Moritz Hartmann
Reimchronik des Pfaffen Maurizius
Moritz Hartmann

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Oesterreich.

                  Nein, fluchen will ich nicht, wo bald die Weltgeschichte
Auf Trümmern eines Reichs wird sitzen zu Gerichte:
Auf Trümmern eines Reichs, wobei der Nachwelt Kind
Aufjubeln wird und freu'n sich, daß sie Trümmer sind;
Auf Trümmern eines Reichs, die nur aus Zwingburgsplittern
Bestehen werden noch und aus gebrochnen Gittern.
Nein, fluchen will ich nicht – wie klein ist Menschenfluch
Für Den, der lesen kann in der Geschichte Buch,
Für Den, der glaubt und sieht, wie alle Unnaturen
Auf ihrer Stirne tragen des bald'gen Todes Spuren!
Nein, fluchen will ich nicht – denn ich bin zornig nicht,
Weil fest im Busen schlägt das Herz der Zuversicht, 158
Weil ich mich beug' vor dir, allmächtige Αναγκη,
Die du die Gottheit bist, die That und der Gedanke!

Ich weiß, ein Reich zerstiebt, daß es zerstieben muß,
Wenn auf dem morschen Thron sitzt ein Augustulus,
Und daß der Purpur ist von jeher schnell verblichen,
Wenn er den Moder hat verdeckt von Chilperichen.
Ob man ihn hundertfach auch tauch' in Völkerblut,
Der Purpurtrödel wird nie wieder frisch und gut;
Ob man die morsche Kron aufs Neue sucht zu schweißen
Im heißen Leid des Volks, sie wird doch stets zerreißen –
Unwandelbaren Schritts geht weiter das Geschick,
Einst war's der Major Domus, heut ist's die Republik.

Sie kommt, sie kommt heran, trotz euren blut'gen Helden,
Radetzky, Jellacic und Windischgrätz und Welden.
Ihr habt an Grausamkeit den Nikolaus beschämt,
Als er dem weißen Aar die Fittige gelähmt, 159
Und Alba, im Vergleich mit euch tauscht' er die Schlüssel
Der Stadt für Sanftmuth ein, als er gehaust in Brüssel.
Nur zu, nur zu, ihr Herrn! ihr büßet unbewußt
Bei eurem Henkermahl zum Letzten eure Lust,
Ihr sättigt euch im Blut des Volks, nach dem ihr dürstet –
Dieweil ihr liegt berauscht, wird wohl das Volk entfürstet.

Besprengt die Myrte noch so mancher Braut mit Thau
Vom Blut des Bräutigams – macht die Brigittenau
Zu einem großen Grab für Volk und Volksvertreter,
Mit Feuersbrünsten färbt den Himmel und den Aether,
Verkauft, verrathet sie, schlagt die Magyaren todt,
Und aus Kosacken macht euch Helfer in der Noth,
Macht einen König zu des eignen Volks Verräther –
Was kommen muß, das kommt – sei's früher oder später. 160

Abkehrt die Menschheit schon mit Ekel das Gesicht
Vom Moder, der wie Pest aus euch entgegenbricht;
Schon flieht der Glückliche aus eures Hauses Dache,
Daß ihn nicht treffe mit die drohnde Himmelsrache;
Schon krächzt das Käuzchen laut, verkündigend den Tod,
Und Ungarns Blut, es ist eu'r letztes Abendroth.
Wie kann es anders sein, da der Verstand euch fehlt,
Verstand und Herz für Das, was Welt und Zeit beseelt –
Kopflos war Ferdinand, und herzlos war der Franz, –
Der Erbe ihres Throns ist beider würdig ganz.

Ihr aber, Söhne der Gesittung und des Lichtes,
Bereitet würdig euch auf den Tag des Gerichtes,
Der jene Zwingburg, die Gesammtstaat Oestreich heißt,
Vom tiefsten Grundstein bis zum höchsten Thurmknopf reißt. 161
Ob man zertritt in Wien des Märzen Grabeshügel –
Der Tag braust doch heran mit purpurrothem Flügel!


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