Moritz Hartmann
Reimchronik des Pfaffen Maurizius
Moritz Hartmann

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(Ein Gebet, welches der Leser hier einzuschalten und jeden Morgen zu wiederholen hat.)

        Komm, heiliger Nikel, uns erlöse,
Wir sind inbrünst'ge fromme Beter:
Nimm von uns alles dreimal Böse,
Nimm von uns unsre Landesväter.

Wohl blutig auch sind deine Hände,
Doch sind sie triefend nicht wie jene;
Du machst doch gnädig schnell ein Ende,
Du zeigst doch deine weißen Zähne.

Mach uns doch balde zu Leibeignen,
Mach uns zu russischen Provinzen –
Wir sind es doch, was nützt das Leugnen –
Drum denn, was sollen uns die Prinzen?

O, schick uns deine Millionen –
Nicht Rubel, die schon bei uns reisen,
Nein, nur Kosacken und Spionen,
Die uns im Glücke unterweisen. 193

O, mach es auch mit uns, den Kleinen,
Wie du's mit unsern Großen machtest,
Die du mit Gold und Staatsschuldscheinen
Alliirst und miethest, kaufst und pachtest.

Und nimm von uns die Heucheleien,
Die tödtlichen Gemüthlichkeiten,
Führ uns in deine Tartareien,
Daß wir dich preisen, die Befreiten!


                    Und kennen wir nicht die Majestät
Von Oesterreich – der Hofpoet
Ist uns doch jüngst bekannt geworden.
Er ist jetzt Einer vom Sängerorden
Der herrlichen Geburtstagsdichter:
Der Bäuerle, Zedlitz und all der Lichter
Der allgemeinen Theaterzeitung.
Bei Gott! Das kam ohne Vorbereitung,
Als plötzlich wir unter einem armen,
Schwarzgelben, holzweg-versigen Karmen
Den Namen eines Poeten lasen,
Der noch vor Kurzem mit tollem Rasen 194
Als »armer Mann« und Sozialist,
Als Atheist und Kommunist,
Als zerfahrender Poete sang,
Daß Einem das Trommelfell schier zersprang,
Als kleiner Tambour: Trarum, Trarum! –
Der Dichter aber heißt Karl Beck!

Ein guter Reim fällt mir hier wohl ein,
Der männlich ist, nach der Regel und rein,
Doch werf' ich ihn aus Anstand weg
Und füge lieber den schlechten ein,
Wiewohl ich stets in den Reimen fand
Viel weniger Zufall als Verstand:
Als wie in: Licht, Gedicht und Gericht –
In Kriechen und Siechen – in Knecht und schlecht,
In Wahrheit und Klarheit – in dumm und krumm,
In Herz und Schmerz – in Slaven und Sklaven,
In Deutsche und Peitsche – in Preußen und Reussen,
In Franzosen und Ohnehosen – in Polen und Kohlen –
In Bach und Schmach – in Schmerling und Sperling.) 195

Auch Carlos Beck hat, von der Macht
Des Reims gedrängt, seinen Kaiser gemacht
Und seinen Gefeierten zu einem Chinesen,
Wie wir's in jenem Opus lesen,
Zu einem Chinesen der Turandot.
Du dachtest gewiß nicht an Witz und Spott,
Du frommer Poet, doch hat dich gezwungen
Der kluge Reim. Der Vers ist gelungen.
Siehst du, so treibt der Teufel sein Spiel
Mit Neophyten: die thun gern zu viel
Und wollen ihren Eifer beweisen;
Man glaubt, sie wollen wie Hunde beißen,
So kriechen sie her auf allen Vieren,
Und wollen doch nichts, als hofiren,
Demüthig sich zu Füßen strecken
Und Speichel lecken.
Sie rufen, wenn sie zu Christus beten,
Jehova, Moses und die Propheten,
Und rufen auf dem Markt aus der Bude:
Ich bin ein katholischer Handelsjude. –
O Carlos Beck, was hast du gethan?
Du schämst dich nicht, der Habsburg zu nahn?
Von Ungarns »Schuld« zu deklamiren? 196
Vom »Recht«, zu hängen und füsiliren?
Bei allerlei Knaben und Vetteln
Um eine »Gnade« für Helden zu betteln?
Du schämst dich nicht, dithyrambisch zu leiern
Vom »Blühenden,« »Brausenden,« »Ununterjochten?«
Viel würdiger wär' es, ihn zu feiern
Als Unreifen, Rasenden, Unausgekochten!
Und besser ist's für ein Volk, zu verderben,
Als solche Milde und Gnade erwerben,
Ein Volk, das hat für sein Recht gerungen
Und das du selber einst hast besungen!

Doch recht' ich nicht mit ihm. In Wien
Ist's jetzt, zu kriechen auf den Knien,
Gewißlich sehr beliebte Mode;
Und Das war immer seine Methode,
Zu thun, was ihm die Mode befahl.
Vor langer, langer Zeit einmal
Sang er mit »Börne«spielendem Herzen,
Dann war er vor den Iden des Märzen
Republikaner und Sozialist –
Nach Ungarns Fall ist er Monarchist. 197

Er hatte niemals eigne Gedanken:
Ich sah ihn stets zwischen fremden schwanken,
Wie Buridans berühmtes Thier;
Doch biß er an, bald dort, bald hier.
Schon – da er als Himmelsstürmer blaß
»Auf des Gedankens Eicheln saß«,
Als »Sultan«, »Börne« und »Byron« war
Er mehr ein Rabe als »ein Aar.«
Er mag, wie er singt, sich freuen drum,
Daß »Heilig ist das Eigenthum
Jetzt ausgelöscht an allen Thoren
« –
Gedankenbesitzer, ihr seid verloren!

Fort, schlechter Witz und bittrer Scherz,
Macht Platz dem schwarzumhüllten Schmerz,
Denn eine Leiche hab' ich zu bestatten
»Auf ewig in der Wehmuth tiefen Schatten.«

Mich aber, Herr, laß in Schmach versinken,
Laß mich in einer Pfütze ertrinken,
Laß ewig mich in Verbannung wandeln,
Laß mich in Staatspapieren handeln, 198
Schick deine tödtlichsten Blitze nieder
Und mir aufs Haupt, – eh meine Lieder,
Mein Geist und meine Seele verwesen
Zu solchen »blassen Marseillaisen«.

Wie schöner ist dein trauriges Loos,
Gefesselter Sänger, der treu und groß,
Mit Wort und That, mit Lied und Schwert
Im heil'gen Kampfe sich bewährt,
Wie Körner und wie Foscolo,
Rouget Delisle und Chenier,
Und wie der herrliche Lord, der floh
Vor weisem Pöbel an Suniums See,
Um für den götterbevölkerten Strand
Zu sterben im Palikarengewand!

Mein theurer Gastfreund, Gottfried Kinkel!
Jetzt sitzest du im dunklen Winkel
Des Kerkers, trauernd wie Bonnivard.
O hoffe, daß auch deiner harrt
Ein Schicksal, so schön, wie seines war.
Es trug ihn eine jauchzende Schaar
Befreit hinaus ins befreite Land,
Ins Heimatland, das er nicht erkannt. 199
Er hatt' es verlassen in trüber Zeit.
Von Fürsten und von Pfaffen gedrückt –
Er sieht es wieder, froh und beglückt,
Von Fürsten und von Pfaffen befreit.
O, daß dir würde solch Geschick!
Und daß du balde gingest wieder
Durchs deutsche Land mit heiterm Blick
So frei und schön, wie deine Lieder
Durchs Volk von Herz zu Herzen gehn!
Ich fühl nun auch ein holdes Wehn,
Ich höre fernen Waldhornschall,
»O, schwing dich auf, Frau Nachtigall«,
Die deutschesten Lieder hör' ich singen,
Das ganze Wunderhorn erklingen –
Ich fühl', was mich zur Heimat zieht,
Denk' ich an »Otto den Schützen« – dein Lied.

    Es hat mich angeweht
Wie jene Blum' im Weine,
Die aus dem Kelch ersteht
Im schönen Land am Rheine
Und alle Sorgen jaget
Und alte Märchen saget. 200

Es ist ein frischer Klang,
So duftig und so golden,
Wie jener alte Sang
Aus Tristan und Isolden
Vom Straßburgischen Meister, –
Wie du auch Gottfried heißt er.

Die Quelle, wie sie rauscht,
Die Herzen, wie sie lieben –
Du hast sie beid' belauscht
Und hast sie hold beschrieben –
Der Quell – die Liebesleiden,
Du webst ein Lied aus beiden.

Und seine Melodie
Und seine Urwaldsfrische –
Mir wars, als sprächen sie:
Du Trauernder, o wische
Vom Auge das Verzagen,
Bald wird es heller tagen!

Wo solche Kraft gedeiht
Zugleich mit solcher Milde, 201
Kommt bald die freie Zeit.
Und kommt sie noch so wilde,
Sie wird sich mit dem Schönen
Bald schwesterlich versöhnen.

            Leb wohl, mein Dichter! – Fast ist dein Loos
Noch zu beneiden jetzt, da bloß
Die glücklich sind, die hinter Schloß
Und Riegel nicht den Nothschrei hören,
Der überall in Verzweiflungschören,
In wilden und dumpfen, steigt himmelwärts.
Erbeben wird einst der Menschen Herz,
Sehn sie auf unsere Tage zurück
Und auf das patriarchalische Glück,
Das uns die rötheste Monarchie
Gebracht nach besiegter Anarchie.

Ach, Opfer, Opfer und Opfer immer!
Allüberall Wittwen- und Waisengewimmer,
Die Kerker alle vollgestopft
Und Leid auf Leid gepfropft.
Das ganze Deutschland gleicht den Arenen,
Wo Leoparden, Tigern, Hyänen 202
Ward von des Lichtes uraltem Feinde
Dahingeworfen die heil'ge Gemeinde.

Und dann die kleinen Erbärmlichkeiten!
In solchen traurigen, schaurigen Zeiten,
Da wagen sie, stolz durch Deutschland zu schreiten,
Der Gagern und der Mathy – Beide
Mitschuldige an dem blutigen Leide –
Der Eine ein Nichts mit Augenbrauen,
Der Andre ein Etwas, das nicht zu schauen –
Doch Beide große Diplomaten,
Die liefen, als Gefahren sich nahten,
»Ja« sagten zu jeder Niedertracht
Und in Gotha krummen Rücken gemacht.
Da kommen sie, wie wir vernehmen,
Und lassen sich flott machen in Bremen
Und werden auf hoher See nun laufen
Und werden kaufen und sich verkaufen.
Kein gutes Prognostikon ist am End
Der Name, der für das Schiff gefunden:
Der »Gagern« und der »Präsident«
Sind Beide im leeren Nichts verschwunden.
Was liegt an Alldem? Ich weiß, daß in Bremen
Sich mußte der Judas im Keller schämen. 203

Ich wende mich ab vom kleinen Leben,
Von kleinen Menschen und kleinem Verderben –
In weiter Ferne seh' ich schweben
Das Bild von einem großen Sterben.
Will man am Großen und Schönen sich laben,
Muß man sich heut zu Tage retten
Zu Solchen, die da liegen in Ketten,
Oder zu Denen, die schon begraben.
Zu dir, du neuer Egmont von Flandern,
Will ich mit meinen Liedern wandern!
Graf Batthyanyi, durch schönre Lieder
Wird einst verklärt dein Angedenken –
Indessen mag sich dieses senken
Bescheiden auf deinen Hügel nieder.


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