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Zweite Szene

Im Pfarrhaus zu Solberga. Ein derb gezimmerter Raum mit gewaltigem Herd und Rauchfang im Hintergrund. Verrußte Balken. Links vorn verschlossene Pforte mit Stufen. Rechts nur verhangene Tür ins Hausinnere. Ein kleines Feuer und ein brennender Kienspan geben vom Herd aus Licht. Eine Tafel wird von Elsalil und Berghild für die Abendmahlzeit hergerichtet. Die Mädchen, im Alter genau gleich, zwischen fünfzehn und sechzehn, gleichen einander auch an Gestalt, Haarfarbe und Tracht. Sie scheinen Zwillinge. Obgleich sie zart sind, ist etwas Urwüchsiges in ihnen. Das ungewöhnlich blonde, lange Haar ist durch einen Knoten gerafft. – Pfarrer Arnesohn, sechzigjährig, stattlich, ohne jeden Zug von Greisenhaftigkeit, tritt durch die verhangene Tür. Pelzwerk, Pelzmütze.

Arnesohn

Berghild, leb wohl. Lebt wohl, ihr guten Kinder.

Berghild

Du gehst schon, Vater?

Arnesohn

Ja, ich gehe. Ja.
Doch morgen mit dem frühsten komm' ich wieder.

Berghild kommt zu ihm, er küßt sie auf die Stirn.

Ich will die Mutter von dir grüßen, Berghild.

Berghild

Und alle meine Brüderchen und Schwestern.

Arnesohn

Und morgen wirst du alle wiedersehn.
Und eh ihr heute einschlaft, Mädchen, richtet,
hört ihr, mir ja ein Dankgebet zum Himmel.
Glaubt mir, der Schnee wird morgen schmelzen unter
dem Festgedränge um das Gotteshaus
und um den Pfarrhof, weit bis in die Felder.
Der Wind kommt auf.

Berghild

Um diese Zeit vorm Jahr
blühte der Kirschbaum. Diesmal ist das Eis
im Sund noch nicht geborsten. Schade, Vater!

Arnesohn

Gleichviel. Das tut dem Ehrentag nicht Abbruch,
den dein Großvater morgen feiert. Denk,
sie nennen ihn den besten Mann im Nord.
Nicht alle zwar, doch viele tun's: die meisten!
Auch du, dank Gott mit Tränen, Elsalil,
daß der hochwürdige Pfarrherr bis hierher
erhalten ward. Erwies ihm Gott die Wohltat,
erwies er wieder eine Wohltat dir;
der armen Waise ist er wie ein Vater.

Berghild

Großvater nennt uns Zwillinge, nicht, Schwester?
Du darfst sie keine Waise nennen, nein!

Elsalil

Ich weiß recht wohl, ich esse Gnadenbrot;
und jeden Tag, der Wohltat eingedenk,
bet' ich für Pfarrer Arne und die Seinen.

Arnesohn

Recht so. Vergiß das niemals. – Neunzig Jahr
wird mit der zwölften Stunde dieser Nacht
mein würdiger Vater, dein Großvater, Berghild.
Will ihm der Himmel weiter gnädig sein,
so lebt er wahrlich hundert Jahr und mehr.
Auf morgen, Berghild!

Zu Elsalil

Auch du, gute Nacht.

Er küßt Berghild auf die Stirn, danach Elsalil ihm die Hand. – Arnesohn fortfahrend

Was wollt' ich noch? – Kind, deine Lippen
brennen wie Kohlenglut. Was hast du?

Elsalil

Ich?

Arnesohn

Ja. Hat sie etwa wiederum ihr Fieber –?
Und welch ein dunkler Fleck, der dir am Hals flammt?

Berghild

Das hat sie oft, und oftmals glüht sie so
und ist trotzdem so munter wie wir andren.

Arnesohn

Nun also. Lebt denn wohl! Was wollt' ich noch? –
Ja, betet, Kinder! Betet, betet, betet!
Auch er ist tief bewegt, der greise Vater ...
der liebe weiße Scheitel stets gebeugt
in brünstiger Vertiefung. Betet! –

Zu Elsalil

Sag,
ist Torarin, dein Oheim, schon im Pfarrhof?
Er fragt nach ihm. Er wartet seiner. Es
scheint, wie wenn dieses schlichten Mannes Nähe
ihm glückbedeutend sei. – Auf morgen, Berghild! –
Was wollt' ich noch? – Nun, Gott befohlen. – Betet!

Er geht.

Berghild

O Gott, was sticht mich? Ich bin töricht. Ist
mir doch auf einmal bei des Vaters Worten
ganz sonderbar zumut. – Geht es dir auch so?

Elsalil

Als er mich fragte, ob ich krank sei, ward
mir wirklich jählings vor den Augen schwarz.

Durch die verhangene Tür kommen: der gewaltige Greis, Pfarrer Arne, seine über achtzigjährige gebrechliche Gattin. Sie hängt an seinem Arm. Ein blasser, demütiger Hilfsgeistlicher folgt. Die Mädchen erweisen sich sogleich der Pfarrerin hilfreich. Sie wird auf den Stuhl am Tisch geleitet. Auch der Pfarrer nimmt seinen Platz am Tisch ein, steht aber noch aufrecht.

Pfarrer Arne

zu Elsalil

Wo ist dein braver Oheim Torarin?
Er war doch sonst an diesem Abend pünktlich.

Berghild

Auch uns nimmt's wunder, wo er bleiben mag.

Pfarrer Arne

Freilich, der Weg ist heuer doppelt mühsam
und also doppelt lang – der Alte fehlt mir.

Eine Magd bringt die große Suppenschüssel und stellt sie auf den Tisch. Der alte Knecht Olof folgt ihr.

Auch du sahst nichts von Torarin? He, Olof?
Schwerhörig wird er täglich mehr. Frag du ihn.

Die Magd

spricht laut in sein Ohr

Fischkrämer Torarin, ob der wohl hier ist!?
Es kommen Gäste, und wir brauchen Seefisch.

Pfarrer Arne

Nicht deshalb frag' ich, Törin.

Olof

Ja, 's ist wahr,
ein Fremder schlich sich heute um den Pfarrhof.

Pfarrer Arne

Man könnte lachen, wär' es nicht so traurig.
Allein, was ist es mit dem Fremden? He?

Olof

Sie kommen übern Sund herein, von Marstrand.

Pfarrer Arne

Wer, meinst du, käme übern Sund?

Olof

Gesindel.

Pfarrer Arne

Nun gut, wir haben Riegel, haben Hunde! –
Wir wollen beten ... Ei, es kommt ein Sturm auf.

Berghild

Vorhin stieß schon der Wind in den Kamin
und machte Tisch und Bänke rußig.

Pfarrer Arne

Wohl!
Nun also, sei es! – Nochmals: laßt uns beten.
Komm, Herr Jesus, sei unser Gast
und segne, was du uns bescheret hast. Amen.

Alle, außer der Pfarrerin, die schon sitzt, nehmen um den Tisch Platz. Aus gemeinsamer Schüssel wird die Suppe gelöffelt. Außer dem Geräusch der Löffel hört man eine Weile nur das Klagen des Windes im Kamin.

Pfarrer Arne

Wir haben morgen einen schweren Tag,
Herr Kandidat. Auch ich! trotzdem der Anlaß
mir Grund gibt, Gott zu loben und zu preisen.
Mein Sohn wird helfen, Pfarrer Arnesohn.
Allein, die Last der Arbeit ist dadurch
vermindert nur, nicht von uns abgewälzt.
Mich will man feiern, meine neunzig Jahr.
Amtsbrüder werden, einer nach dem andern,
die Altarstufen und die Predigtkanzel
besteigen. Wär's vorüber, großer Gott.

Elsalil ist bleich vom Stuhl aufgefahren.

Was hast du, Elsalil?

Elsalil

Es schlug ein Hund an.

Pfarrer Arne

Ist das ein Grund, so aufzuschrecken, was?
Wer wird es sein als Torarin, dein Oheim.
Bring uns Bescheid, Olof; sieh nach, wer da ist.

Olof geht ab.

Marstrand. Der König Johann hat viel Kriegsvolks
entlassen. Ein berühmtes Regiment
Bergschotten wartet drüben auf den Eisbruch.
Wir haben nun das, was man Frieden nennt,
und hatten Krieg und hatten Teuerung
und Pestilenz, wie denn der Teufel eben
mit Stank und Spaltung nimmer müßig ist.
Lebt' ich noch andre hundert Jahr: so bleibt es.
Was habt ihr, Mädchen, und was hat die Mutter?

Berghild

rätselhaft beängstigt

Großmutter ißt nicht.

Pfarrer Arne

Willst du etwas, Mutter?
weil du nicht ißt und mir den Arm drückst. Sprich!

Pfarrerin

Arne!

Pfarrer Arne

Nun, was?

Pfarrerin

Hörst du denn nichts?

Pfarrer Arne

Nein. Was denn?

Pfarrerin

Ich möchte doch gern wissen, Arne ...

Pfarrer Arne

Sprich!

Pfarrerin

Warum sie auf dem Hof von Branehög
sich lange Messer schleifen?

Pfarrer Arne

Messer, wie?
Wer schleift, in Gottes Namen, jetzt sich Messer?
Was Messer? Lange Messer? Wer? und wo?

Pfarrerin

Warum sie nur sich lange Messer schleifen,
Arne, zu Branehög?

Pfarrer Arne

Zu Branehög,
dem Hof, der gut zwei Meilen weit entfernt liegt,
schleifen sie Messer? Und du hörst das hier?

Pfarrerin

Freilich! Wer sollte das nicht hören!

Pfarrer Arne

So?
So schleifen sie die Messer, und du hörst das?

Er wetzt heftig mit seinem Messer an der Schüssel.

Hörst das von Branehög, wenn's dort geschieht,
hörst es im Pfarrhaus zu Solberga? Hier?
Die Arme hört nicht, wenn ein Vogel singt,
so machen die Gebresten ihres Alters
sich geltend. Viel zu lange hat der Arzt
sich um die gute Mutter nicht gekümmert.

Pfarrerin

Arne!

Pfarrer Arne

Schon wieder?

Pfarrerin

Warum quälst du mich?
Sag es mir endlich doch, was das bedeutet?
Hör, wie es kratzt, hör, wie es faucht und zischt.
Warum nur schleifen sie die langen Messer
auf Branehög?

Pfarrer Arne

Sie zittert so, bei Gott ...
da, wirklich liegt der Löffel in der Suppe.
Und ihr? Was macht ihr für Gesichter? Geht doch.
Was gibt es hier, um sich zu ängstigen?
Nehmt sie, ihr Mädchen, bringt sie schnell zu Bett.

Die Pfarrerin wird von den Mädchen hinausgeführt; sie weinen. Auch die Magd zeigt den Ausdruck eines rätselhaften Entsetzens.

Räum ab. Ich will nicht essen. Welche Torheit!

Er stellt sich ans Fenster, die Hände auf dem Rücken. Der Knecht Olof kommt wieder.

Wer war's, der kam? War's Torarin?

Olof

Herr Pfarrer,
der Hund hat blinden Lärm geschlagen, niemand!

Pfarrer Arne

Beschließen wir den Tag, laßt uns zu Bett gehn.
Verriegle alles. Torarin mag pochen.

Olof geht ab.

Was sagt Ihr zu dem sonderbaren Vorfall?

Hilfsgeistlicher

Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Vernunft
hat nichts zu tun mit solchen Dingen, die
in Frage stehn bei dem, was die hochwürdige
Frau Pfarrerin fernher im Geist beschäftigt.
Doch überlief's mich kalt, ich sag' es frei.

Pfarrer Arne

Nun, morgen mehr davon. Gut' Nacht für heut.

Der Hilfsgeistliche geht ab.

Was hat die Mutter? – Wohl, es steht bei Gott.

Er streckt sich, wie er ist, auf die eingebaute Bettstatt und atmet tief auf. Dann hört man ihn laut beten.

Pater noster, qui es in coelis: sanctificetur nomen tuum; adveniat regnum tuum; fiat voluntas tua sicut in coelo et in terra. Panem nostrum quotidianum da nobis hodie; et dimitte nobis debita nostra, sicut et nos dimittimus debitoribus nostris. Et ne nos inducas in tentationem; sed libera nos a malo. Amen.

Der Pfarrer hat nach einigen längeren Pausen, während er gleichzeitig sich im Bett zurechtrückt, zu Ende gebetet. Inzwischen ist die Tür vorn links geöffnet worden, und ein vermummter Mensch ist lautlos eingetreten. Trotzdem wird der Pfarrer aufmerksam.

Da kommst du doch noch, alter Torarin,
du hättest mir gefehlt. So recht. Das freut mich.

Der Eindringling hat einen Schritt vorwärts getan. Der Pfarrer erkennt, es ist nicht Torarin.

Ei, wer bist du?

Der Vermummte

kriechend weinerlich

Ein armer Kerl bin ich,
der Euch um ein Stück Brot und Obdach bittet.

Pfarrer Arne

mit einem Schwung aus dem Bett

Wie kamst du auf den Hof?

Der Vermummte

frech

Durchs Tor.

Pfarrer Arne

Durchs Tor?
Das ist nicht denkbar, Mensch, daß du durchs Tor kommst.
Es wird verschlossen, wenn es dunkelt.

Der Vermummte

Nun,
so kam ich auf zwei Beinen hier herein.

Er reckt den Kopf aus der Vermummung, man erkennt Sir Archie.

Pfarrer Arne

wild

Entferne dich denn wieder auf zwei Beinen!
Und das im Augenblick, sonst ...

Sir Archie

fortfahrend

Sonst, Herr Pfarrer,
erhielt der Arme stets ein Stücklein Brot.

Pfarrer Arne

hat seinen Schlafrock übergenommen, tritt dem Eindringling furchtlos entgegen, leuchtet ihm mit dem Kienspan ins Gesicht

Wo kommst du her so spät?

Sir Archie

Von weit her!

Pfarrer Arne

Man hört's an deiner Sprache, daß du fremd bist.

Sir Archie

Fremd, doch zehn Jahr und länger hier im Lande.
Heut bin ich nur ein armer Schwartenhals.
Einst gab es eine Zeit, da war ich reich
an Gold und Ehren.

Pfarrer Arne

fest

Du bist Schotte!

Sir Archie

Nein!

Pfarrer Arne

mit Bestimmtheit

Einer von jenen Söldnern bist du, die,
von unsrem König Johann abgelohnt,
in Marstrand auf die Heimfahrt warten. Komm!
Du magst bei meinen Knechten schlafen.

Er will an Sir Archie vorüber ins Freie. Dieser vertritt ihm den Weg.

Sir Archie

Herr!
Es lohnt nicht, ich muß weiter. Ihr seid reich!
Schenkt mir 'ne Silbermünze, und ich gehe.

Pfarrer Arne

Da hast du eine Kupfermünze. Fort!

Sir Archie

dreht die Münze

Dies ist sehr wenig für uns beide, Herr.

Pfarrer Arne

Zuviel für einen, der nachtschlafener Zeit
in fremde Häuser einschleicht.

Sir Archie

Ruhig Blut,
nur ruhig Blut, Herr Arne, wenn's genehm ist.

Pfarrer Arne

Vertrittst du mir den Weg? He, weckt die Knechte!

Sir Archie

Herr Pfarrer, laßt Euch raten, ruhig Blut.

Pfarrer Arne

Gut denn, ich habe ruhig Blut. Was willst du?

Sir Archie

Gebt mir 'ne Hand, zwei Hände voll, nicht mehr,
von Euren Silbermünzen.

Pfarrer Arne

Ich bin sprachlos.

Sir Archie

Herr, das ist gut. Das ist Euch besser, Herr,
glaubt mir, als schrein und Leute wecken. – Ist
der Kasten dort am Bett wohl Euer Schatz?

Pfarrer Arne

hat ein Schwert von der Wand gerissen

Schatz oder nicht, hier ist mein Schwert, du siehst es!
Ich bin der Mann nicht, den ein Kerl wie du,
ein Lump wie du ins Bockshorn jagt.

Berghild

unsichtbar aus dem Nebenzimmer

Mit wem
schiltst du, Großvater?

Sir Archie

Herr, glaubt mir, ich meine
es gut mit Euch und Euren Kindern. Scheltet
nicht weiter. Lärmt nicht. Ruft nach Hilfe nicht!
Was auf dem Ohre liegt und schnarcht, das laßt
schnarchen. Gott und Sankt Jakob steh' Euch bei,
daß Ihr einseht, was Euer Vorteil ist.
'nen Hut voll Silbergeld aus Eurer Truhe! –
Hier ist der Hut! – Stillschweigend vollgeschöpft,
und ich verschwinde wie ein Licht.

Pfarrer Arne

Du Schurke,
dies mutest du mir zu, ins Angesicht?
Pack dich! Ich bin kein Narr! Nicht einen Heller.

Sir Archie

Ihr seid gewarnt. –

Er wendet sich nach rückwärts

's ist Zeit, Sir Donald.

Sir Donald tritt schleichend ein, aber bei weitem nicht so demütig wie Sir Archie.

Sir Donald

Hier.

Pfarrer Arne

Ah so, ihr kommt zu zwein!?

Sir Donald

So ist es, mit
Verlaub, Hochwürden! Als wir noch dem guten
König Johann Kriegsdienste leisteten,
waren wir zahlreich wie Heuschrecken. Stoßt
Euch nicht an meinem Äußeren: das Tor
war zu, wir mußten in das Waschhaus, durch
den Rauchfang. Nun, wie geht's, wie steht's, ihr Herren?
Ich hoffe, wir sind einig.

Berghild

wie oben

Wer ist bei dir,
Großvater?

Sir Donald

Spricht da wer?

Pfarrer Arne

Berghild, steh auf
und wecke das Gesinde!

Sir Donald

Nein, Herr, bei
Sankt Jakob, nein, hier widersprech' ich Euch.
Ihr seid ein Gentleman, wir sind zwei andre.
Im ganzen, Ihr und wir: drei Gentlemen.
Gebietet ihr, sich stillzuhalten, denn
der Zeuge, der nicht da ist, stört uns nicht.
Er lebe. Jeder andere muß sterben.

Pfarrer Arne

Berghild, sprich nicht, sei still, um Gottes willen!

Sir Donald

Erlaubt, ist dort ein zweiter Ausgang?

Pfarrer Arne

Nein.

Sir Donald

Gestattet mir, daß ich mich überführe!

Er steigt hinter den Vorhang und kommt wieder.

's ist gut! – Nehmt Platz, wir haben reichlich Zeit,
die Schatzung zu beraten. Seid ganz ruhig,
Herr Pfarrer, nehmt Vernunft an. Setzt Euch, und,
auf Eid, niemandem wird ein Haar gekrümmt.

Pfarrer Arne

Es kommt mich bitter an, ihr Herrn, weiß Gott,
in einen solchen Handel einzugehn
im eignen Haus. Gott prüft mich schwer. Ich merk' es.

Sir Donald

So ist's. Gott prüft Euch. Gott prüft Euch durch uns.
Wo Euer Schatz ist, dort ist Euer Herz,
sagt der Apostel. Nun will Gott Euch prüfen,
ob er Euer Schatz ist und Euer Herz bei ihm
oder bei jenem Schatz im Kasten liegt,
bei Eurem gottverdammten Mammon.

Pfarrer Arne

mit Angstschweiß, am Tisch sitzend

Gut
nimmt Gottes Wort in Eurem Mund sich aus.
Ich bin nicht reich. Ich bin sehr arm. Ihr täuscht Euch.

Sir Donald

Teilt Eure Armut denn mit uns, nicht mehr.

Pfarrer Arne

faßt sich an die Stirn

Träum' ich? Bin ich wahnwitzig?

Sir Donald

Habt Ihr etwas
im Haus, die Zunge zu befeuchten?

Pfarrer Arne

steht auf, nimmt zitternd eine Flasche Wein aus einem Schrank und stellt Gläser auf den Tisch

Hier!
Ich will vergessen, wer ihr seid, und euch
behandeln wie geladne, liebe Gäste.
Trinkt. Auch ein Schinken hängt im Rauchfang. Eßt.
Eßt, hier ist Brot. Wenn ihr es brecht, so denkt
an Jesu Kreuz und seine Wunden und
vergeßt die Stunde nicht der großen Rechenschaft,
die ihr von euren Taten geben müßt.
Gott schütz' euch vor der ewigen Verdammnis.

Sir Donald

nachdem er gierig getrunken

Die Zeit verrinnt, Sir Archie!

Pfarrer Arne

mit plötzlich ausbrechender grauenhafter Raserei

Ihr seid Mörder!
Zu Hilfe! Hier sind Mörder, Mörder, Mörder!

Er ist zurückgesprungen, das Schwert in der Hand, und steht in Verteidigungsstellung an der Wand. Sir Douglas tritt ein.

Sir Douglas

Brüll nicht so, altes Vieh, sonst mach' ich dich
stumm! – Was soll werden? Sollen wir uns hier
im Paternosterbeten üben, was?
bis uns der Teufel bei der Gurgel nimmt
und wir, wie schott'sche Hammel, ärschlings baumeln,
jeder mit einem Schnitte durch den Hals?
Denkt dran, weshalb wir hier sind, Gentlemen;
sonst war dies ein verfluchtes Spiel, so albern
als sinnlos. In den Ställen regt sich's, und
Mägde und Knechte kriechen aus dem Stroh.

Pfarrer Arne

Höllische Trias! Schuft, bist du der Dritte
in diesem Bund ehrloser Schurken? Seid
ihr Schotten? Seid ihr Männer? Seid ihr Menschen?
Wenn euch jetzt eure Mütter sähen, ihr
schlechten Halunken, eure braven Mütter, euch,
ihr Abschaum! Auf euch speien würden sie
und euch wie Krötenlaich verleugnen.

Sir Douglas

will nach Arne stoßen. Der Alte packt seinen Arm, schüttelt ihm das Messer aus der Hand. Es fliegt in den Winkel. Douglas hinterher. Er knickt ins Knie

Nicht übel. Brav. Ein leidlich fester Handgriff.

Elsalil stürzt schreiend ins Zimmer und sucht den Ausgang zu gewinnen.

Elsalil

Hilfe! Sie morden uns! Zu Hilfe! Hilfe!

Sir Archie

Was ist das?

Sir Donald

der Elsalil ergriffen hat und ihr den Mund zuhält

's ist kein Engel Gottes, Sir,
'ne Dirne, weiter nichts, wie tausend andre,
und gleich ein toter Leichnam und nicht mehr.

Sir Archie

fällt Donald in den Arm, der Elsalil niederstoßen wollte

Halt! Wartet! Wohin führt das? Sollen wir
wehrlose Kindlein niedermetzeln? Nicht doch.

Sir Douglas

Treibt keine Narrheit, kommt zu Sinnen, Lord;
verläßt Euch jetzt Beherztheit, wo sie not tut,
so wünsch' ich Euch zum Teufel hinterdrein.

Sir Archie

Was sagt Ihr?

Sir Douglas

Drückt Euch, Sir, und laßt uns machen.
Es geht auch ohne Euch. Sir Donald, Ihr
macht's kurz, verleidet ihr das Schrein für immer.

Berghild stürzt herein.

Berghild

Sie morden meine Schwester! Hilfe! Hilfe!

Berghild hat Sir Donald von rückwärts um den Hals gepackt und würgt ihn. Er versucht sie abzuschütteln.

Sir Donald

In welche Schlingen fällt man hier?
Hält der scheinheilige Schuft Lemuren, die
Blut trinken und in Gurgeln sich verbeißen?

Pfarrer Arne

Berghild, komm zu mir! Rette dich, komm zu mir!

Sir Archie

fängt einen nach Berghild geführten Messerstich Sir Donalds ab

Halt! Sie ist schön und wacker, gebt ihr Frist.
Statt zu entfliehn, kämpft sie für ihre Schwester.

Berghild

Verruchte Höllenknechte, tötet mich!
Ihr feiges, schleichendes Gelichter, das
im Schutz der Nacht Wehrlose meuchelt. Laßt
die andern leben, tötet mich, nur mich!
Ich mag die Welt nicht, die ich teilen müßte
mit euch. Will nicht Mensch heißen, wenn man euch
so nennt. Will keinen Tag mehr sehn, der euch
und mich zugleich mit seinem Lichte hudelt.

Sir Douglas

Wie lange soll die Elster weiter schwatzen ...

Sir Archie

Halt! Sie soll reden. Gebt ihr Frist, ihr kennt mich.
Nur wenig Atem ist ihr noch vergönnt,
armseliges Resterzeug, zu ein paar Worten.
Was sie draus macht, fast ist es mehr als Flickwerk.

Sir Douglas

Habt Ihr 'nen Anfall Eures alten Übels,
Lord, und drückt Euch das Kreuz der Mannbarkeit?
Springt zu und laßt Euch tragen samt dem Kreuze.

Pfarrer Arne

Läutet die Glocken! Läutet, läutet, läutet
die Glocken!

Man, hört in der Tat durch die Geräusche des Windes, bald ferner, bald näher, Glockenlaut.

Sir Douglas

während er den Pfarrer immer wieder durch den Rücken sticht

Ja, die Glocken! Läutet, läutet
die Glocken!

Pfarrer Arne

Stoßt Ihr mich? Was gibt's? Ich falle!
Das tut Ihr meinen neunzig Jahren? Oh! –

Pfarrer Arne bricht zusammen und stirbt. Eine augenblickliche Lähmung läßt alle verstummen.

Sir Archie

Was heißt das? Ist er tot?

Sir Douglas

Das will ich meinen.

Berghild

wirft sich in Sir Archies Arm

Hilfe! Ich will nicht sterben! Hilfe! Hilfe!

Sir Douglas

Macht's kurz, Sir Archie.

Sir Archie

Halt!

Sir Douglas

Dann laßt es mich tun.

Sir Archie

Niemand soll sie berühren, sag' ich, niemand!
Wer sie berührt ... ich sehe rot! – Ihr kennt mich!

Sir Donald

Herr, wenn Euch Trunk und Tollheit sinnlos macht,
so sind wir Manns genug, Gewalt zu brauchen.

Sir Douglas

Gewalt zu brauchen, ja, macht's kurz mit ihr,
denn leben darf sie nicht.

Sir Donald

Sie darf nicht leben.

Sir Archie

Du darfst nicht, hörst du, sagen sie. Du darfst nicht!
Du darfst nicht leben! und so stirb durch mich!

Berghild stirbt, von Sir Archie erstochen.

Sir Douglas

Jetzt heißt es waten, heißt es schwimmen, heißt
es übern Graben, an die Mauer! Pech
und Schwefel! Vorwärts! Leitern! Vorwärts!

Sir Douglas und Sir Donald stürzen davon durch die verhangene Tür. Noch steht Sir Archie, die tote Berghild im Arm. Elsalil ist in der Verwirrung vergessen worden. Mit großen Augen verfolgt sie alles, in den Hintergrund zurückgewichen.

Sir Archie

Heilige Maria, Mutter Gottes! Oh,
welch eine Last ist dies? Wo bin ich hier?
Und welcher Malstrom riß mich fort und spülte
mich hier auf diese blut'ge Sandbank? Oder
wer lockte mich, so wie ein Kind der Irrwisch,
in diesen Blutsumpf? Oder wie verstieg
ich mich in diese abgrundtiefe Kammer,
in diesen Schacht, aus dem in Ewigkeit
kein Rückweg ist? Vor allem: was, was sucht' ich?
Etwa die Last, die mir im Arm jetzt hängt?
Oh, weit gefehlt! Wie weit! Fast sollt' ich lachen.
Gold sucht' ich! Futter für Huren und für Würfel!
Fraß für gefräß'ge, liederliche Nächte.
Aber nicht das! Bei Gott, nicht dich! Nicht dich!
Schwer hängt sie, schwerer zieht sie mich hinab.
Laß los, du tote Jungfrau. Glaube mir,
die Wärme meines Leibes reicht nicht hin,
die weichende Lebensglut dir zu ersetzen.
Dafür vermählst du deine Kälte mir.
Wer hätte das gedacht, Sir Archie, wo
und wie du deine Hochzeit feiern würdest,
mit welcher Braut, an welchem Altar und
von welchem blutigen Pfaffen kopuliert!

Er läßt Berghild auf die Erde nieder und kniet neben ihr.

Müde. Ich bin sehr müde. Meine Glieder
sind seltsam abgeschlagen, taub und leblos.
Nicht sprechen und noch weniger denken! Wer
begreift dies? Dinget jemand, der im Schlaf
mich mordet! Durst! Mich dürstet nach dem Henker.


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