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Kapitän Cooks Ermordung auf den Sandwichinseln

Von Kapitän James King

An der Westküste der Insel Hawaii, im Bezirk Akona, liegt eine Bucht, die bei den Einwohnern Karakakua (Kealakeakua) heißt. Sie geht ungefähr ein Kilometer landeinwärts, und ihre Grenzpunkte sind zwei flache, ein halbes Kilometer weit in der Richtung von Südsüdost und Nordnordwest voneinander gelegene Landspitzen. Auf der nördlichen, die niedrig und unfruchtbar ist, liegt ein Dorf, das die Eingeborenen Kauraua nennen. Ein zweites, größeres, namens Kakua, liegt in der Vertiefung der Bucht, an einem Hain von hohen Kokospalmen; zwischen beiden ragt ein steiles, schroffes Felsenufer hervor, das von der Seeseite unzugänglich ist. Südwärts hat das Land, etwa ein Kilometer einwärts, ein rauhes Ansehen. Allein, jenseits dieser Strecke hebt es sich mit einer sanften Lehne und zeigt überall umzäunte Pflanzungen mit Kokoswäldchen, zwischen denen alles mit Wohnungen gleichsam besät ist. Das Seeufer rund um die Bucht ist gänzlich mit schwarzem Korallenfelsen bedeckt; bei stürmischem Wetter ist daher das Landen sehr gefährlich. Doch befindet sich neben dem Dorfe Kakua ein schöner mit Sand bedeckter Strand, an dessen einem Ende man einen Begräbnisort oder ein »Marai« und am entgegengesetzten einen Bach mit Süßwasser antrifft. Kapitän Cook fand diese Bucht für seinen Plan, die Schiffe auszubessern und zugleich Wasser und Lebensmittel einzunehmen, sehr geeignet und ließ deshalb die »Resolution« und »Discovery« hier vor Anker gehen.

Die Eingeborenen hatten kaum bemerkt, daß wir willens wären, in der Bucht zu ankern, als sie schon in hellen Haufen zum Strande herbeieilten und ihre Freude durch Singen, Jubelgeschrei und allerlei wilde, überschwengliche Gebärden zu erkennen gaben. In kurzer Zeit stiegen sie scharenweise an Bord, bald darauf saßen sie auch schon überall an den Seiten und im Takelwerk der beiden Schiffe in unzähliger Menge. Eine große Anzahl Frauen und kleiner Jungen, die keine Kanus hatten bekommen können, schwammen um uns herum und blieben auch, da sie an Bord keinen Platz mehr fanden, den ganzen Tag über im Wasser. Unter anderen Vornehmen, die sich an Bord der »Resolution« begaben, zeichnete sich bald ein junger Mann namens Paria durch sein würdevolles Benehmen aus. Er stellte sich selbst dem Kapitän Cook vor und eröffnete ihm, er sei ein Vertrauter des Königs. Letzterer war gegenwärtig auf einer kriegerischen Unternehmung gegen die Insel Mauwi begriffen, von wo man ihn in 3 bis 4 Tagen zurück erwartete. Kapitän Cook machte dem Paria einige Geschenke und gewann ihn dadurch ganz und gar für uns. Dies war kein geringer Vorteil; denn ohne ihn wären wir schwerlich mit seinen Landsleuten fertig geworden. Schon sehr bald ereignete sich ein Vorfall, bei dem wir seiner Hilfe bedurften. Wir hatten noch nicht lange vor Anker gelegen, als wir bemerkten, daß sich die »Discovery« stark auf eine Seite neigte, weil sich auf ebenderselben eine ungeheure Menge Menschen angeklammert hatte. Zugleich wurden wir auch gewahr, daß die Mannschaft die großen Scharen die sich noch immer in das Schiff drängten, nicht mehr zurückhalten konnte. Aus Besorgnis zeigte Kapitän Cook unserm Paria diese Gefahr, und dieser eilte augenblicklich der »Discovery« zu Hilfe, trieb die Leute hinaus und nötigte sogar die Kanus, die sich in unzähliger Menge darumpostiert hatten, sich zu entfernen.

Dieser Vorfall schien zu beweisen, daß die Gewalt der Vornehmen über die niederen Volksmassen in höchstem Grade despotisch sein müsse. Noch an ebendem Tage bestätigte uns das ein Vorfall auf der »Resolution«. Der Schwarm der Eingeborenen hatte sich an Bord so vermehrt, daß wir unsere Geschäfte nicht mehr verrichten konnten. Kapitän Cook wandte sich daher an Kanina, einen Vornehmen, der ihm ebenfalls zugetan war. Dieser befahl sogleich allen seinen Landsleuten, das Schiff zu verlassen. Und zu unserem nicht geringen Erstaunen sprangen sie, ohne sich einen Augenblick zu bedenken, alle über Bord. Ein einziger blieb etwas zurück und hatte, wie es schien, keine rechte Lust, dem Befehl zu gehorchen: sogleich hob ihn Kanina mit beiden Armen auf und schleuderte ihn ins Meer.

Die beiden hier genannten Befehlshaber waren starke, schön gewachsene Männer von ganz besonders angenehmer Gesichtsbildung. Kanina war einer der schönsten Männer, die ich je gesehen habe: er hatte regelmäßige, ausdrucksvolle Züge und funkelnde, dunkelfarbige Augen. Sein Gang war ungezwungen, fest und voll Anstand.

Während des langen Zeitraums, den wir mit Kreuzen um die Insel zugebracht hatten, war das Betragen der Eingeborenen, die von Zeit zu Zeit in See zu uns kamen, untadelhaft, ehrlich und aufrichtig gewesen und hatte nie eine Spur von diebischen Gelüsten verraten. Wir waren darüber sehr erstaunt, zumal da wir es nur mit Personen vom niedrigsten Stande, entweder Leibeigenen oder Fischern, zu tun gehabt hatten. Nunmehr aber wandte sich das Blatt, und die unzähligen Scharen, die in jedem Winkel des Schiffes ihr Wesen trieben, benutzten fleißig jede Gelegenheit, unbemerkt stehlen und vielleicht sogar entkommen zu können; denn unser waren wir nur wenige. Zum Teil glaubten wir, diese Veränderung in ihrem Betragen der anfeuernden Gegenwart ihrer Befehlshaber zuschreiben zu müssen: wenn wir nämlich einer verschwundenen Sache nachspürten, fanden wir sie zuletzt gewöhnlich im Besitze irgendeines Mannes von Ansehen, auf dessen Veranlassung der Diebstahl also augenscheinlich begangen worden war.

Bald nachdem unser Schiff verankert war, führten unsere beiden Freunde Paria und Kanina einen dritten Befehlshaber namens Koah an Bord. Man gab uns zu verstehen, er sei ein Priester und habe sich in seiner Jugend als Krieger ausgezeichnet. Er war ein hagerer, schwacher, alter Mann von unansehnlicher Gestalt, mit triefenden, roten Augen, am ganzen Leib mit einem weißen Aussatz oder Schorf bedeckt, was eine Folge des unmäßigen Kawa-Trinkens war. Man führte ihn in die Kajüte, wo er sich dem Kapitän Cook in großer Ehrfurcht nahte und ihm ein Stück roten Zeugs, das er zu diesem Zwecke mitgebracht hatte, über die Schulter warf. Dann trat er einige Schritte zurück, bot ein kleines Ferkel dar und hielt es so lange, bis er eine ziemlich lange Rede beendet hatte. Diese Feierlichkeit, die wir während unseres Aufenthalts in Hawaii noch zu mehreren Malen sahen, sollte, soviel wir aus allerlei Nebenumständen schließen konnten, eine Art von gottesdienstlicher Anbetung vorstellen; denn die Götzenbilder der Einwohner waren sämtlich mit rotem Zeug bekleidet, und ihren »Eatuas« (Göttern) brachten sie gewöhnlich kleine Ferkel zum Opfer dar. Nach der Zeremonie aß Koah mit dem Kapitän Cook und genoß reichlich von allem, was ihm vorgesetzt wurde, nur daß er, wie überhaupt alle Bewohner dieser Inselgruppe, Wein und andere geistige Getränke ungern zum zweiten Male kosten wollte.

Abends begleiteten Kapitän Cook und ich ihn an Land. Wir stiegen auf dem sandigen Strande aus, wo uns vier Männer mit Stäben empfingen, an deren Ende ein Büschel Hundshaare hing. Sie gingen vor uns her und riefen dabei mit lauter Stimme eine kurze Formel aus, wovon wir indes nur das Wort »Orono« (Gott) unterscheiden konnten. Die am Ufer versammelte Menge entfernte sich bei unserem Herannahen, und es ließ sich niemand sehen, einige wenige ausgenommen, die sich unweit der Hütten des benachbarten Dorfes zur Erde niedergeworfen hatten.

Ehe ich die Anbetung, die dem Kapitän Cook hier bezeigt wurde, und die übrigen Feierlichkeiten bei seinem Empfang auf dieser Insel schildere, muß ich noch etwas von dem Marai sagen, das an der Südseite des Strandes von Kakua lag. Dieses dem Gottesdienste geweihte Gebäude bestand aus einem viereckigen dichten Steinhaufen, der etwa 40 Schritt lang, 20 breit und 14 Schritt hoch sein mochte. Oben war es platt und eben, gut gepflastert und mit einem hölzernen Zaune umgeben, auf dem die Schädel der beim Tode ihrer Vornehmen geopferten Gefangenen steckten. Mitten in dem so eingeschlossenen Platze stand ein verfallenes, altes, hölzernes Gebäude, das mit dem Zaun zu beiden Seiten durch eine steinerne Mauer zusammenhing, so daß der ganze Raum in zwei Teile geschieden war. Auf der landeinwärts gelegenen Seite standen fünf, etwa 6 Meter lange Pfähle, die einem etwas unregelmäßigen Gerüste zur Stütze dienten. Gegenüber, nach dem Meere hin, waren zwei kleine Häuser erbaut, die durch einen bedeckten Gang miteinander zusammenhingen.

Koah führte uns auf einem bequemen Steige, der von dem Strande nach der nordwestlichen Ecke des gepflasterten Hofes hinaufging, auf die Zinne dieses Gebäudes. Am Eingang in den Hof erblickten wir zwei hölzerne Standbilder mit verzerrten Zügen, von denen jedes ein langes, geschnitztes Stück Holz in Form eines umgekehrten Kegels auf dem Kopfe hatte. Der übrige Körper war nicht ausgearbeitet, sondern in rotes Zeug gehüllt. Hier trat uns ein junger Mann von hohem Wuchs mit einem langen Barte entgegen und stellte Kapitän Cook den Bildsäulen vor. Dann sang er eine Art von Hymnus, in den Koah miteinstimmte, und führte uns nachher an das jenseitige Ende des Marai, wo die 5 Pfähle standen. An dieser Stelle bildeten 12 Standbilder einen Kreis, und gerade vor der mittelsten Figur stand ein hoher Tisch oder ein Gestell, das genau dem »Uatta« oder Altar in Tahiti ähnlich war. Auf ihm lag ein bereits in Fäulnis übergegangenes Schwein und unter ihm eine Menge Zuckerrohr, Kokosnüsse, Brotfrucht, Bananen und süße Bataten. Koah stellte den Kapitän unter diesen Altar, nahm das Schwein herunter und hielt es ihm vor, wobei er zum zweitenmal mit vieler Heftigkeit und geläufiger Zunge eine lange Rede hielt. Hierauf ließ er das Schwein zur Erde fallen und führte unsern Kapitän an das Gerüst. Beide kletterten unter Gefahr das beschwerliche Stück hinan. Nunmehr sahen wir oben auf dem Marai eine feierliche Prozession herankommen. Sie bestand aus 10 Männern, die ein großes lebendiges Schwein und ein großes Stück rotes Zeug trugen. Nachdem sie noch ein paar Schritte vorwärts getan hatten, hielten sie still und warfen sich zur Erde nieder. Kärikia, der vorhin erwähnte junge Mann, ging zu ihnen, nahm ihnen das Zeug ab und brachte es dem Koah, der den Kapitän damit bekleidete. Hierauf brachte er ihm das Schwein dar, das Kärikia währenddessen auf ebendie Art wie das Zeug geholt hatte.

Als nun Kapitän Cook, so in rotes Zeug gewickelt, in einer etwas unbequemen Stellung in der Höhe stand und sich nur mit Mühe an den Stücken des morschen Gerüstes festhalten konnte, fingen Kärikia und Koah ihren Gottesdienst an und sangen zuweilen gemeinsam, zuweilen abwechselnd. Das dauerte eine geraume Zeit. Endlich ließ Koah das Schwein fallen und stieg mit Kapitän Cook herunter. Nunmehr führte er ihn an den zuletzt erwähnten Bildsäulen vorbei, sagte im Vorübergehen jedem Bilde etwas in einem höhnenden Tonfall und schnippte mit den Fingern gegen sie. Endlich brachte er ihn vor das mittelste Bild, das, da es mit rotem Zeug bekleidet war, in höherem Ansehen stehen mochte. Daher fiel er auch davor nieder, küßte es und verlangte ein gleiches von Kapitän Cook, der sich bei dieser ganzen Feierlichkeit durchaus nach Koahs Vorschrift verhielt.

Hierauf führte man uns zurück in die andere Abteilung des Marai, wo sich eine Vertiefung im Pflaster befand, die 3-4 Meter im Quadrat und 1 Meter Tiefe haben mochte. Wir stiegen hinab, und Kapitän Cook mußte sich zwischen zwei hölzerne Bildsäulen setzen, indes Koah den einen Arm des Kapitäns unterstützte und mich den andern stützen hieß. Hierauf kam eine zweite Prozession von Eingeborenen, die ein gebratenes Schwein, einen Pudding nebst Kokosnüssen, Brotfrucht und anderen Pflanzenspeisen trugen. Als sie sich näherten, trat Kärikia an ihre Spitze und hielt das Schwein wie gewöhnlich dem Kapitän vor. Zugleich fing er wie vorher einen Gesang an, auf den seine Gehilfen bei passenden Stellen antworteten. Nach jeder Gegenstrophe schienen die Absätze kürzer zu werden, bis zuletzt Kärikia nur zwei oder drei Worte sang, worauf denn die übrigen zum Beschluß das Wort »Orono« ausriefen. Diese Opferzeremonie dauerte ungefähr eine Viertelstunde. Als sie vorbei war, setzte sich das Volk uns gegenüber nieder und fing an, das gebratene Schwein zu zerlegen, die Pflanzenspeisen zu schälen und die Kokosnüsse aufzubrechen. Andere waren mit Zubereitung des Kawatranks beschäftigt, wozu, wie auf den Freundschaftsinseln, die Wurzel des Pfefferstrauchs gekaut wird. Kärikia nahm ein Stück vom Kern einer Kokosnuß, kaute es, wickelte es in ein Stück Zeug und rieb damit dem Kapitän Gesicht, Kopf, Hände, Arme und Schultern ein. Hierauf ging der Kawatrank herum, und nachdem wir davon gekostet hatten, machten sich Paria und Koah daran, das Fleisch des Schweines in kleinere Stücke zu zerreißen und uns in den Mund zu stopfen. Ich konnte es leicht ertragen, daß mich Paria fütterte, da er sich in allen Stücken sehr reinlich hielt; allein, Kapitän Cook, der von Koah bedient wurde, erinnerte sich an das erste, halbverweste Schwein und konnte keinen Bissen hinunterschlucken. Dazu kam noch, daß der Alte, um ihm eine besondere Ehre anzutun, den Bissen erst selbst durchkäute, wodurch natürlicherweise des Kapitäns Ekel nicht gerade vermindert wurde.

Als diese letzte Zeremonie, die Kapitän Cook, so gut er konnte, beschleunigte, vorbei war, verteilten wir einige Stückchen Eisen nebst anderen Kleinigkeiten unter das Volk, das damit äußerst zufrieden schien, und verließen dann das Marai. Die Männer mit den Stäben begleiteten uns wieder an unsere Boote und wiederholten dabei dieselben Worte, die sie schon vorher, als wir das Land betraten, gesagt hatten. Die Eingeborenen zogen sich zurück, und die wenigen, die in der Nähe blieben, fielen, während wir längs dem Ufer vorübergingen, zur Erde nieder. Wir eilten sogleich an Bord, hatten den Kopf voll von alldem, was wir gesehen, und waren höchst vergnügt, daß unsere neuen Freunde es so überaus gut mit uns zu meinen schienen. Schwerlich läßt sich die Bedeutung der verschiedenen Feierlichkeiten, womit man uns empfangen hatte, bestimmt angeben; selbst die Mutmaßungen darüber können nur unsicher und einseitig sein: indes verdienten sie, wegen ihrer Neuheit und Sonderbarkeit, ausführlich beschrieben zu werden. Ohne allen Zweifel lag darin der Ausdruck einer tiefen Ehrfurcht, die sogar, was Kapitän Cook persönlich betrifft, nahe an wirkliche Anbetung zu grenzen schien.

Am folgenden Morgen ging ich mit einer Wache von 8 Seesoldaten, Leutnant und Korporal mitinbegriffen, an Land, um die Sternwarte in einer solchen Lage errichten zu lassen, daß ich zugleich auf die mit Wasserfüllen und andern Arbeiten beschäftigten Leute achthaben und sie erforderlichenfalls beschützen könnte. Indem wir in dieser Absicht einen Platz mitten im Dorfe besichtigten, der uns sehr bequem dünkte, erbot sich Paria mit immer gleicher Bereitwilligkeit, sowohl um sein Ansehen geltend zu machen, als auch um uns eine Gefälligkeit zu erweisen, er wolle einige Hütten niederreißen lassen, die uns am Beobachten hinderlich sein könnten. Allein, wir hielten es für das beste, dieses Anerbieten abzulehnen, und wählten ein Batatenfeld dicht am Marai, das man uns auch ohne Widerrede einräumte. Um aller Zudringlichkeit von seiten der Einwohner zuvorzukommen, heiligten die Priester sogleich diesen Bezirk, und zwar dadurch, daß sie ihre Stäbe rund umher an der Mauer, die ihn einschloß, befestigten.

Diese Art von religiösem Verbot heißt bei ihnen »Tabu«, ein Wort, das wir während unseres Aufenthaltes bei den hiesigen Insulanern oft aussprechen hörten, und dessen Wirkung sich sehr weit erstreckte. Nie wagte es ein Kanu, in unserer Nähe anzulanden. Die Eingeborenen setzten sich wohl auf die Mauer; allein, in den verbotenen oder tabuierten Bezirk hineinzutreten, wagte keiner, bevor wir ihm nicht die Erlaubnis dazu gaben. Auch waren es nur Männer, die auf unser Verlangen mit Lebensmitteln über das Feld kamen; die Frauen hingegen hielten sich fern.

Wir hatten noch nicht lange unsere Sternwarte eingerichtet, als wir in unserer Nachbarschaft die Wohnungen einer Gesellschaft von Priestern entdeckten, die unsere Aufmerksamkeit dadurch auf sich zogen, daß sie sich zu bestimmten Zeiten am Marai einfanden, um ihre Amtsgeschäfte zu verrichten. Ihre Hütten standen rings um einen Teich mit Wasser in einem Haine von Kokospalmen, der sie von dem Strande und von dem übrigen Dorfe abschloß und völlig ein klostermäßiges, ja, einsiedlerisches Aussehen hatte. Ich gab Kapitän Cook von dieser Entdeckung Nachricht, und er nahm sich deshalb einen Besuch dortselbst vor.

Gleich nach seiner Ankunft am Strande führte man ihn zu einem geheiligten Gebäude, das hier »Harre-no-Orono«, das »Haus des Orono«, genannt wurde. Vor dem Eingange hieß man ihn, am Fuß eines hölzernen Götzenbildes niedersitzen, das von ebender Art wie jene auf dem Marai zu sein schien. Hier mußte ich wieder einen seiner Arme unterstützen, indes Kärikia ihn mit rotem Zeuge bekleidete und in Begleitung von zwölf Priestern ihm mit den gewöhnlichen Feierlichkeiten ein Ferkel zum Opfer brachte. Man schnürte hierauf dem Tiere den Hals zu und warf es in ein dazu bereitetes Holzfeuer. Sobald die Haare abgesengt waren, brachte man es wieder dar und wiederholte dabei den oben beschriebenen Gesang. Dann hielt man das tote Ferkel dem Kapitän eine Zeitlang unter die Nase und legte es hernach nebst einer Kokosnuß zu seinen Füßen. Hierauf setzten sich die Priester, bereiteten Kawa und ließen die damit gefüllte Kokosnußschale herumgeben. Zuletzt ward ein fettes, ganz zubereitetes Schwein aufgetragen, womit man uns wie das vorige Mal fütterte.

Sooft Kapitän Cook während unseres Aufenthaltes in der Bucht an Land kam, ging einer von den Priestern vor ihm her, rief aus, daß der »Orono« gelandet sei, und befahl dem Volke, sich niederzuwerfen. Ebenderselbe Priester war auch sein immerwährender Begleiter, sooft er sich ins Boot begab. Hier stand er mit einem Stabe in der Hand gewöhnlich im Vorderteil und verkündigte den Eingeborenen in ihren Kähnen Cooks Annäherung, worauf sie unverzüglich mit Rudern innehielten, sich auf das Gesicht niederwarfen und so lange in dieser Stellung blieben, bis er vorüber war. Sooft er sich bei der Sternwarte aufhielt, kam Kärikia sogleich mit seinen Amtsbrüdern herbeigeeilt und überreichte mit den gewöhnlichen Feierlichkeiten Schweine, Kokosnüsse und Brotfrucht. Bei dieser Gelegenheit baten oftmals geringere Befehlshaber um Erlaubnis, dem »Orono« ein Geschenk bringen zu dürfen, und wenn ihnen diese Bitte gewährt wurde, boten sie in eigener Person, gewöhnlich mit deutlichem Ausdruck von Furcht in ihren Zügen, das Schwein dar, indes Kärikia und die Priester den gewöhnlichen Hymnus sangen.

Soweit war das meiste nur Höflichkeitsbezeigung, nur äußere Feier und Parade. Dabei ließ es jedoch die Priestergesellschaft nicht bewenden. Unsere am Lande sich aufhaltende Abteilung erhielt täglich einen Vorrat von Schweinen und Pflanzenspeisen, der mehr als ausreichend für unseren Unterhalt war. Und mit gleicher Sorgfalt und Genauigkeit schickten sie täglich mehrere Kähne mit Lebensmitteln an Bord, ohne je das geringste dafür zu verlangen, ohne auch nur einen entfernten Wink deswegen zu geben. Ihre Geschenke schienen, da sie mit solcher Regelmäßigkeit wiederholt wurden, in der Tat viel mehr Ausübungen einer Religionspflicht, als bloße Wirkungen der Freigebigkeit zu sein. Wir erkundigten uns zuweilen, auf wessen Kosten man uns so herrlich bewirtete, und erhielten zur Antwort, es geschehe auf Kosten eines vornehmen Mannes namens Ka-u, des Oberpriesters. Dieser Mann, von dem man uns zugleich sagte, daß er Kärikias Großvater wäre, begleitete den König und war daher abwesend.

Alles, was den Charakter und das Betragen dieses Volkes betrifft, muß dem Leser wegen des nachher erfolgten traurigen Auftrittes doppelt wichtig sein. Es gehört also auch die Bemerkung hierher, daß wir nicht immer ebensoviel Ursache hatten, mit der Aufführung der kriegerischen Befehlshaber oder »Eris« so zufrieden zu sein wie mit der der Priester. Im ganzen Verkehr mit jenen fanden wir sie sehr auf ihren eigenen Vorteil bedacht. Und wollte man auch ihre Diebereien entschuldigen, weil dieser Hang unter den Insulanern der Südsee allgemein ist, so ließen sie sich doch noch außerdem allerlei Anschläge zuschulden kommen, die nicht eben rühmlich waren. Hiervon nur ein Beispiel, worin, zu meinem Leidwesen, hauptsächlich unser Freund Koah mitverflochten war. Wenn uns irgendein Mann von Ansehen Schweine zum Geschenke brachte, pflegten wir jederzeit beträchtliche Gegengeschenke zu machen. Die Folge war unausbleiblich: es fehlte uns nicht nur nie an Proviant, sondern wir hatten gewöhnlich weit mehr, als wir brauchen konnten. Bei solchen Gelegenheiten pflegte Koah, der unser unermüdlicher Begleiter war, sich die Schweine auszubitten, die uns zur Last waren, und er konnte allemal gewiß sein, sie sicher zu erhalten. Einst brachte ein Befehlshaber, den Koah selbst uns vorgestellt hatte, ein Schwein zum Geschenk, das wir als eines derer erkannten, die noch eben zuvor an Koah verabfolgt worden waren. Wir hegten gleich den Verdacht, daß man uns zu hintergehen suchte, und entdeckten auf weitere Nachfrage bald, daß der angebliche Befehlshaber nur ein gewöhnlicher Mann war. Jetzt erinnerten wir uns auch mancher anderer Einzelheiten, die uns zu der Vermutung veranlaßten, daß man uns schon mehrmals auf ähnliche Weise ausgebeutet hatte.

Feierlicher Besuch des Königs Terriobu an Bord der »Resolution«

Alles nahm seinen gewohnten Gang bis zum 24. Januar, da zu unserer großen Verwunderung kein einziges Kanu vom Lande abstieß und keiner von den Eingeborenen aus seinem Hause hervorkam. Nach Verlauf einiger Stunden erfuhren wir endlich, daß die Bai tabuiert und der Verkehr mit uns aufgehoben wäre, weil Terriobu nunmehr ankommen würde. Wir hatten auf einen solchen Vorfall nicht gerechnet und für den heutigen Tag noch kein Gemüse eingetauscht, mußten also diesmal darauf verzichten. Unsere Leute waren indessen zu sehr an diese Erfrischungen gewöhnt, um sie so plötzlich entbehren zu können; daher suchten sie am folgenden Morgen die Einwohner durch Drohungen und Versprechungen herbeizulocken. Schon war es ihnen so weit gelungen, daß einige sich fertigmachten, mit ihren Kanus vom Lande abzustoßen, als ein Befehlshaber hinzukam und die Eingeborenen auseinanderzujagen versuchte. Man schoß ihm eine Flintenkugel über den Kopf hinweg, und dies hatte sogleich den gewünschten Erfolg, daß er sein Vorhaben aufgab, und die Zufuhr von nun an wieder offen blieb. Nachmittags kam Terriobu, doch gleichsam nur inkognito, um seinen Besuch an Bord der Schiffe abzustatten. Ihn begleitete nur ein Kanu, in dem seine Gemahlin und seine Kinder saßen. Er blieb bis gegen 10 Uhr abends an Bord und kehrte dann nach dem Dorfe Kauraua zurück.

Am folgenden Tage, gegen Mittag, fuhr der König in einem großen Kanu, von zwei andern begleitet, von dem Dorfe ab und ließ sich langsam und mit großer Pracht nach den Schiffen hinrudern. In dem ersten Kanu saß er selbst nebst seinen Vornehmen, in kostbare, mit Federn besetzte Mäntel und Helme gekleidet und mit langen Spießen und Dolchen bewaffnet. Im zweiten kam der ehrwürdige Ka-u, der Oberpriester, und seine Amtsbrüder, die ihre Götzenbilder auf rotem Zeug zur Schau gelegt hatten. Diese Bilder waren riesenmäßige Büsten von Korbmacherarbeit, die mit kleinen Federn von allerlei Schattierungen, ähnlich wie die Mäntel der Vornehmen, überzogen waren. Die Augen bestanden aus großen Perlmutterschalen, in deren Mittelpunkt eine schwarze Nuß befestigt war. Im Rachen führten sie eine große Reihe von doppelten Hundszähnen, und der Mund wie die übrigen Gesichtszüge waren sehr verzerrt. Indem der Zug feierlich näher kam, sangen die Priester ihre Hymnen; nachdem sie jedoch rund um die Schiffe gerudert waren, gingen sie nicht an Bord, sondern begaben sich nach dem Strande, wo wir unsere Posten hatten.

Sobald ich sie herankommen sah, ließ ich unsere kleine Wache aufziehen, um den König zu empfangen. Kapitän Cook, der vom Schiffe aus ebenfalls bemerkt hatte, wohin der Zug seinen Weg nahm, folgte ihm und kam fast gleichzeitig mit ihm im Zelt an. Die Eingeborenen hatten sich hier kaum niedergelassen, als der König sich schon wieder erhob und mit sehr vielem Anstande den Mantel, den er selbst getragen, über des Kapitäns Schultern warf, ihm einen kostbaren befiederten Helm aufsetzte und einen zierlich gearbeiteten Fächer in die Hand gab. Hierauf breitete er noch fünf oder sechs andere Mäntel von ausnehmender Schönheit und hohem Werte vor des Kapitäns Füßen aus. Dann brachten seine Leute vier große Schweine nebst Zuckerrohr, Kokosnüssen und Brotfrucht, und die Zeremonie schloß damit, daß Kapitän Cook und der König ihre Namen wechselten, was auf allen Südsee-Inseln Brauch ist und als stärkstes Freundschaftsband betrachtet wird.

Der König warf Kapitän Cook einen Federmantel, den er selbst getragen, über die Schultern.

Nunmehr kam eine Prozession von Priestern zum Vorschein, die einen ehrwürdigen alten Mann an ihrer Spitze hatte. Ihnen folgte eine lange Reihe von Männern, die teils große Schweine herbeiführten, teils Bataten, Bananen und dergleichen trugen. Ich merkte es unserm Freunde Kärikia an den Augen an, daß dieser Alte der Oberpriester wäre, von dessen Freigebigkeit wir schon so lange gelebt hatten. Er hielt ein Stück roten Zeugs in Händen, wickelte es um Kapitän Cooks Schultern und brachte ihm dann mit den gewöhnlichen Zeremonien ein kleines Ferkel dar. Man bereitete ihm alsbald einen Sitz dicht neben dem Könige. Hierauf fing Kärikia mit seinen Begleitern die Feierlichkeiten an und Ka-u nebst den Befehlshabern stimmten bei den Antworten oder Chören selber mit ein.

Mit Verwunderung erkannte ich in der Person des Königs denselben schwachen, ausgemergelten alten Mann, der uns an Bord der »Resolution« besucht hatte, als wir uns noch am Nordostende der Insel Mauwi befanden. Es währte auch nicht lange, so hatten wir unter seinem Gefolge zum großen Teil alle diejenigen Personen wiedererkannt, die damals die Nacht an Bord zubrachten. Unter dieser Zahl befanden sich des Königs beide jüngere Söhne, von denen der älteste ungefähr sechzehn Jahre alt sein mochte. Außerdem sein Enkel Maiha-Maiha, den wir aber kaum wiedererkennen konnten, weil er sein Haar mit einem schmutzigbraunen Teig und Puder eingeschmiert und dadurch das wildeste Gesicht, das ich jemals gesehen, noch scheußlicher gemacht hatte.

Nach den ersten Empfangszeremonien führte Kapitän Cook den König und so viele Vornehme, als sein Boot tragen konnte, an Bord der »Resolution«, wo man sie mit allen erdenklichen Ehrenbezeigungen aufzunehmen suchte. Kapitän Cook zog dem Könige ein Hemd an und umgürtete ihn mit seinem eigenen Hirschfänger. Der uralte Ka-u war mit etwa sechs anderen Befehlshabern am Lande geblieben und hatte seinen Aufenthalt in den Priesterwohnungen genommen. Die ganze Zeit über ließ sich kein einziges Kanu in der Bucht blicken, und die Eingeborenen blieben entweder in ihren Hütten oder lagen niedergekauert auf der Erde. Ehe der König das Schiff verließ, erhielt Kapitän Cook noch die Erlaubnis, den Handel mit den Eingeborenen wieder im gewöhnlichen Umfange aufzunehmen. Dessenungeachtet jedoch blieb das Verbot für die Frauen in voller Kraft bestehen, aus Ursachen, die wir nicht ergründen konnten, und keine durfte aus ihrer Hütte hervorkommen.

Durch die stille, harmlose Aufführung der Eingeborenen war jetzt jede Besorgnis der Gefahr bei uns gänzlich geschwunden, so daß wir nicht einen Augenblick zögerten, uns ihnen ganz anzuvertrauen und mitten unter sie zu gehen. Täglich spazierten Offiziere von beiden Schiffen teils in kleinen Gesellschaften, teils auch ganz allein auf der Insel umher und blieben oft über Nacht aus. Ich würde kein Ende finden, wenn ich jeden Zug von Höflichkeit und Güte aufzeichnen wollte, womit sie bei solchen Gelegenheiten aufgenommen wurden. Auf den Wegen versammelten sich überall die Eingeborenen um sie her, bemühten sich eifrig, ihnen auf allerlei Art gefällig zu sein, und waren nie zufriedener, als wenn man ihre Hilfe in Anspruch nahm. Sie ersannen sogar allerlei Kunstgriffe, um unsere Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen oder uns länger in ihrer Gesellschaft zurückzuhalten. Die Jungen und Mädchen liefen, wenn wir durch ihre Dörfer gingen, vor uns her und hielten uns auf jedem freien Platze zurück, wo Raum zum Tanzen war. Oft luden sie uns ein, unter dem Schatten ihrer Hütten Erfrischungen zu genießen; oft saßen wir mitten in einem Kreise von Frauen und Mädchen, die ihre ganze Kunst und Geschicklichkeit aufboten, uns mit Liedern und Tänzen zu unterhalten.

Der Genuß, den uns ihr sanftes Betragen und ihre Gastfreiheit verschafften, ward gleichwohl durch ihren Hang zum Stehlen oft getrübt. Es schmerzte uns, daß wir manchmal in die Verlegenheit kamen, ernstlich strafen zu müssen, während wir doch gern alle Härte vermieden hätten, wenn uns nicht die Not dazu gezwungen haben würde. Einst entdeckte man einige der geschicktesten Schwimmer und Taucher, die sich unter den Schiffen damit beschäftigten, die Nägel auszuziehen, mit denen der Boden beschlagen war. Sie wußten dies vermittels eines kurzen Stückchens, an dessen einem Ende ein Kieselstein befestigt war, sehr geschickt zu bewerkstelligen. Durch diesen Zeitvertreib kamen die Schiffe zu sehr in Gefahr, als daß wir geduldig hätten zusehen können. Man mußte endlich mit Schrot auf die Nageldiebe schießen. Allein, dies genügte noch nicht, sie zu vertreiben. Sie tauchten unter und waren dann vom Schiff selbst gedeckt. Also blieb kein anderes Mittel übrig, als einen von ihnen an Bord der »Discovery« durchpeitschen zu lassen und damit ein warnendes Beispiel zu geben.

Das Steuerruder der »Resolution« bedurfte einer vollständigen Reparatur und ward deshalb an Land gebracht. Zu gleicher Zeit mußten die Zimmerleute in Begleitung einiger Insulaner, die Ka-u mitschickte, sich im Lande nach Planken umsehen, um einige andere notwendige und vor Alter morsch gewordene Stücke zu ersetzen.

Am 28. Januar besuchte Kapitän Clerke, der bisher wegen seiner Unpäßlichkeit fast beständig an Bord geblieben war, zum ersten Male den König Terriobu in dessen Hütte. Man empfing ihn mit ebenden Formalitäten wie den Kapitän Cook. Beim Weggehen erhielt er sogar, obwohl sein Besuch ganz unerwartet gekommen war, ein Geschenk von 30 großen Schweinen und für einige Wochen ausreichende Vorräte an Früchten und Wurzeln für seine ganze Mannschaft.

Noch hatten wir von ihren Lustbarkeiten und athletischen Übungen nichts gesehen. Diesen Abend aber wurden wir auf Verlangen einiger unserer Offiziere mit einem Boxkampf unterhalten. Zwar vermißten wir sowohl das Feierliche und Prächtige, was diese Spiele auf den Freundschaftsinseln so sehenswürdig macht, als auch die Geschicklichkeit und Kraft der Kämpfer; indes war doch manches dabei bemerkenswert.

Wir fanden auf einem ebenen Platze unweit unserer Zelte eine ungeheure Menge Menschen versammelt. In der Mitte zwischen diesen blieb für die Kämpfer ein langer Raum frei, an dessen Ende die Richter unter drei Standarten saßen, die oben mit einigen buntfarbenen Zeugfetzen nebst den Häuten von ein paar wilden Gänsen und anderen Vögeln, sowie Büscheln und Federn behangen waren. Sobald alles in Bereitschaft war, gaben die Richter das Zeichen zum Angriff, und sogleich erschienen die beiden Kämpfer. Sie kamen langsam hervor, hoben die Füße hinten stark in die Höhe und strichen dabei die Fußsohlen mit der Hand. Indem sie sich einander näherten, warf jeder einen verächtlichen Blick auf seinen Gegner, maß ihn mit seinen Augen gleichsam von Kopf bis zu Fuß, blickte dann bedeutungsvoll auf die Zuschauer, strengte die Muskeln an und machte – mit einem Wort – allerlei affektierte Grimassen. Sowie sie einander erreichen konnten, streckten sie beide Arme gerade vor ihr Gesicht hin, auf das alle Schläge gerichtet waren. Diese teilten sie nach unserer Meinung auf eine sehr ungeschickte Art aus: denn sie schleuderten den ganzen Arm dabei. Sie versuchten nie, den Streich des Gegners abzuwehren, sondern entgingen ihm durch eine Beugung des Körpers oder dadurch, daß sie zurücktraten. Der Kampf ward übrigens sehr schnell entschieden: denn sobald einer zu Boden geschlagen wurde oder auch nur unversehens fiel, ward er für besiegt angesehen, und der Überwinder triumphierte dann in allerlei verzerrten Gebärden, die ihrer Absicht gemäß unter den Zuschauern gewöhnlich ein großes Gelächter hervorriefen. Der Sieger wartete nunmehr auf einen zweiten Gegner und, falls er diesen auch überwand, auf einen dritten, bis eben die Reihe an ihn kam, einem stärkeren unterliegen zu müssen. Bei diesem Kämpfen wird eine sonderbare Regel beobachtet: wenn nämlich ihrer zwei zum Angriff in Bereitschaft stehen, kann ein dritter zwischen ihnen auftreten und sich, wen er will, zum Gegner wählen, und dann muß sich der andere zurückziehen. Manchmal folgten einander drei oder vier auf diese Art, ehe es zum Angriff kam. Wenn der Kampf ungewöhnlich lange dauerte oder gar zu ungleich schien, kam ein Befehlshaber und endigte ihn dadurch, daß er einen Stock zwischen die beiden hielt. Die gutmütige Art, womit alles vor sich ging, erfreute uns hier in gleicher Weise wie auf den Freundschaftsinseln. Da wir aber diese Spiele veranlaßt hatten, erwarteten die Zuschauer durchgehends, daß wir auch selbst daran teilnehmen würden, und forderten unsere Leute beständig dazu auf. Diese aber erinnerten sich weislich der Stöße, die sie dabei auf den Freundschaftsinseln bekommen hatten, und blieben gegen alle Herausforderungen taub.

Ein Hauptbedürfnis unserer Schiffe war das Brennholz, woran es uns jetzt sehr gebrach. Kapitän Cook trug mir deshalb auf, mit den Priestern in Verhandlung zu treten und ihnen den Zaun oder die Einfassung oben auf dem Marai abzukaufen. Ich gestehe, anfänglich zweifelte ich sehr, ob dieser Antrag schicklich wäre; denn es stand zu befürchten, daß man die bloße Erwähnung für Gottlosigkeit halten möchte. Ich hatte mich jedoch sehr geirrt. Mein Ansuchen verursachte nicht die allergeringste Verwunderung, vielmehr erhielt ich das verlangte Holz ohne allen Anstand, und man forderte nicht die geringste Bezahlung von uns. Als die Matrosen es wegtrugen, sah ich, daß einer auch eines von den geschnitzten Standbildern aufgeladen hatte, und bei näherem Zusehen fand ich schon die ganze Zahl der am Marai in einem Kreise aufgestellten Bildsäulen in unserem Boote. Die Matrosen hatten sie im Beisein der Eingeborenen dorthin geschafft, und diese hatten sich darüber nicht im mindesten entrüstet, sondern vielmehr hilfreiche Hand dabei geleistet. Ich hielt es indes doch für ratsam, mit Ka-u deshalb zu sprechen. Er hörte sich alles sehr gleichgültig an und bat sich nur das mittelste Bildwerk wieder aus, auf das man, wie ich oben schon bemerkte, etwas mehr zu halten schien. Dies trug er dann in eine von den Priesterwohnungen.

Schon seit einigen Tagen hatte sich Terriobu mit seinen Unterbefehlshabern sehr fleißig nach der Zeit unserer Abreise erkundigt. Ich ward durch diese wiederholte Nachfrage sehr neugierig, von ihnen zu erfahren, was die hiesigen Eingeborenen eigentlich von uns dächten, und was für Vorstellungen sie sich von dem Beweggrunde und den Absichten unserer Reise machten. Um über diesen Punkt einiges zu hören, sparte ich keine Mühe, konnte aber weiter auch nichts herausbringen, als daß sie sich einbildeten, wir kämen von einem Lande her, wo Mißwachs geherrscht habe, und bei unserem Besuch bei ihnen hätten wir weiter keine Absicht, als uns recht satt zu essen. Freilich konnte sie die hagere Gestalt einiger von unseren Leuten, der gute Appetit, womit wir alle von ihren frischen Lebensmitteln aßen, und unsere große Begierde, so viel Mundvorrat, als wir nur immer habhaft werden konnten, einzutauschen und mitzunehmen, zu einer solchen Vermutung bringen. Dazu kam noch der für ihre Begriffe unnatürliche Umstand, daß wir keine Frauen mitgebracht hatten, ferner unser friedliches Betragen und unser unwehrhaftes Aussehen. Man mußte lachen, wenn man sah, wie sie unsere Matrosen mit der Hand auf den Bauch klopften, an den Seiten hinunterfuhren und ihnen teils durch Zeichen, teils mit Worten zu verstehen gaben, es sei jetzt Zeit, daß sie sich wieder auf den Weg machten; wenn sie aber in der nächsten Brotfruchtzeit wiederkommen wollten, würde man besser imstande sein, ihren Bedürfnissen abzuhelfen. Wir konnten nicht umhin, ihnen vollständig recht zu geben. Denn einmal hatte sich das Aussehen unserer Leute selbst während dieses kurzen Aufenthaltes sehr merklich gebessert, so daß ihre wohlgestopften Wänste den Landesprodukten alle Ehre machten. Andrerseits hatten wir in der Zeit von nunmehr sechzehn Tagen eine so unerhörte Menge von Schweinen und Früchten verzehrt, daß die Hawaiier wohl wünschen konnten, uns wieder abfahren zu sehen. Dennoch ist es sehr wahrscheinlich, daß Terriobu bei seiner Nachfrage weiter keine Absicht hatte, als sich auf den Abschied gehörig vorzubereiten, um uns mit Geschenken zu entlassen, die seiner gewohnten Ehrerbietung und Freigebigkeit gegen uns angemessen wären. Sobald wir ihm daher Nachricht gaben, wir würden nach zwei Nächten abreisen, bemerkten wir, daß unverzüglich eine Art von Botschaft durch die Dörfer erging, vermittels deren man das Volk aufforderte, dem König Schweine und Früchte zu liefern, damit er sie dem »Orono« bei seiner Abreise darbringen könnte.

Er zeigte beim Tanze die seltsamsten Verrenkungen.

An diesem Tage gab uns einer der Eingeborenen ganz für sich am Strande ein unterhaltendes Schauspiel. Er hatte eine Rassel in der Hand und um den Hals eine Schnur, woran einige Büschel Seegras hingen; um die Beine trug er ein etwa handbreites, gut geflochtenes, manschettenartiges Netzwerk, an das reihenweise eine große Menge von Hundszähnen befestigt war. Nunmehr ließ er sich im Tanze sehen und zeigte uns dabei die seltsamsten Verrenkungen. Diese Pantomime hatte zuweilen etwas unwiderstehlich Lächerliches, im großen und ganzen konnte ich aber ihren Sinn nicht recht verstehen. Gegen Abend ging das Schauspiel der Faustkämpfe von neuem an, und am Schlusse brannten wir den unbedeutenden Rest unseres Vorrates von Feuerwerk ab; nichts in der Welt schien mehr die Bewunderung der Hawaiier zu erregen, nichts schien ihnen einen deutlicheren Begriff von unserer Überlegenheit zu geben als ebendiese Kleinigkeit.

Die Schiffszimmerleute waren nun schon 3 Tage abwesend und hatten nichts von sich hören lassen. Wir fingen daher an, um ihren Verbleib besorgt zu sein. Der alte Ka-u, dem wir unser Bedenken äußerten, ward darüber nicht weniger unruhig. Und schon trafen wir gemeinsam mit ihm Maßnahmen, sie aufzusuchen, als sie alle wohlbehalten zurückkamen. Sie hatten nämlich weiter, als wir anfänglich geglaubt, landeinwärts gehen müssen, um die zu ihrem Vorhaben tauglichen Bäume zu finden. Teils dieser Umstand, teils die schlimmen Wege und die Beschwerlichkeiten des Transports hatten sie so lange aufgehalten. Ihre Führer konnten sie nicht genug rühmen: diese guten Leute hatten immer für Lebensmittel gesorgt und zugleich sorgfältig ihre Gerätschaften bewacht.

Der folgende Tag war endlich zu unserer Abreise bestimmt. Terriobu ließ nunmehr Kapitän Cook und mich in die Gegend von Ka-us Hütte zu sich laden. Bei unserer Ankunft fanden wir den Boden ringsherum mit Zeugbündeln bedeckt; ferner lag eine erstaunliche Menge roter und gelber Federn da, die an Kokosfasern gebunden waren, und eine beträchtliche Anzahl Beile und anderes Eisengerät, das die Eingeborenen durch den Tauschhandel mit uns an sich gebracht hatten. Nicht weit davon bemerkten wir einen ungeheuren Haufen Früchte, Wurzeln und Pflanzen aller Art nebst einer beträchtlichen Herde Schweine. Wir wußten anfänglich nicht, ob wir dies alles als Geschenk annehmen sollten, bis uns Kärikia belehrte, daß es eine Gabe, ein Tribut der Eingeborenen an den König sei. Sobald wir uns niedergelassen hatten, kamen auch die Hawaiier und legten ein Bündel nach dem andern dem König zu Füßen, breiteten die Zeuglappen vor ihm aus und legten Federn und Eisengerät zur Schau. Der König schien an diesem Beweise ihrer Ergebenheit Wohlgefallen zu haben, suchte ungefähr ein Drittel von dem Eisengeräte, ebensoviel von den Federn und einige wenige Stücke Zeug aus, ließ sie beiseite legen und schenkte dann Kapitän Cook und mir alles übrige Zeug nebst allen Früchten und Schweinen. Wir erstaunten über Wert und Größe des Geschenks, das alles, was wir je auf den Freundschaftsinseln bekommen hatten, bei weitem übertraf. Unsere Boote mußten es sogleich an Bord führen, wo die größten Schweine zum Einsalzen ausgesucht, die Früchte hingegen nebst etwa 30 kleineren Schweinen unter die Mannschaft verteilt wurde.

An demselben Tage verließen wir das Marai und brachten unsere Zelte nebst der Sternwarte an Bord. Der Talisman, der in dem Worte »Tabu« steckte, war kaum hinweggenommen, so stürzten die Eingeborenen in den freigegebenen Bezirk und suchten emsig umher in der Hoffnung, irgend etwas Wertvolles zu finden, das wir etwa zurückgelassen haben könnten. Ich war als letzter am Lande geblieben und wartete auf die Rückkehr des Bootes, das mich abholen sollte. Bald versammelte sich eine Menge Leute um mich her, und ich mußte mich niedersetzen. Sie stimmten dann über unsere Trennung eine Wehklage an, und mir selbst ging es nahe, mich von ihnen loszureißen. Bei dieser Gelegenheit wird man es mir nicht verdenken, wenn ich einen geringfügigen Umstand erzähle, der hauptsächlich mich selbst betrifft. Während unseres ganzen Aufenthaltes in der Bucht hatte ich über unsere Leute das Kommando gehabt und war ebendadurch genauer mit den Eingeborenen bekannt geworden als manche andere, die ihrer Berufsgeschäfte wegen hatten an Bord bleiben müssen. Die Eingeborenen ihrerseits kannten auch mich besser und gaben mir durch ihr Betragen ihre Zuneigung zu erkennen. Vor allem aber zeichneten sich ihre Priester aus, deren grenzenlose Güte und unerschütterliche Freundschaft ich nicht genugsam anerkennen und nicht zu oft rühmen kann. Da ich keine Gelegenheit vorbeigehen ließ, mir ihre Liebe zu sichern, war ich auch so glücklich gewesen, mir diese in dem Maße zu erwerben, daß sie mir die allerschmeichelhaftesten Anerbieten machten: ich solle doch ihren dringenden Bitten Gehör geben und bei ihnen bleiben. Ich entschuldigte mich damit, daß Kapitän Cook seine Einwilligung nicht geben würde. Allein, dieser Einwendung suchten sie durch den Vorschlag zu begegnen, ich solle mich in das Gebirge flüchten, wo sie mich bis nach Abreise unserer Schiffe verbergen könnten. Hiergegen versicherte ich, daß der Kapitän auf keinen Fall die Bucht ohne mich verlassen würde. Demzufolge begaben sich Terriobu und Ka-u zu Kapitän Cook, für dessen Sohn sie mich hielten, und brachten ihr Gesuch, daß ich bei ihnen zurückbleiben sollte, förmlich bei ihm an. Um ein Anerbieten, das so viel teilnehmendes Gefühl verriet, nicht geradezu von sich zu weisen, erwiderte er, daß er mich zwar diesmal nicht entbehren könne, allein nächstes Jahr, wenn er die Insel nochmals zu besuchen gedächte, würde er sich bemühen, alles nach ihrem Wunsche einzurichten.

Frühmorgens am 4. Februar lichteten wir Anker und segelten in Begleitung der »Discovery« und im Gefolge einer großen Anzahl von Kanus aus der Bucht. Kapitän Cook hatte sich vorgenommen, die noch unbekannte Küste von Hawaii völlig zu untersuchen, wobei er noch einige Hoffnung hatte, irgendwo eine etwas mehr geschützte Reede als die, wo wir bisher gelegen, anzutreffen. Schlug diese Erwartung fehl, so wollte er die Südostseite von Mauwi in Augenschein nehmen, wo laut den Nachrichten einiger Insulaner ein vortrefflicher Hafen vorhanden sein sollte.

Das Wetter war sowohl an diesem als am folgenden Tage sehr still, und wir machten nur sehr langsame Fortschritte nordwärts. Noch immer begleitete uns eine Menge von Kanus, und Terriobu gab dem Kapitän dadurch einen neuen Beweis seiner Freundschaft, daß er ihm ein ansehnliches Geschenk von Schweinen und Früchten nachschickte.

In der folgenden Nacht suchten wir mit Hilfe einer leichten Brise, die vom Lande her wehte, nordwärts weiterzukommen und befanden uns am 6. Februar früh, nachdem wir die westliche Spitze der Insel umschifft hatten, einer tiefen Bucht gegenüber, die die Eingeborenen Tu-ja-ja nennen. Es schien so, als ob wir hier einen sicheren und bequemen Hafen antreffen würden, da im ganzen die Lage gut gedeckt war und sich nordostwärts einige schöne Wasserbäche zeigten. Hiermit stimmte auch Koahs Aussage völlig überein, der bis jetzt den Kapitän Cook noch immer begleitete und uns zu Ehren den Namen »Britanni« angenommen hatte. Wir setzten daher ein Boot aus und schickten den Lotsen mit unserem Britanni als Geleitsmann ab, um die Bucht zu untersuchen, während sich die Schiffe durch Lavieren ebenfalls langsam in die Bucht hineinarbeiteten. Nachmittags überzog sich der Himmel, und die Windstöße vom Lande her wurden so heftig, daß wir alle Segel einziehen und unter dem einzigen Kreuzstagsegel beilegen mußten. Zu Anfang des Sturms verließen uns alle Kanus. Auch rettete der Lotse bei seiner Rückkehr eine alte Frau und zwei Männer, deren Kanu der Wind umgeworfen hatte. Außer diesen Verunglückten befanden sich eine große Anzahl Frauen an Bord, die die Männer in ihrer Hast, sich selber zu retten, zurückgelassen hatten.

Gegen Abend ließ der Sturm etwas nach und gestattete uns, unsere Segel fallen zu lassen. Gegen Mitternacht jedoch setzte er mit solchem Ungestüm wieder ein, daß wir unsere beiden Marssegel dabei einbüßten. Gegen Morgen am 7. Februar heiterte sich der Himmel auf. Wir banden frische Segel an die Stengen und schifften mit gelindem Winde weiter. Indes hatte sich gegen Mittag das Wetter immer noch nicht entschieden, und da wir bis auf 5 Seemeilen von der Küste abgekommen waren, getraute sich keiner von den Eingeborenen, in seinem Kanu zu uns zu kommen. Unsere weiblichen Gäste mußten also, größtenteils wider ihren Willen, noch länger bei uns vorliebnehmen, obgleich sie alle von der Seereise krank waren und viele von ihnen ihre Säuglinge am Ufer zurückgelassen hatten.

Nachmittags näherten wir uns dem Lande, wennschon der Wind noch immer in heftigen Stößen kam. Ungefähr in einer Entfernung von 3 Seemeilen erblickten wir ein Kanu mit 2 Männern, die vermutlich im letzten Sturm verschlagen worden waren. Sie ruderten auf uns zu, und wir legten bei, um sie an Bord zu nehmen. Allein, die Unglücklichen waren von ihrer Anstrengung so erschöpft, daß sie, wofern nicht einer unserer Hawaiier ihnen zu Hilfe in ihr Kanu gesprungen wäre, dieses allein schwerlich an dem Strick, den wir ihnen zuwarfen, hätten befestigen können. Wir hatten Mühe, ihnen an den Seiten des Schiffs hinaufzuhelfen und sie an Bord zu bringen. Auch fanden wir jetzt in demselben Kanu ein Kind von etwa 4 Jahren, das sie unter einem Quersitz festgebunden hatten, wo es nur mit dem Kopf über das Wasser hervorragte. Nunmehr erfuhren wir, daß sie bereits am vorletzten Morgen das Ufer verlassen und seit der Zeit weder Speise noch Trank zu sich genommen hatten. Wir reichten ihnen beides mit der gewohnten Vorsicht und übergaben das Kind der Pflege eines Weibes. Am folgenden Morgen hatten sie sich sämtlich erholt.

Um Mitternacht hatte es indessen einen neuen Sturm gesetzt, in dem unser Fockmast so stark beschädigt worden war, daß wir ihn gründlich ausbessern und zu dem Zwecke nochmals an Land gehen mußten. Jetzt war nur noch die Frage, ob wir nach der Karakakuabucht zurückkehren oder es darauf ankommen lassen sollten, auf einer der benachbarten Inseln einen andern guten Hafen anzutreffen. Jene Bucht war freilich nicht allzu bequem. Zudem hatten wir die dortige Gegend an Lebensmitteln schon ziemlich erschöpft. Andrerseits war es aber nicht rätlich, einer ungewissen Hoffnung zu vertrauen, die fehlschlagen konnte.

Wir näherten uns inzwischen wieder dem Lande, um den Eingeborenen Gelegenheit zu geben, ihre Landsleute von unseren Schiffen abzuholen. Obgleich wir um Mittag nur noch eine Meile vom Ufer entfernt waren, kamen jedoch nur wenige Kanus zu uns, die noch dazu vollgepfropft mit Leuten waren. Es blieb also kein anderer Rat, als ein Boot auszusetzen und unsere Gäste darin an Land zu schicken. Der Lotse begleitete sie und bediente sich dieser Gelegenheit, um die Südseite der Bucht zu untersuchen; er fand aber daselbst gar kein frisches Wasser.

Bei veränderlichem Winde und einer stark nach Norden flutenden Strömung kamen wir nur langsam vorwärts. Am 9. Februar abends um 8 Uhr überfiel uns abermals ein heftiger Sturm aus Südost, und um 2 Uhr des Morgens entdeckten wir mitten in einem der ungestümsten Windstöße Brandungen dicht bei uns, und zwar diejenigen, die wir bereits ehemals etwas nordwärts an der Westspitze der Insel Hawaii wahrgenommen hatten. Es blieb uns gerade noch Raum genug übrig, um sie vermeiden zu können, und hierauf lösten wir einige Kanonen, um der »Discovery« die Gefahr anzuzeigen.

Vormittags ward es ruhig, und wir erhielten Besuch von verschiedenen Eingeborenen. Sie erzählten uns, daß die Stürme großen Schaden angerichtet hätten, und daß mehrere große Kanus zugrunde gegangen wären. Den ganzen Tag hindurch lavierten wir gegen den Wind und waren gegen Abend eine englische Meile von der Karakakuabucht entfernt. Weil es indessen nicht ratsam war, im Dunkeln weiterzufahren, kreuzten wir die Nacht hindurch auf und ab und ließen endlich am folgenden Morgen bei Tagesanbruch die Anker an unserem vorigen Hafenplatze fallen.

Der 11. und 12. Februar gingen damit hin, den Fockmast auszuheben und ans Land zu schaffen. Es stellte sich jetzt heraus, daß der Mastbaum schon ziemlich angefault war und in der Mitte ein so großes Loch hatte, daß vier bis fünf kleine Kohlköpfe darin Platz gehabt hätten. Zum Glück hatten wir noch große Blöcke von rotem Toa- oder Keulenholze an Bord, die wir anfänglich zu Ankerstöcken bestimmt hatten. Diese konnten so bequem zur Ausbesserung des Mastes gebraucht werden, daß wir ihn nicht zu verkürzen brauchten. Um die Zeit nicht ungenützt verstreichen zu lassen, brachten wir die astronomischen Instrumente wieder an Land und errichteten unsre Zelte auf dem Marai. Unsre Wache bestand aus 1 Korporal und 6 Seesoldaten. Die Priester, mit denen wir wieder im besten Einvernehmen lebten, schützten die Stelle, wo wir den Mast hingelegt hatten, alsbald durch das Tabu und pflanzten rund um den Ort ihre Stäbe auf, wodurch sie den Eingeborenen den Zutritt untersagten. Die Zimmerleute und anderen Arbeiter konnten also ihre Geschäfte ungestört und in völliger Sicherheit betreiben. Unter diese Arbeiter gehörten auch die Segelmacher, die den Schaden, den der Sturm an unseren Segeln verursacht hatte, in einem Hause neben dem Marai, das uns zu diesem Zwecke von den Priestern zur Verfügung gestellt wurde, ausbessern mußten.

Ich komme nunmehr auf die Begebenheiten mit den Eingeborenen zu sprechen, durch die das traurige Schicksal des 14. Februar langsam vorbereitet wurde. Wir erstaunten schon, da wir geankert hatten, nicht wenig über den großen Unterschied zwischen unserer jetzigen und der ehemaligen Aufnahme. Dieses Mal vernahmen wir kein fröhliches Geschrei, kein Gewirr und Getümmel unter den Insulanern. Die ganze Bucht war leer und einsam; kaum schlichen sich hier und dort einzelne Kanus am Ufer entlang. Die Neugier, die einen so großen Anteil an der ehemaligen Bewegung unter den Eingeborenen gehabt hatte, konnte jetzt allerdings befriedigt sein. Allein, von den Leuten, die uns bisher mit soviel Gastfreundschaft bewirtet hatten, erwarteten wir doch, daß sie uns, wenngleich nicht aus Neugier, so aus freudiger Teilnahme an unserem Wohlbefinden, mit Frohlocken über unsere Wiederkehr hätten entgegeneilen sollen.

Wir überließen uns allerlei Mutmaßungen über diese sonderbare Stille, bis unser Boot, das auf Kundschaft an Land gegangen war, wieder zurückkehrte. Der größte Teil unserer Besorgnis verschwand, als wir erfuhren, daß Terriobu abwesend sei und die Bucht unter dem Tabu oder Bann zurückgelassen habe. Die meisten von uns beruhigten sich bei dieser Nachricht; andere waren indes der Meinung – oder waren es vielleicht die nachfolgenden Ereignisse, die ihnen erst hinterher die Vermutung einflößten? –, in dem Betragen der Eingeborenen sei etwas Verdächtiges. Der abgeschnittene Verkehr mit uns in Abwesenheit des Königs sei nur eine Täuschung, damit der König sich desto besser mit seinen Vornehmen in der Zwischenzeit beraten könne. Es werde wahrscheinlich die Frage entschieden, wie man sich gegen uns zu benehmen habe. Ob dieser Verdacht begründet war, oder ob jene Aussage der Eingeborenen der Wahrheit näher kam, konnten wir nie mit Sicherheit entscheiden. Es war freilich möglich, daß unsere schleunige Wiederkehr ohne sichtbare Ursache den Eingeborenen auffallen und sie beunruhigen konnte. Es gelang uns auch nur schwer, ihnen die Notwendigkeit, die uns zurückgetrieben hatte, begreiflich zu machen. Allein, Terriobu erschien am folgenden Morgen und besuchte Kapitän Cook. In seinem Betragen war nichts Zweideutiges, und mit ihm kehrte auch die Menge der Eingeborenen zurück. Sie setzten ihren friedlichen Verkehr mit uns wie bisher fort. Dies sind immerhin starke Beweise dafür, daß sie ebensowenig ein verändertes Betragen beabsichtigten, wie sie dergleichen von unserer Seite erwarten mochten.

Zur Bestätigung der letzten Meinung dient ein Umstand, der sich schon bei unserer ersten Landung ereignet hatte, und zwar einen Tag, bevor uns der König seinen Besuch machte. Ein Insulaner hatte an Bord der »Resolution« ein Schwein verkauft und den Kaufpreis bereits empfangen, als Paria hinzukam und ihm riet, das Schwein nicht so wohlfeil zu lassen. Diese Unart ward Paria sehr scharf verwiesen, und man stieß ihn hinweg. Bald darauf ward das Tabu über die Bucht ausgesprochen, und schon glaubte jedermann, den Eingeborenen sei der Verkehr mit uns aus keinem andern Grunde verboten worden als wegen der einem ihrer Befehlshaber angetanen Schmach. Man sieht, wie mißlich es ist, aus den Handlungen eines Volkes, dessen Sprache und Sitten man nicht kennt, Folgerungen zu ziehen; und nicht weniger, wie große Schwierigkeiten es hat, bei so vieler Ungewißheit, wo der kleinste Irrtum die übelsten Folgen haben kann, im Verkehr mit diesen Leuten jeden Verstoß zu vermeiden.

Bis nachmittags am 13. Februar ging alles ruhig seinen Gang. Gegen Abend gab mir ein Offizier von der »Discovery«, der die Aufsicht über das Wasserfüllen am Lande hatte, Nachricht, daß sich einige Befehlshaber am Bach unweit des Strandes eingefunden und die Insulaner, die zum Fortrollen der Tonnen als Gehilfen unsrer Matrosen gedungen waren, fortgejagt hätten. Ihr ganzes Betragen schiene dabei so verdächtig, als ob sie es bei diesem Unfug nicht bewenden lassen wollten. Auf sein Verlangen gab ich ihm einen Seesoldaten bei, der aber nur das Seitengewehr mitnehmen durfte. Nicht lange nachher kam der Offizier zum zweiten Male und brachte die Nachricht, daß sich die Eingeborenen mit Steinen bewaffnet hätten und sich sehr ungebärdig zeigten. Ich ging also selbst hin und ließ mich von einem Seesoldaten mit seinem Gewehr begleiten. Als wir uns näherten, ließen die Insulaner ihre Steine fallen. Ich sprach hierauf mit einigen der Vornehmen, die nunmehr das zusammengelaufene Volk auseinandertrieben und denen, die sich willig finden ließen, ferner erlaubten, unsern Leuten beim Wasserfüllen behilflich zu sein. Nachdem ich hier alles beruhigt hatte, ging ich Kapitän Cook entgegen, den ich eben in seinem Boot an Land kommen sah, und erstattete ihm Bericht von diesem Vorfalle. Er gab mir Befehl, für den Fall, daß man uns mit Steinen würfe oder sonst angriffe, sofort mit scharfgeladenem Gewehr auf die Feinde Feuer zu geben. Demzufolge beorderte ich den Korporal, die Flinten der Schildwachen statt mit Schrot mit Kugeln laden zu lassen.

Als wir eben zusammen nach den Zelten zurückkehrten, zog ein fortdauerndes Musketenfeuer von der »Discovery« unsere Aufmerksamkeit auf sich. Die Schüsse waren gegen ein Kanu gerichtet, das nach dem Lande zueilte und von einem unserer kleinen Boote verfolgt wurde. Wir vermuteten sogleich, daß ein Diebstahl vorgefallen wäre. Der Kapitän befahl mir und einem Seesoldaten, ihm zu folgen und die Leute, die aus dem Kanu aussteigen würden, gefangenzunehmen. Wir liefen nach dem Ort hin, wo das Kanu landen mußte: aber als wir anlangten, hatten es die Insassen schon verlassen und waren entkommen.

Wir glaubten, die gestohlenen Sachen müßten von Wichtigkeit sein, weil man auf der »Discovery« so ernste Maßregeln getroffen hatte. Auch wußten wir damals noch nicht, daß sie bereits wieder zurückgegeben worden waren. Daher wollten wir die Hoffnung, sie wiederzubekommen, nicht fahren lassen und entschlossen uns, den Flüchtlingen nachzusetzen. Wir erkundigten uns nach dem Wege, den die Entwichenen genommen hatten, und folgten ihnen bis zur Dämmerung 3 Kilometer weit von unsern Zelten. Hier kam es uns so vor, als wenn die Eingeborenen uns mit erdichteten Nachrichten nur immer weiter zu locken suchten; wir machten daher dem Nachsuchen ein Ende und kehrten an den Strand zurück.

Augenblicklich stürzten die Eingeborenen über das Boot her und plünderten es.

Während unserer Abwesenheit hatte sich ein Auftritt von der ernsthaftesten und unangenehmsten Art zugetragen. Der Offizier, den man in dem kleinen Boot abgeschickt hatte, kehrte schon mit den gestohlenen und wiedererhaltenen Sachen an Bord des Schiffes zurück, als er gewahr wurde, daß Kapitän Cook mit mir den Dieben nachsetzte. So bildete er sich ein, er müsse das an den Strand gezogene Kanu beschlagnahmen. Unglücklicherweise gehörte es dem Paria, der in demselben Augenblick von der »Discovery« her kam und es mit vielen Beteuerungen seiner Unschuld wieder zurückverlangte. Der Offizier weigerte sich, es herauszugeben. Die Mannschaft des andern Bootes, das auf den Kapitän wartete, gesellte sich zu ihm, und jetzt entstand eine Schlägerei, bei der Paria mit einem Ruder einen so heftigen Schlag auf den Kopf erhielt, daß er zu Boden stürzte. Nunmehr fielen die Insulaner, die in ihrer Nähe zusammengelaufen und bisher ruhige Zuschauer geblieben waren, unsere Leute mit einem solchen Steinregen an, daß diese in der größten Unordnung die Flucht ergriffen und nach einer vom Ufer etwas entlegenen Klippe schwammen. Augenblicklich stürzten die Eingeborenen über das Boot her, plünderten es und würden es völlig in Stücke geschlagen haben, wenn nicht Paria selbst, der sich von dem Schlage erholt und ihn schon wieder vergessen zu haben schien, sein Ansehen gebraucht hätte. Er trieb den ergrimmten Haufen fort, winkte unseren Leuten, sie sollten wiederkommen und ihr Boot in Besitz nehmen, und gab zu verstehen, er wolle sich Mühe geben, die davongeschleppten Sachen wiederherbeizuschaffen. In der Tat folgte er ihnen auch, nachdem sie vom Lande abgefahren waren, in seinem Kanu mit eines Seekadetten Mütze und einigen andern erbeuteten Kleinigkeiten nach. Er schien äußerst betroffen und fragte, ob ihn der »Orono« nun töten, oder ob er ihm erlauben würde, wieder an Bord zu kommen. Als man ihm versicherte, er würde freundschaftlich aufgenommen werden, grüßte er den Offizier nach Landesbrauch durch gegenseitige Berührung der Nasen und ruderte dann nach dem Dorfe Kauraua hinüber.

Kapitän Cook war über die Nachricht von diesem Vorfall sehr beunruhigt und sagte, indem wir uns zurück an Bord begaben: »Ich fürchte, diese Leute werden mich zu gewaltsamen Maßnahmen zwingen; denn wir können es nicht zugeben, daß sie sich einbilden, sie hätten einen Vorteil über uns errungen.« Da es indessen Abend geworden war, konnte weiter nichts geschehen, und Kapitän Cook begnügte sich damit, die Insulaner, die sich an Bord seines Schiffes befanden, Männer und Frauen ohne Unterschied, fortjagen zu lassen. Sobald dies geschehen war, kehrte ich an Land zurück.

Weil sich unser altes Zutrauen zu den Eingeborenen durch ihr heutiges Betragen sehr vermindert hatte, verdoppelte ich die Wachen auf dem Marai und befahl, man solle mich rufen, sobald man jemand am Strande lauern sähe. Um 11 Uhr bemerkte man 5 Insulaner, die am Fuße des Marai umherkrochen und sich äußerst vorsichtig uns zu nähern schienen, sich aber, sobald sie sahen, daß sie bemerkt worden waren, aus dem Staube machten. Um Mitternacht wagte sich wieder einer dicht an die Sternwarte. Als die Schildwache jedoch eine Kugel über seinen Kopf hinwegschoß, ergriff er samt den übrigen die Flucht, und wir hatten nun die Nacht über Ruhe. Am folgenden Tage begab ich mich bei Tagesanbruch an Bord der »Resolution«, um die astronomische Uhr zu holen. Schon unterwegs riefen mich einige Leute von der »Discovery« an, daß ihr Boot in der Nacht von der Ankerboje, woran es festgelegen, losgemacht und gestohlen worden sei.

Als ich an Bord kam, fand ich die Seesoldaten sämtlich unter Waffen, und Kapitän Cook war im Begriffe, seine eigene Doppelflinte zu laden. Ich begann, ihm zu erzählen, was in der Nacht vorgefallen war, er unterbrach mich aber sogleich, das Boot der »Discovery« sei verloren, er mache Anstalt, es wiederzubekommen. Zu diesem Zwecke werde er sich eines Mittels bedienen, das in Fällen, wo etwas von Wichtigkeit entwendet worden, noch niemals fehlgeschlagen sei. Er würde nämlich den König oder einige der Vornehmsten an Bord zu bekommen suchen und sie daselbst so lange als Geiseln gefangenhalten, bis er das Boot zurückerlangt hätte. Auch habe er Befehl erteilt, alle Kanus anzuhalten, die sich unterstehen sollten, die Bucht zu verlassen. Denn er sei willens, sich ihrer zu bemächtigen und sie in Stücke schlagen zu lassen, wofern er nicht im guten seinen Zweck erreichen könnte. Demzufolge wurden die Boote beider Schiffe mit Bewaffneten rings in der Bucht umher postiert. Und noch ehe ich das Schiff verließ, hatte man auf einige Kanus, die zu entkommen suchten, Kanonenschüsse abgefeuert.

Zwischen 7 und 8 Uhr verließen Kapitän Cook und ich gleichzeitig das Schiff. Er nahm in seinem Boote den Leutnant Philipps und 9 Seesoldaten mit, ich aber fuhr in einem kleinen Boote zu unseren Arbeitern am Strande zurück. Kapitän Cook gab mir, ehe wir uns trennten, noch den letzten Auftrag, ich solle die Eingeborenen auf unserer Seite der Bucht besänftigen und ihnen versichern, es würde ihnen kein Leids geschehen; ferner sollte ich meine Leute zusammenhalten und auf der Hut sein. Hierauf fuhr er nach Kauraua, dem Aufenthalt des Königs, ich aber an den Strand. Den Seesoldaten erteilte ich sogleich die gemessensten Befehle, das Zelt nicht zu verlassen, die Gewehre scharf zu laden und immer bei sich zu tragen. Dann ging ich in die Hütten des alten Ka-u und der Priester und erklärte ihnen, so gut ich mich verständlich machen konnte, was jene feindlichen Anstalten, worüber sie schon in große Bestürzung geraten waren, zu bedeuten hätten. Daß uns ein Boot gestohlen worden sei, wußten sie bereits. Ich versicherte ihnen, daß für sie und die Bewohner des diesseitigen Dorfes nicht die mindeste Gefahr bestände, obgleich der Kapitän entschlossen sei, sich das Boot wiederzuverschaffen und die Urheber des Diebstahls zu bestrafen. Diese Erklärung mußten die Priester auf mein Verlangen dem Volke mitteilen und es zugleich ermahnen, sich ohne Furcht, aber ruhig und friedlich zu verhalten. Ka-u fragte mich sehr dringend, ob Terriobu in Gefahr sei. Ich beteuerte ihm das Gegenteil und beruhigte dadurch sowohl ihn selbst als seine Amtsbrüder.

Während der Zeit hatte Kapitän Cook noch unterwegs das große Boot, das an der Nordspitze der Bucht lag, von diesem Posten abberufen und mit sich nach Kauraua genommen. Er stieg mit dem Leutnant und den 9 Soldaten an Land und marschierte dann ins Dorf. Hier ward er mit den gewöhnlichen Ehrenbezeigungen empfangen; das Volk warf sich zur Erde nieder, und man brachte ihm wie gewöhnlich Opfer von kleinen Ferkeln dar. Da noch keiner der Insulaner von seinem Vorhaben das geringste wußte, erkundigte er sich nach Terriobu und seinen beiden Söhnen, ein paar Knaben, die an Bord des Schiffes seine beständigen Gäste gewesen waren. Die Knaben kamen mit den Eingeborenen, die man nach ihnen ausgeschickt hatte, bald zum Kapitän und führten ihn zugleich in die Hütte, in der Terriobu die Nacht zugebracht hatte und soeben erwacht war. Kapitän Cook lenkte das Gespräch auf das gestohlene Boot und merkte bald, daß der König nichts von dem Anschlage gewußt hatte. Die Einladung des Kapitäns, sich mit ihm einzuschiffen und den Tag an Bord des Schiffes zuzubringen, nahm Terriobu an und erhob sich, ihn zu begleiten.

Alles ging nach Wunsch, die beiden Knaben saßen schon im Boote, und die anderen näherten sich dem Ufer, als die bejahrte Mutter der beiden Knaben und eine von des Königs Lieblingsfrauen ihm nachfolgte und ihn mit vielen Tränen bat, er möchte sich doch ja nicht an Bord begeben. Zugleich traten zwei Häuptlinge, die mit ihr gekommen waren, hinzu, hielten den König zurück, bestanden darauf, daß er nicht weiterginge, und zwangen ihn, sich niederzusetzen. Von allen Seiten näherten sich die Eingeborenen, denen das Kanonenfeuer und die Anstalten in der Bucht vermutlich schon große Unruhe verursacht hatten, und drängten sich an Kapitän Cook und ihren König heran. Als der Leutnant seine Leute mitten im Gedränge sah, wo sie, wenn es schlimm kam, ihre Gewehre nicht hätten gebrauchen können, machte er dem Kapitän den Vorschlag, sie auf den Klippen längs dem Ufer in einer Linie zu stellen. Der Haufe machte ihnen sogleich Platz, und sie postierten sich ungefähr 30 Schritt von dem Orte, wo der König sich niedergelassen hatte und noch voll Schrecken und Bestürzung saß.

Kapitän Cook, der sein Vorhaben nicht aufgeben wollte, drang nach wie vor mit allem Nachdruck in ihn, er möchte sich entschließen, weiterzugehen. Sooft aber sich der König geneigt zeigte, dem Kapitän zu folgen, traten die Häuptlinge hervor und hielten ihn zuerst mit Bitten und Vorstellungen, hernach mit offener Gewalt zurück. Alle waren in der größten Unruhe, und es blieb keine Hoffnung, ohne Blutvergießen den König zu entführen. Als Kapitän Cook dies bemerkte, ließ er sein Vorhaben endlich fahren und sagte zu Herrn Philipps: »Man kann ihn nicht mit Gewalt an Bord bringen, ohne das Leben vieler Eingeborener aufs Spiel zu setzen.«

Der Anschlag, den Kapitän Cook am Lande ausführen wollte, war also mißlungen. Doch war für seine eigene Person kein Schatten von Gefahr vorhanden, bis ein Nebenumstand der ganzen Sache einen anderen Verlauf gab. Einige Kanus hatten sich vom Lande zu entfernen gesucht, die in der Bucht postierten Schiffe hatten Feuer auf sie gegeben, und unglücklicherweise war durch den Schuß ein Häuptling von hohem Range gefallen. Kapitän Cook ging, als er vom Könige zurückkam, ganz gemächlich dem Strande zu, als die Nachricht von diesem Todesfall sich eben im Dorfe verbreitete. Alles geriet sofort in augenscheinliche Erregung. Die Männer schickten ihre Frauen und Kinder fort, legten ihre Mattenpanzer an und bewaffnetem sich mit Spießen und Steinen. Einer trat zum Hohn mit einem Stein und einem langen eisernen Dolch an den Kapitän heran, schwenkte seine Waffen und drohte ihm mit dem Steine. Umsonst rief ihm Kapitän Cook zu, er solle sich ruhig verhalten. Endlich ward er durch den Übermut des Menschen so gereizt, daß er eine Ladung Schrot auf ihn abschoß. Das Schrot prallte ab, und der Schuß tat keine Wirkung. Im Gegenteil, die Eingeborenen wurden verwegener und begannen, die Soldaten mit Steinen zu bewerfen. Ein Häuptling wollte Leutnant Philipps mit dem Dolch erstechen, verfehlte ihn aber und bekam dafür einen Schlag mit dem Flintenkolben. Jetzt tat Kapitän Cook den zweiten Schuß mit einer Kugel und streckte dadurch den vordersten der Insulaner nieder. Dies war gleichsam das Signal zu einem allgemeinen Steinregen, der mit Musketenfeuer von den Soldaten und aus den Booten erwidert ward. Wider alle Erwartung hielten die Insulaner das Feuer mit unerschrockenem Mute aus, und ehe man von neuem laden konnte, fielen sie mit schrecklichem Geheul über unsere Mannschaft her. Und nun erfolgte ein gräßlicher Auftritt voll der äußersten Verwirrung.

Vier Seesoldaten wurden beim Rückzug von den Klippen abgeschnitten und der Wut der Feinde geopfert, drei andere gefährlich verwundet. Der Leutnant bekam einen Dolchstoß zwischen die Schultern, doch hatte er zum Glück seinen Schuß noch aufgehoben und erschoß den Angreifer, als der eben zum zweiten Stoß ausholte. Unser unglücklicher Befehlshaber stand, als man ihn zum letzten Male deutlich sah, am Rand des Wassers und rief den Bootsleuten zu, sie sollten mit Feuern einhalten und ans Land rudern. Einige von unseren Leuten, die dabei waren, behaupteten, man habe, ohne seinen Befehl abzuwarten, angefangen zu feuern, und er sei aufs äußerste bemüht gewesen, allem weiteren Blutvergießen Einhalt zu tun. War dies der Fall, so läßt sich mit vieler Wahrscheinlichkeit behaupten, daß seine Menschlichkeit ihm das Leben gekostet hat. Denn solange er den Insulanern die Spitze bot, wagte es keiner, Hand an ihn zu legen. Als er sich aber umwandte, um den Booten seine Befehle zu erteilen, stieß man ihm den Dolch in den Rücken, und er stürzte vornüber ins Wasser. Da ihn die Insulaner fallen sahen, erhoben sie ein großes Jubelgeschrei, schleppten den Leichnam an Land und rissen einander den Dolch aus den Händen, um den Toten in wilder Wut zu zerfleischen.

Als er sich umwandte, stieß man ihm den Dolch in den Rücken.

So fiel unser großer, vortrefflicher Befehlshaber. Nicht zu frühzeitig für ihn selbst, für ihn, dessen Leben eine Reihe großer, glänzender und glücklicher Unternehmungen war, und der die Vollendung der großen Aufgabe, zu der ihm die Vorsehung das Leben gab, noch erlebte. Nur den Genuß des Ruhms, den er bereits errungen hatte, entriß ihm der Tod. Diejenigen aber, die sich auf seine weise Führung voll Zuversicht verließen, denen seine teilnehmende Sorge ihre Beschwerden erleichterte und Trost in Mühseligkeiten gab, fühlten seinen Verlust tief und bejammerten ihn unaussprechlich. Wer könnte auch unseren Schrecken und die allgemeine Bestürzung ausmalen, die auf diesen so furchtbaren und unerwarteten Schlag folgte?

Wie schon erzählt worden ist, wurden vier von den Seesoldaten, die Kapitän Cook begleitet hatten, durch die Eingeborenen auf dem Platze getötet; die übrigen nebst ihrem Leutnant Philipps warfen sich ins Wasser und retteten sich schwimmend unter dem Schutze des unablässigen Feuerns ihres Bootes. Bei dieser Gelegenheit gab Leutnant Philipps einen auffallenden Beweis von Tapferkeit und Liebe zu seinen Leuten. Er hatte kaum das Boot erreicht, als er einen von den Seesoldaten, der nicht sonderlich schwimmen konnte, mit den Wellen kämpfen und so in großer Gefahr sah, von den Feinden ergriffen zu werden. Sogleich sprang er, obwohl er selbst stark verwundet war, zu seinem Beistand ins Wasser, und wennschon er dabei einen so heftigen Steinwurf an den Kopf bekam, daß er selbst beinahe untergesunken wäre, ergriff er den Soldaten und brachte ihn in Sicherheit.

Unsere Leute in den Booten, die während des ganzen Vorganges nur etwa 20 Schritt vom Land gestanden hatten, unterhielten noch einige Zeit lang ein heftiges Feuer, um ihren unglücklichen Kameraden, im Fall noch der eine oder andere von ihnen lebte, Gelegenheit zur Flucht zu geben, und in derselben Absicht wurden auf der »Resolution« einige Kanonenschüsse abgefeuert. Als die Eingeborenen dadurch endlich zum Weichen gebracht wurden, eilten fünf von unseren jungen Kadetten in Booten zum Ufer, wo sie die Körper ihrer Landsleute leblos auf der Erde liegen sahen. Da sie ihre Munition meistens schon verbraucht hatten und ihrer eine so geringe Zahl war, hielten sie das Fortschaffen der Leichen für zu gefährlich, ließen sie daher nebst 10 Gewehren im Besitz der Eingeborenen und kehrten zu den Schiffen zurück.

Sobald man sich von der allgemeinen Bestürzung, die dieser unglückliche Vorfall an Bord beider Schiffe verbreitete, etwas erholt hatte, erinnerte man sich unserer Leute auf dem Marai, wo der Mast und die Segel unter einer Bedeckung von nur 6 Mann am Lande lagen. Unmöglich kann ich meine Unruhe während der ganzen Dauer dieses Vorfalles schildern. Da wir uns kaum ein Kilometer weit vom Dorfe Kauraua befanden, konnten wir deutlich sehen, daß sich ein ungeheurer Haufe auf dem Platze versammelte, wo kurz vorher Kapitän Cook gelandet war. Auch hörten wir das Musketenfeuer und bemerkten außerordentliche Verwirrung unter dem Haufen. Nachher sahen wir die Eingeborenen fliehen, die Boote aber vom Lande abstoßen und in aller Stille zwischen den Schiffen hin und her fahren. Mein Herz ahnte nichts Gutes; auch war es, da es auf ein so teures, wertvolles Leben ankam, unmöglich, bei so befremdlichen Zeichen seine Ruhe zu bewahren. Ich wußte außerdem, daß der Kapitän durch einen langen, ununterbrochen glücklichen Fortgang seiner Unternehmungen und der Verhandlungen mit den Eingeborenen so viel Zutrauen zu ihnen gefaßt hatte, daß ich immer fürchtete, er möchte einmal in einem unglücklichen Augenblick zu unachtsam sein; und gerade jetzt dachte ich an die Gefahr, der er sich durch dieses Zutrauen aussetzte, ohne eben vielen Trost aus der Erfahrung schöpfen zu können, durch die es bedingt wurde.

Das Volk, das in großer Menge um die Mauern unseres tabuierten Feldes versammelt war, schien ebenso ratlos als wir selbst, wie alles, was man sah und hörte, zu erklären sei. Ich versicherte ihnen also, sobald ich das erste Musketenfeuer hörte, sie brauchten nicht unruhig zu werden; ich wünschte auf alle Fälle, Frieden zu halten. In dieser Lage blieben wir, bis die Boote an Bord zurückgekehrt waren. Als aber Kapitän Clerke durch sein Fernrohr bemerkte, daß wir von den Eingeborenen umringt waren, befürchtete er, sie möchten uns angreifen, und ließ mit zwei vierpfündigen Kanonen auf sie feuern. Glücklicherweise taten die Kugeln, so gut sie auch gezielt waren, keinen Schaden. Indes gaben sie den Eingeborenen einen augenscheinlichen Beweis von ihrer großen Wirkungskraft: denn eine derselben brach einen Kokosnußbaum, unter dem eine Anzahl von ihnen saß, in der Mitte durch, und die andere zersplitterte einen Felsen, der in einer geraden Linie mit ihnen stand. Da ich ihnen eben auf das eifrigste beteuert hatte, daß sie sich in völliger Sicherheit befänden, war ich über diese feindliche Maßnahme äußerst betreten und schickte, damit sie nicht wiederholt würde, sogleich ein Boot an Kapitän Clerke und ließ ihm sagen, ich stünde bis jetzt noch mit den Eingeborenen in friedlichem Verkehr; wenn mich aber in der Folge die Umstände nötigen sollten, mein Betragen gegen sie zu ändern, so würde ich eine Fahne aufziehen, um ihm anzuzeigen, daß er uns Beistand leisten möchte. Wir erwarteten nunmehr die Rückkehr des Bootes mit größter Ungeduld. Nach einer Viertelstunde, die wir unter der quälendsten Angst und Ungewißheit zubrachten, kam einer der Offiziere und bestätigte uns leider die Berechtigung unsrer Unruhe. Zugleich brachte er uns Befehl, die Zelte so schnell als möglich abzubrechen und die Segel, die zum Ausbessern an Land waren, an Bord zu schicken. Während der langen Zeit hatte auch unser Freund Kärikia von einem Eingeborenen, der von der anderen Seite der Bucht gekommen war, Kapitän Cooks Tod erfahren und kam bekümmert und niedergeschlagen zu mir, um zu fragen, ob das wahr sei.

Unsere Lage war jetzt sehr kritisch und gefährlich. Unser Leben stand auf dem Spiel, und überdies handelte es sich auch um den Ausgang der ganzen Unternehmung und um die Rückkehr unserer Schiffe. Der Mast der »Resolution« und unsere meisten Segel, deren Verlust unersetzlich gewesen wäre, lagen unter der geringen Bedeckung von 6 Seeleuten am Ufer. Und obschon die Eingeborenen bis jetzt noch nicht die geringste Neigung geäußert hatten, uns anzugreifen, so war es doch sehr ungewiß, welchen Einfluß die Nachricht von dem Vorgang in Kauraua auf sie haben würde. Damit nicht etwa die Furcht vor unserer Rache oder das unglückliche Beispiel, das die Eingeborenen vor sich sahen, sie antreiben möchte, die gegenwärtige vorteilhafte Gelegenheit zu benützen und uns einen zweiten Streich zu versetzen, gab ich vor, ich glaube die Nachricht von Kapitän Cooks Tode nicht, und bat zugleich den Kärikia, er möchte ihr auch seinerseits widersprechen. Zugleich forderte ich ihn auf, den alten Ka-u und die übrigen Priester in ein großes Haus nahe dem Marai zu bringen, teils um sie für den äußersten Fall zu sichern, teils um sie in der Nähe zu haben und mich womöglich ihres Ansehens bei dem Volke zur Erhaltung des Friedens bedienen zu können. Nunmehr postierte ich die Seesoldaten auf die Höhe des Marai, eine starke, vorteilhafte Stellung, befahl dem Offizier auf das strengste, nur in Selbstschutz zu handeln, und ging dann an Bord der »Resolution«, um Kapitän Clerke unsere gefährliche Lage zu schildern. Sobald ich das Ufer verließ, griffen die Eingeborenen unsere Leute mit Steinen an, und kaum hatte ich das Schiff erreicht, als ich die Seesoldaten schon feuern hörte. Ich kehrte daher unverzüglich an das Ufer zurück und fand, daß die Lage mit jedem Augenblick bedrohlicher wurde. Die Eingeborenen bewaffneten sich, legten ihre Mattenpanzer an und verstärkten sich zusehends. Ich bemerkte auch verschiedene große Haufen, die längs der Klippen auf uns zukamen. Anfangs warfen sie hinter der Mauer hervor, womit ihre Pflanzung umgeben war, Steine nach uns. Da sie aber keinen Widerstand fanden, wurden sie bald kühner, und einige entschlossene Kerle, die unter den Felsen längs dem Ufer fortgekrochen waren, zeigten sich plötzlich am Fuß des Marai, um ihn, wie es schien, von der Seeseite als dem einzigen zugänglichen Orte zu erstürmen. Sie ließen sich auch nicht eher vertreiben, als bis wir mehrmals gefeuert und einen getötet hatten. Einer von diesen Kriegern gab ein besonders lobenswertes Beispiel von Tapferkeit. Als er ungeachtet des Feuers unserer Gewehre zurückkehrte, um den Leichnam eines Gefallenen fortzutragen, wurde er verwundet und mußte sich nach Preisgabe des Leichnams zurückziehen. Nach einigen Minuten kam er wieder, wurde aber durch einen abermaligen Treffer an seinem Vorhaben gehindert. In diesem Augenblick kam ich bei dem Marai an und sah ihn zum dritten Male blutend und entkräftet zurückkehren. Als ich erfuhr, was sich zugetragen hatte, verbot ich den Soldaten, zu feuern, so daß jener ruhig seinen Freund forttragen konnte. Kaum war ihm dies gelungen, als er selbst niederstürzte und starb.

Da nunmehr eine ansehnliche Verstärkung von beiden Schiffen gelandet war, zogen sich die Eingeborenen hinter ihre Mauer zurück. Hierdurch erhielt ich Zugang zu den uns freundschaftlich gesinnten Priestern und schickte sogleich einen von ihnen an das Volk ab, um zu versuchen, ob sie zum Frieden zu bewegen wären, und um ihnen vorzuschlagen, daß meine Leute das Feuer einstellten, wenn sie ihrerseits nicht mehr mit Steinen würfen. Dieser Waffenstillstand ward angenommen, und man ließ uns ungestört den Mast in See stoßen und die Segel nebst den astronomischen Instrumenten fortschaffen. Sobald wir das Marai verlassen hatten, nahmen sie es in Besitz und schleuderten einige Steine nach uns hin, die uns aber keinen Schaden taten.

Es war halb 12 Uhr, als ich an Bord der »Discovery« anlangte, wo man über unsere künftigen Maßnahmen noch keinen Rat gehalten hatte. Wir beschlossen, auf alle Fälle darauf zu bestehen, daß unser Boot zurückgegeben und der Leichnam Kapitän Cooks ausgeliefert werden solle, und ich selbst stimmte noch dafür, daß im Notfall einige entschlossene Schritte unternommen werden müßten. Obgleich man sich vorstellen kann, daß mein Schmerz über den Tod des geliebten, geehrten Freundes großen Anteil an diesem Entschlusse hatte, so waren doch auch viele andere wichtige Gründe dafür vorhanden. Der Übermut, den der Fall unsers Befehlshabers bei den Eingeborenen erregt, und der kleine Vorteil, den sie am Tage vorher über uns erhalten hatten, mußte sie ermuntern, noch weitere Versuche zu wagen, besonders da ihnen die bisherigen Vorfälle noch keine rechte Furcht vor unsern Feuerwaffen hatten einflößen können, und da deren Wirkung überdies, ganz gegen unsre Erwartung, nicht das mindeste Erstaunen bei ihnen hervorgerufen hatte. Auf der anderen Seite war unsere Lage so gefährlich, die Schiffe in so schlechtem Verteidigungszustande, die Manneszucht an Bord so übel beschaffen, daß wir unmöglich für die Folgen hätten einstehen können, wenn man uns in der Nacht angegriffen hätte. In dieser Besorgnis waren die meisten Offiziere derselben Meinung wie ich. Und in der Tat konnte nichts den Eingeborenen mehr Mut zu einem Angriff geben als unsre anscheinende Neigung zu einem Vergleich, die sie sich nur aus unserer Furcht oder Schwäche hätten erklären können.

Zur Empfehlung friedlicher Maßregeln ward hingegen mit Recht angeführt, das Unglück sei nun einmal unwiderruflich geschehen, und die vorige Freundschaft und Güte der Eingeborenen gäbe ihnen ein Anrecht auf unsere Achtung, besonders da der letzte traurige Vorfall kein vorbedachtes Unternehmen schiene, und da Terriobus Bereitwilligkeit, Kapitän Cook an Bord zu folgen, als seine Knaben sich wirklich schon im Boot befanden, ihn ganz von dem Verdachte befreien müsse, selbst um den Diebstahl gewußt zu haben. Das Betragen seiner Frau und der Häuptlinge lasse sich leicht der Furcht zuschreiben, die der Anblick der bewaffneten Soldaten des Kapitäns und der kriegerischen Zurüstungen in der Bucht bei ihnen verursacht haben müsse. Diese letzteren wären dem freundschaftlichen, vertraulichen Umgange, der bisher zwischen beiden Teilen stattgehabt hätte, so wenig angemessen gewesen, daß die Eingeborenen dem Anscheine nach begründetes Recht haben konnten, sich der Entführung ihres Königs zu widersetzen – wie man von einem Volke, das seinen Herrschern so tief ergeben sei, leicht habe erwarten dürfen. Außer diesen menschlichen Gründen führte man noch andre an, die die Klugheit an die Hand gab. Wir litten Mangel an Wasser und anderen Erfrischungen, und an dem Vordermast müsse man noch eine ganze Woche arbeiten, ehe er aufgerichtet werden könne. Der Frühling nähere sich nun allmählich, und wir dürften die Fortsetzung unserer Unternehmungen am Nordpol nicht aus den Augen verlieren. Ein rachsüchtiger Streit könne uns nicht allein den Vorwurf der Grausamkeit zuziehen, sondern auch eine unvermeidliche Verzögerung in der Ausrüstung der Schiffe veranlassen.

Kapitän Clerke vertrat diese letzte Ansicht, und obgleich ich überzeugt war, daß unserm Empfinden durch einen unmittelbaren, nachdrücklichen Beweis unsers Unwillens besser Genüge geschehen wäre, war ich doch nicht unzufrieden, daß mein Rat verworfen wurde.

Indes wir unsern Plan besprachen, blieb eine außerordentliche Menge Eingeborener am Strande versammelt, und einige von ihnen waren so kühn, sich den Schiffen bis auf Pistolenschußweite zu nähern und uns durch verschiedene verächtliche und herausfordernde Gebärden zu beschimpfen. Die Matrosen konnten nur mit großer Mühe abgehalten werden, ihre Waffen zu gebrauchen. Da wir uns aber einmal zu friedlichen Maßregeln entschlossen hatten, ließen wir die Kanus unangefochten zurückkehren.

Unserm Entschluß gemäß erhielt ich vor versammelter Mannschaft und in bestimmtesten Ausdrücken den Befehl, mit allen Booten beider Schiffe, die gut bewaffnet und bemannt sein sollten, an Land zu rudern, um die Eingeborenen zu einer Unterredung zu bewegen und womöglich eine Zusammenkunft mit den Häuptlingen durchzusetzen. Gelänge dies, so sollte ich sie auffordern, die Leichname unserer Landsleute, vor allem aber den unseres Kapitäns, uns auszuliefern. Im Fall ihrer Weigerung sollte ich ihnen mit unserer Rache drohen, aber nicht eher feuern, als bis wir angegriffen würden, und unter keinen Umständen landen.

Ich verließ die Schiffe um 4 Uhr nachmittags. Indem wir uns dem Strande näherten, bemerkte ich schon aus allen Anzeichen, daß wir feindlich empfangen werden würden. Alle Eingeborenen waren in Bewegung, die Frauen und Kinder zogen sich zurück, die Männer legten ihre Mattenpanzer an und bewaffneten sich mit langen Speeren und Dolchen. Wir wurden auch gewahr, daß sie seit diesem Morgen an dem Platze, wo Kapitän Cook gelandet war, Brustwehren von Steinen aufgeworfen hatten, vermutlich weil sie fürchteten, wir möchten sie von dieser Seite angreifen. Sobald sie uns erreichen konnten, fingen sie an, Steine auf uns zu werfen, die uns indes keinen Schaden taten. Da ich nunmehr einsah, daß alle Versuche, sie zu einer Unterredung zu bringen, fruchtlos seien, wenn ich ihnen nicht zuerst eine Veranlassung zu gegenseitigem Vertrauen gäbe, so ließ ich die bewaffneten Boote halten und näherte mich allein mit einer weißen Fahne in der Hand. Diese ward, wie mir zu meiner großen Zufriedenheit das Freudengeheul der Eingeborenen anzeigte, als Friedenszeichen erkannt. Die Frauen kehrten sogleich von der Berglehne zurück, wohin sie sich geflüchtet hatten. Die Männer warfen ihre Panzer ab, und alle setzten sich am Wasser nieder und luden mich mit ausgebreiteten Armen ein, ans Ufer zu kommen.

Obschon dieses Betragen sehr freundschaftliche Gesinnungen auszudrücken schien, hegte ich dennoch einigen Verdacht. Als ich indes sah, daß Koah unbegreiflich kühn und zuversichtlich mit einer weißen Fahne in der Hand mir entgegenschwamm, hielt ich es für nötig, dieses Zeichen des Zutrauens zu erwidern, und nahm ihn in mein Boot auf. Zwar war er bewaffnet, was mein Mißtrauen nicht gerade verringern konnte. Schon lange hatte ich nicht die vorteilhafteste Meinung von ihm gehabt. Die Priester sagten uns immer, er sei boshaft und uns nicht gewogen. Wiederholte Entdeckungen seiner hinterlistigen und betrügerischen Anschläge hatten ihre Aussage bestätigt. Das alles nebst dem empörenden Auftritt an diesem Morgen, bei dem er eine große Rolle gespielt hatte, erregten in mir, als ich ihm so nahe saß, den größten Abscheu gegen ihn. Und als er mit erheuchelten Tränen zu mir kam, um mich zu umarmen, hatte ich einen so starken Verdacht gegen seine Absicht, daß ich mich nicht abhalten ließ, die Spitze seines »Pahua« oder Dolches, den er in der Hand hielt, zu ergreifen und von mir abzuwenden. Ich sagte ihm, ich sei gekommen, des Kapitäns Cook Leichnam zu fordern und Krieg zu erklären, wenn er nicht sogleich ausgeliefert würde. Er versicherte mir, es werde sobald als möglich geschehen, und er selbst wolle sich darum bemühen. Hierauf bat er mich so zuversichtlich, als ob nichts vorgefallen sei, um ein Stückchen Eisen, sprang in die See und rief, indem er ans Ufer schwamm, seinen Landsleuten zu, wir wären wieder gute Freunde.

Kapitän King näherte sich mit einer weißen Fahne in der Hand.

Wir erwarteten beinahe eine Stunde lang mit der größten Unruhe Koahs Rückkehr. Während dieser Zeit waren die übrigen Boote dem Ufer so nahe gekommen, daß sie sich in einiger Entfernung von uns mit einem Teil der Eingeborenen in ein Gespräch hatten einlassen können, wobei wir erfuhren, der Leichnam sei in Stücke geschnitten und landeinwärts geschleppt worden.

Als ich nunmehr anfing, meine Ungeduld über Koahs Verzögerung durchblicken zu lassen, drangen die Häuptlinge in mich, ich möchte ans Ufer kommen, und versicherten mir zugleich, der Körper solle uns unverzüglich ausgeliefert werden, wenn ich selbst zu Terriobu gehen wollte. Als sie sahen, daß ich mich durchaus nicht bereden ließ, an Land zu kommen, suchten sie unter dem Vorwande, wir würden uns so bequemer unterhalten können, das Boot zwischen einige Felsen zu ziehen, wo sie es von den übrigen hätten abschneiden können. Diese List ließ sich leicht durchschauen, und ich war schon im Begriff, die Verhandlungen für immer abzubrechen, als ein Vornehmer zu uns kam, der ein besonderer Freund des Kapitäns Clerke und der Offiziere des »Discovery« war und auf diesem Schiffe, als wir das letztemal die Bucht verlassen hatten, nach Mauwi hatte gehen wollen. Dieser sagte mir, Terriobu habe ihn geschickt, um uns zu benachrichtigen, man habe den Leichnam weiter ins Land geschafft, werde ihn uns aber am folgenden Morgen zuschicken. Sein Betragen schien aufrichtig zu sein, und als wir ihn befragten, ob er die Wahrheit rede, verschränkte er die beiden Zeigefinger ineinander, was bei den Bewohnern dieser Insel ein Zeichen von Wahrhaftigkeit ist, in dessen Verwendung sie sehr gewissenhaft sind.

Da ich nun nicht wußte, was hier weiter zu tun wäre, schickte ich einen Leutnant zu Kapitän Clerke, um ihm Nachricht von allen Vorfällen zu geben und ihm sagen zu lassen, daß ich sehr zweifelte, ob die Eingeborenen ihr Wort halten würden, da sie, anstatt über das Vergangene betrübt zu sein, vielmehr voll Mut und Zuversicht wegen ihres letzten Vorteils wären und augenscheinlich nur Zeit zu gewinnen suchten, uns durch List in ihre Netze zu ziehen. Der Leutnant brachte uns den Befehl, an Bord zurückzukehren und vorher den Einwohnern bekanntzugeben, daß der Ort zerstört werden würde, wofern der Leichnam am nächsten Morgen nicht ausgeliefert würde.

Als sie merkten, daß wir umkehren wollten, suchten sie uns durch die beschimpfendsten und verächtlichsten Gebärden zu reizen. Einige von unseren Leuten sagten auch, sie könnten verschiedene Eingeborene in den Kleidern unserer unglücklichen Gefährten umhergehen sehen. Unter anderm bemerkte man auch, daß einer von ihren Häuptlingen den Hirschfänger unseres ermordeten Kapitäns schwenkte, und daß eine Frau die Scheide der Waffe hoch hielt. Allerdings mußte ihnen unser Betragen eine schlechte Vorstellung von unserer Macht und Tapferkeit geben; denn sie konnten wohl nur wenig Sinn für die Beweggründe der Menschlichkeit haben, die unser Betragen bestimmten.

Zufolge des Berichts, den ich Kapitän Clerke von den gegenwärtigen Gesinnungen der Eingeborenen abstattete, wurden die wirksamsten Maßregeln getroffen, das Schiff vor einem nächtlichen Überfall zu schützen. Die Boote wurden an Ketten festgemacht, die Schiffswachen verdoppelt und Wachtboote ausgesetzt, die rundumher rudern und die Eingeborenen abhalten sollten, wenn sie etwa die Ankertaue zu zerschneiden versuchten. In der Nacht sahen wir eine Menge Lichter auf den Bergen und wurden dadurch zu der Annahme veranlaßt, daß die Eingeborenen aus Furcht vor unseren Drohungen ihre Güter weiter ins Land schickten. Ich bin aber geneigt zu glauben, daß sie wegen des ihrer Vermutung nach bevorstehenden Krieges Opfer gebracht haben. Und noch wahrscheinlicher ist es, daß man damals die Leichname unserer Landsleute verbrannt hat. Als wir später an der Insel Molotai vorbeisegelten, sahen wir ebensolche Feuer, und einige von den Eingeborenen sagten uns, man habe sie wegen des Krieges angezündet, der einer benachbarten Insel erklärt worden sei. Das stimmt auch mit unseren Erfahrungen auf den Freundschaftsinseln überein, wo die Häuptlinge bei einem bevorstehenden Angriff des Feindes den Mut des Volkes immer durch nächtliche Feste anzufeuern und zu beleben suchten.

Wir blieben die ganze Nacht ungestört und hörten nur Geheul und Klagen vom Ufer her schallen. Früh am Morgen kam Koah und bat um Erlaubnis, mir etwas von dem Zeug und ein kleines Ferkel zum Geschenk anbieten zu dürfen. Daß er gerade nach mir fragte, läßt sich leicht erklären. Wie ich schon gesagt habe, hielten mich die Eingeborenen für Kapitän Cooks Sohn. Und da Cook sie bei seinen Lebzeiten immer in diesem Irrtum beharren ließ, dachten sie wahrscheinlich, nun, da er tot sei, hätte ich den Befehl übernommen. Sobald ich auf das Verdeck trat, fragte ich Koah nach dem Leichnam unseres Kapitäns. Da er mir nur mit Ausflüchten Rede stand, wies ich seine Geschenke zurück und würde ihn mit deutlichen Äußerungen von Zorn und Unmut fortgeschickt haben, wenn nicht Kapitän Clerke es für alle Fälle besser befunden hätte, die anscheinende Freundschaft zu erhalten und ihm mit der gewöhnlichen Achtung zu begegnen.

Der verräterische Koah kam im Laufe des Vormittags noch oft mit seinen nichtssagenden Geschenken zurück. Da er jederzeit alle Teile des Schiffes mit großer Aufmerksamkeit betrachtete, machte ich ihn darauf aufmerksam, daß wir zur Verteidigung bereit seien. Er war äußerst zudringlich in seiner Bitte, daß Kapitän Clerke und ich ans Ufer kommen sollten, und schob die Verzögerung der Auslieferung der Leichname ganz auf die anderen Häuptlinge. Doch versicherte er uns, alles würde nach unseren Wünschen geschehen, wenn wir uns zu einer mündlichen Unterredung mit Terriobu bewegen ließen. Allein, seine Aufführung war zu verdächtig, als daß wir bei ruhiger Überlegung in seine Bitte hätten willigen können. Auch erfuhren wir nachher wirklich einen Umstand, aus dem wir seine Lügenhaftigkeit erkannten. Man sagte uns nämlich, der alte König habe sich unmittelbar nach dem Handgemenge, in dem Kapitän Cook sein Leben verlor, nach den steilen Gebirgen hinter der Bucht zu einer Höhle begeben, in die man nur durch Seile hinabkönne. Hier ist er, nach der Aussage der Eingeborenen, verschiedene Tage geblieben, während welcher man ihm seine Nahrung an Stricken hinuntergelassen habe.

Als Koah vom Schiffe zurückkehrte, drängten sich seine Leute, die sich vor Tagesanbruch in großen Haufen am Ufer versammelt hatten, lebhaft um ihn her, als ob sie aus seinen Nachrichten vernehmen wollten, was weiter zu tun sei. Wahrscheinlich erwarteten sie die Erfüllung unserer Drohung und schienen dabei völlig entschlossen, uns die Spitze zu bieten. Den ganzen Morgen über hörten wir in verschiedenen Gegenden der Küste in die Trompetenschnecke blasen und sahen große Haufen von Eingeborenen über die Hügel kommen. Kurz, aller Anschein war so beunruhigend, daß wir einen Stromanker auswarfen, um im Falle eines Angriffs die Breitseite des Schiffs gegen das Dorf richten zu können. Auch stellten wir der Nordspitze der Bucht gegenüber Boote aus, um einen Überfall von dieser Seite zu verhüten.

Da die Eingeborenen ihr Versprechen, die Leichname der Erschlagenen auszuliefern, nicht gehalten hatten und lauter kriegerische Anstalten machten, hielten wir neue Beratungen ab, was für Maßregeln wir nunmehr ergreifen sollten. Endlich ward beschlossen, die Ausbesserung des Mastes nebst den übrigen Anstalten zu unserer Abreise durch nichts stören zu lassen, dessenungeachtet aber die Verhandlungen wegen Rückgabe der Leichname fortzusetzen.

Den größten Teil des Tages brachten wir damit zu, den Vordermast auf dem Verdeck in eine solche Lage zu bringen, daß die Zimmerleute daran arbeiten konnten. Außerdem mußten die nötigen Veränderungen in den Offiziersstellen vorgenommen werden. Das Oberkommando der Unternehmung fiel nunmehr Kapitän Clerke zu, der sich an Bord der »Resolution« begab und den rangältesten Leutnant zum Kapitän der »Discovery« ernannte.

Die Eingeborenen ließen uns ungestört. Als die Nacht anbrach, wurde die Barkasse wieder angekettet und, wie in der Nacht vorher, sandten wir Wachtboote aus. Gegen 8 Uhr, als es schon sehr dunkel war, hörten wir ein Kanu an das Schiff heranrudern. Sobald die Wachen es erkennen konnten, feuerten sie darauf. Es waren zwei Männer darin, die sogleich »Tinni« riefen; denn so sprach man hierzulande meinen Namen King aus. Sie wären Freunde, sagten sie, und brächten mir etwas, das dem Kapitän Cook gehöre. Als sie an Bord kamen, warfen sie sich uns zu Füßen und schienen äußerst erschrocken. Glücklicherweise war keiner verwundet; die beiden Kugeln waren nur durch das Kanu hindurchgegangen. Der eine von ihnen war ebenderselbe, den ich zuvor unter dem Namen des Tabumannes erwähnt habe, und der Kapitän Cook bei den geschilderten Feierlichkeiten beständig begleitet hatte und sich, obgleich er auf seiner Insel ein Mann von Stande war, dennoch kaum hatte abhalten lassen, ihm die niedrigsten Handreichungen eines ganz gewöhnlichen Bedienten zu leisten. Er beklagte erst mit vielen Tränen den Verlust des »Orono« und sagte dann, er bringe einen Teil seines Körpers. Zugleich reichte er uns ein kleines, in Zeug gewickeltes Bündel dar, das er unter seinem Arm hielt. Unmöglich kann ich das Grausen ausdrücken, das uns ergriff, als wir darin ein Stück Menschenfleisch von 9-10 Pfund Gewicht erblickten. Dieses sagte er, sei alles, was von dem Körper noch übrig sei. Das übrige habe man in Stücke zerschnitten und verbrannt. Terriobu und die anderen Häuptlinge besäßen aber den Kopf und alle Knochen, ausgenommen die Rumpfknochen. Was wir jetzt sähen, sei dem Oberpriester Ka-u zugeteilt worden, um sich dessen bei gewissen Religionsfeierlichkeiten zu bedienen. Allein, er schicke es uns als ein Zeichen seiner Unschuld und Treue.

Unmöglich kann ich das Grausen ausdrücken, als wir ein Stück Menschenfleisch erblickten.

Dieser Vorfall gab uns Gelegenheit, nachzuforschen, ob die Hawaiier Menschenfleisch verzehrten. Zuerst versuchten wir durch verschiedene unbestimmte Fragen, die einem jeden von ihnen besonders vorgelegt wurden, zu erfahren, was man mit den übrigen Leichen gemacht habe. Sie blieben aber immer bei derselben Aussage: man habe das Fleisch von den Knochen gelöst und es verbrannt. Als wir endlich offenheraus fragten, ob sie nichts davon gegessen hätten, bezeigten sie sogleich bei dem bloßen Gedanken ebensolchen Abscheu, wie ihn nur irgendein Europäer hätte fühlen können, und erkundigten sich sehr traurig, ob das unter uns Sitte sei. Nachher verlangten sie mit vielem Ernst und anscheinender Furcht zu wissen, wann der »Orono« wiederkommen, und wie er sie bei seiner Rückkehr behandeln werde. Auch andere taten später oftmals diese Frage, und der Glaube, daß Kapitän Cook wiederkommen werde, stimmt vollkommen mit ihrem Betragen gegen ihn überein, das immer bewies, daß sie ihn für ein höheres Wesen hielten.

Wir drangen umsonst in unsere freundschaftlichen Gäste, bis am Morgen an Bord zu bleiben. Sie sagten, wenn dieser Besuch dem König oder den Häuptlingen zu Ohren käme, könnte er die traurigsten Folgen für die ganze Priesterschaft haben. Um dieses zu verhindern, wären sie genötigt gewesen, in der Finsternis zu uns zu kommen, und müßten aus demselben Grunde auch bei Nacht noch ans Ufer zurückkehren. Sie entdeckten uns auch, daß die Häuptlinge damit umgingen, den Tod ihrer Landsleute zu rächen, und warnten uns besonders vor Koah, der unser unversöhnlichster Feind sei und nebst den übrigen eifrig eine Gelegenheit wünsche, gegen uns zu fechten, wozu das Blasen der Schneckentrompeten, das wir diesen Morgen vernommen, das Volk aufgefordert habe. Ferner erfuhren wir von ihnen, daß bei dem ersten Gefecht in Kauraua 17 von ihren Landsleuten, darunter 5 Befehlshaber, gefallen wären. Zu unserm großen Leidwesen waren dabei auch Kauina und sein Bruder, unsere ganz besonderen Freunde, ums Leben gekommen. Acht hatten wir bei der Sternwarte getötet, darunter drei Männer ebenfalls von hohem Rang.

Gegen 11 Uhr verließen uns unsere beiden Freunde und waren so vorsichtig, daß sie baten, unser Wachtboot möchte sie bis jenseits der »Discovery« begleiten, damit man nicht wieder auf sie feuere und ihre Landsleute am Ufer aufschrecke, weil sie dadurch in Gefahr geraten könnten, entdeckt zu werden. Wir gewährten ihnen ihre Bitte und erfuhren zu unserer Freude, daß sie sicher und unentdeckt ans Land gekommen wären. Den Rest dieser Nacht hörten wir so wie in der vorigen lautes Klagegeheul am Lande, und früh am Morgen besuchte uns Koah abermals. Da die unwidersprechlichsten Beweise und die Äußerungen unserer Freunde, der Priester, seine Treulosigkeit bezeugten, ärgerte es mich, daß es ihm erlaubt sein solle, dieses Possenspiel noch weiter fortzuführen, weil er zuletzt glauben konnte, wir ließen uns wirklich von seinen Scheinheiligkeiten betrügen.

Unsere Lage war sehr ungünstig und unbequem geworden. Von den Absichten, um derentwillen wir bis jetzt ein so friedliches Betragen fortgesetzt hatten, war nicht eine einzige erreicht worden, und auf unsre Forderungen hatte man uns in keiner Weise befriedigende Antwort gegeben. Zu einem Vergleich mit den Eingeborenen war noch gar kein Anschein vorhanden; denn sie hielten sich immer in so großer Menge am Strande auf, als wollten sie jeden Landungsversuch zurückschlagen. Und dennoch war diese Landung unausbleiblich notwendig geworden, da wir es nicht länger verschieben durften, unsern Wasservorrat zu ergänzen.

Gleichwohl muß ich zu Kapitän Clerkes Rechtfertigung bemerken, daß ein Angriff für uns nicht ohne Gefahr gewesen wäre. Dies ließ die große Zahl der Eingeborenen und die Entschlossenheit vermuten, womit sie uns erwarteten. Andrerseits würde es uns mit Hinsicht auf die Fortsetzung unsrer Reise äußerst empfindlich gewesen sein, wenn wir auch nur einige Leute verloren hätten. Wenn wir hingegen unsre Drohungen erst später erfüllten, hatten wir, abgesehen von der Geringschätzung des Mutes, die ein solches Zögern den Insulanern einflößen mußte, den Vorteil, daß sie sich zerstreuten. Schon heute gingen, als sie uns in unserer Untätigkeit verharren sahen, große Haufen von ihnen über die Berge zurück, nachdem sie vorher auf ihren Schnecken geblasen und uns auf alle Art herausgefordert hatten. Diejenigen, die zurückblieben, waren aber deswegen nicht weniger verwegen und unverschämt. Einer von ihnen hatte sogar die Frechheit, sich dem Schiffe bis auf einen Büchsenschuß zu nähern, einige Steine nach uns zu schleudern und Kapitän Cooks Hut über seinem Kopf zu schwenken, indes seine Landsleute am Ufer über seine Kühnheit jauchzten und ihn aufmunterten. Unser Schiffsvolk raste bei dieser Beschimpfung vor Wut. Und die ganze Mannschaft kam auf das Achterdeck, um zu bitten, daß man sie nicht länger zwingen möchte, diese wiederholten Beleidigungen zu dulden. Sie wandten sich insbesondere an mich, damit ich ihnen von Kapitän Clerke die Erlaubnis auswirken möchte, bei der ersten vorteilhaften Gelegenheit den Tod Cooks rächen zu können. Als ich dem Kapitän dieses meldete, befahl er mir, einige Kanonenschüsse auf die Eingeborenen am Ufer feuern zu lassen, und versprach der Mannschaft, wenn sie am folgenden Morgen in ihrer Beschäftigung am Wasserplatze gestört würde, solle sie völlige Freiheit haben, die Feinde zu züchtigen.

Es ist sonderbar, daß die Eingeborenen, noch ehe wir unsere Kanonen richten konnten, vermutlich aus der Geschäftigkeit, die sie auf dem Schiffe wahrnahmen, unsere Absicht erraten und sich hinter ihre Häuser und Mauern zurückgezogen hatten. Wir mußten also einigermaßen aufs blinde Ungefähr schießen. Indes tat das Feuer dennoch alle davon erhoffte Wirkung. Denn kurz nachher ruderte Koah sehr eilig zu uns und sagte, daß einige Personen, darunter Maiha-Maiha, ein vornehmer Häuptling und Blutsfreund des Königs, getötet worden wären.

Bald nach Koahs Ankunft schwammen zwei Knaben mit langen Spießen in der Hand von dem Marai her an unser Schiff. Als sie ziemlich nahe waren, fingen sie einen feierlichen Gesang an, dessen Inhalt sich auf die letzte traurige Begebenheit zu beziehen schien, wie wir aus dem oft wiederholten Worte »Orono« und ihrem Hindeuten auf den Platz, wo Kapitän Cook erschlagen worden war, schließen mußten. Sie setzten ihren klagenden Gesang 12 oder 15 Minuten lang fort und blieben während der Zeit immer im Wasser. Nachher gingen sie an Bord der »Discovery«, gaben ihre Speere ab und schwammen dann nach kurzem Aufenthalt ans Ufer zurück. Wer sie geschickt hatte, und was der Sinn dieser Feierlichkeit war, konnten wir nie erfahren.

In der Nacht wurden die gewöhnlichen Vorsichtsmaßregeln zur Sicherung der Schiffe getroffen. Als es finster ward, kamen unsere beiden Freunde der vorigen Nacht wieder. Sie versicherten uns, die Häuptlinge hätten ihre feindliche Absicht keinesfalls aufgegeben, obgleich sie diesen Nachmittag durch die Wirkung unseres Geschützes außerordentlich erschreckt worden wären, und gaben uns den Rat, auf unsrer Hut zu sein.

Am folgenden Tag gingen die Boote beider Schiffe an Land, um Wasser zu füllen. Die »Discovery« legte sich nahe an den Strand, um sie bei der Arbeit zu decken. Wir bemerkten bald, daß die Nachricht, die uns die Priester gegeben hatten, nicht unbegründet sei. Denn die Eingeborenen schienen entschlossen, uns auf alle Weise zu schädigen, ohne sich selbst in große Gefahr zu begeben.

Auf dieser ganzen Inselgruppe liegen die Dörfer meistens nahe der See, und der umliegende Boden ist von 3 Fuß hohen Mauern eingeschlossen. Wir glaubten anfangs, diese sonderten nur die verschiedenen Besitzungen ab. Nunmehr entdeckten wir aber, daß sie ihnen als Verteidigungswerke gegen feindliche Einfälle dienen und wahrscheinlich gar keine andere Aufgabe haben. Sie bestehen aus lockeren Steinen, und die Eingeborenen sind sehr gewandt, diese aufs schnellste aus einer Lage in die andere zu bringen, um die Brustwehr so zu verändern, wie es die Angriffsrichtung erfordert. Am Abhang des Berges, der über die Bucht hervorragt, gibt es kleine Höhlen von ansehnlicher Tiefe, deren Eingang ähnlich durch eine solche Mauer geschützt war. Hinter diesen Brustwehren hielten sich die Eingeborenen beständig versteckt und beunruhigten unsere Leute am Wasserplatze mit Steinwürfen, und die wenigen Soldaten, die wir am Lande hatten, waren nicht imstande, sie durch ihr Musketenfeuer zu vertreiben. Unter diesen Umständen hatten unsere Leute genug zu tun, um für ihre eigene Sicherheit zu sorgen, so daß sie während des ganzen Vormittags nur eine Tonne Wasser füllen konnten. Man sah nun ein, es sei unmöglich, diese Arbeit zu verrichten, ehe nicht die Eingeborenen weiter zurückgetrieben wären, und es ward den Kanonen der »Discovery« Befehl gegeben, sie zu vertreiben. Dies ward auch mit wenigen Schüssen erreicht, und unsere Leute landeten nun ungehindert. Dessenungeachtet kamen die Eingeborenen bald wieder zum Vorschein und fingen ihre gewöhnlichen Angriffe an, so daß man es für notwendig hielt, einige zerstreute Häuser unweit der Mauer, wo sich die Eingeborenen verborgen hielten, in Brand zu stecken. Es tut mir weh, gestehen zu müssen, daß sich unsere Leute dabei zu unnötiger Grausamkeit und Verwüstung hinreißen ließen.

Man hatte, wie gesagt, befohlen, nur einige zerstreute Hütten zu verbrennen; wir erstaunten also sehr, als wir das ganze Dorf in Feuer aufgehen sahen. Ehe noch ein Boot das Ufer erreichen konnte, um der Verheerung Einhalt zu tun, standen auch die Wohnungen unserer Freunde, der Priester, in Flammen. Zu meinem großen Verdruß hielt mich diesen Tag eine Unpäßlichkeit an Bord zurück. Die Priester hatten immer unter meinem besonderen Schutze gestanden. Unglücklicherweise aber hatten die heute diensttuenden Offiziere wenig Gelegenheit gehabt, das Marai zu besuchen, und kannten die Lage des Ortes zu wenig. Wäre ich zugegen gewesen, so hätte ich vielleicht Mittel gefunden, die kleine Priesterschaft vor dem Verderben zu bewahren.

Als sich die Eingeborenen aus dem Brande retten wollten, wurden einige von ihnen erschossen, und zweien von ihnen schnitten unsere Leute die Köpfe ab und brachten sie mit sich an Bord. Einen von den Gefallenen beklagten wir sehr. Er war an den Bach gekommen, um Wasser zu schöpfen. Einer von den Seesoldaten schoß auf ihn, traf aber nur seinen Flaschenkürbis. Diesen warf der Insulaner sogleich von sich und suchte zu entfliehen. Man verfolgte ihn bis in eine der oben beschriebenen Höhlen, deren Bestimmung wir eben durch diesen Vorfall kennenlernten. Keine Löwin hätte ihre Jungen mutiger verteidigen können als er sein Leben. Zuletzt fiel er aber, nachdem er zweien unsrer Leute lange widerstanden hatte, über und über mit Wunden bedeckt.

Um diese Zeit ward ein älterer Mann gefangengenommen und gebunden in ebendemselben Boot, in dem die Köpfe seiner beiden Landsleute lagen, an Bord geschickt. Nie habe ich einen so heftigen Ausdruck des grauenvollsten Schreckens gesehen, als in dem Gesichte dieses Mannes, aber auch nie einen so plötzlichen Übergang zur grenzenlosesten Freude, als man ihn losband und sagte, er könne unbehindert gehen. Sein nachheriges Betragen bewies uns seine Dankbarkeit; denn er brachte uns mehrmals Geschenke an Lebensmitteln und leistete uns verschiedene andere Dienste.

Bald nachdem das Dorf niedergebrannt war, sahen wir einen Mann über den Berg kommen, den fünfzehn bis zwanzig Knaben mit weißen Tüchern und grünen Zweigen in der Hand begleiteten. Ich weiß nicht, wie es zuging, daß diese friedliche Gesandtschaft von einer unserer Abteilungen mit Flintenschüssen empfangen wurde. Dies hielt sie indessen nicht auf, vielmehr setzte sie ihren Weg fort, und der diensthabende Offizier eilte zeitig genug herbei, um eine zweite Salve zu verhüten. Als sie näher kamen, sahen wir, daß es unser trefflicher Freund Kärikia war, der bei dem Brande die Flucht ergriffen hatte, jetzt aber zurückkehrte und an Bord der »Resolution« geführt werden wollte.

Als er ankam, war er sehr ernst und gedankenvoll. Wir versuchten, ihm begreiflich zu machen, daß wir notwendig das Dorf hätten in Brand stecken müssen, wobei denn seine und seiner Brüder Wohnungen ohne unsere Absicht mit verzehrt worden wären. Er verwies uns unsern Mangel an Freundschaft und Dankbarkeit. Wir erfuhren erst jetzt, welch einen großen Verlust die Priester durch uns erlitten hätten. Er sagte uns, im vollen Vertrauen auf mein Versprechen und auf die Versicherungen der Männer, die uns die Überreste des Kapitäns abgeliefert, hätten die Priester ihr Vermögen nicht wie die übrigen Einwohner tiefer ins Land geschafft, sondern ihre wertvollsten Güter nebst allem, was sie von uns gesammelt gehabt, in ein Haus nahe dem Marai zusammengetragen, wo es zu ihrem großen Jammer vor ihren Augen ein Raub der Flammen habe werden müssen.

Als er an Bord gekommen war, hatte er die Köpfe seiner Landsleute auf dem Verdeck liegen sehen. Dieser Anblick war für ihn so empörend, daß er ernstlich bat, man möchte sie über Bord werfen, was auch auf Kapitän Clerkes Befehl augenblicklich geschah.

Des Abends kehrte die Abteilung, die Wasser schöpfte, zurück, ohne weiter beunruhigt worden zu sein. Die folgende Nacht war äußerst traurig; denn am Lande ertönten das Geschrei und die Klagen lauter als jemals. Unser einziger Trost dabei war die Hoffnung, daß wir künftig nie wieder Gelegenheit zu solcher Strenge haben würden.

Den nächsten Morgen kam Koah wie gewöhnlich an die Schiffe. Da wir aber nicht mehr nötig hatten, uns Zurückhaltung aufzuerlegen, hatte ich völlige Freiheit, ihm gebührend zu begegnen. Als er sich daher während seines üblichen Gesanges dem Schiffe näherte und mir ein Schwein und einige Bananen anbot, befahl ich ihm, nicht näher zu kommen, und drohte ihm, wenn er sich je wieder sehen ließe, ohne die Gebeine Kapitän Cooks mitzubringen, solle er sein nie gehaltenes Versprechen mit dem Tode büßen.

Er schien von diesem Empfange nicht gedemütigt zu sein, sondern kehrte ans Ufer zurück, wo er sich zu einem Haufen seiner Landsleute gesellte, die unsere Arbeiter beim Wasserschöpfen mit Steinen warfen. Diesen Morgen fand man auch den Leichnam des jungen Menschen, der sich gestern so tapfer verteidigt hatte, am Eingang der Höhle. Ein paar von unseren Leuten deckten eine Matte über ihn und bemerkten kurz nachher, daß ihn einige Männer auf den Schultern forttrugen und auf dem Wege einen Trauergesang anstimmten.

Als die Eingeborenen sahen, daß wir ihre Beleidigungen nicht aus Mangel an Mitteln, uns zu rächen, so lange geduldet hatten, hörten sie endlich auf, uns länger zu beunruhigen, und am Abend kam ein Häuptling namens Eappo, ein Mann von höchstem Ansehen, der uns bisher nur selten besucht hatte. Er brachte uns Geschenke von Terriobu und bat uns in dessen Namen um Frieden. Wir nahmen die Geschenke an und schickten ihn mit der alten Antwort zurück, daß die Insulaner auf keinen Frieden hoffen könnten, bis wir die Gebeine unseres toten Kapitäns zurückerhalten hätten. Wir erfuhren von diesem Manne, daß das Fleisch von allen Leichnamen unsrer Leute nebst den Rumpfknochen verbrannt worden sei. Die Gliedmaßenknochen der Seeleute wären unter die geringeren Klassen der Vornehmen verteilt worden, die des Kapitäns hingegen den ersten Häuptlingen zugefallen, so daß ein großer »Erih« den Kopf, ein andrer das Haar, Terriobu aber die Lenden, die Hüften und die Arme erhalten hätte. Als es dunkel ward, näherten sich verschiedene Eingeborene mit Wurzeln und Früchten, und Kärikia schickte uns zwei ansehnliche Geschenke an Lebensmitteln.

Der 19. Februar verging größtenteils mit Botschaften zwischen Kapitän Clerke und Terriobu. Eappo gab sich viele Mühe, es dahin zu bringen, daß einer von unsern Offizieren an Land gehen möchte, und erbot sich, unterdessen als Geisel zu bleiben. Man hielt es aber nicht für ratsam, auf diesen Vorschlag einzugehen. Hierauf verließ er uns mit dem Versprechen, er wolle am folgenden Tage die Gebeine bringen. Übrigens erfuhren die Leute, die am Wasserplatz beschäftigt waren, nicht mehr den geringsten Widerstand von den Eingeborenen, die ungeachtet unsres vorsichtigen Betragens sich wieder ohne das geringste Mißtrauen unter uns mischten. Am 20. hatten wir die Freude, bei guter Witterung den Vordermast wieder aufrichten zu können. Dies Geschäft war indessen sehr beschwerlich und mit Gefahr verknüpft, da unsere Stricke so verfault waren, daß sie mehr als einmal dabei rissen.

Zwischen 10 und 12 Uhr sahen wir eine Menge Volks in einer Art von feierlicher Ordnung den Berg herunterkommen, der sich hinter der Bucht erhebt. Ein jeder von ihnen trug ein oder zwei Stück Zuckerrohr auf der Schulter und Brotfrucht, Yamswurzeln und Bananen in der Hand. Zwei Trommelschläger, die vor ihnen hergingen, steckten bei ihrer Ankunft am Strande eine weiße Fahne auf und rührten darauf ihre Trommeln, während die übrigen einer nach dem andern herantraten und ihre Geschenke niederlegten und dann in derselben Ordnung wieder zurückgingen. Bald nachher zeigte sich Eappo in seinem langen befiederten Mantel und trug mit großer Feierlichkeit etwas auf seinen Händen herbei. Er setzte sich auf einen Felsen und machte ein Zeichen, daß man ihm ein Boot zusenden möchte. Da Kapitän Clerke vermutete, daß Eappo die Überreste Kapitän Cooks brächte, fuhr er selbst zu ihm hin, um sie in seiner Schaluppe in Empfang zu nehmen. Mir wurde befohlen, in einem andern Boote zu folgen. Als wir am Ufer anlegten, kam Eappo in die Schaluppe und überreichte dem Kapitän die Gebeine, die in eine Menge schönes neues Zeug gewickelt und mit einem bunten Gewande aus schwarzen und weißen Federn bedeckt waren. Nachher begleitete er uns zur »Resolution«, ließ sich aber nicht bewegen, an Bord zu kommen, wahrscheinlich weil er aus einem Gefühl von Schicklichkeit nicht bei der Öffnung des Bündels zugegen sein wollte. Wir fanden darin den größten Teil der Gebeine unseres unglücklichen Kommandanten. Den folgenden Morgen kam Eappo mit des Königs Sohn und brachte die übrigen Gebeine Kapitän Cooks, außerdem die Läufe seiner Flinte, seine Schuhe und einige Kleinigkeiten. Eappo bemühte sich, uns zu überzeugen, daß Terriobu und er selbst den Frieden wünschten, und daß sie uns den besten Beweis, der in ihrer Macht stünde, hiermit gegeben hätten. Er setzte hinzu, sie würden sich gewiß weit früher zu diesem Schritte bereit gefunden haben, wenn nicht die anderen Häuptlinge, die noch unsere Feinde wären, sie daran gehindert hätten. Er beklagte mit einiger Wehmut den Tod der sechs Vornehmen, die wir erschossen hatten, und von denen einige unsere besten Freunde gewesen. Das Boot hätten uns Parias Leute entwendet. Vermutlich hatte er sich durch den Raub für den Schlag rächen wollen, den er von unsern Leuten empfangen hatte. Tags darauf habe er es in Stücke hauen lassen. Die Gewehre der Seesoldaten, die wir auch zurückgefordert hatten, wären unwiederbringlich verloren, weil das gemeine Volk sich ihrer bemächtigt hätte. Bloß die Knochen des Befehlshabers wären als Eigentum des Königs und der Erihs aufbewahrt worden.

Wir konnten nun nichts weiter tun, als unserm großen, unglücklichen Befehlshaber den letzten Dienst erweisen, und schickten deshalb Eappo mit dem Auftrag ab, er solle Sorge tragen, daß die ganze Bucht mit dem Tabu belegt würde. Nachmittags versenkten wir die Gebeine, nachdem wir sie in einen Sarg gelegt und das Begräbnisgebet verlesen hatten, unter kriegerischen Ehrenbezeigungen ins Meer. Die Welt mag beurteilen, welche Gefühle wir in diesem Augenblicke hatten. Diejenigen, die dabei zugegen gewesen sind, können mir das Zeugnis geben, daß ich außerstande bin, sie zu schildern.

Am 22. Februar sah man den ganzen Vormittag kein Kanu in der Bucht, da das Tabu, womit Eappo sie tags zuvor auf unser Verlangen hatte belegen lassen, noch nicht aufgehoben war. Endlich kam Eappo zu uns. Wir versicherten ihm, daß wir nun vollständig befriedigt seien, und daß die Erinnerung an alles Vergangene mit dem »Orono« begraben sei. Nachher baten wir ihn, er möchte das Tabu aufheben und den Eingeborenen bekanntmachen, sie sollten uns wie gewöhnlich Lebensmittel bringen. Die Schiffe waren denn auch bald von Kanus umringt; viele Vornehme kamen an Bord und bezeigten uns ihre Trauer über das Vorgefallene und ihre Freude über die Wiederherstellung des Friedens. Mehrere von unseren Freunden, die uns nicht besuchten, schickten uns Schweine und andere Lebensmittel zum Geschenk.

Da nun alle Anstalten, in See zu stechen, getroffen waren, erteilte Kapitän Clerke den Befehl, die Anker zu lichten, weil er besorgte, es möchte einen schlechten Eindruck machen, wenn das Gerücht von diesen Vorfällen früher zu den benachbarten Inseln käme als wir selbst. Gegen 8 Uhr abends schickten wir die Eingeborenen alle an Land zurück, und Eappo nebst dem freundschaftlichen Kärikia nahmen gerührt Abschied von uns. Wir lichteten darauf die Anker und steuerten aus der Bucht, und als wir längs der Küste hinfuhren, erwiderten die Eingeborenen, die sich dort in großen Haufen versammelt hatten, unser letztes Lebewohl mit allen Äußerungen ihrer Zuneigung und Freundschaft.


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