dolmetscherin zurückkehrte und ihr alle Vorgänge vor dem König und dem Kadi mitteilte. Alsdann wurde er vor die Prinzessin geführt, bei der sich die obenerwähnte Dolmetscherin befand, die ihm zur größeren Bequemlichkeit ein seidenes Kissen zum Sitzen brachte. Hierauf hoben die beiden an, Fragen zu stellen und Fragen und Probleme zu lösen, angesichts einer großen Beiwohnerschaft. Die Dolmetscherin aber begann, die Worte ihrer Herrin, die ebenfalls anwesend war, interpretierend, zu fragen: »O Jüngling, meine Herrin spricht zu dir: Gieb mir Auskunft über ein sich frei umherbewegendes Grab, dessen Bewohner lebendig ist.« Er versetzte: »Das frei sich umherbewegende Grab ist der Walfisch, der Jonas verschluckte, – der erlesenste Salâm auf ihn! – und der Prophet war lebendig in seinem Leibe.« – »Nun gieb mir Auskunft über zwei Kämpfer, die miteinander ohne Hand und Fuß streiten, und die weder Wort noch Rede miteinander wechseln.« – »Der Bull und der Büffel, die aufeinander mit den Hörnern stoßen.« – »Nun nenn' mir eine Gegend der Erde, die nur ein einziges Mal und seitdem nimmer wieder die Sonne sah?« – »Das ist der Boden des Roten Meeres, als Moses der Prophet – Frieden sei auf ihm! – das Meer mit seinem Stabe schlug, worauf es sich spaltete, so daß die Kinder Israel es auf trockenem Boden durchschritten, was nur einmal und nie wieder gesehen wurde.« – »Was trank Wasser zu seinen Lebzeiten und Fleisch nach seinem Tod?« – »Das ist der Stab des Propheten Moses, – Frieden 84 sei auf ihm! – der, als er ein lebender Zweig war, aus seiner lebenden Wurzel Wasser trank und erst starb, als er von dem väterlichen Baum getrennt wurde. Alsdann warf ihn Gott, der Erhabene, durch Moses' Hand auf das Land Ägypten zu jener Zeit, als dieser Prophet Pharao und sein Heer ertränkte, indem er mit ihm das Rote Meer spaltete. Hierauf wurde jener Stab ein Drache und verschlang die Ruten all der Magier von Ägyptenland.« – »Nun gieb mir über ein Ding Auskunft, das weder zur Menschen noch zur Dschinnart gehört und auch kein Tier und kein Vogel ist.« – »Das, wovon du sprichst, ward von Salomo erwähnt, nämlich die Laus und zweitens die Ameise.« – »Sag' mir, zu welchem Zweck Gott, der Erhabene, die Schöpfung erschaffen hat, aus welchem Grund seiner Weisheit er sie lebendig machte, und zu welchem Zweck er dem Tod die Auferstehung und der Auferstehung das Gericht über die Menschen folgen ließ.« – »Gott erschuf alle Geschöpfe, sein Werk zu bezeugen, und ließ sie sterben, seine absolute Herrschaft zu schauen; alsdann erweckte er sie, seine Allmacht kennen zu lernen und beschloß, daß sie Rechenschaft ablegen sollten, um seine Weisheit und Gerechtigkeit zu betrachten.« – »Gieb mir in betreff von dreierlei Auskunft, deren erstes nicht von Vater und Mutter erzeugt ward und doch starb, deren zweites von einem Vater erzeugt und einer Mutter geboren ward und doch starb, und deren drittes von Vater und Mutter erzeugt ward und keines menschlichen Todes starb.« – »Das erste waren Adam und Eva, das zweite Elias der Prophet und das dritte Lots Weib, das nicht den gewöhnlichen Tod starb, da sie in eine Salzsäule verwandelt ward.« – »Nun sag' mir, wer in dieser Welt zwei Namen hatte?« – »Das war Jakob, der Vater der zwölf Stämme, dem Gott den Namen Israel verlieh, welches bedeutet »Mann mit Gott.«Die wissenschaftliche Erklärung von Israel ist Gottesstreiter. – »Gieb mir Auskunft über den Nākûs oder 85 Gong, wer dessen Erfinder war, und zu welcher Zeit er zuerst in der Welt geschlagen ward.« – »Der Gong ward von Noah erfunden, der ihn zuerst auf der Arche schlug.«

Nach diesem legte sie ihm noch eine lange Reihe Fragen vor, und er löste ihr alle ihre Rätsel bis zum Anbruch des Abends, worauf die Prinzessin zur Dolmetscherin sprach: »Sag' dem jungen Mann, daß er jetzt gehen und morgen früh wiederkommen mag; wenn ich ihn dann überkomme, so will ich ihm den Becher, den seine Gefährten tranken, zu trinken geben; besiegt er mich jedoch, so will ich sein Ehegemahl werden.« Die Dolmetscherin übermittelte ihm ihren Auftrag Wort für Wort, worauf der Jüngling mit loderndem Feuer im Herzen die Prinzessin verließ und die längste der Nächte verbrachte, ohne den Morgen erwarten zu können. Als dann aber der Tag graute und die Dämmerung mit ihrem Licht anbrach und auf alle Menschen schien, erhob er sich aus dem Schlaf und machte sich beim ersten Lichtschein zum Palast auf, worauf die Prinzessin der Dolmetscherin befahl, ihn hereinzuführen. Sobald er eingetreten war und sich auf ihr Geheiß hingesetzt hatte, gab sie wieder der Dolmetscherin ihre Befehle, die nun zu ihm sprach: »Meine Herrin wünscht von dir Auskunft darüber, welches der Baum ist, der zwölf Zweige trägt, einen jeden bekleidet mit dreißig Blättern, die alle doppelte Farbe haben, zur Hälfte weiß und zur Hälfte schwarz.« – »Der Baum ist das Jahr, und seine zwölf Zweige sind die zwölf Monate, während die dreißig Blätter an jedem dieser Zweige die dreißig weißen Tage und schwarzen Nächte sind.« – »Nun sag' mir, welcher Baum trug viele Zweige und Blätter, der hernach Fleisch und Blut ward?« – »Dies war der Stab Mosis des Propheten, – Frieden sei auf ihm! – der zuerst ein Baum war, dann aber, nachdem er abgeschnitten ward, eine Schlange von Fleisch und Blut wurde.« – »Nun sag' mir, was ward aus Mosis Stab und Noahs Arche, und wo befinden sie sich jetzt?« – »Sie ruhen zu dieser Zeit versunken im See 86 Tiberias, und beide werden am Ende der Zeit von einem Manne, Namens El-Nâsirī, heraufgebracht werden.« – »Gieb mir Auskunft über das Spinngarn, woher es seinen Ursprung nahm, und wer es zuerst spann.« – »Gott, der Erhabene, befahl zu Beginn der Menschheit dem Erzengel Gabriel Eva zu besuchen und also zu ihr zu sprechen: »Spinne für dich selbst und für Adam Zeug, eure Blöße zu bedecken.« – »Nun gieb mir über die Asāfîr oder Sperlinge Auskunft, weshalb sie so heißen, und wer ihnen zuerst diesen Namen gab.« – »In den Tagen Mosis des Propheten – Frieden sei auf ihm! – gab es einen Vogel, Namens Fîr, und in der Zeit des Königs Salomo – Frieden sei auf ihm! – gehorchten ihm alle Vögel samt den Tieren; und, wiewohl jegliches Lebewesen diesem Propheten unterthan war, mochte sich ihm doch dieser Vogel Fîr nicht unterwerfen. Da schickte der weise König eine Schar Vögel nach ihm aus, ihn vor ihn zu bringen, jedoch weigerte er sich, vor ihm zu erscheinen. Wie nun die Vögel zum Propheten zurückkehrten, und dieser sie fragte: »Wo ist Fîr?« antworteten sie: »O unser Herr, asā Fîr, Fîr ist rebellisch, woher der Name an den Vögeln haften blieb.« – »Nun gieb mir über die zwei feststehenden und die zwei beweglichen, die zwei verbundenen, die zwei durch Eifersucht getrennten und die zwei sich ewig feindlichen Dinge Auskunft.« – »Die zwei feststehenden Dinge sind Himmel und Erde, die zwei beweglichen die Sonne und der Mond; die zwei verbundenen sind Nacht und Tag, die zwei durch Eifersucht getrennten Seele und Leib und die beiden sich ewig feindlichen Tod und Leben.«

In dieser Weise fragte ihn die Dolmetscherin wieder den ganzen Tag über bis zum Anbruch des Abends, während er ihr Antwort gab und alle ihre Probleme löste. Alsdann befahl sie ihm zur Nacht fortzugehen und am nächsten Tage wiederzukommen. Infolgedessen kehrte der junge Prinz wieder zu seinem Chân zurück, und, sobald er sich vergewissert hatte, daß der Morgen angebrochen war, entschloß er sich zu sehen, ob dieser 87 Tag ihm etwas Besseres einbringen würde, als er zuvor erlangt hatte. Er stand deshalb frühzeitig auf und begab sich wieder zum Palast der Königin, wo er von der Dolmetscherin empfangen und hereingeführt wurde, die ihn wie üblich Platz nehmen hieß, worauf sie anhob: »Meine Herrin befiehlt dir, ihr Auskunft über etwas zu geben, das ungesetzlich ist, wenn es ein Mann thut, ebenso ist's aber auch ungesetzlich, wenn er's nicht thut.« Der Prinz erwiderte: »Das ist das Gebet eines Trunkenen, das in beiden Fällen ungesetzlich ist.« – »Sag' mir nun, wie weit es zwischen Himmel und Erde ist.« – »Ein Zwischenraum, der überbrückt wird durch das Gebet des Propheten Moses, – Frieden sei auf ihm! – den Gott, der Erhabene, rettete und bewahrte.« – »Und wie weit ist es zwischen Osten und Westen?« – »Der Raum eines Tages und der Lauf der Sonne vom Morgen zum Abend.« – »Laß mich wissen, was Adams Kleid im Paradiese war.« – »Adams Kleid in Eden war sein loses Haar.«So Burton nach einer Konjektur. Wenn der Text richtig ist, müßte es etwa Hornhaut heißen. – »Gieb mir von Abraham dem Freund – Frieden sei auf ihm! – Auskunft, wie es kam, daß Gott ihn auserwählte und ihn »Freund« nannte.« – »Fürwahr, der Herr beschloß ihn zu prüfen und auf die Probe zu stellen, obgleich er sehr wohl wußte, daß der Prophet bei seinem freien Willen dennoch völlig imstande war die Probe zu bestehen. Nichtsdestoweniger entschloß er sich dies zu thun, um vor den Menschen die Wahrheit des Gottvertrauens seines Knechtes, die Rechtschaffenheit seines Glaubens und die Reinheit seiner Absicht festzustellen. Infolgedessen befahl er ihm, seinen Sohn IsaakNach allgemeiner Ansicht des Islâms sollte Ismael und nicht Isaak geopfert werden. als Opfer darzubringen; und in der Wahrhaftigkeit seines Gottvertrauens nahm er sein Kind und wollte es als Opfer schlachten. Als er aber hierzu sein Messer zog, ward er vom allerhöchsten Schöpfer also angeredet: »Nun in der 88 That weiß ich wohl, daß du mich auserwählt hast und meinen Bund hältst; nimm daher jenen Widder und schlachte ihn als Opfer an Isaaks Statt.« Nach diesem gab er ihm den Namen »Freund«. – »Nun sag' mir, wieviel der Kinder Israel bei ihrem Auszug aus Ägypten waren.« – »Als sie aus Ägyptenland zogen, waren es ihrer sechshunderttausend Kriegsmannen nebst ihren Weibern und Kindern.« – »Nun nenn' mir einen Platz auf Erden, der höher ist als der Himmel.« – »Das ist Jerusalem, die Erhöhte, und sie steht hoch über dem Firmament.« –

Alsdann wendete sich der Jüngling zur Dolmetscherin und sprach zu ihr: »O meine Herrin, lang und langwierig ist unsere Auseinandersetzung gewesen, und, so deine Herrin mir fortwährend solche und ähnliche Fragen stellen wollte, ich würde auf alle durch Gottes Allmacht eine ausreichende Antwort haben. Anstatt dessen aber wünsche ich nun an deine Herrin die Prinzessin eine einzige Frage zu richten. Wenn sie mir ihren Sinn richtig deutet, so mag sie mir den Becher meiner Vorgänger zu trinken reichen, die sie überwand und tötete; wenn sie es jedoch nicht vermag, dann soll sie sich für überwunden erklären und mein Weib werden; und somit der Frieden!«

Da dies aber in der Gegenwart einer gewaltigen Menge von Groß und Klein gesprochen wurde, antwortete die Dolmetscherin, ob sie wollte oder nicht: »Sprich, Jüngling, was dein Wille ist, und sag' an, was du im Sinn hast.« Da sprach er: »So sag' deiner Herrin, sie möchte geruhen mich in betreff eines Mannes zu erleuchten, der sich in folgender Lage befand. Er ward im höchsten Glück geboren und auferzogen, jedoch kehrte sich die Zeit wider ihn, und Armut schlug ihn, so daß er seinen Vater für ein Roß und seine Mutter für ein Kleid verkaufte und auszog, Trost und Glück aus Gottes, des Erhabenen, Hand zu suchen. Der Tod aber trat ihm unterwegs entgegen und das Verderben kam nieder auf sein Haupt, jedoch rettete ihn sein Roß vor dem 89 Untergang, als er Wasser trank, das weder vom Himmel noch aus der Erde kam. Nun sieh' zu, wer jener Mann wohl sein mag, und gieb mir in betreff seiner Antwort.« Als aber die Prinzessin diese Frage vernahm, ward sie über die Antwort, die sie vor der Menschenmenge erteilen sollte, über die Maßen verlegen und war verwirrt und bestürzt und völlig ratlos, der Schwierigkeit zu entgehen, so daß ihr nichts übrigblieb als der Dolmetscherin zu sagen: »Befiehl dem Jüngling seines Weges zu gehen und morgen wieder herzukommen.« Die Dolmetscherin that, wie ihr geheißen war, und setzte hinzu: »Und morgen wird, so Gott will, alles gut sein,« worauf der Prinz das Volk, starr über die Frage, die er der Prinzessin gestellt hatte, verließ. Sobald er sie aber verlassen hatte, befahl die Prinzessin der Dolmetscherin etwas von dem delikatesten Geflügel schlachten und es so zubereiten zu lassen, als sie es ihr vorschreiben würde; ferner befahl sie, ihr Leckergerichte, köstliche Süßigkeiten und die feinsten Früchte, frische sowie getrocknete, und allerlei andere Sachen zum Essen und Trinken zu besorgen und auch eine Lederflasche voll gutem altem Wein zu nehmen. Alsdann legte sie ihre gewöhnliche Kleidung ab und zog ihr kostbarstes Kleid an, worauf sie ihre Duenna und Lieblingssklavin zugleich mit einigen ihrer Frauen als Geleit mit sich nahm und sich zur Wohnung des jungen Prinzen aufmachte; die Zeit ihres Besuches aber war die Nachtzeit.

Als sie den Chân erreicht hatte, sprach sie zu ihrer Schützerin: »Geh' allein zu ihm, während ich mich inzwischen irgendwo hinter der Thür verberge, und setz' dich vor ihn.« Nachdem sie dann noch die Alte unterwiesen hatte, welche List und Verstellung sie gebrauchen sollte, trat die Sklavin zu dem Jüngling ein und begrüßte ihn mit dem Salâm, worauf sie sich vor ihn setzte und zu ihm sprach: »O Jüngling, siehe, hier ist ein hübsches Fräulein, entzückend und in allen Eigenschaften vollkommen, wie es ihresgleichen in ihrer Zeit nicht giebt; ist sie doch fast imstande den Lauf 90 der Sonne rückwärts zu kehren und das All an ihrer Stelle zu erleuchten. Wie du uns in dem Raum der Prinzessin besuchtest, sah sie dich und gewahrte, daß du ein schöner Jüngling bist; und so verliebte sich ihr Herz in dich über die Maßen und verlangte in so hohem Maße nach dir, daß sie darauf drang mich zu begleiten, und nun steht sie an deiner Thür draußen und harrt des Eintritts. Gewähr' ihr die Erlaubnis hereinzukommen und vor dir zu erscheinen, um sich dann in einen abgelegenen Raum zurückzuziehen und dir aufzuwarten als eine Sklavin deines Willens.« Der Prinz versetzte: »Wer uns sucht, der mag wohl und unbeschadet eintreten, und willkommen, willkommen von Herzen sei ein jeder solcher Gäste!« Hierauf trat die Prinzessin mit ihrem ganzen Gefolge ein, und, sobald sie sich gesetzt hatten, brachten sie alle ihre Sachen zum Essen und Trinken hervor und setzten sie vor den Jüngling, worauf sie schmausten und zechten und unter Scherz und Lachen witzige und unterhaltende Reden führten, während die Prinzessin es zu ihrer besonderen Aufgabe machte, mit ihrem Wirt zu tändeln, im Glauben, er wüßte nicht, daß sie die Prinzessin wäre. Ebenso ließ er nicht ab sich mit ihr zu vergnügen, und in dieser Weise schmausten und zechten sie und vergnügten und belustigten sich bei ergötzlichem Geplauder. Die Duenna animierte jedoch den Prinzen fortwährend mit reinem, unvermischtem Wein, bis er trunken geworden war und nichts mehr von sich wußte, worauf sie ihn nach dem Rätsel ausfragte, mit dem er ihre Herrin überwunden hatte, während er in seiner Trunkenheit so lallte, daß er ihr nichts davon erklären konnte. Da legte die Prinzessin ihre Oberkleider ab und setzte sich seitwärts auf ein Diwankissen, wobei sie sich der Länge nach ausstreckte, daß der Jüngling in der Glut seines Entzückens und Verlangens nach ihr sofort die Sprache wieder gewann und ihr die Auslegung seines Rätsels erklärte. Die Prinzessin freute sich hierüber so sehr, als ob sie die ganze Welt gewonnen hätte, und, im Übermaß ihrer 91 Freude sofort aufspringend, mochte sie nicht mehr säumen, um ihr Vergnügen mit ihrem Freier zu beenden, sondern verließ ihn noch vor Anbruch des Morgens und begab sich wieder in ihren Palast. Hierbei vergaß sie jedoch gänzlich ihre Oberkleider und das Weinservice samt dem Rest an Speise und Trank.

Als nun der Jüngling, der vom Schlaf überkommen war, in der Morgenfrühe erwachte, blickte er um sich, ohne jemand von der Gesellschaft zu finden; jedoch erkannte er die Sachen der Prinzessin, die äußerst wertvolle und kostbare Kleidungsstücke aus Brokat, Zindel und dergleichen waren, zugleich mit Juwelen und Schmucksachen; und rings herum lagen verstreut Gegenstände vom Weinservice und Reste von den Speisen, die sie mit sich gebracht hatten. Aus diesen Zeichen ersah er, daß ihn die Prinzessin in Person besucht hatte, und er war überzeugt, daß sie ihm die Antwort auf seine Frage abgelistet hatte.

Sobald es nun Morgen war, erhob er sich und begab sich wie gewöhnlich zum Palast der Prinzessin, wo ihn die Dolmetscherin empfing und zu ihm sprach: »O Jüngling, beliebt es dir, daß dir meine Herrin die Antwort auf das Rätsel giebt, das du ihr gestern vorlegtest?« Er erwiderte: »Ich will dir die volle Wahrheit sagen und erzählen, wie es mir erging, seitdem ich euch das letzte Mal sah. Also nämlich trug es sich zu: Als ich euch verlassen hatte, besuchte mich ein liebliches Vöglein, entzückend und voll vollendeter Reize, das ich mit höchsten Ehren und Aufmerksamkeiten aufnahm; wir aßen und tranken zusammen, doch zur Nacht schüttelte es seine Federn und flog auf und davon. Will sie es leugnen, so will ich ihr Gefieder vor ihrem Vater und allen Anwesenden hervorholen.«

Als nun der König, der Vater der Prinzessin, diese Worte in betreff seiner Tochter vernahm, daß er sie nämlich in dem Wettstreit besiegt und sie ihn in seiner Wohnung besucht hatte, um ihm die Auslegung des Rätsels abzulocken, das 92 sie nicht lösen und beantworten konnte, ließ er sofort den Priester, die Herren seines Landes und die Großen seines Reiches samt den Vornehmen seiner Sippe zu sich entbieten und erzählte ihnen die ganze Geschichte von Anfang bis zu Ende, worauf er mit den Worten schloß: »Aus diesem Grunde ist es recht und billig, daß er sie heiratet, wie es zwischen ihnen ausgemacht war; und es ist unsere erste Pflicht ihren Streit zu schlichten und die Sache so, wie es ausgemacht war, zu entscheiden, daß der Ehekontrakt zwischen den beiden geschrieben wird, wo er ohne Zweifel der Sieger ist. Was sagt ihr dazu?« Sie versetzten: »Das ist der trefflichste Rat, und außerdem paßt der Jüngling, da er hübsch und angenehm ist, für sie, wie sie gleichfalls für ihn paßt; ihr Schicksal ist wunderbar.«

Infolgedessen befahlen sie den Ehekontrakt zu schreiben, und der Priester erhob sich sofort und kündigte die glückverheißende Vereinigung an, worauf er das Paar und alle Anwesenden segnete und für sie betete. Zur gehörigen Zeit suchte dann der Prinz die Prinzessin heim und vollzog die Ehe nach dem von Gott und seinem heiligen Gesetz angeordneten Brauch. Alsdann erzählte er ihr alle seine Schicksale von Anfang bis zu Ende, insbesondere aber wie er seine Eltern an einen der Könige verkauft hatte. Als sie seine Erzählung vernahm, empfand sie Mitleid mit ihm und tröstete sein Gemüt, indem sie zu ihm sprach: »Sei guten Mutes und kühlen Auges.« Nach einer kleinen Weile schenkte sie ihm eine große Geldsumme, damit er auszöge und seine Eltern loskaufte. Und so nahm denn der Prinz ihr Geschenk an und suchte den König auf, dem er seine Eltern verpfändet hatte, und die bei ihm noch in allem Wohlsein lebten. Bei ihm eintretend, begrüßte er ihn mit dem Salâm, indem er die Erde vor ihm küßte, und erzählte ihm die ganze frühere Geschichte und die Bedingung von Tod oder Heirat, die er mit der Prinzessin ausgemacht hatte, und wie er sie dann, nachdem er sie besiegt, geheiratet hatte. Der König 93 erwies ihm die höchsten Ehren, die es nur geben konnte; als ihm aber der Jüngling das Geld zahlte, fragte er: »Was soll dies Geld?« Der Prinz versetzte: »Das ist der Preis, den du mir für meine Eltern zahltest.« Da rief der König: »Ich gab dir für deinen Vater und deine Mutter keine Geldsumme von diesem hohen Betrage. Ich schenkte dir nur ein Roß und einen Anzug, was keine Bezahlung einer Schuld, sondern ein Geschenk war, mit dem ich dir die gebührenden Ehren erwies. Gelobt sei Gott, der dich bewahrte und dir deinen Wunsch gewährte! Steh' auf, nimm deine Eltern und kehre wohlbehalten zu deinem Weib heim.« Der Prinz dankte ihm hierfür und lobte Gott für das königliche Geschenk und die Huld und gute Aufnahme, die der König ihm erwiesen hatte, worauf er um Erlaubnis bat, seine Eltern zu empfangen und seines Weges zu ziehen. Nach erhaltener Erlaubnis wünschte er dem König alles Gute und zog mit seinen Eltern wohlbehalten und in Freude, Fröhlichkeit und Danksagung für alle Segnungen und Wohlthaten, die Gott ihnen erwiesen hatte, zu seiner jungen Frau heim. Als er hier fand, daß sein Schwiegervater während seiner Abwesenheit verschieden war, nahm er den Thron des Königreiches an seiner Statt ein; und er und seine Gemahlin aßen und tranken nun während aller Tage ihres irdischen Lebens gesund und munter und fröhlich und vergnügt, befehlend und verbietend, bis sie diese irdische Welt verließen und in Gottes Schutz eingingen.

 


 


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