Moritz Hartmann
Reimchronik des Pfaffen Maurizius
Moritz Hartmann

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Wiegenlied der ungarischen Mutter.

                    Schlaf, Kindlein schlaf,
            Dein Vater schlägt sich brav:
Großvater schlug den Türken todt,
Uns bringt der König selber Noth.
Herr Gott, o sieh auf unsre Leiden
Und schlag den König wie die Heiden!
            Schlaf u. s. w. – –

            Schlaf, Kindlein, schlaf,
            Dein Vater schlägt sich brav:
Der König hat noch blondes Haar,
Der König hat kaum achtzehn Jahr
Und ist schon, ach, so bös, so böse:
Erlös' uns, Herr, vom Leid, erlöse!
            Schlaf u. s. w. – –

            Schlaf, Kindlein, schlaf,
            Dein Vater schlagt sich brav:
Du bist doch immer besser dran,
Er muß 'ne böse Mutter han,
Die hat ihm böse Lehr' gegeben,
Er ließ uns sonst in Frieden leben.
            Schlaf u. s. w. – – 153

            Schlaf, Kindlein, schlaf,
            Dein Vater schlägt sich brav:
Er sitzt daheim bei süßem Wein
Im Sammt und Gold und Schmeichelein,
Im festen, festen, festen Mauern,
Dieweil wir armen Leute trauern.
            Schlaf u. s. w. – –

            Schlaf, Kindlein, schlaf,
            Dein Vater schlägt sich brav:
Er brennt uns unsre Hütten ab
Und macht aus Ungarn, ach, ein Grab,
Schickt uns Kroaten und Kosacken:
Wir aber tragen stolz den Nacken!
            Schlaf u. s. w. – –

            Schlaf, Kindlein, schlaf,
            Dein Vater schlägt sich brav:
Du wirst doch nie nicht ein Soldat,
Du bist kein Knecht wie der Kroat,
Du wirst ein Hirt bei wilden Pferden
Und dann ein braver Honved werden.
            Schlaf u. s. w. – – 154

            Schlaf, Kindlein, schlaf,
            Dein Vater schlägt sich brav:
Du wirst auch in die Schlachten ziehn
Und wirst ein Held sein wie Corvin
Und wirst so schön wie Kossuth sprechen,
Den Vater, wenn er fallet, rächen.
            Schlaf u. s. w. – –

            Schlaf, Kindlein, schlaf,
            Dein Vater schlägt sich brav:
Und wirst du kein berühmter Held,
Weil es zu schlimm wird in der Welt,
So wirst du doch in Waldesschauern
Auf unsere Verfolger lauern.
            Schlaf u. s. w. – –

            Schlaf, Kindlein, schlaf,
            Dein Vater schlägt sich brav:
Du träumst so süß in meinem Schooß,
Ach, wärst du nur erst stark und groß!
Vielleicht schon heute nahn die Schergen,
Wo soll ich dich, mein Kind, verbergen?
            Schlaf u. s. w. – – 155

            Schlaf, Kindlein, schlaf,
            Dein Vater schlägt sich brav:
Ja, wo versteck ich dich mein Kind,
Wenn diese Wände Kohlen sind?
Der König weiß nichts von Erbarmen! –
Sei still, du stirbst in meinen Armen!
            Schlaf, Kindlein, schlaf,
            Dein Vater schlägt sich brav.


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