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Verflucht sei Hakansson!

Mein Name ist Herbert Sjöström, Herbert Emanuel Sjöström. Verflucht sei Hakansson, jetzt und in alle Ewigkeit!

Wenn ich sage, verflucht sei Hakansson, ist es vielleicht nicht sicher, ob mein Fluch Hakansson auch trifft. Um den Fluch sicherer zu dirigieren, füge ich Hakanssons Adresse hinzu: Olaf Hakansson, Direktor, Alte Königsgasse Nr. 34, Stockholm. Verflucht sei er jetzt und in alle Ewigkeit.

Hakansson hat mein Glück gestohlen, meine Zukunft und meine Freiheit. Und alles so fein eingefädelt, daß es aussieht, als hätte ich allein die Schuld.

Die Sache ist die, daß ich und Hakansson dasselbe Mädchen liebten. Das wußte Hakansson und das Mädchen natürlich auch, da ein Weib immer weiß, wenn ein Mann es liebt; aber ich wußte es natürlich nicht, weil Hakansson mein Freund war und wir nie glauben, daß unsere Freunde unsere Bräute lieben. Aber wenn ich gewußt hätte, so hätte ich mir nichts daraus gemacht. Ich verachtete Hakansson. Ich fand ihn häßlich. Er ist häßlich. Ich hielt ihn für dumm. Vielleicht ist er dumm. Aber wenn er dumm ist, dann ist er nicht nur dumm, sondern auch listig. Das sind zwei Eigenschaften, die sich gut miteinander vertragen, und daß sie sich bei Hakansson gepaart hatten, hätte ich schon daraus schließen können, daß Hakansson im Kriege reich geworden ist. Die Personen, die im Kriege reich geworden sind, verbinden in der Regel die zwei erwähnten Eigenschaften. Ich selbst bin im Kriege nicht reich geworden. Im Gegenteil, es sah recht windig für mich aus, als ich eines Tages im Oktober Hakansson meiner Braut vorstellte. Wir hätten zu Weihnachten heiraten sollen, aber meine ungünstige wirtschaftliche Lage verhinderte es. Es sah aus, als müßten wir noch lange warten. Aber Baby – ich nannte meine Braut Baby – war bereit, zu warten. Sie liebte mich. Außerdem liebte Hakansson sie. Aber das wußte ich nicht.

Eines Tages kam Hakansson zu mir und sagte:

»Hast du Lust, für mich zu reisen?«

»Reisen?« sagte ich.

»Ja«, sagte Hakansson. »Für mein Geschäft ins Ausland zu reisen? Du kannst Sprachen. Du könntest dir schweres Geld verdienen. Was sagst du?«

Hakansson verkaufte landwirtschaftliche Maschinen.

»Wohin sollte ich reisen?« sagte ich.

»Nach Italien. Die italienische Landwirtschaft muß modernisiert werden. Italien braucht landwirtschaftliche Maschinen.«

Ich grübelte nach. Ich hatte keine besondere Lust, zu reisen. Aber ich hatte Lust, Geld zu verdienen und zu heiraten.

»Braucht Italien landwirtschaftliche Maschinen?« sagte ich.

»Jawohl, die braucht es«, bestätigte Hakansson.

»Und was bekomme ich?«

»Fünfundzwanzig Prozent von der Bruttoeinnahme«, sagte Hakansson.

»Und wie ist es mit den Reisekosten?«

»Die kriegst du auch bezahlt«, sagte Hakansson, ohne zu zögern.

»Fünfundzwanzig Prozent von der Bruttoeinnahme und die Reisekosten.«

Jetzt hätte ich Verdacht schöpfen sollen, als Hakansson fünfundzwanzig Prozent bot; aber ein Mann schöpft nie Verdacht, wenn man ihm fünfundzwanzig Prozent vorspiegelt, so wenig wie eine Frau, wenn man ihr die Ehe vorspiegelt. Ich beschloß, zu reisen. Ich beschloß, mit Mustern von Hakanssons landwirtschaftlichen Maschinen auf dem Dampfer zu reisen, der direkt nach Neapel ging. Hakansson versah mich mit einer recht bescheidenen Reisekasse. Der Rest sollte in Neapel im Hotel Londres liegen und auf mich warten, sagte er. Ich ahnte nichts. Ich hatte auf Hakanssons Anraten dort telegraphisch ein Zimmer bestellt. Hakansson hat Italien bereist und kennt alle Gasthäuser und Hotels. Ich nahm Abschied von Baby und sagte:

»Wirst du mich vergessen, Baby?«

»Nie, nie!« sagte Baby.

»Und niemand wird dich trösten?«

»Niemand«, sagte Baby. »Wer sollte das sein?«

Ich küßte Baby, und der Dampfer ging. Nach einem Monat war ich in Neapel. Ich lud Hakanssons Maschinen aus, ging ins Londres und ersuchte um mein Zimmer und meine Post. Mein Zimmer war reserviert und in Ordnung, aber als ich den Portier fragte, ob irgendwelche Briefe für Herrn Herbert Sjöström da seien, blies er die Backen auf, schupfte die Achseln in die Höhe, hob die Hände zum Himmel und rief:

»Nein! Nein! Kein Brief an 'err Siostrom!«

Ich zog meinen Paß hervor, ich zeigte ihm, wie mein Name geschrieben wurde, er durchsuchte die Brieffächer zum zweiten Male, sog die Backen ein, zog die Mundwinkel herab und flüsterte düster:

»Nein! Nein! Kein Brief an 'err Sostrom!«

Mein Name verlor ein Iota, das war der unbedeutende Unterschied zwischen dieser Antwort und der ersten. Ich mußte – denn ich hatte den »Letzten Athener« gelesen – an das unbedeutende Iota denken, das die zwei Sekten voneinander unterschied, die sich in Athen totschlugen. Warum hatte Baby mir nicht geschrieben? Warum hat Hakansson keinen Wertbrief geschickt? Ich fand, daß das Hotel eine Bar hatte, und mit Hilfe von Mr. James Buchanans Glenlivet Scotland spülte ich mein Staunen hinunter, legte mich zu Bett und versank in einen traumlosen Schlummer.

Der folgende Tag verstrich in derselben Weise.

Der nächste Tag hatte denselben Verlauf wie die vorhergehenden. Nichts von Hakansson und nichts von Baby. Unbewußt hatte ich schon begonnen, diese zwei Negationen zusammenzukoppeln. Ich habe einmal Latein gelernt. Trotzdem war ich noch nicht so weit gekommen, in diesen zwei kombinierten Negationen einen affirmativen Satz zu erkennen. Ich telegraphierte an Hakansson und entschlummerte in Mr. Buchanans Arm.

Der fünfte Tag glich dem vierten.

Der sechste Tag glich dem fünften.

Am siebenten Tage war mein Geld total zu Ende. Ich hatte die ganze Zeit im Hotel auf Kredit gegessen.

Am neunten Tage sah mich der Bartender, der kein Trinkgeld bekommen hatte, scheel an.

Am zwölften Tage sah mich das ganze Hotelpersonal scheel an. Dreimal täglich buchstabierte ich dem Portier meinen Namen vor, und er nannte mich 'err Tjostrom, 'err Skostrom, 'err Siostrom und 'err Sostrom. Aber trotzdem dies meine Chancen vervierfachte, bekam ich noch immer keine Briefe und kein Geld.

Am dreizehnten Tage, jener Unglückszahl, wurde ich hinausgeworfen. Das Hotel, das bisher einen zersplitterten, absolut uneinheitlichen Eindruck gemacht hatte, sammelte sich zu einer einheitlichen Geste. Direktor, Speisenträger, Zimmerkellner, Bartender, Stubenmädchen, Schuhputzer, Träger, Pikkolo, Türdreher und Wagenanrufer vereinigten sich und spien mich aus ihrem Munde aus, als wäre ich lau wie die Gemeinde von Laodicea. Der einzige, der an ihrer Geste nicht teilnahm, war der Portier. Vielleicht war er ein verunglückter Philologe; vielleicht hatte er Gefallen an meinem Namen und den Möglichkeiten, die er ihm zu phonetischen Ausschweifungen bot, gefunden. Auf jeden Fall kam er zu mir auf das Trottoir hinaus, wo der Wagenanrufer eben die Droschkenkutscher vor mir warnte und sagte:

»'err Siostrom! Wenn ein Brief für Sie kommt, werde ich ihn Ihnen aufheben. Schauen Sie nur herein und fragen Sie nach, 'err Sostrom!«

Ich verschwand zum Hafen und verkaufte, Hakansson verfluchend, seine landwirtschaftlichen Maschinen. Als die Miete für die Zeit, die sie im Magazin gestanden hatten, abgezogen war, blieb so wenig übrig, daß ich mich für Hakansson schämte. Ich nahm ein Zimmer in einem griechischen Hotel in Santa Lucia und beschloß, sparsam zu leben, bis Hakanssons Geld eintraf.

O Müdigkeit der Füße in fremden Städten! Das klingt, als wäre es von dem Lyriker Anders österling, aber es ist nicht von ihm. Es ist nur meine Meinung. Wer nicht viermal im Tag durch Neapel vom Posilipp zur Station und vom Hafen zum Kastell Sant'Elmo gegangen ist, weiß nicht, wie widerwärtig die schönste Natur mit der Zeit werden kann. Ich ging viermal im Tage vom Posilipp zur Station und vom Hafen nach Sant'Elmo, und dabei dachte ich an die zwölf Telegramme, die ich im Laufe von zwölf Tagen an Hakansson expediert hatte. Und dabei wurde mir das blaue Meer unerträglich und der blaue Himmel zur persönlichen Beleidigung. Ich hatte telegraphiert: Warum kein Geld? Sendet umgehend Geld. – Hakansson hatte nicht geantwortet. Ich hatte telegraphiert: Geschäfte ausgeschlossen, wenn nicht Geld telegraphisch angewiesen. Hakansson hatte geschwiegen. Ich hatte telegraphiert: Lage verzweifelt, Katastrophe unvermeidlich, wenn nicht augenblicklich Geld. – Hakansson hatte sich in Schweigen gehüllt. Ich hatte dringend telegraphiert (auf Kredit und auf Schwedisch): Jetzt soll dich aber der Teufel holen, wenn nicht Geld per Eiltelegramm expreß. – Hakanssons Seite des Telegraphendrahtes war auch weiterhin stumm wie das Grab geblieben. Wie konnte der Himmel blau sein, wenn es solche Schurken gab? – Und Baby schwieg, schwieg wie Hakansson. Wie konnte der Golf melodisch plätschern, anstatt sich brüllend gegen die treulosen Frauen aufzubäumen? Ich ging, bis das Aussehen meiner Schuhe Attila, wenn ich ihm beim Posilipp begegnet wäre, vor dem Marsch auf Neapel abgeschreckt hätte; und ab und zu, in der Dämmerung, insgeheim wie Nikodemus, besuchte ich den Portier im Londres. »Nichts, 'err Tjostrom! Nein, nein, 'err Sostrom!« – Freitag, den 28. Dezember, lag endlich ein Brief für mich da.

Ja, es lag ein Brief für mich da, ein Brief von Hakansson; ein ganz gewöhnlicher Brief; nichts Rekommandiertes, und der Portier übergab ihn mir mit schlecht verhehlter Verachtung. Nach solchen Vorbereitungen hatte er sich Säcke mit Wertsendungen erwartet. Ein gewöhnlicher Brief – das war die Auflösung einer gespannten Erwartung in Nichts. Ich taumelte auf die Straße, den Brief in der Hand. Was meinte Hakansson? Verflucht sei Hakansson! Ich öffnete den Brief und bereute meine Flüche. Der Brief enthielt einen Scheck. Ich sah die Ziffer in der Ecke an.

Neuntausend Lire.

Ich bereute noch heftiger.

Hakansson konnte nachlässig sein, er konnte einen zu lange auf Geld warten lassen, aber er war kein schlechter Mensch. Nein, ich war in meinem Urteil über Hakansson zu hitzig gewesen. Schlamperei war der schlimmste Fehler, den man ihm vorwerfen konnte. Ich beschloß, Hakansson zu verzeihen und möglicherweise beim Mittagessen, nachdem ich den Scheck behoben hatte, auf sein Wohl zu trinken.

Erst in diesem Augenblick fiel mir etwas auf.

Der Brief war an Herrn Einar Sjöström adressiert. Einar Sjöström! Ich hieß doch Herbert! Das wußte Hakansson. Hakansson mußte noch schlampiger sein, als ich mir träumen ließ. Und plötzlich frappierte mich noch eine Sache. Der Scheck lag in dem Kuvert, in ein weißes Papier gehüllt. Nicht eine Zeile stand auf dem Papier. War Hakansson wegen meiner Telegramme so böse auf mich, daß er mir nicht mehr schreiben wollte? Ich wollte ihm eben im Geist zurufen, wer von uns mehr Grund hätte, böse zu sein, als mich ein Gedanke durchblitzte und ich den Scheck entfaltete.

Auch der Scheck war auf Herrn Einar Sjöström ausgestellt. Neuntausend Lire an Herrn Einar Sjöström oder Order.

Was meinte Hakansson? warum schrieb er konsequent den Vornamen falsch? Gott allein mochte es wissen. Hatte sich in diesem frühen Alter Schwachsinn zur Schlamperei gesellt? Es sah so aus. Nun, das war betrüblich; wie ich so mit dem Scheck in der Hand dastand, bedauerte ich es, wenn Hakanssons zarter Verstand im Alter von fünfunddreißig Jahren zu Gott eingegangen war. Aber viel Zeit konnte ich diesem Gefühl nicht widmen. Ich hatte an anderes zu denken. Ich mußte Hakanssons Scheck beheben. Dann mußte ich zu Mittag essen und dann mußte ich nach Hause reisen und sehen, was mit Baby los war. Ich hatte mich in der letzten Zeit so viel mit Hakansson beschäftigt, daß ich beinahe vergessen hatte, nachzugrübeln, was sie eigentlich meinte. Ich eilte beflügelten Schrittes zur Banca Commerciale, der Bank auf die der Scheck ausgestellt war. Ich ging hinein, nahm den Scheck heraus, ergriff eine Feder von einem der Schreibtische für das Publikum und brachte sie an das Papier. Im selben Augenblick hielt ich inne.

Ein furchtbarer Gedanke hatte mich soeben durchzuckt. Welchen Namen sollte ich auf den Scheck schreiben?

Natürlich meinen eigenen, nicht wahr?

Man schreibt ja in der Regel seinen eigenen Namen auf Schecks. Aber wenn ich gerade jetzt meinen eigenen Namen – Herbert (Emanuel) Sjöström – schrieb, was war dann die Folge?

Ich sah die Folge in Blitzbeleuchtung. Die Bank würde sagen: Dieser Scheck ist auf Herrn Einar Sjöström ausgestellt. Sie, mein Herr, sind Ihrer Unterschrift nach Herr Herbert Sjöström; was meinen Sie, wollen Sie erklären, wie Sie in den Besitz dieses Schecks gekommen sind?

Das geschah, wenn ich meinen eigenen Namen schrieb, dank Hakanssons Gedankenlosigkeit. Verflucht sei Hakansson! Aber wenn ich nicht meinen eigenen Namen schreibe?

Tja, was geschieht, wenn ich nicht meinen eigenen Namen schreibe? Wenn ich Einar Sjöström schreibe? Ich versuchte, das herauszubekommen, aber ich fühlte plötzlich eine Leere im Kopfe. Nach meiner Erregung war die Reaktion eingetreten. Es war, als ob mein Kopf nur Raum für den Gedanken hätte: Neuntausend Lire, neuntausend Lire komptant. In Banknoten. Sie in den Händen haben, sie befühlen, sie ausgeben, sie verschwenden zu können. Neuntausend Lire in knisternden Scheinen. Genug, um sich an Neapel für alle die vielen Male zu rächen, an denen ich mit halbleerem Magen vom Posilipp nach Sant'Elmo gepilgert war. Genug, um nach Hause zu reisen, Hakansson seine idiotische Gedankenlosigkeit vorzuhalten und mit Baby ins reine zu kommen. Ich bekam diese neuntausend Lire, wenn ich Einar Sjöström schrieb, ich bekam sie nie und nimmer, wenn ich Herbert Sjöström schrieb. Aber es war juristisch unrichtig, Einar Sjöström zu schreiben. War es moralisch unrichtig? Nein. Wer moralisch unrecht hatte, war Hakansson, der mir nach drei Wochen der Prüfungen durch seine verdammte Gedankenlosigkeit diese neuerliche Prüfung bereitete.

Plötzlich bewegte sich ein Federstiel in meiner Hand und ich schrieb. Ich schrieb wie einer, der vom Geiste getrieben wird: Einar Sjöström. Dann stand ich an einem Schalter und reichte Hakanssons Scheck einem jungen Manne. Einen Augenblick wandelte mich die Lust an, ihm den Zusammenhang zu erklären. Aber ich überlegte es mir wieder. Welchen Zweck sollte das haben? Vermutlich – erst jetzt kam mir dieser glückliche Gedanke –, vermutlich beachtete er den Vornamen überhaupt nicht! Der kannte doch keine anderen Vornamen als Cesare und Guiseppe! Der junge Mann nahm den Scheck, nickte wohlwollend und begann in einem Fach zu suchen. Ich konnte mir denken, daß er nach einem Aviso von der schwedischen Bank suchte, die den Scheck ausgestellt hatte. Offenbar fand er dieses Aviso, denn er machte eine Notiz auf den Scheck, nahm ein Blankett und begann etwas zu schreiben. Während er so schrieb, begann ich die verschiedenen Weinmarken durchzudenken, mit deren Hilfe ich binnen kurzem an Neapel Rache für die Leiden nehmen wollte, die es mich hatte durchmachen lassen. Noch einmal verzieh ich Hakansson seinen kretinartigen Schwachsinn und zog ein versöhnendes Prost für ihn in Erwägung.

Plötzlich unterbrach mich der junge Mann am Schalter:

»Sie können sich legitimieren?«

Meine Finger gingen automatisch in die Tasche, und bevor er noch zu Ende gesprochen, hatte ich ihm automatisch meinen Paß gereicht. Aber bevor er ihn noch geöffnet hatte, war mein automatischer Zustand vorbei und ich dachte klar. Ich dachte sogar rasch. Aber meine Gedanken waren nicht rascher als die Geste, mit der der junge Mann meinen Paß und meinen Scheck an sich zog.

»Signor, Ihr Paß zeigt einen anderen Vornamen als Ihr Scheck. Wie erklären Sie das?«

»Das hat nichts zu bedeuten«, stammelte ich.

»Hat nichts zu bedeuten?«

»Das ist ein reiner Zufall«, murmelte ich.

»Ein Zufall?«

»Nein, ein Irrtum«, flüsterte ich. »Ein dummer Irrtum des Ausstellers, ohne die geringste Bedeutung.«

Es ist möglich, daß, während ich sprach, ich automatisch nach dem Ausgange sah. Plötzlich hörte ich eine Stimme an meiner Seite:

»Wollen Sie hier eintreten, Signor?«

Ich fühlte eine warme, fleischige Hand auf meiner Schulter und sah aus dem Augenwinkel einen schwarzen Italiener, der aus dem Nichts emporgetaucht war, wie eine Schnecke nach einem Regenschauer. War das ein Detektiv? Ich maß wieder die Entfernung bis zu der Tür und stieß einen Seufzer aus.

»Ich verstehe Sie nicht«, sagte ich, indem ich dem Mann, der meine Schulter hielt, folgte. »Ich kann Ihnen alles im Augenblick erklären.«

*

Hakansson ist zerstreut, legte ich ihm die Sache klar. Ich bin hergekommen, um landwirtschaftliche Maschinen für ihn zu verkaufen, und er hat mir diesen Scheck geschickt. Er ist zerstreut und schlampig. Das sind seine hervorstechendsten Eigenschaften als Geschäftsmann. Zuerst ließ er mich drei Wochen auf den Scheck warten, und als dieser kommt, ist mein Name falsch geschrieben.

Drei schwarze Italiener saßen mir gegenüber, der junge Mann vom Schalter stand neben mir, und der Mann, der Hand an mich gelegt hatte, stand hinter mir. Sie alle starrten mich aus Steinkohlenaugen an und sagten:

»Signor 'akansson hat den Scheck ausgestellt. Va bene! Er hat ihn für 'errn Einar Sostrom ausgestellt. Va bene! Aber Sie sind nicht 'err Einar Sostrom, Sie sind 'err 'erbert Sostrom.«

Ich begann wieder zu erklären.

»Mein Name ist Herbert Sjöström und nicht Einar Sjöström, das ist richtig. Das weiß Hakansson auch. Niemand weiß es besser. Aber Hakansson ist zerstreut. Als er den Scheck schrieb, irrte er sich und schrieb …«

»Signor«, sagten die Italiener, »man irrt sich nicht, wenn man einen Scheck auf neuntausend Lire ausstellt.«

Ich rief:

»Doch, doch! Man kann sich sehr leicht irren. Das passiert einem sehr oft. Wenn Sie wüßten, wie zerstreut …«

Die drei Italiener erhoben sich von ihren Plätzen. Der junge Mann vom Schalter nickte vielsagend. Der Mann mit den warmen Händen legte dieselben wieder auf meine Schultern. Ich wußte, was das bedeutete. Sie glaubten nicht an Hakanssons Zerstreutheit. Plötzlich glaubte ich selbst nicht mehr daran. Plötzlich ging mir ein Licht auf. Plötzlich wußte ich die Erklärung des Ganzen – die ich hier mitteile, die der Anlaß ist, daß ich Hakansson für Zeit und Ewigkeit verfluchte. Ich erhob meine Stimme zum Himmel und rief:

»Meine Herren! Einen Augenblick! Jetzt weiß ich. wie die Sache zusammenhängt! Jetzt verstehe ich. Jetzt werde ich Ihnen alles erklären.«

Die Italiener blieben stehen. Der Mann mit den Händen ließ nicht locker.

»Hakansson ist nicht zerstreut gewesen«, sagte ich.

»'akansson ist nicht zerstreut gewesen«, wiederholten die Italiener bedeutungsvoll.

»Nein«, sagte ich. »Hakansson ist nicht zerstreut, er ist ein Schurke; hören Sie: ein Schurke!«

»Signor 'akansson – ein Schurke?«

»Ja, gewiß, ein Schurke! Er ist in meine Braut verliebt! Darum hat er mich fortgeschickt, wie David Urias fortschickte, um landwirtschaftliche Maschinen zu verkaufen. Darum ließ er mich wochenlang ohne Geld herumgehen. Darum hat er auf die Telegramme nicht geantwortet. Darum hat er den Scheck so lange nicht geschickt, bis er mich am Rande der Verzweiflung glaubte. Darum hat er den Namen falsch geschrieben, um mich in Versuchung zu führen! Das ist ihm gelungen! Ich habe den Namen geschrieben, von dem er wollte, daß ich ihn schreibe. Ich wurde ertappt. Sie unterziehen mich einem Verhör. Ich weiß, wie es mir ergeht, wenn Sie mir nicht glauben wollen. Sie müssen mir aber glauben! Ich bin unschuldig, Hakansson allein ist …«

Die drei Italiener steckten die Finger in die Ohren und riefen dem Manne mit den warmen Händen zu:

»Führen Sie ihn ab! Übergeben Sie ihn der Polizei! Das ist ein sehr gefährlicher Verbrecher!«

Verflucht sei Hakansson! Natürlich wurde ich verurteilt. Mein Advokat verteidigte mich lahm. Mir fehlten alle Mittel, ihn zu bezahlen. Der Staatsanwalt hingegen hatte eine Stimme wie ein neapolitanischer Zeitungsverkäufer und forderte die strengste gesetzliche Strafe. Später habe ich gehört, daß der junge Mann vom Schalter ihn dazu angeeifert hatte. Ich wurde nicht zu lebenslänglichem Zuchthaus verurteilt, wie er beantragt hatte; ich bekam nur ein Jahr.

Das einzige, was beweist, daß es eine Gerechtigkeit gibt, und was mich augenblicklich einigermaßen milder stimmt, ist, daß Hakansson wenigstens um die neuntausend Lire gekommen ist, die er als Lockbeute verwendete, um mich ins Verderben zu stürzen. Und an wen hat er sie verloren? An den jungen Mann, der mich hinderte, sie zu beheben! Wie ich heute von dem Gefängniswärter hörte, hat er den Scheck mit dem Stempel Banca Commerciala versehen, ihn für eigene Rechnung indossiert und bei eine weniger mißtrauischen Bank behoben. Er ist jetzt auf dem Wege nach Südamerika.

Dies wird geschrieben, damit – falls es jemandem in die Hände fällt – dieser es weiter zur Kenntnis des schwedischen Volkes bringe.

Möge ganz Schweden sich erheben wie ein Mann und Hakansson verfluchen – Direktor Olaf Hakansson, Alte Königsgasse Nr. 34, Stockholm.

Verflucht sei er, jetzt und in alle Ewigkeit!

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