Unbekannte Autoren
Tausend und eine Nacht. Band XVI
Unbekannte Autoren

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Der Kaufmann und die Diebe.

»Es war einmal ein reicher Kaufmann, der nach einer Stadt mit Waren auszog, um sie daselbst zu verkaufen, und, als er dort angelangt war, sich eine Wohnung mietete und dieselbe bezog. Einige Diebe aber, die den Kaufleuten aufzulauern pflegten, um ihre Waren zu stehlen, sahen ihn und begaben sich zu seiner Wohnung, wo sie über eine List sannen, bei ihm einzudringen. Da sie jedoch keinen Weg hierzu fanden, sagte ihr Hauptmann: »Ich will die Sache für euch besorgen.« Alsdann ging er fort und kleidete sich als Arzt, indem er einen Sack mit Medizinen über seine Schulter warf, worauf er auf der Straße zu rufen anhob: »Wer braucht einen Arzt?« bis er zur Wohnung jenes Kaufmanns gelangte. Als er ihn bei seinem Mittagsmahl sitzen sah, fragte er ihn: »Brauchst du einen Arzt?« Der Kaufmann erwiderte: »Nein, setz' dich jedoch zu mir und iß.« Da setzte sich der Dieb ihm gegenüber und begann mit ihm zu essen. Da aber jener Kaufmann ein tüchtiger Esser war, sprach der 8 Dieb bei sich: »Die Gelegenheit ist günstig.« Dann wendete er sich zu ihm und sagte: »Nachdem du so gütig zu mir warst, ist es meine Pflicht dir einen guten Rat zu erteilen und ihn dir nicht vorzuenthalten. Ich sehe, daß du ein strammer Esser bist, und die Folge davon ist für dich ein Magenleiden; wenn du daher nicht schnell eine Kur brauchst, so nimmt's mit dir ein schlimmes Ende.« Der Kaufmann entgegnete: »Mein Leib ist gesund, und mein Magen verdaut schnell; bin ich auch ein guter Esser, so fehlt mir doch, Gott sei Dank und Lob, nichts.« Der Dieb versetzte: »Das kommt dir nur so vor; ich weiß jedoch, daß du ein verborgenes Unterleibsleiden hast, und, so du mir folgst, so kurierst du dich.« Nun entgegnete der Kaufmann: »Und wo find' ich den, der mein Heilmittel kennt?« Der Dieb erwiderte: »Gott ist der wahre Arzt; jedoch ein Heilkünstler wie ich heilt den Kranken nach seinem besten Können.« Da sagte der Kaufmann: »So zeig' mir auf der Stelle mein Heilmittel und gieb mir davon.« Hierauf gab ihm der Dieb ein Pulver, in dem sich eine große Quantität Aloe befand, und sagte zu ihm: »Nimm dies heute Nacht ein.« Da nahm er es von ihm und nahm es zur Nacht ein, wobei er fand, daß es Aloe von abscheulichem Geschmack war; er hegte jedoch keinen Verdacht und verspürte auch Erleichterung, nachdem er es eingenommen hatte. In der folgenden Nacht brachte ihm der Dieb wieder ein Pulver, das noch mehr Aloe als das erste enthielt, und gab ihm etwas davon; und, wiewohl es ihm Durchfall verursachte, hielt er jedoch aus, ohne Verdacht zu schöpfen. Als nun aber der Dieb sah, daß der Kaufmann auf sein Wort achtete und vertrauensvoll seine Vorschrift befolgte, brachte er ihm eine tödlich wirkende Medizin und gab sie ihm; und sobald er sie getrunken hatte, wurden seine Eingeweide zerrissen, und er ward ein toter Mann, worauf sich die Diebe aufmachten und all sein Gut nahmen. – Ich erzähle dir dies aber nur, o König, damit du von diesem Betrüger kein Wort annimmst und dich 9 dadurch zu Grunde richtest.« Da sagte der König: »Du hast recht; ich will zu ihnen nicht herausgehen.«

Als sich nun die Leute am andern Morgen wieder versammelten und zum Thor des Königs gingen, warteten sie die größere Hälfte des Tages, bis sie die Hoffnung auf das Erscheinen des Königs aufgaben, worauf sie zu Schimâs umkehrten und zu ihm sprachen: »O weiser und kundiger Philosoph, siehst du nicht, daß dieser thörichte Knabe nur seine Unwahrheit gegen uns verdoppelt? Es wäre nur recht, wenn wir die Regierung aus seinen Händen entrissen und sie einem andern übertrügen, so daß unser Zustand in Ordnung käme und unsere Lage aufrecht erhalten bliebe. Geh' jedoch zum drittenmal zu ihm und teil' ihm mit, daß uns nichts daran hindert, uns wider ihn zu erheben und ihm die Regierung abzunehmen, als allein seines Vaters Güte zu uns und der Eid und das Gelübde, die er uns abnahm. Morgen aber wollen wir bis auf den letzten Mann in Wehr und Waffen zusammenkommen und das Thor der Burg einreißen; kommt er dann zu uns heraus und thut, was wir begehren, so ist's gut; wenn aber nicht, so dringen wir bei ihm ein und erschlagen ihn, worauf wir die Regierung in eines andern Hand legen wollen.« Da trat der Wesir Schimâs beim König ein und sprach zu ihm: »O König, so ganz den Lüsten und Vergnügungen ergeben, was begehst du da wider dich selber? Wüßte ich doch, wer dich hierzu antreibt! Wenn du selber wider dich sündigst, so hat deine Rechtschaffenheit, Weisheit und Wohlredenheit, die wir früher an dir kannten, ein Ende genommen. Wüßte ich doch nur, wer dich so verändert hat, und wer dich von der Weisheit zur Thorheit, von der Treue zur Untreue, von der Milde zur Härte und von der Annahme meines Wortes zur Verwerfung desselben verführt hat! Wie kommt's, daß ich dir dreimal zum Guten riet, und daß du meinen Rat dreimal verwarfst, und daß ich dich zum Rechten wies, und du meiner Weisung zuwider handelst? Sag' mir, was das für ein Leichtsinn und thörichtes Treiben 10 ist, und wer dich dazu verführt hat; denn wisse, das Volk deines Königreiches hat sich bereits verschworen bei dir einzudringen und dich zu erschlagen, um das Reich einem andern zu geben. Hast du etwa Macht über alle und kannst dich aus ihren Händen erretten oder kannst du dich wieder lebendig machen, wenn du erschlagen bist? Wenn du alles dies vermagst, so bist du sicher davor und bedarfst meiner Worte nicht; wenn du dich aber noch um dein irdisches Leben und das Reich kehrst, so komm zu dir, halt' dein Reich fest, zeig' dem Volk deines Mutes Stärke und entschuldige dich bei ihm, denn es will dir entreißen, was in deiner Hand ist und will es einem andern überantworten. Sie sind zur Rebellion und Empörung entschlossen, veranlaßt hierzu durch deine Jugend und dein kindisches Treiben und die Lüste, denen sie dich ganz ergeben sehen. Sprüht doch aus Steinen, wenn sie auch noch so lange im Wasser gelegen haben, und du sie herausholst und aneinanderschlägst, Feuer. Nun sind deine Unterthanen ein zahlreich Volk, und sie haben miteinander des Rates wider dich gepflogen, um dir die Regierung abzunehmen und einem andern zu übertragen, und wollen den Untergang, den sie wider dich beschlossen haben, durchsetzen. Und so wird es dir ergehen wie es den FüchsenThaalab würde hier besser mit Schakal wiederzugeben sein. und dem Wolf erging.«

Neunhundertundeinundzwanzigste Nacht.

Da fragte der König: »Wie war das?« worauf Schimâs versetzte:

 


 << zurück weiter >>