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I. Kapitel.

Die Reformation. – Luther. – Luthers Aberglaube. – Hexenprozesse. – Nördlingen. – Rebekka Lemp. – Maria Holl. – Trier. – Paderborn. – Lippe. – Hessen. – Nassau-Dillenburg. – Hamburg. – Lübeck. – Elsass. – Schweiz. – Genf. – Waadtland. – Bern. – Die Niederlande. – Romanische Länder. – England.

Kunst und Wissenschaft blühten im fünfzehnten Jahrhundert auf, eine kräftige Opposition machte sich gegen das korrumpierte und korrumpierende Papsttum geltend, was allerdings manche, Huss 1415, Savonarola 1498 u. a., mit dem Leben bezahlen mussten. Das Bürgertum war erstarkt, aber die Kaisermacht in Deutschland war geschwächt und die Rechtsprechung im Argen, trotz des 1495 geschaffenen Reichskammergerichts, das sich nur durch eine endlose Verzögerung in der Urteilsfällung auszeichnete. Auch in andern Staaten Europas war es in dieser Beziehung nicht besser, sie waren grösstenteils von inneren Kämpfen erschüttert und im Osten erhob sich nach dem Fall Konstantinopels (1453) bedrohend die Türkenmacht. Die von Luther, neben ihm auch von Zwingli und Calvin bewirkte Reformation, schuf zwar einen kräftigen Damm wider das vom Pfaffentum ausgegangene sittliche Verderbnis, aber es wirkte nicht verbessernd auf die Rechtszustände. Im Gegenteil, die Tortur kam von diesem Zeitpunkt an mehr und stärker in Anwendung. Der Hexenwahn artete epidemisch aus, und es wurde in dieser Beziehung von katholischer wie von reformatorischer Seite in gleicher Weise gewütet. Nicht wenig trug auch dazu bei, dass Luther, trotz seiner hohen geistigen Begabung, an Zauberei und Hexenwesen glaubte, wie mehrfach aus seinen Äusserungen zu erkennen ist. Immerhin aber finden wir keine Stelle, wo er zur Hexenverfolgung auffordert, was umso bemerkenswerter ist, als sonst Milde nicht der Grundzug seines Wesens war, und er betreffs der aufständischen Bauern ausrufen konnte: »Man soll sie zerschmeissen, würgen und stechen, heimlich und öffentlich, wer da kann, wie tolle Hunde.«

Gustav Freytag schreibt in seinen »Bildern etc.« (II S. 353 ff.) über diesen Gegenstand:

»Da kam Luther und die Reformation. Wie jedermann in Deutschland wurde auch der Teufel in den grossen Kampf des Jahrhunderts hineingezogen. Das lebende Geschlecht wurde religiös, es wurde viel gebetet, viel gepredigt, viel disputiert und gezankt. Die häufige und angelegentliche Beschäftigung mit der Hierarchie des Himmels zwang auch den Teufel, wie ihm schon öfter begegnet war, wieder einmal vorzugsweise zum Höllenfürsten zu werden und sich mit dem düstern Apparat seines schrecklichen Reiches zu umgeben. Er wurde raffinierter, finsterer, grausamer, so lange der Eifer und Hass gegen ihn mächtig donnerte. Dem Katholiken wurde er Chef der gesamten Ketzereien, der Evangelische sah ihn in volkstümlicher Gestalt mit einem grossen Blasebalg hinter dem Papst und jedem Kardinale stehen und diesen Angriffe gegen die gereinigte Lehre einblasen. So erhielt der Teufel in dem frommen und eifrigen Jahrhundert grosse Arbeit ...

Zunächst war Luther ein deutsches Bauernkind. In den Erinnerungen seiner Kindheit, wie sie in dem Kreise der Tischgenossen zu Wittenberg lebendig wurden, hat der Teufel ein sehr altertümliches, ja heidnisches Gepräge. Er macht noch die schädlichen Stürme, die Engel aber die guten Winde, wie einst die Riesenadler vom Weltenrande her durch ihren Flügelschlag taten. Winde sind nichts anderes, denn gute und böse Geister. Tischreden, Walch 1182. Er sitzt als Nix unter der Brücke und zieht Mädchen ins Wasser, mit denen er in Ehe lebt. Er dient als Hausgeist im Kloster, bläst als Kobold das Feuer an, legt als Zwerg seine Wechselkinder in die Wiegen der Menschen, betört als Nachtmar die Schlafenden auf das Dach zu steigen und tobt als Poltergeist in den Kammern. Zwar der Tintenfleck auf der Wartburg ist nicht zur Genüge beglaubigt, aber von einem unerfreulichen Geräusch, welches Satan ebendaselbst bei nächtlicher Weile mit einem Sack Haselnüsse angestellt hat, wusste Luther wohl zu erzählen. Auch im Kloster zu Wittenberg polterte der Teufel, als Luther bei Nacht im Rempter studierte, unter ihm in der Kirchenhölle so lange, bis Luther sein Büchlein zusammenraffte und zu Bette ging. Später ärgerte er sich, dass er dem Hanswurst nicht getrotzt hatte.

So fest stand Luther in dem alten Volksglauben ... Die Folge solchen Glaubens war, dass Teufelserscheinungen auch in der neuen Kirche ganz gewöhnlich wurden. Der Schwärmer erblickte den Satan im Kampfe mit dem Schutzengel, selbst den Argen begegnete, dass sie ihn da sahen, wo er am unbequemsten war. So viel wir dadurch vom Aussehen des Teufels erfahren, erschien er zuweilen als bleicher Mann in dunkler geistlicher Tracht, zuweilen in der alten volkstümlichen Maske oder in den phantastischen Formen, welche durch die Erfindung der Maler und Holzschneider geläufig wurden, nicht selten aber auch in modernem Anzug, in blauem Hut mit adliger weisser Feder, oder z. B. einem exaltierten Hutmacher zu Spandau 1594 als finsterer Mann in einem Wolfspelz. Die Anfechtung des Spandauers machte – nebenbei bemerkt – grosses Aufsehen und veranlasste kurfürstliche Dekrete, in denen zur Busse gemahnt und vor der Hoffart gewarnt wurde. Der Kampf zwischen Engeln und Teufeln ging in diesem Falle vorzüglich gegen die Kleiderpracht und die grossen Halskrausen ...

Aber wahrhaft greulich war der Hass, mit welchem man in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts jene andere Verbindung der Menschen mit der Hölle betrachtete, die alte Hexerei. Auch Luther glaubte an Hexen. Er erzählte gelegentlich, dass ein solches Weib seiner Mutter geschadet habe, er zürnt an einer anderen Stelle sogar auf die Juristen, die dergleichen Zauberinnen, wenn sie ihren Mitmenschen schaden, nicht bestrafen. Aber solche Äusserungen waren so arg nicht gemeint. Im ganzen kümmerte ihn dieser ganze Kreis von Aberglauben wenig. Er, der Schreibfertige, fühlte nie Veranlassung, darüber zu seinem Volk zu reden, auch in seinen Predigten erwähnt er die Hexerei nur gelegentlich, und seinem ganzen Wesen widerstand die Anwendung roher Gewalt. Wenn aber Luthers reines Gemüt sich zur Freude für uns davor bewahrte, gegen die Teufelsliebchen zu eifern, seine Schüler und Nachfolger hatten wenig von seinem hohen Sinn. Und der junge Protestantismus war in dieser Frage nur um wenig besser als der alte Glaube.«

Sehen wir einerseits Luther vom Teufelsglauben nicht frei, so finden wir anderseits wieder, dass seine Gegner ihn, wie gewöhnlich alle »Ketzer«, mit dem Teufel in enge Verbindung brachten und die albernsten Fabeln deswegen erfanden. Dergleichen sehen wir übrigens auch später noch im Brauch und die gegenseitige Beschuldigung der Bündelei mit dem Bösen gehörte – und man kann sagen gehört noch – zu den unentbehrlichen Kampfmitteln religiöser und auch sozialer Verbindungen. Diese allgemeine Anwendung ist der bedeutendste Beweis von der Macht dieses Gedankens, zeigt am klarsten, wie sehr er die Gemüter zu beeinflussen vermochte und noch vermag. Es ist übrigens von den Verhältnissen selbst bestimmt, dass in religiös bewegten Zeiten, wo die Leidenschaften hochauf fluten, der Aberglaube und was sein Gefolge ist kräftiger als je hervortreten. Gefühl und berechnende Absicht vereinigen sich da, um solche beklagenswerte Ereignisse zu zeitigen, wie wir sie besonders Ende des sechzehnten und im siebzehnten Jahrhundert in den epidemisch gewordenen Hexenprozessen auftreten sehen. Dass Deutschland, der Hauptpunkt der Reformation auch zum Hauptpunkt der nunmehr vorgekommenen Hexenprozesse wurde, ist demnach begreiflich, und man brauchte zu der Begründung nicht erst die Veranlagung des Volksgemütes, Glauben und Ansichten der alten Germanen anzuführen. Dass ferner bei diesen Prozessen die Tortur unmenschlich zur Anwendung gelangte, kann teilweise aus denselben Ursachen erklärt werden, teilweise wieder aus der zu einem gefühllosen Formalismus erstarrten Judikatur und den Sonderinteressen, die sich dabei geltend machten.

Bereits im ersten Band dieses Werkes haben wir manches notwendigerweise vorgebracht, was chronologisch bereits der Reformationszeit und den nachfolgenden Tagen angehört. Wir sehen in Deutschland Hexenprozesse im sechzehnten Jahrhundert erst vereinzelt vorkommen, dann häufiger, bis sie gegen Ende dieses Säculums bereits ganz allgemein geworden waren, deren Schrecken an manchen Orten von humaner denkenden Herren gemildert wurde, oder doch zu mildern versucht wurde. Vieles zu der Verbreitung mag auch die Eifersucht der Städte und Landschaften beigetragen haben, indem auch bei diesen Dingen die eine nicht entbehren mochte, was die andere aufzuweisen hatte, vielmehr ihre Bedeutung durch eine noch grössere Anzahl von Folterungen und Hexenbränden darzulegen sich bestrebte.

Eine bedeutende Rolle in der schaurigen Tragödie des Hexenwahns spielte die schwäbische Reichsstadt Nördlingen, wo 1589 der Bürgermeister Georg Pferinger im Verein mit den rechtsgelehrten Doktoren Sebastian Röttinger und Konrad Graf, sowie dem Stadtschreiber Paul Mayer die Stadt von Hexen zu säubern beschlossen. Die ersten drei verhafteten Frauen waren trotz der angewandten Tortur zu keinem Geständnis zu bringen und mussten schliesslich freigelassen werden. Der Superintendent der Stadt, Wilhelm Lutz, griff nun auf der Kanzel den Rat an, weniger aus überquellender Menschlichkeit ob der grausamen Verfolgungen, als vermutlich aus verletzter Eitelkeit, weil der Rat ohne seine Mitwirkung bei diesen Hexenverfolgungen vorgegangen war. Er gab der Besorgnis Ausdruck, dass man wohl die eigentlichen Schuldigen unbehelligt gelassen und nur einige arme Weibsbilder der Marter unterzogen habe. Diesen Vorwurf wollte sich der Rat nicht gefallen lassen, er gab dem Superintendenten einen Verweis und beschloss nun mit aller Strenge vorzugehen, ohne Rücksicht auf Stand und Verhältnisse der Betreffenden. Es wurden auch eine Menge Frauen verhaftet, darunter die Witwen mehrerer verstorbener Ratsherren, und der Folter unterzogen. Letzteres geschah so kräftig, dass kurzer Prozess gemacht werden konnte und bereits im Mai 1590 drei angebliche Hexen, im Juli wieder drei und in den nachfolgenden Monaten fünf verurteilt und verbrannt wurden.

Rührend sind einige Briefe zu lesen, die sich auf eine der Angeklagten, Rebekka Lemp, beziehen. Sie wurde auf die durch die Folter erpressten Aussagen anderer Frauen hin, in Abwesenheit ihres Gatten, des Zahlmeisters Peter Lemp, gefangen genommen. Ihre Kinder schickten ihr folgenden Brief zu: »Unseren freundlichen, kindlichen Gruss, herzliebe Mutter! Wir lassen Dich grüssen, dass wir wohlauf sind. So hast Du uns auch entboten, dass Du wohlauf seiest, und wir vermeinen, der Vater wird heute, will's Gott, auch kommen. So wollen wir Dich's wissen lassen, wann er kommt, der allmächtige Gott verleihe Dir seine Gnade und heiligen Geist, dass Du, Gott woll', wieder mit Freuden und gesundem Leibe zu uns kommst. Gott woll', Amen. – Herzliebe Mutter, lass Dir Beer kaufen und lass Dir eine Salfan backen und Schnittlein und lass Dir kleine Fischlein holen und lass Dir ein Hühnlein holen bei uns, und wenn Du Geld derfst, so lass holen; hast's in Deinem Säckel wohl. Gehab Dich wohl, herzliebe Mutter. Du derfst nicht sorgen um das Haushalten, bis Du wieder zu uns kommst ...«

Als sie erfuhr, dass ihr Gatte heimgekehrt wäre, schrieb sie ihm: »Mein herzlieber Schatz, bis (sei) ohne Sorge. Wenn auch ihrer Tausend auf mich bekenneten, so bin ich doch unschuldig, oder es kommen alle Teufel und zerreissen mich. Und ob man mich sollt' strenglich fragen, so könnte ich nichts bekennen, wenn man mich auch in tausend Stücke zerriss. Vater, wenn ich der Sach' schuldig bin, so lass mich Gott nicht vor sein Angesicht kommen immer und ewig. – Wenn ich in der Not muss stecken bleiben, so ist kein Gott im Himmel. Verbirg doch Dein Antlitz nicht vor mir; Du hörst ja meine Unschuld, um Gottes Willen, lass mich nicht in der schwülen Not stecken ...«

Zweimal überstand das arme Weib die Tortur, ohne das von ihr verlangte Geständnis von Taten zu machen, die ihr auch fremd sein mussten, selbst wenn sie überhaupt möglich gewesen wären. Erst bei der dritten Folterung war sie genugsam mürbe gemacht worden, um einige der Beschuldigungen anzuerkennen. Doch diese schienen den Richtern zu einer Verurteilung noch nicht ausreichend, und es wurde eine vierte Tortur vorgenommen, wobei sie, verzweifelnd in der Peinigung, wieder etwas zugab. Es gelang ihr damals, ihrem Gatten heimlich einen Brief zukommen zu lassen, in dem es heisst: »Mein auserwählter Schatz, soll ich mich so unschuldig von Dir scheiden müssen, des sei Gott immer und ewig geklagt! Man nötigt Eins, es muss Eins ausreden, man hat mich so gemartert, ich bin aber so unschuldig, als Gott im Himmel. Wenn ich im Wenigsten ein Pünktlein um solche Sache wüsste, so wollte ich, dass mir Gott den Himmel versagte. O Du herzlieber Schatz, wie geschieht meinem Herzen! O weh, o weh meine armen Waisen! Vater, schick mir Etwas, dass ich sterb; ich muss sonst an der Marter verzagen. Kommst heut nicht, so tue es morgen. Schreib mir von Stund an. O Schatz, Deiner unschuldigen Rebekka! Man nimmt mich Dir mit Gewalt! Wie kann's doch Gott leiden! Wenn ich ein Unhold bin, sei mir Gott nicht gnädig. O, wie geschieht mir so unrecht. Warum will mich doch Gott nicht hören? Schick mir Etwas, ich möchte sonst erst meine Seele beschweren ...«

Folterung. – Aus Milieus, praxis crim. Paris 1641.

Dieser schlichte und doch herzdurchdringende Verzweiflungsruf der gemarterten Unschuld, die um Gift bittet, weil sie sonst gezwungen sein würde, mit einem unwahren und schändenden Eingeständnis ihre Seele zu beschweren, erklärt uns zur Genüge, wie solche Geständnisse hervorgerufen wurden; aber er erklärt uns nicht, wenn wir auch noch so sehr den Wahnsinn jener Tage berücksichtigen, wie sich ehrliche und auch nur mit einem Funken Vernunft begabte Männer finden konnten, die in solchen Fällen ihr schreckliches, zum Feuertod verdammendes »Schuldig« sprechen konnten. Der Gatte wankte nicht im Glauben an die Unschuld seines Weibes und richtete mehrere Gesuche an den Rat, von denen sich eines, wohlgemerkt! zwischen den überlieferten Akten der vorgenommenen siebenten und achten Tortur vorfindet. Dieses Bittgesuch lautet: »Ehrenveste, fürsichtige, ehrsame, vielweise, grossgünstige, gebietende Herren! Längst verschiedener Zeit habe ich wegen meiner lieben Hausfrau eine dehmütige Supplikation übergeben, darin ich um Erledigung meines lieben Weibes gebeten, mir aber damals eine abschlägige Antwort erfolgt: Dass auf diesmal mein Bitt und Begeren nicht statt habe.« Er wiederholt nun seine Bitte und beantragt auch, dass sein Weib mit den Angeberinnen konfrontiert werde, ein Verlangen, dessen Erfüllung so selbstverständlich ist, dass man sich nur verwundern kann, es nicht früher schon vorgenommen zu sehen. Er fährt fort: »Ich hoffe und glaube und halte es für gewiss, dass mein Weib alles, dessen man sie bezichtet, nicht einmal Zeit ihres Lebens in Gedanken gehabt, viel weniger denn, dass sie solches mit Werk und in der Tat sollte jemals auch nur im Geringsten getan haben. Denn ich bezeuge es mit meinem Gewissen und mit vielen guten, ehrlichen Leuten, dass mein Weib zu allen Zeiten gottesfürchtig, stets züchtig, ehrbar, häuslich und fromm, dem Bösen aber jederzeit abhold und feind gewesen. Ihre lieben Kinder hat sie gleichfalls, neben und samt mir, treulich und fleissig nicht allein in ihrem Katechismo, sondern auch in der heiligen Bibel, insonderheit aber in den lieben Psalmen Davids unterrichtet und unterwiesen, also dass, Gott sei Dank! ich, ohne Ruhm zu vermelden, kein durch Gottes Segen mit ihr erzeugtes Kind habe, das nicht etliche Psalmen Davids auswendig wüsste und erzählen könnte. Überdies kann aber auch niemand – niemand sage ich – mit Grund und Wahrheit dartun und erweisen, dass sie irgend einmal einen Menschen auch nur den kleinsten Schaden am Leibe oder sonst hätte zugefügt, oder man deshalb eine Vermutung auf sie gehabt hätte ...« Doch diese und noch manche andere sehr vernünftige und beherzigenswerte Worte des Gatten waren erfolglos, die Tortur wurde noch härter gegen die Unglückliche angewandt, bis sie alles, was man nur wollte, zugab und am 9. September 1590 verbrannt werden konnte.

Doch damit war erst der Anfang der Schreckenszeit zu Nördlingen gemacht. Neue Verhaftungen und Verurteilungen erfolgten; es herrschte ein Schrecken ohne Ende. Im Oktober 1593 wurde Maria Holl, die Gattin des Gastwirts zur Krone auf die Angaben einer Gefolterten hin verhaftet und gleichfalls der Tortur unterzogen. Sie zeigte dabei eine einzig dastehende Festigkeit, denn trotz der Verschärfung der Peinigung, die an ihr im Verlauf von etwa vier Monaten, nach glaubhaften Berichten, nicht weniger als sechsundfünfzig Mal vorgenommen wurde, trotzdem dass ihr wiederholt verlogener Weise beizubringen versucht wurde, dass ihr Gatte und ihre ganze Familie sie für schuldig des Teufelsbündnisses halten, war sie doch nicht zu bewegen, das von ihr geforderte Bekenntnis abzulegen. Der Rat geriet nun in Verlegenheit; verurteilen konnte er die Angeklagte nicht und als unschuldig freilassen wollte er sie nach so vielen Martern noch weniger, zumal der Unwillen des Volkes über die verübten Gewalttätigkeiten endlich laut wurde. Zu dem kam noch, dass die von den Verwandten der Frau, welche aus Ulm gebürtig war, angerufene Ulmer Gesandtschaft zu Regensburg für die Beschuldigte eintrat und ihre Freigebung forderte. Der Rat wandte sich an den Rechtsgelehrten Sebastian Röttinger um ein Gutachten, und dieses ging dahin, dass die Beschuldigte, da sie nicht noch mehr gefoltert und auch nicht im Gefängnis dauernd gehalten werden könnte, unter verschiedenen Einschränkungen von der Instanz entbunden werden möge, was zwar keine Freisprechung, aber doch eine Entlassung aus dem Gefängnis bedeutete. Sie sollte auch Urfehde schwören und sich verpflichten, ihr Haus weder Tag noch Nacht zu verlassen. Sie willigte in diese harten Bedingungen ein und vertauschte damit das Gefängnis mit dem allerdings viel milderen Hausarrest. Ein später von der Ulmer Gesandtschaft auf ihre Bitten hin vorgenommener Versuch, den Rat auch zur Aufhebung dieser Einschränkungen zu bewegen, scheint erfolglos geblieben zu sein. Der plötzliche Tod der beiden Hauptführer der Hexenverfolgungen zu Nördlingen, und wohl auch der nunmehr entschiedener zum Ausdruck gelangte Unmut der Bevölkerung, machte diesem Wüten ein Ende. Immerhin waren aber im Verlauf von vier Jahren in diesem Städtchen fünfunddreissig Frauen lebendig verbrannt worden und ausserdem eine Anzahl der strengsten Tortur unterzogen, aber dann freigesprochen worden.

»In den katholischen Stiften und Bistümern«, schreibt O. Wächter, in »Vehmgerichte und Hexenprozesse etc.«, »fallen die meisten Verurteilungen in die Zeit der Gegenreformation. Im Trierschen blieben unter dem Bischof Johann bei einem grossen Hexenprozess im Jahre 1585 in zwei Ortschaften nur zwei Personen am Leben, und erlitten aus den 22 Dörfern in der Nachbarschaft von Trier von 1587 bis 1593 überhaupt 368 Personen den Tod. Im Stift Paderborn wurde seit 1585 die Hexenverfolgung betrieben. Die Stadt Lemgo erwarb sich von 1580-1670 durch ungemein viele Hexenprozesse den Beinamen ›das Hexennest‹.« Ein alter Volksreim besagt von den Lippeschen Städten:

Detmold, dat hauge Vest,
Lemgo, dat Hexennest,
Blomberg, de Bläoume,
Häurne, der Kräoume,
Juflen, dat Soltfatt,
Barntrup will auk no watt.

»In dem Stiftsland Zuckmantel, dem Bischof von Breslau gehörig, wurden schon 1551 nicht weniger als acht Henker gehalten. In dem Bistum Bamberg begannen die Hexenprozesse im Jahre 1625. Hier wurden 600 Menschen als Hexen, Zauberer und Teufelsbanner verbrannt. Dies meldet eine 1659 mit bischöflicher Genehmigung zu Bamberg gedruckte Schrift. Unter den Hingerichteten werden angeführt: ›Der Cantzler und Doktor Horn, des Cantzlers Sohn, sein Weib und zwo Töchter, auch viele vornehme Herren und Ratspersonen, sonderlich etliche Personen, die mit dem Bischof über der Tafel gesessen ... Es sind etliche Mägdlein von 7, 8, 9 und 10 Jahren unter diesen Zauberinnen gewesen; deren 22 sind hingerichtet und verbrannt worden, wie sie denn auch Zetter über ihre Mütter geschrieen, die sie solche Teufelskunst gelehrt haben. Und hat die Zauberei so überhand genommen, dass auch die Kinder in Schulen und auf der Gassen einander gelehrt haben.« Der letzte Satz zeigt zur Genüge, wie weit im siebzehnten Jahrhundert, das man die klassische Zeit der Hexenverfolgungen nennen könnte, dieser Wahnsinn gediehen war, und wir werden noch später Gelegenheit haben, uns mit den hierauf sich beziehenden Ereignissen dieser Epoche eingehender zu beschäftigen.

Unter den deutschen Fürsten des sechzehnten Jahrhunderts zeichnete sich in dieser Beziehung ganz besonders der Landgraf von Hessen Philipp der Gutmütige (1504-1567) aus. Zwar war auch er nicht frei von dem Glauben an Hexerei, doch schränkte er bei Prozessen dieser Art die Anwendung der Tortur ein, was wohl zur Folge haben mochte, dass unter seiner Regierung kein Todesurteil wegen Hexerei erfolgt sein soll. An den Amtmann Lichtenberg, der bei ihm anfragte, was mit einem Weibe, das, vermutlich unter Anwendung der Tortur, ein Geständnis abgelegt hatte, geschehen sollte, schrieb ihm 1526 der junge Landgraf u. a.: »Darum so wollest Du die Frau, die noch in Haft ist, nochmals in der Güte, ohne Pein, auf alles ihr getanes Bekenntnis fragen lassen, und wo sie es also bekennt, ihr alsdann ihr Recht widerfahren lassen. Und dieweil dieselbe auch noch mehr Leute bekannt hat, wo dann solche Personen deshalb etwas ruchbar und in einem bösen Leumund sind, so wollest Du die auch in Haft nehmen und sie in dem Gefängnis gütlich, auch ernstlich mit Bedräuung, ohne Pein anreden und fragen, dass sie ihnen selbst zu Gute die Wahrheit bekennen und sich vor weiterer Pein und grosser Marter verhüten wollen, damit nicht etwa ein Unschuldiger möchte gepeinigt und unverdienter Sache gestraft werden.« Im Lichte der Aufklärung mögen wir allerdings dergleichen mit einem Lächeln betrachten und die hierbei zum Ausdruck gelangte Milde für sehr geringfügig halten. Aber es geziemt dabei auch in Betracht zu ziehen, dass noch 1564 in demselben Lande die Juristenfakultät von Marburg ihr Gutachten dahin abgab, dass eine Frau, die unter der Folter sich zur Verbindung mit dem Teufel bekannte und dieses Geständnis dann zurücknahm, als Hexe zu verbrennen wäre, was jedoch unterblieben zu sein scheint, wenigstens weisen die Akten nichts davon auf.

Noch milder als Philipp dachte sein ältester Sohn Wilhelm der Weise über derartige Dinge und in dem von ihm regierten Hessen-Cassel kamen keine Hexenverbrennungen vor. Soldan schreibt (I. S. 483): »Allerdings war auch er von den Vorstellungen seiner Zeit abhängig. Als im Jahre 1591 zu Allendorf a. d. Werra durch verdächtige Weiber an einem Knaben allerlei Gaukeleien verübt worden waren (sie brachten aus seinem Auge Fliegen, Kalk und grosse Stücke Holz hervor), und Landgraf Wilhelm deshalb den damals als Humanist und Naturforscher vielgenannten Joachim Camerarius um Rat fragte, übersandte ihm dieser eine Abhandlung über die Erforschung der Dämonen, tadelte die Folterung vermeintlicher Zauberinnen als abergläubisch und grausam und erklärte die Wasserprobe für durchaus unsicher. Allein Landgraf Wilhelm antwortete: Er müsse das Recht ergehen lassen und könne nach dem Beispiel benachbarter Obrigkeiten die Wasserprobe nicht ganz verwerfen. Denn wenn er gleich nicht verstehe, wie es zugehe, dass solche Zauberinnen nicht untergingen, so schienen doch die von ihnen verübten Gaukeleien übernatürlich zu sein. Es gebe noch mehr Geheimnisse, wie die Wirkungen des Magnets, die er Gott anheim stelle. – Diese Antwort des Landgrafen gab nun Camerarius Veranlassung, denselben in ernstester Weise vor den Gräueln der Hexenverfolgungen und Hexenverbrennung zu warnen, wozu er ihm insbesondere das Geschick einer unglücklichen Frau zu Ellwangen vorhielt, die darum, weil ihr dem Trunk und Spiel ergebener Sohn ihr nachgesagt, dass der Teufel ihr Geld gebracht habe, durch die grausamste Tortur zu einem falschen Geständnis getrieben und hingerichtet worden sei. Wie es scheint, blieben diese Vorstellungen auch nicht ohne Erfolg; wenigstens war, so lange L. Wilhelm regierte, in Hessen-Cassel von Hexenverfolgungen nicht die Rede.«

Indes wird uns doch gemeldet, dass dort diese Verfolgungen 1575 zuerst hervortraten. Landgraf Ludwig liess einen Fall, wo zwei Klatschmäuler, Mutter und Tochter, im Zank sich gegenseitig »Zäubersche« genannt hatten, was zu deren Verhaftung führte, der zu Marburg versammelt gewesenen Generalsynode zur Begutachtung vorlegen. Nach vielen Erörterungen erklärte sie aber, dass sie sich hierzu nicht kompetent erachte und die Prüfung der Sache dem weltlichen Gericht überlassen müsse. Ludwig liess nun alle Pfarrer Niederhessens auffordern, das Volk zu belehren, die Zauberei könne dem, der nicht daran glaube, nicht schaden. Dagegen wird uns von Hessen-Darmstadt, wo Wilhelms jüngerer Bruder Georg regierte, mitgeteilt, dass dort, als erstes Vorkommnis dieser Art in Hessen, 1582 mehrere Frauen als überführte Hexen verbrannt wurden. Es kann hinzugefügt werden, dass damals die zu Marburg versammelte Generalsynode sich freimütiger und aufgeklärter erwies als ihre Vorgängerinnen, zur Milde und Besonnenheit ermahnte, wenngleich auch sie den Glauben an das Vorhandensein der Zauberei nicht völlig von sich wies. Georg von Hessen-Darmstadt erliess auch eine peinliche Gerichtsordnung, in der es heisst: »Die Zauberei ist ein gräuliches, sonderbares, ungöttliches, hochsträfliches Laster, welches jetziger Zeit fast allenthalben unter den Weibspersonen durch Gottes gerechten Zorn und Verhängnis eingerissen, daher die Beamten mit allem Fleisse inquirieren, alsbald eine Person des Lasters bezichtigt und ein Geschrei erschollen, da es sich befindet, dass eine publica vox et fama sei, zu Haften bringen sollen.« Getreu dieser Vorschrift wurden auch 1585 dreissig Personen wegen Hexerei in Haft genommen, wovon siebzehn hingerichtet wurden, während eine es vorzog, einen Selbstmord zu begehen, sieben kamen mit Ausweisung fort und nur fünf erhielten wieder die Freiheit, allerdings in einem Zustande, wie ihn nur die peinliche Frage hervorbringen konnte. Ähnliches lässt sich auch aus Oberhessen melden, wo damals Landgraf Ludwig zu Marburg residierte und die heftigsten Hexenverfolgungen in den Jahren 1596-1598 stattfanden. In der Grafschaft Nassau-Dillenburg kam es durch die einsichtsvolle Mässigung des 1609 verstorbenen Grafen Johann VI. zu keinen Verurteilungen dieser Art.

In Hamburg wurde bereits 1521 ein Doktor Viet als Zauberkünstler verbrannt. Doch die Anwendung der Tortur soll hier erst 1555 vorgekommen sein, wo von vierzehn in Haft genommenen »Hexen« zwei zu Tode gemartert wurden. Vier wurden lebendig verbrannt, was später noch häufig vorkam. Aus Lübeck werden nur drei Fälle aus den Jahren 1551, 1581 und 1591 gemeldet. Ähnliches lässt sich aus allen Teilen Deutschlands und den angrenzenden Ländern melden. Besonders wütete der Hexenschrecken im Elsass. Am 15., 19., 24. und 28. Oktober 1582 wurden hier nicht weniger als 134 Frauen verbrannt und in dem Städtchen Than allein von 1572-1620 136 Frauen. Wie sich diese Henkerarbeit mit der Zeit entwickelte, bekundet die Tatsache, dass von 1615-1635 im Bistum Strassburg 5000 Hexen den Tod fanden. Solche Grausamkeiten wurden auch in Flandern verübt und überall wurden mittelst der Tortur die Aussagen erpresst.

Mit einer besonderen Strenge wurde in der Schweiz die Hexenverfolgung betrieben, hauptsächlich in den romanischen Kantonen. Das von dem strengen Calvin am meisten beeinflusste Genf nahm hierbei die erste Stelle ein. »Namentlich zu Anfang des Jahres 1545 häuften sich die Verhaftungen und Prozesse in erschreckendem Maasse. Der Kerkermeister erklärte am 6. März dem Rate, dass jetzt alle Gefängnisse der Stadt überfüllt wären und er fernerhin Verhaftete nicht mehr unterzubringen wisse. Dabei war das gegen die Verhafteten angewandte Verfahren ein entsetzliches. Man zwickte sie mit glühenden Zangen, man mauerte sie ein und liess sie verschmachten, wenn sie kein Geständnis ablegten Ratsprotokoll vom 2. April 1545. »Ordonné, qu ils soient murés et ne soient ôtés de là jusqu'à ce qu'ils confessè la vérité; autrement finiront leurs jours à tel tourment.«, und ersann zu diesem Behufe alle möglichen anderen Torturmittel. Es ist vorgekommen, dass Angeklagte neunmal die Marter der Estrapade (am Schwibb- oder Schnellgalgen) ertragen mussten. ›Aber welche Pein man ihnen auch antat‹, klagt das Ratsprotokoll einmal, ›so wollten sie die Wahrheit doch nicht bekennen‹. Mehrere der Unglücklichen endeten während oder bald nach der Tortur unter Beteuerung ihrer Unschuld. Andere gaben sich, um den furchtbaren Qualen der Kerkerhaft und der Tortur zu entgehen, aus Verzweiflung selbst den Tod, ›auf Eingebung des Satans‹, wie oft gesagt wird. Der Arm des Henkers ermattete unter der Last der Arbeit, die, wie er am 18. Mai 1545 dem Rat erklärte, eines Mannes Kraft überstieg. Wurden doch in den wenigen Monaten vom 17. Februar bis 15. Mai 1545 einunddreissig jener Unglücklichen – und unter ihnen des Scharfrichters eigene Mutter – durch Schwert, Scheiterhaufen, Galgen und Vierteilung vom Leben zum Tod gebracht! Und dabei war es etwas ganz Gewöhnliches, dass der eigentlichen Exekution noch grausame Verstümmlungen des Körpers vorhergingen.« (Soldan I, 499).

Ähnliche Vorgänge finden wir auch in dem von den Bernern eroberten Waadtland, wo die eingesetzten Beamten so arg wüteten, dass die Regierung 1543 sich veranlasst fand, ein Edikt ergehen zu lassen, in dem gesagt wird: »Wir vernehmen, wie die Edelleute und Twingherren in Deiner Verwaltung und anderswo in unserem neugewonnenen Lande mit den armen Leuten, so der Unhulde und Hexerei verdächtigt und verleumdet werden, ganz unweislich grob seien und unrechtförmig handeln, als dass gesagte Twingherren oder Seigneurs-banderets auf ein jedes schlechtes Läumden, Angeben oder einzigen Prozess unerfahrener Sachen die verzeigten, verargwohnten Personen mit grosser ungebräuchlicher Marter (als mit dem Feuer und Brand an den Füssen, Strapaden und dergl.) zu Bekennung und Verjahung unverbrachter Sachen bringen und ohne weiteren Rat vom Leben zum Tod richten. Daran wir in diesem gefährlichen Fall der Hexerei besonderes Missfallen haben.« Vier Wochen später sah sich der Rat zu Bern sogar veranlasst, in der Waadt jede Hinrichtung zu untersagen, bevor diese nicht von ihm genehmigt wurde. Trotzdem aber wurde auch fernerhin mit grosser Willkür und grausamer Härte vorgegangen. Die Regierung zu Bern bekundete überhaupt in dieser Frage eine Mässigung und Einsicht, wie sie damals nur selten zu finden waren. Im Jahre 1600 entschloss sie sich, eine Revision der Prozessordnung in Hexensachen vornehmen zu lassen und setzte eine Kommission ein, die einen Entwurf ausarbeitete, der vom Rat auch bestätigt wurde. Dieser Entwurf hatte, wie Soldan mitteilt, folgenden Inhalt:

»Im Eingang spricht die Regierung wegen des Überhandnehmens der Hexerei im Waadtland ihr tiefes Bedauern aus und kommt dann sogleich auf die aus den Akten geschöpfte Wahrnehmung zu sprechen, dass die Hexen sich oft gegenseitig angäben, als hätten sie einander zu ihren gleichwohl vermeinten Versammlungen gesehen, zusammen gegessen u. s. w. Dadurch sähen sich dann gewöhnlich die Amtleute, Twing- und Pannerherren veranlasst, alsbald solche angegebenen Personen aufzugreifen und mit der Tortur gegen sie zu verfahren. Es sei aber zu besorgen, der Teufel, der ein Feind der Lügner vom Anfang sei, möchte den Denunzianten die Gestalt ehrlicher Leute vorstellen, wodurch diese in grosse Gefahr gerieten, zumal wenn man alsbald mit grosser Marter gegen sie vorgehe. Um dem allen vorzubeugen, werde daher folgende Ordnung festgesetzt: Erstlich solle kein Amtmann oder Gerichtsherr eine wegen Hexerei verdächtige Person gefänglich einziehen, ›sie sei denn in dreien unterschiedlichen Prozessen angegeben und verzeigt.‹ In diesem Falle und sofern es sich darum handelt, dass die angeklagte Person in der ›Sekte‹ (d. h. bei dem Hexensabbath) gewesen, ohne etwas Tätliches vollbracht zu haben, sei sie allerdings zu verhaften, jedoch nicht sofort zu torquieren, sondern nur mit strengen undrohenden Worten zu befragen, und ausserdem habe man sie zur Ermittlung etwaiger Malzeichen sorgfältig zu untersuchen. Lege sie nun kein freiwilliges Bekenntnis ab, so habe man über ihren Wandel genaue Information einzuziehen, und wenn diese verdächtig ausfalle, die ›ziemliche‹ Folter anzuwenden oder höheren Orts sich Bescheid einzuholen. Kämen dagegen Malefizien so zur Anzeige, dass sich bei genauer Untersuchung der Sache die Anzeige als begründet erweise, so habe man zur strengeren Folter zu schreiten, immerhin jedoch nur mit dreimaligem Aufziehen mit dem fünfzig-, hundert- oder auch mit dem hundertfünfzigpfündigen Steine. Die zu Lausanne immer noch gebräuchlichen ungesetzlichen Folterwerkzeuge sollten gänzlich abgetan werden. Die Kosten der Exekution sollten aus dem Nachlasse der Hingerichteten gedeckt werden, indem es ein ›ungereimt Ding‹ sei, dass die Gerichtsherren denselben einzögen und die Regierung die Kosten trage.«

Wir finden in dieser für Zeit und Verhältnisse immerhin milde zu nennenden Verordnung, genau betrachtet, doch nur Redewendungen, wie sie in allen vernünftigen Äusserungen über diese Sache bis dahin anzutreffen sind, auch dieselben allgemeinen Ausdrücke, die der Willkür der Richter weiten Spielraum gewähren, sowie durch die Einziehung des Vermögens zu Gunsten der Gerichtsherren dieselbe Gefahr einer von Habsucht diktierten Ungerechtigkeit. Zwar bewirkte die Berner Verordnung eine Einschränkung der Hexenprozesse und deren fast unvermeidlichen Todesurteile im Waadtlande, aber nur für kurze Zeit, und bald erneuten sich diese Vorfälle mit der früheren Häufigkeit und erstreckten sich auch auf das bis dahin von dem Hexenwahn noch ziemlich verschont gebliebene deutsche Gebiet des Berner Landes. Eine erneute Verordnung vom Jahre 1609, die die Zulässigkeit der Verhaftung noch mehr einschränkte, hatte dieselbe Wirkung von anfänglicher Verringerung und baldiger Steigerung der Hexenprozesse. Auch hatte der Rat noch wiederholt Gelegenheit, die Gerichtspersonen wegen unmässiger Anwendung der Tortur zu tadeln. Human scheint Basel in dieser Sache vorgegangen zu sein und erst spät und nur einmal, 1624, wurde eine der Hexerei beschuldigte Frau hingerichtet. In Hexenprozessen wurde hier die Tortur nur bis zum Jahre 1643 angewendet.

Folterung der Schulmeisterin Ursel zu Mastricht 1570. Nach dem Kupfer von Jan Luyken.

Tortur, Aufzug. Seitwärts kartenspielende Peiniger. Nach dem Kupfer von Jan Luyken.

Minder Günstiges lässt sich von den Niederlanden sagen, wo bereits Mitte des sechzehnten Jahrhunderts die Hexenverfolgungen stark ausgeübt wurden. Allerdings muss dabei auch bemerkt werden, dass einzelne Provinzen lange Zeit oder auch gänzlich von diesem Übel verschont blieben, das besonders unter der Herrschaft Philipps II. arg wütete. Aber auch aus den vom spanischen Joch frei gewordenen Provinzen lässt sich in dieser Beziehung nur wenig Gutes sagen. Indes, eine starke Ausdehnung der Anwendung der Tortur sehen wir unter spanischer Herrschaft besonders in der Zeit des sogenannten achtzigjährigen Unabhängigkeitskampfes, wo neben den Hexen- und Ketzerprozessen auch politische Prozesse und Untersuchungen dieses schreckliche Mittel in Anwendung brachten. Der grausame Alba und seine Nachfolger kannten auch in diesem Punkte weder Maass noch Milde und selbst auf spanischer Seite konnte das in den Niederlanden geübte Verfahren scharfen Tadel finden. Von den Hexenprozessen der Niederlande sei hier besonders der 1613 zu Roermond durchgeführte erwähnt, der zur Folge hatte, dass in ungefähr drei Wochen vierundsechszig weibliche und auch männliche Personen nach furchtbarer Folterung verurteilt und verbrannt oder gehenkt wurden.

In den romanischen Ländern, vor wie nach der Reformation, traten Hexenverfolgungen weniger stark hervor als auf germanischem Gebiete, trotzdem der Aberglauben dort noch stärker vorhanden war und, wie uns das Beispiel des romanischen Teils der Schweiz zeigte, unter Umständen auch zügellos sich geltend machen konnte. Vieles zu dieser auffälligen Zurückhaltung mag, wie schon bemerkt wurde, die Tatsache beigetragen haben, dass in den romanischen Ländern die Ketzerverfolgung ungehindert und kräftiger betrieben werden konnte und auch wurde; eine Ablenkung auf das volksvertraute Zauber- und Hexenwesen, soweit diese nicht schon in der Ketzerei enthalten war, brauchte nicht vorgenommen zu werden. Die Sache wurde daher von Kirche und Staat wenig beachtet und fast alles, was sich darüber sagen lässt, umfasst das Schreckenswort Inquisition. Nur in Frankreich äusserte sich die Hexenseuche etwas selbständiger und in ähnlicher Weise wie in Deutschland.

Aus England ist bis zum Tode Elisabeths wenig von Hexenprozessen zu melden, obgleich es daran nicht fehlte, besonders in Schottland. Die Tortur mag schon frühzeitig hierbei zur Anwendung gelangt sein, obzwar sie gesetzlich nie Geltung hatte, besonders die Wachfolter (tortura insomniae), die oft als englische Tortur bezeichnet wird. Ärger wurden jedoch die Zustände, als der gelehrte Narr Jakob I. zur Regierung kam und mit ihm das Haus Stuart. Er selbst war ein eifriger Gegner des vorgeblichen Hexen- und Zauberwesens, gegen das er auch litterarisch auftrat. Einige Verschärfungen der unter seiner Regierung und auf seine Anordnungen hin besonders grausam ausgeübten Tortur werden seinem Erfindungsgeist zugeschrieben, z. B. das Ausreissen der Fingernägel.

Wir haben uns hier hauptsächlich mit der nachreformatorischen Zeit im sechzehnten Jahrhundert beschäftigt. Die Folge wird ergeben, dass das siebzehnte Saeculum seinen Vorgänger damit noch übertraf.


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