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Fünfte Szene

Nacht. Mondschein. Auf der Eisfläche des Sundes. Die eingefrorene und verschneite Galeasse des Schiffers Frederik. Seinen Schlitten ziehend, kommt Torarin übers Eis. Im Schlitten sitzt, vermummt, Pfarrer Arnesohn.

Torarin

indem er anhält und die Zuggurten ablegt

Herr Pfarrer, wird sind da. Dies ist »Wildblume«,
die Galeasse Schiffer Frederiks.

Arnesohn

Nun Gott sei Dank! so helft mir aus dem Schlitten.

Torarin

Ist Euch die Weile lang geworden?

Arnesohn

Nein.
Wenn man als Geistlicher den Leib des Herrn
zu einer armen Seele tragen muß,
die in der Todesnot danach verlanget,
so hat man immer mit sich selbst zu tun,
daß man sich würdig mache und sich heilige.

Torarin

Herr Pfarrer, soll ich nun wohl rufen?

Arnesohn

Halt!
Wart noch ein wenig. – Sage, Torarin,
von hier aus wo – wo liegt die offne Wacke?

Torarin

Am Stern des Schiffs vorbei blickt gradezu.

Arnesohn

Wo war es, als du die Geräusche hörtest
vom Klatschen einer Peitsche und von Stimmen,
die einen Gaul antrieben?

Torarin

Das war dort,
von wo das Licht blinkt. Ein Zweimaster hat's
an Backbord.

Arnesohn

Gleich darauf mit einemmal
kam Höllenlärm von dorther, von der Wacke.
Bist du noch heut der Meinung, Torarin,
der Schimmel, samt dem Raube, samt den Mördern,
sei dort hineingeraten und versunken?

Torarin

Der Schimmel ist ertrunken, sicherlich.
Er hätte sonst sich angefunden. Ob
die Raubgesellen tot sind? Heut bezweifl' ich's.

Arnesohn

Das labt. So leichten Kaufes konnte Gott
sie nicht entkommen lassen, nein, gewiß nicht.
Ich bin ein arger Sünder, Torarin.
Die Hostie, der süße Leib des Herrn,
der da gesagt hat: Liebet eure Feinde!
ruht hier auf einer Brust voll Rachedurst;
kann sie nicht trinken, geht sie dran zugrunde.
Du glaubst nun selber, daß sie leben. Sprich!
wie hast du deine Meinung so gewandelt?

Torarin

Kennt Ihr dies Geldstück?

Arnesohn

Nein! – Vielleicht! Zeig her!

Torarin

hat ein Geldstück hervorgekramt, gezeigt und hingegeben.

Ein Silberstück von fremder Prägung.

Arnesohn

Ja.

Torarin

Ein gleiches trägt die Nichte Elsalil
als Talisman, geschenkt von Pfarrer Arne.

Arnesohn

Wo hast du's her? Wie kam's in deine Hand?
Denn meines Vaters Schatz entstammt es sicher.

Torarin

Ein Söldner zahlte seinen Trunk damit.

Arnesohn

Ein Schotte?

Torarin

Eben ja, ein schott'scher Soldknecht.

Arnesohn

Du sagst, das Mädchen hat die Sprache wieder?

Torarin

Das, was sie spricht, hängt freilich nicht zusammen,
es klingt verwirrt, jedoch sie spricht und hat
dazu ein seltsam Wesen angenommen.
Sie sitzt, sie horcht! scheint mit dem Körper nur
da, mit der Seele weit entfernt zu sein,
und immer ist's, als ob sie etwas suche,
was ihr zu suchen höhrer Wille auftrug.

Arnesohn

Du siehst, daß mein prophetisches Gemüt
nicht trog. Glaub mir, sie ist das Werkzeug Gottes.
Pflegt ihrer sorgsam!

Torarin

Ja, doch das. ist schwer,
sie schleicht sich aus dem Haus, streift durch die Gassen,
manchmal vergehen Tage, eh sie heimkommt.

Arnesohn

Dies kann im Plan des Himmels liegen, laßt sie.
Nur muß man sehr genau erkunden, wo
sie auftaucht, wo umherstreicht, nicht zuletzt,
was sie auf ihren dunklen Wegen treibt.
Nun rufe denn, daß er die Leiter uns
herunterlasse. Knirschen möchte man.
»Glaubt mir, es war kein Söldner«, sagt der Amtmann. –
Sooft sich meine Ahnung dahin wendet,
ja, mein Verdacht! – der Richter schlägt mich nieder.
Ruf, daß wir weiterkommen.

Torarin

Horcht doch, horcht doch!

Arnesohn

Da fiel ein Stern.

Torarin

Sind das nicht Stimmen, die
ein Pferd antreiben? Horcht doch, Peitschenknall!

Arnesohn

Täuschung.

Torarin

Nein, hört doch! Hört Ihr nicht das Wiehern?

Arnesohn

Ich war nie furchtsam. Kämen sie daher
zu zwein, zu drein, mir wären sie willkommen.
Allein, ich bin gewitzt und glaub' es nicht.
Mach es wie ich: mißtraue deinen Sinnen.
Hätt' ich Vertraun zu ihnen, wär' ich längst,
glaub mir, im Tollhaus. – Aber, was ist das?

Torarin

Ein Schwarm von Möwen senkt sich in die Masten.

Arnesohn

Was haben sie?

Torarin

Je nun, man weiß es nicht.

Arnesohn

Sie lärmen wild und kläglich durcheinander.
Es scheint doch, sie verfolgen etwas.

Torarin

Oder
warten auf etwas! – Doch nun nehmen sie's
in ihre Mitte.

Arnesohn

Was?

Torarin

Das weiß ich nicht.

Arnesohn

Wer furchtsam wäre, müßte schaudern, denn
fast ist es schauerlich.

Torarin

Der Herr sei gnädig
der armen Seele, die der Schwärm davonführt!

Arnesohn

Wie still ist's nun geworden.

Torarin

ruft

Frederik!
He, Schiffer Frederik! Ahoi! Ahoi!

Frederik erscheint an Deck seines Schiffes und blickt herunter.

Frederik

Ahoi! Wer ruft da?

Torarin

Ich bin's, Torarin!
Hier ist der Pfarrer mit den Sakramenten.

Frederik

Der Pfarrer kommt zu spät, die Frau ist tot.

Torarin

Ahoi! Was ist? Was gibt's? Sag es noch einmal!

Frederik

Der Pfarrer kommt zu spät, sie ist gestorben.

Arnesohn

Fragt ihn, wann sie gestorben ist.

Torarin

Wann starb sie?

Frederik

Erst eben, Torarin, als du mich anriefst.

Torarin

Wer sich darauf versteht: Ihr seht's, Herr Pfarrer,
auf was die Möwen warteten und was
die Vögel mit sich nahmen durch die Nachtluft.

Arnesohn

Nun ist sein Schiff ein großer Sarg im Eis. –
Komm, Torarin, wir müssen ihn erklettern.

Frederik hat eine Strickleiter heruntergelassen. Er leuchtet mit einer Laterne, während Arnesohn und Torarin das Deck erklettern. Oben angelangt, verschwinden alle drei. – Sir Douglas und Sir Donald kommen in der vornehm-prächtigen Tracht schottischer Feldobristen langsamen Schrittes übers Eis.

Sir Douglas

Ich sag' Euch, dort, nach Osten, liegt die Wacke.

Sir Donald

Ihr täuscht Euch, Sir, Ihr täuscht Euch sicherlich.
Ich sah das schwarze Loch im Eis sich auftun,
kaum dreißig Schritt nach rechts – so hin – gen West.

Sir Douglas

Der Irrtum liegt bei Euch: unmöglich, Sir!

Sir Donald

Ihr hörtet nicht das Seegevögel schnattern?

Sir Douglas

Sir Donald, artet nicht Lord Archie nach:
wir sind nicht alte Weiber bei der Kunkel.
Laßt Wacke Wacke sein! Ein Enterich,
der drin ein bißchen plantscht, ein Möwenschrei
von oben her, ein Krach im Eis von unten
kann eine Memme, keinen Kriegsmann ängstigen.

Sir Donald

Gut, gut, Sir Douglas. Ihr habt recht, ich bin,
seit ich den Marder sah im Taubenschlag ...
bin in der Tat seitdem ein wenig schreckhaft.
Auch will ich Euch gestehn: der Augenblick,
als wir den Schlitten, samt der Mähre dran,
hinunterstießen in die schwarze Lache,
lebt mir noch allzu deutlich im Gedächtnis.

Sir Douglas

Und der Gedanke stammt von Euch, Sir Donald!
Ihr, fast allein, Ihr habt ihn ausgeführt.
Nie hat ein Mensch Tollkühneres verrichtet,
denn unter Euch, bei Gott, brach schon das Eis.
Nun macht der Schatten Eurer Tat Euch zittern.

Sir Donald

Der Schatten, ja, der Schatten!

Sir Douglas

Bester Oberst,
wollt Ihr den Schatten los sein, ist's vergeblich,
denn seinen Schatten wirft so Hund wie Lord.
Deshalb braucht Ihr die Schritte nicht beschleunigen.
Ich triefe so schon unterm Wams, mein Kopf
speit, trotz der nächtigen Kälte, Feuer.

Sir Donald

Ich,
ich friere, friere, Lord, am ganzen Leib,
dagegen scheint das Eis, auf dem ich schreite,
mir allerdings ein glühendes Rost zu sein.
Was soll ich's leugnen? Fort von hier, nur fort!
Hier in den Schären ist das Fegefeuer,
und auf der Insel Marstrand ist die Hölle.
Wohin mit uns, solang der Sund nicht auftaut?
Wenn einer manchmal manches vorher wüßte,
er würde manches manchmal schwerlich tun.

Sir Douglas

Sir, ich bin kein Spitalweib, sucht Euch eins.
Wer nichts von Sünde weiß, für den ist Reue,
doch mir und jedem Sünder ist sie unnütz.
Der Teufel hol' ein Ding das stets zu spät kommt!
Kam etwa Reue jemals vor der Tat?
Und nach der Tat geschäftig sein, mit Worten
müßig bezüngeln, was nun doch geschehn ist:
was soll's, und wozu dient's? Sagt mir den Sinn.
Betrüg' ich jemals mein Gewissen, Herr,
ich wäre nie zehn Schuh im Tanz gesprungen. –
Was kommt dort übers Eis? Ist's Euch genehm,
so treten wir ein wenig in den Schatten.

Sie ziehen sich in den Schutz des Schlagschattens zurück, den die Galeasse wirft. – Sir Archie kommt langsam übers Eis herangeschritten.

Sir Donald

Sir Archie, meiner Treu! 's ist nur Sir Archie.

Sir Archie

schrickt zusammen und greift nach der Waffe

Wer spricht dort?

Sir Douglas

Hängt Ihr süßen Träumen nach,
so laßt's uns wissen, Lord, und wir verstummen.

Sir Archie

Was sucht ihr hier, Sir Douglas und Sir Donald?

Sir Douglas

Gelegenheit nach Schottland, liebster Lord.
Man wies uns von der Brigg, dort drüben, die
unweit der Schären festgefroren liegt,
zu dieser Galeasse. Der Patron
löscht seine Ladung, wie es heißt, in Leith.

Er ruft zum Schiffsbord hinauf

Patron! Patron!

Sir Archie

erschrocken

Was brüllt Ihr so, Sir Douglas?

Sir Douglas

Liegt dieser morsche Kahn nicht wie ein Sarg?
Und wenn ich flüstre, Sir, meint Ihr vielleicht,
daß der betrunkne Seehund drin je aufwacht?

Sir Archie

Sucht ihn am Tag auf, nicht des Nachts. Bei Gott,
mit solchem Leichtsinn macht Ihr uns verdächtig.

Sir Douglas

Wann ist in diesem Lande Tag, Sir Archie?
Seit Wochen schnuppern wir von Schiff zu Schiff,
gleich Pinschern winselnd, ohne Mut, zu bellen.
Auf Eure Art, wann kämen wir nach Schottland?

Sir Donald

Ich stimme Seiner Lordschaft zu, Sir Douglas,
Ihr laßt es fehlen an Behutsamkeit.

Sir Archie

Dort drüben liegt ein Schiff, laßt uns dorthin gehn.

Sir Douglas

Das wäre gut zwei Stunden übers Eis.
Und sind wir endlich drüben angelangt,
so haben wir denselben Tanz wie hier
und stets mit Euch, seit Wochen schon, Sir Archie.
Stärkt Euer Seelchen – nehmt! – mit Branntewein!

Er bietet ihm die Branntweinflasche.

Sir Archie

Nichts mehr von Euerm Branntwein, Gott verfluch' ihn!

Sir Douglas

Mir mundet der verfluchte Tropfen, der
mir, höllisch meinethalb, den Leib durchwärmt.
Wer ihn des Übels Ursprung nennt, der irrt sich.
Die Sterne sind des Bösen Ursprung, und
wie die Planeten inklinieren, so
vollzieht sich das Geschick. Was sind wir denn,
daß wir die Schuld von jenen Taten sollten
auf unsre Schultern laden, die Gottvater
zuläßt und jene Himmelskörper tun?!
Der Teufel selber steht am Schleifstein: wild
fahren die bösen Sterne durch die Nacht. –
Seht dort! Seht dort! Seht dort! Seht, wie sie schießen!
Soll ich vielleicht dem Schleifer Luzifer
ins Messer fallen, wenn es Gott nicht tun mag?

Sir Archie

Sir Douglas, sprecht nicht immer von dem Schleifstein!
Was braucht Ihr immer dies verfluchte Bild ...

Sir Douglas

Glaubt mir, Ihr haltet Euch zu nüchtern, Lord.

Sir Archie

Wohl, wohl, in einem Punkte bleib' ich nüchtern
und würde nüchtern bleiben, pumpt' ich mich
auch bis zum Halse voll gebrannten Wassers.
Pfui, pfui! Wer soll dawider beten? Gott –
ich meine jetzt den Gott der Gauner und
der Halsabschneider! – kurz, der Teufel weiß:
ward dies mir an der Wiege je gesungen,
so hat es meine Amme nicht gehört,
viel weniger meine Mutter und mein Vater.
Mich fröstelt's. Ich hab' Blei im Hirn und Blei
in allen Knochen. Käm' der Häscher jetzt,
Handschellen legt' ich selbst mir an und ginge
mit Wollust unterm Beile schlafen. Pfui!

Sir Douglas

Wenn ich Euch etwas wünschen sollte, Sir,
so wär's der tolle Mut, den Ihr verloren,
der wilde, frohe, der uns stets voranging.

Sir Archie

Das war sein Unglück, so kam er ins Stolpern.

Sir Douglas

Der Mut bleibt aufrecht, stolpert gleich der Mann.
Ein Mann, der fällt, springt auf und steht nachher
so fest und fester, als er je gestanden.
Ich wünschte ...

Sir Archie

Wünscht nur! – Wären Wünsche nicht
so gut wie Nieten in der Lotterie,
auch ich verlegte mich aufs Wünschen. Nein,
unwiderruflich ist der Stunden Schritt.
Des Lebenswagens Räder drehn sich nie
rückwärts um ihre Achse. Nimmermehr
steh' ich als Lenker wiederum am Kreuzweg,
an jener Stelle, wo die Gäule mir
durchgingen und die Zügel mir entsanken!
Versucht's, Sir, schiebt den Wagen mir zurück;
wenn Ihr es könnt, wohl uns! Wo nicht: dann wehe!

Sir Douglas

Nun, Euch gelingt's, Ihr tappt Euch rückwärts, Lord.
Mir liegt nichts dran, Kreuzwege zu umschleichen.
Geschehnes ist nicht mehr! Geschehnes war!
Was war und nicht mehr ist, ist nie gewesen.
Was geht's mich an, was nie gewesen ist.

Sir Archie

Ich geb' Euch recht. Ja, ich beneid' Euch. Nennt
mich immer eine Memme, wenn Ihr wollt.
Was tun? Ihr bliebet heil. Ich bin vergiftet.

Sir Douglas

Vergiftet seid Ihr durch Untätigkeit!
Bricht hier das Eis und haben wir den Fuß
auf freier Woge, sollt Ihr bald gesund sein.

Sir Archie

Dann hab' ich immer noch das Gift im Blut.
Das Gift, das Gift, das mich mir selbst verwandelt!
Vielleicht war' ich vergeßlich, so wie Ihr,
saß' mir im Blut nicht dieses Giftes Mitgift.

Sir Douglas

Nun, bei Sankt Jakob, welche Schlange stach Euch?
Wo sitzt der Otternbiß? – ich seh' ihn nicht –,
an dem Ihr eitert, heimlich blutend hinsiecht.

Sir Archie

Der Otternbiß! Nicht übel, werter Lord.
Ihr kommt dem Ding so nah, es nimmt mich wunder.
Ist Euch bekannt, daß Leichen beißen? Daß
sie, schmatzend, selbst ihr Leichenhemd aufzehren,
ja, in des Hungers Wut, das eigene Fleisch?
Sie stehen auf. Sie wandern, gehen um,
fallen Lebendige an, so Wachende
wie Schlafende ... ihr Biß bringt Tollheit, gibt –
ein Biß nur – langsamen, qualvollen Tod.

Sir Douglas

Glaubt' ich an Vampirn, stünd' es um mich schlimm.
Wo nähm' ich Nägel her, sie festzunageln
in ihren Särgen? Schlieft Ihr selber nicht,
wie oft, auf leichenübersätem Schlachtfeld?
Hat je ein Toter Euch ein Haar gekrümmt?

Sir Archie

Ja! Nein! – Nein! Ja und ja!

Sir Douglas

Sagt, wann und wo?
Ein solcher Kasus gäbe viel zu denken.

Sir Donald

Ich weiß es wohl, was Seine Lordschaft meint ...
wen Seine Lordschaft meint, und will's Euch sagen:
Sie meint das Mädchen, das in jüngster Zeit
uns nachläuft.

Sir Archie

erschrickt, wendet sich um

Wo? – Ich mißverstand Euch. Wohl,
ich leugne nicht, daß dieses Mädchen mich
nicht nur verfolgt in Marstrand durch die Straßen,
sondern auch überall, wo sie nicht ist.
Es würde mich, wär' sie auf unsrer Spur
auch hier in Eis und Nacht, bei Gott, nicht wundern.

Sir Douglas

Mich wundert nichts mehr in der Welt, Sir Archie.
Doch daß Ihr 'ne mannstolle Dirne, ein
bleichsüchtiges Wäschermädchen, eine, die
für weniger als für sechs Groschen feil ist,
als 'ne Lemure anseht, macht mich staunen.

Sir Donald

Lemure hin, Lemure her, Lord Douglas,
hier ist ein andrer Umstand von Bedeutung.
Sie scheint das auferstandne Ebenbild
nicht nur von einer, deren Tod Sir Archie
verbürgt, dieweil er eine sichre Hand hat –
nein, wie ich gestern ganz gewiß ermittelt,
war sie des Pfarrers Arne Pflegekind
und ist die andre Dirne aus der Blutnacht.

Sir Archie

Sprecht nicht so laut, Ihr seid wahnwitzig, Lord.

Sir Douglas

Ist's wirklich, wie Ihr sagt, dann schwatzt nicht, handelt!
Lockt das Lemürchen, wie man sagt, aufs Eis,
gebt ihr den Gnadenstoß und dann den Laufpaß;
und fehlt's Euch an Courage, überlaßt
es mir, dem alten Pfarrhausschimmel sie
zum kühlen Grund des Meeres nachzusenden.
Dort mäste sie die Fische.

Sir Archie

Hört mich an:
denn gleich, als wär's geschworen auf die Hostie,
gilt jedes meiner Worte. Ihr versteht mich.
Wer weiter mordet, ja, wer diesem Mädchen
auch nur die Haut ritzt, der verwirkt sein Leben.

Er geht schnell ab.

Sir Douglas

Ist er verrückt? Was hat ihn so verändert?

Sir Donald

Wir müssen auf ihn Achtung geben, Lord.

Sir Douglas

Er ist vernarrt in das Lemürchen, scheint mir.

Sir Donald

Fest steht, daß er das Fischerhaus umschleicht,
in dem sie wohnt. Und einmal hat er sie,
als sie ihm nachschlich, aufgegriffen und
mit sich in sein Quartier verschleppt.

Sir Douglas

Ei! Ei!

Sir Donald

Wer will denn wissen, ob der Grasaff' nicht
dressiert, der Fratz nicht abgerichtet ist
zum Gimpelfang? Das Hürchen hat vielleicht
den höheren Auftrag eines Galgenstricks,
wenn sie ihn bindet mit den bloßen Armen.
Das ginge dann auch uns an.

Sir Douglas

Ja, weiß Gott!

Frederik

unsichtbar vom Deck

Was sucht ihr denn dort unten? Heda! Ihr!

Sir Donald

Zum Teufel, was ist das? Sind wir belauert?

Frederik

Gebt Antwort!

Sir Douglas

Zeig dich erst! Wo steckst du, Mensch?

Frederik

Erst wüßt' ich gern, was ihr im Schilde führt!

Sir Douglas

's ist leicht gesagt, du Schuft: ein jeder von
uns dreien führt im Schild ein fürstlich Wappen.

Frederik

Ihr seid zu drein?

Sir Donald

leise

Welch eine Torheit, Lord!
Wir hatten es uns zum Gesetz gemacht,
niemals zu drein gemeinsam uns zu zeigen.

Sir Douglas

laut

Wir sind zu zwein! Was wir im Schilde führen,
weißt du nun. Und was hast du denn für Ladung?

Frederik

Wollt Ihr das wissen? Trocknen Fisch für Leith!

Sir Douglas

Gott segne dich! wir sind drei brave Schotten.

Sir Donald

leise

Zwei! Zwei!

Frederik

Ihr sagtet zwei! Seid ihr doch drei?

Sir Douglas

Nein, zwei. Doch mit uns suchen hundert andre
Hochländer Schiffsgelegenheit nach Schottland.
Kannst du uns unterbringen, alter Seehund?

Sir Donald

Bei Gott, ich gebe Fersengeld, Sir Douglas!

Sir Douglas

Das wäre! Und warum?

Sir Donald

Seht bitte hin,
warum denn klettern sie von Bord herunter?
Ich wittre Unrat, ich verkrümle mich.

Er entfernt sich mit großen Schritten.

Sir Douglas

läuft ihm nach

Sir, seid kein Hasenfuß! Nun, meinetwegen.

Beide Lords sind im Dunkel verschwunden. Pfarrer Arnesohn, Torarin und Frederik steigen die Schiffsleiter herunter.

Arnesohn

unten angelangt

Wo sind sie?

Torarin

Fort!

Frederik

Ihr habt sie auch gesehn
und sie gehört, sonst sagt' ich wohl, drei Teufel
hätten hier eine Sterbende belauert
und sei'n vor Euch, Herr Pfarrer, abgestrichen.

Arnesohn

Dies war kein Spuk.

Torarin

Dies war kein Spuk. Und wißt,
die Stimme hab' ich irgendwo gehört.

Frederik

Ich auch, bei Gott!

Torarin

Und wo? Wir wissen's beide.

Arnesohn

Nach Bohus, Torarin, sogleich zum Amtmann!
Denn was noch mehr ist, wissen wir zu drein,
wir fühlen's deutlich und mit jedem Pulsschlag:
die Mörder leben, standen hier, hier, hier!
Kommt, laßt uns ihre Spur im Schnee verfolgen.

Torarin

Still, still! Was ist das? Seht dorthin, Herr Pfarrer!

Durch die Mondhelle kommt Elsalil. Sie scheint mehr in der Luft tastend und einer Witterung nachgehend, als mit den Augen etwas zu suchen. Der Mond beleuchtet sie schemenhaft. Sie ist dürftig gekleidet. Unten ein dünnes, kurzes Röckchen, über die schmalen Schultern ein Umschlagetuch gezogen. Ihr Haar hängt offen herab.

Arnesohn

O Torarin! Oh, was ist das? Oh, oh!
Was siehst du? Frag nicht, was ich sehe! Frag nicht.

Torarin

Ist es 'ne arme, ruhelose Seele,
dem Grab entstiegen?

Arnesohn

Berghild!?

Torarin

Eben schlug
die Uhr am Turm zu Marstrand Mitternacht.

Arnesohn

Berghild!

Frederik

Nein, Elsalil ist's, deine Nichte.

Torarin

Bei meiner Seelenseligkeit, sie ist's.
Was tut sie hier? Und wohin geht sie?

Arnesohn

Still,
nicht wecken, denn sie schläft! Nur jetzt kein Anruf!
Merkt Ihr nun selbst, was ich Euch sagte, wie?
Bei Gott, sie treibt geheimnisvolle Arbeit
im harten, schweren Dienste der Vergeltung.
Zart und zerbrechlich scheint sie, doch im Schwachen stark
ist unser Gott. Er macht der Kinder Fuß
wie Schicksalsschlag zermalmend. Wehe dem,
den sie verfolgt und der nach ihr zurückblickt!
Ihr weisend Fingerlein: das Weltgericht! –
Ihr Wink: und alles bebt vom Jüngsten Tage!


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