Paul Haller
Marie und Robert
Paul Haller

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ERSTER AKT

Frau Schödler (aus der Kammer kommend, trägt einen altmodigen, mit Milch gefüllten Fliegenfänger von der Kommode auf den Tisch). Donners Fleuge! — Käin Augeblick het me Ruejh vor dene Chätzere! (Sie blickt durchs Fenster, spricht leise.) Hütt chunt er wider äinischt lang nid, i mues dänk bald sälber dr Chueh go luege!

Berteli (unter der Türe, bleibt schüchtern stehen). Grosi!

Frau Schödler. Aha, s ischt di. (Süßlich.) Chum du nume zue mr, mys Schatzeli. (Sie setzt sich in den Lehnstuhl, das Kind an ihren Knien).

Miggi (kommt rasch durch die Türe). Wit ächt cho enandernoh, de wäischt, as d nid do ie darfscht.

Frau Schödler. So, nid do ie dörfe? Wer het iez ächterscht das wider gsäit? (Miggi schweigt verlegen.) Use mit der Gsproch! Mäinscht, i häigs no nie ghört, as d au es Mul hescht, wenn d nüdrächts tuescht veruß? Wer het gsäit, ir dörfed nümm do übere cho?

Miggi. De Vatter.

Frau Schödler. Und d Mueter, gäl? Ruck numen us, i wil iez äinischt wüsse, was äigetli das z bedüte het.

Miggi. D Mueter hets au gsäit, de Vatter het gar wüescht to.

Frau Schödler. So, het er? Wüescht to het er? Was het er denn gsäit von is? Was cha de säge von eus, he? (Miggi sucht das Schwesterchen am Arm zu fassen, das sich eng an die Frau schmiegt.)

Marie (noch unsichtbar, draußen auf dem Hof). Miggi! — Berteli!

Miggi. Wit iez ächt cho oder nid? 102

Frau Schödler. Loh si nume lo rüefe, sie darf s scho sälber cho hole. (Miggi läuft hinaus.)

Marie (sieht durchs Fenster herein, über die blühenden Geranienstöcke). Sind r do inn, Burscht?

Frau Schödler. Si sind ame rächten Ort, bhüetis. — So, Schatzeli, chum du numen uf Gschoos, und mach mr es Äli. — Äli! Gäl, i han e schöni langi Nase?

Marie (kommt zur Tür herein). Grüeß ech, Frä Schödler.

Frau Schödler. Wi muesi iez ächterscht säge, Frä Haupmen oder Frä Großrot?

Marie. Ihr wüssed, as i das Gspött nid cha lyde. I ha dänk no nie anderscht ghäiße weder Marei.

Frau Schödler. Wer s Gält het, het au gärn de Name drzue. D Wält wirt sid nächt nid anderscht worde sy. Frä Haupme miech si halt doch gar paritätisch.

Marie (beleidigt, will mit dem Kind fortgehen). Chum, Chind.

Frau Schödler. Eh, Marei, Marei, stell doch iez echly ab byn is und bis nid so prüßisch mit eren arme Frau. Euseräis wäis halt nid, wi d Wörtli verdrähje, as si nid chräble. (Schmeichlerisch.) De wäischt jo, as d’ mr lieb und wärt bischt. Gwüß Gott, so wohr, as i dohocke, erscht nächt hani zum Robärt gsäit: Zäig mr äini i dr ganze Chilhöri, hani gsäit, wo s Rächt hätt wi d Marei, de Chopf uf z ha, und doch no nie käim arme Möntsch es Uwörtli ’geh hätt. S Gunteräri wo no furtgit hinden und vore, wenn s de Ma nid gseht. Also nüt für uguet, Marei, und tusigmol äxgüsi, we mr iez vorig wäg de Chinde s Mul überloffen ischt. 103

Marie. Worum wäg de Chinde? Sind sie grob gäg ech? I wäis scho, as sie mängs ufläsen uf dr Stroß, wo si dihäim nid ghöre.

Frau Schödler. Bhüetis, bhüetis, d Chind sim-mr lieb und rächt. Grad dorum, grad prezis wäge desse tuet s mr halt doch i dr Seel weh, as si iez nümm söle do übere dörfe.

Marie. Das müend r nid dewäg ufneh. Lueged, s ischt mr jo läid gnue, as s nid anderscht ischt, aber Myne wil s iez äinischt nid ha.

Frau Schödler. S ischt mr halt, we mr scho numen arm Lüt sind, si seige glych no so guet do as öppen i dr Wirtscheft oder süscht näume, wo s au nid immer häilig zuegoht. Und wäge desse, er ischt den au nid de Fynscht. Nüt für uguet, Marei, aber was wohr ischt, mues gsäit sy — er het si scho verfluecht und verschlagen im Schöpfli hind, wenn de Viertitäil wohr wurd, so geb s arm Tröpf usene. — (Leise, scheu nach dem Fenster sehend.) Gfluecht het er, gfluecht — de lieb Gott söl mi schtrofe, wenn s e Sünd ischt, Marei — aber d Fuscht han em gmacht hinderem Chuchilade; du Uflot! hani gsäit, wenn s di nume sälber tref, was dynen äigne Goofen agweuscht hescht. Settig Chind, hani dänkt, suber und brav wi d Mueter, prezys nid anderscht, und d Mueter, hani dänkt — das säitti jo gwüß Gott ekäim Möntsche, Marei, de darfscht mr s glaube — d Mueter wirt au gnue müesse lyden um di umen und verdienti doch besser as käini zäntume, as si s Glück hätt uf Ärde früejh und spot und äinischt im Himelrych, Ame. — Ame, Marei, Ame, s ischt mr gwüß nid anderscht, de bischt mr jo immer di fynscht und liebscht gsi, i müeßt lüge, wen i öppis anders wett säge. 104

Marie. De Theophil ischt rächt gäg mr, Frä Schödler, i ha mi nüt z chlage. As er mängischt chönnt hübschliger tue mit de Chinde, säb wäisi guet gnue. Aber wen äin es großes Gschäft het, bald furt, bald dihäim, Sorgen und Erger — und überhaupt, es ischt jo nid s erschtmol, as r mi wänd ufwyse gäg em und das ischt nid rächt von ech.

Frau Schödler. Ufwyse? I und ufwyse? E bhüetis de lieb Häiland! I will jo gwüß nüt gsäit ha. I han es dumms Mul, Marei, e rünnigi Schuefe, wo s Wasser nid cha halte. Mir ischt er jo lang rächt, bhüetis. Was goht s mi a, was d Vögel änevör am Hag pfyfe? Er ischt jo dr Erscht i dr Gmäi und hätt s Rächt, ganz anderscht z tue, wen er wett. Und en gueten ischt er au. Het er is nid Gält glehnet, im Vatter sälig scho, won er het müesse boue? Mr müend s für e Gnad ha, Robärt, hani scho mängischt gsäit, as mr dörfe do i dem Hüsli inn sy. Und wen er iez meh Zeis wil, zahl s doch, hani gsäit, i bi mynerläbtig do inn gsi und do inn wili au stärbe, wenn s Gottswill ischt.

Marie. Ischt das wohr, ischt er ech ue mitem Zeis?

Frau Schödler. He nächt het de Robärt wüescht to a drwäge; aber s wirt em nid ärnscht sy; vilicht het er mi nume welle verschrecke, de tusige Donner. Er het s den erscht no mängischt im Chopf, di alt Mueter uf d Gable z neh. Das wil em iez aber ytrybe, das mues er iez wüsse, de Schwärnöter, de tusige!

Marie. Wenn s aber glych ärnscht wer? Ihr sind jo au no chrank gsi, Frä Schödler, und s Gält lyt nienen a de Hüfe. Ihr händ gwüß nüt Vorigs, wenn süscht scho alls ufschloht. 105

Frau Schödler. Ebe wäge desse wirt er s halt au bruche, de Theophil. Wen äine Hüser het und Gält uslehnet, chan er nid immer de Guet mache. Mr wärde halt müesse dry byße, wenn s scho en suren Öpfel ischt, wäger Marei. Wen i nume nid immer sälber no bruchti für mys Bäi. En settige Wassersack hescht aber au bim Tüner no nie gseh; grusig isch es, wit luege, Marei? (Sie jammert plötzlich laut auf, übertrieben, berechnend.) O myn Gott und Vatter, as i au das no mues erläbe, son es erschröckligs Unglück! Immer am Stäcke, Marei, und weißen und d Zänd verbyße, as me nid lut usebrüelet. All Tag wetti stärben und cha nid. Mynerläbtig käin Dokter ’brucht und iez dewäg. Türi, türi Mittel und käin Möntsch, wo verdienet, as de Robärt und de wil furt is Amerika. O Marei, was ischt au der Möntsch, daß du seiner gedänkescht und des Möntschen Kind, daß du di syner animmscht? Jo, wen i di lieb häilig Bible nid hätt, i müeßt verzwyflen und verzagen oder stärben und Gott verflueche wi Hiob sälig — ungschroue gsäit. Ungschroue gsäit, Marei, er ischt jo dänk immer no am Läben und wirt hälfe, wenn di Not am gröschte. (Sie fällt mitten aus dem Jammer in den alten Ton zurück, schmeichlerisch, zudringlich.) Er wirt jo öppen au uf di lose, wenn d is wettischt z bescht rede wägem Zeis, öppen äinischt am Zmorge, wen er guet gschlofe het. (Man hört draußen Männerstimmen, Peitschenknallen, Lärm der Heimkehr.)

Marie. Adie, Frä Schödler, iez muesi gwüß go. Chum Chind!

Frau Schödler (betroffen über den plötzlichen Aufbruch). Darfscht öppen au nümm do äne sy, wen er häi chunt? 106

Marie (leicht errötend). Dumme Züg, es ischt niemer i dr Wirtscheft, i mues gwüß go luege. Händ Sorg zu euem Bäi, und wenn r öppis bruchet, so säged s.

Frau Schödler. I säge s jo, du bischt immer no di Bescht mit mr. Nimm emel um s Gotts Wille nüt für uguet, Marei. I wil nüt gsäit ha, nüt hani gsäit. I han es dumms wüeschts Mul, lueg, i mues mr all Tag druf haue. — Los, iez chunt euse Bueb ab der Arbet. Blyb iez no do und säg em gueten Obe. (Sehr schmeichlerisch.) Er gseht di drum immer no gärn. (Marie faßt das Kind und geht rasch gegen die Türe.)

Robert (eintretend, bleibt hart vor ihr stehen. Er spricht trocken, fast mürrisch). n Obe.

Frau Schödler. Robärt, d Marei in eusem Hus inn! Das ischt e Freud und en Ehr, das hett s dr emel nid traumet. (Berteli macht sich von der Mutter los und läuft wieder zu der Frau zurück, die sich mühsam erhoben hat.) O du Härzchäberli, du Schatzeli, du Ängelsflügeli! Chum, s Grosi het dr öppis i dr Chamer, en Öpfel, en große, rote. (Sie humpelt mit dem Kind in die Kammer, Marie und Robert beginnen nach einer kurzen Pause der Verlegenheit.)

Marie. Iez mues di gwüß öppis froge, Robärt. Goht s ech schwer mit em Zeis und was het Myne gsäit?

Robert. Mit em Zeis? Wer redt vo dem?

Marie. I wäis jo, as d is schuldig bischt, aber mäinscht, de Theophil säitti es Wörtli drvo? I wett s gärn wüsse, Robärt.

Robert. Het d Mueter s Mul offgha? Glaub ere doch nüt, de wäischt jo, wi si redt.

Marie. Vil het si nid gsäit; aber wenn nume das wohr wer, so wer s mr nid rächt. 107

Robert. Frog dyn Ma, was hescht do hinden ume cho z frögle?

Marie (an sich haltend, beinahe weinend). Druckt er di? Ischt er hert gäg dr?

Robert. I ha no nie aghalte, er söl wäich sy. Euseräim mache d Here nid Büsbüs, und erscht rächt nid, we me schuldig ischt.

Marie. Ischt er dr ue mit em Zeis?

Robert. Jo, wenn d s wit wüsse, und ’dräut het er mr.

Marie. Uf mi lost er halt nid, i cha gwüß nüt drfür.

Robert. Wer säit öppis vo dem? Aber rächt isch es mi Seel nid.

Marie. I ha s nie bös gmäint mit dr, Röbi. I ha dr z bescht gredt, so lang i ha dörfe.

Robert (höhnisch). So lang i ha dörfe? Darfscht iez öppe nümm?

Marie (leise, scheu um sich blickend). Du, ischt Myne häicho vorig, bischt du mit em cho?

Robert. De Fuehrmen isch es gsi mitem große Läiterwage. — Was hescht, was ischt mit dr?

Marie (an der Türe, sich umwendend). Los iez no gschwind. I wil dr hälfe, i cha s nid dewäg lo goh mit dir und mym Ma. Gält cha dr geh und de muescht nid so stolz sy. Nume lehne, de gischt mr s wider, wenn s meh Verdienscht ischt. — Dr Mueter zlieb, Röbi, as si cha do inn blybe.

Robert. Wo wettischt du Gält härneh?

Marie. Das ischt my Sach. Nimms nume.

Robert. I wil aber käi Hülf us euem Hus use, hescht ghört und verstande? ’bättlet hani no nie.

Marie (lächelnd). I mues jo vor dir bättle, nid du vor mir. Mäinscht, es seig mr nid au ugwonet? 108

Robert (nach einer Pause). Es stöhnd do no ander Sache drzwüsche. Es blybt drby, i wil nüt vo dr.

Marie. I ha gmäint, vo mir chönntisch es wol aneh.

Robert. Vo dir? — Vo dir am alleriwenigschte.

(Marie geht mit gesenktem Kopf ohne Gruß aus der Türe. Aus der Kammer führt ihr Frau Schödler das Kind nach bis in den Gang. An der Schwelle:)

Frau Schödler. So, Annebäbeli, lüpf dys Bäi! (Während des Folgenden geht sie ab und zu, Teller und eisernes Besteck auf den Tisch deckend, an den Robert sich gesetzt hat. Er hat Geld vor sich gelegt, eine Schiefertafel von der Wand genommen und rechnet.) Au! — Wenn das Bäi äinischt wett guete! — De Chinde go s Hus verbiete, de Hochmuetsesel! Er wirt mäine, si seigen us anderem Dräck gmacht as euseräi. — Und si wirt wol au drhinder sy — äba, Tüfel, wo wett er si dem aneh? — Aber schlau, schlau, go d Goofen abrichte, de Ma wel s nid ha! — Er verdienet doch no an is, und s Hüsli chunt er äinewäg äinischt über, gang s wi s wel. Aber si hätt is gärn furt, me wäis jo worum. — Au! — s bös Gwüsse, s bös Gwüsse ! Es Wort ischt halt es Wort, seig s gschriben oder nid. Ich danke dir Gott, daß ich nicht bin — — i wurd mi mynerläbtig und zweu Johr drüberuse schäme, nume de chly Zähjen in es Hus ie z ha, wo me mr chönt vorha, i häig — — — (zu Robert.) Sid wenn hescht du a me Frytig Zahltag?

Robert (ohne aufzublicken). Ir gsehnd s jo, sid hütt.

Frau Schödler. Das ischt dänk iez di neu Mode, as men am Samschtig au nümm schaffet?

Robert (rechnend). Schwyged, i mues Ruehj ha.

Frau Schödler (für sich). Won i ame no bi go verdiene — — (Zu Robert.) Du, de Zahltag a me Frytig, das ischt mr doch afen öppis gspässigs das! 109

Robert. Das ischt, as me s nid versuft am Samschtig z mittag, begryfed r das nid? So säit men iez efangen im Arbäiter, was er z tue het. De Here lauft käine noh go luege, wo s Gält hichunt. (Die Rechnung abschließend.) Füfzäh Fränkli hani no vom ganze Monet, wen alls ’gangen ischt, was goh mues. Iez no de höcher Zeis, denn hani no zächni. Ihr wärdet dänk au no öppis welle.

Frau Schödler. Nume wäg dene donners Guttere, wo doch nüt nütze. O du myn Troscht, Röbi, heb doch au Verbärmscht mit dyner alte Mueter!

Robert. Mir tuet s dänk wehser as euch.

Frau Schödler. O häje, häje, men ischt den äigne Chinde nüt wärt, we me nüt meh verdienet.

Robert (steht auf und geht immer aufgeregter umher, während seine Mutter sich in den Lehnstuhl fallen läßt). Us dem Züg muesi iez äinischt usecho, das ischt win en Stäi uf mr. De mues emol abe. Schnufe wili chönnen und verwürge lohni mi nid. (Drohend.) Du do äne! — Und ihr det inn!

Frau Schödler. Jo, wenn die do änen äinischt im Tüfel zue — — Wenn s doch Gotts Will wer, as mr nume chönnte Ruejh und Fride ha.

Robert. Zäh Johr lang obsi schwimmen und immer nidsi cho! Hätt doch de Vatter de chly Finger nie ’geh — iez hocki do und bi a’bunde win es Haupt Veeh a dr leere Chrüpf, und i dr Stadt inn hätti z läbe besser weder en Ysebähndler. Si wüsse s wol, d Here, as mr müend um de Batze froh sy do uß, drum häm-mr eson es Hungerlöhli.

Frau Schödler. A dem loht si nid rüehre, Röbi. Euserläbtig het dr Arbäiter nid chönne säge, was er für Loh wel. 110

Robert. Grad wäge desse — — äin eläiggen ischt nüt. Zämestoh mues men und säge: Iez, wänd r oder nid? S Rächt wäm-mr, nüt as s Rächt; zum alleriwenigschte, as mr nid mit de Säune z Wäid müend. Und wenn si s nid us guetem gänd, ufstoh mues men und sälber neh.

Frau Schödler. Her Jesis doch au, wer wett dewäg rede!

Robert. Lang gnue sind d Heren obenuf gsi, iez chunt dr Arbäiter a d Rähje. Grächtigkäit mues sy uf dr Wält und käine söl meh ha weder dr ander. Wer wil iez no de Chopf z Bode ha und Rappe zämeläse? Wer wil si ufrichten und frei wärde? Wer wil dehinde blybe, wenn dr Arbäiter ufstoht und säit : I bi au no do?

Frau Schödler. Was wänd r, was söl das geh? O du myn Troscht, was für es Unglück!

Robert. Sträike wäm-mr, Mueter, und äinischt en Hoselupf mache. Luschtig, luschtig, Buebe, das git en Schwinget! So öppis händr no nie gseh in eusem Hinderwald. (Geheimnisvoll.) S ischt äine cho, Mueter, vo wyt us dr Stadt, de wäis wi s goht. De het ene s gsäit, dene Burschte, wo immer nume Jo säge zu allem und d Fuscht im Sack mache. Use mit dr Fuscht! het er gsäit, und zämegstande! Ihr mäined, ihr seige di erschte, wo s woge? Chömed i d Stadt ie cho luegen und lueged im Dütschland äne! Händ r käini Ohren und ghöred’r nid, was goht i dr Wält? E neui Zyt ischt iez und öppis anders mues wärde. Wi händ die alten Äiggenosse gsunge? Freihäit, Glychhäit und Brüederlichkäit! Aber wo ischt das hicho? Wo händ si s versteckt, wo gsehnd’r s, wenn’r umeluege? Gstole händ si is das, und iez häißts luege, wi mr wider 111 zu euser Sach chöme. Nid die, wo z Bärn obe hocken und nid di ryche Here z Züri uß wüsse hüttigstags, was Freihäit ischt. Aber s Volch wäis s und dr Arbäiter isch s Volch. Und wenn si s nid wüsse, so müem-mr ene s zäige. Schrybe chöne mr nid und d Tinten ischt nüt wärt. Aber mit der Tat müem-mr s wyse, d Händ zäme, ufstoh wi äin Ma und säge:
Das ischt Freihäit: de Chopf dörfen ufha.
Das ischt Glychhäit: z ässe für alli.
Das ischt Brüederlichkäit: numen äinerläi Möntsche.
So het er gsäit und so wäm’mr s iez probiere.

Frau Schödler (die schon lange vor sich hingeweint hat). He du allmächtiger Gott! — O du allmächtiger Gott!

Robert. Was ischt iez do z brüele drby? Fortschritt mues sy, do cha niemer nüt säge drgäge.

Frau Schödler. Fortschritt im Tüfel zue! Do het er Freud, wenn si chömen und bredigen und broleten und nid gsehnd, win er ene die lang Nase macht.

Robert (nachdenklich). Ir müend s au gspüre, wen i äinischt de dopplet Loh bringe.

Frau Schödler. Und bis dar? Was muesi choche, wenn du e käin Zahltag bringscht?

Robert. A dem isch es nonig, wenn ir numen au wetted lose. Und überhaupt, bschlossen ischt no nüt.

Frau Schödler. Dänk a d Mueter, Röbi, dänk a dy alt Mueter!

Robert. Das ischt mr doch au es Tue das! Wen i nid an ech ’dänkt hätt, i wer mi Seel nümm do. Furt weri scho säbmol, und weri nume ’gange, so weri iez us dem Züg use und chönnt d Bäi stelle win i wett. I lyde s nümm und träge s nümm, das Gchähr und das Zwyer und das ewig Undedure. 112

Frau Schödler. Säbmol hescht aber nid wäge desse furt welle.

Robert. Wäg dr Marei, i ha nüt drwider. Aber s äint hilft im andere. Das hätt mr sölle de Wäg zäige.

Frau Schödler. Wäg dr Marei hescht welle goh und wäg dr Marei bischt ’blibe.

Robert. Was söl das häiße?

Frau Schödler. I wil nüt sägen und nüt gsäit ha. Aber gärn gseh tuescht si iez no und wenn si dr s no so schlächt macht und di druckt und drängseliert, bis mr usem Hüsli sind, de hangischt ere glych a dr Schäube.

Robert. D Marei druckt und drängseliert mi! Ihr händ wider di fynscht Nase, Mueter. Und de Theophil? De sött dänk de bescht Fründ sy mit mr? He?

Frau Schödler. Du kennscht s Wybervolch nonig, Bueb. Wart, bis d äinischt gägem Sibezgischte gohscht. Isch si nid vorig do ie cho und het welle wüsse, wi s stand mitem Zeis und öb mr s no lang möge präschtiere? Was het die in eusem Hus inn z tüend, he? Hescht gmäint, si seig wäge dyne cho schmöcke?

Robert. Iez hani gnue, Mueter, iez höred uf, wenn r wänd Fride ha.

Frau Schödler. Hüttigstags ischt äini usgschämter wo ischt di ander; und früejhner het me no öppis ufem Wort gha.

Robert. Uf mi hätt si no feuf Johr müesse warte. — Si hets wäge desse nid nume guet däne, das wüssed r so guet as i. (Setzt sich mit gestützten Armen an den Tisch und hört nicht mehr auf die Mutter.)

Frau Schödler. S git e Grächtigkäit, i säge nume das und furt wil si di ha, furt abem Grund und em Hüsli. 113 Aber mr tüend s nid, mr heben is, mr löhnd is s nid dewäg mache. Das tuescht mr s Gottswille nid z läid, Bueb, as i do use mues. Sträik mynetwäge, so lang as d wit, nume das nid, Röbi, nume das nid!

Robert (für sich). Do nützt s iez nüt meh, z studiere. Öppis mues goh, öppis mues gmacht sy.

Frau Schödler (für sich betend). Unser Vater, der du bischt im Himmel — us dem Hus use gohni nid, i dem Hus wili stärbe. Gehäiliget werde dein Name — zu uns komme dein Reich — mynen isch und myne mues s blybe. Liebe Häiland, wenn s au de Vatter wüßt!

Robert (immer noch für sich). I bin en Burebueb, i ha s no nie mit de Heren ufgnoh.

Frau Schödler. Wenn s au de Vatter wüßt — — liebe Häiland, wenn s au de Vatter wüßt — — — wenn s au de Vatter — — — — (auffahrend.) Los, was ischt das? (Ein Lied erklingt auf der Straße, von ungeschulten Männerstimmen trotzig gesungen.)

Robert. Si chöme.

Frau Schödler. Wer chunt?

Robert. Si sträike.

Frau Schödler. O du Allmächtiger — — de Bös, Röbi, de Bös! (Die Mutter will sich an Robert festklammern, er stößt sie weg und steht am Tisch, gespannt horchend. Die Arbeiter halten draußen, man sieht sie durch’s Fenster. Schritte im Gang. Beim Eintritt der Männer geht die Mutter langsam, sich scheu umblickend, der Kammer zu. Zwei Arbeiter, wie Robert aus bäuerlichen Verhältnissen, aber mit Spuren der Fabrikarbeit, treten ein. Der erste steht im mittleren Alter, der zweite ist jung.)

Erster Arbeiter. Schödler, mr händ agfange, mr wänd de Hoselupf probiere. 114

Robert. Was wänd’r do uß? I dr Fabrik inn müend’r afeh.

Erster Arbeiter. Versammlig häm-mr hinecht i dr Eintracht. Morn söls no gschaffet wärde, aber am Mendig müend alli Rad stillstoh.

Robert. Wer het iez das bifole?

Erster Arbeiter. De Vorstand mäint, iez seig de rächt Augeblick, iez mües die Aktion ysetze. Hinecht wäm’mr s bschlüße.

Robert. Do häm’mir dänk au no öppis zsäge drzue.

Zweiter Arbeiter. Wit du öppe nid, bischt du äine vo dene?

Robert. Das hani nid gsäit, aber bsinne wili mi.

Erster Arbeiter. Bsinne? Was bsinne? Hescht nid nächti gsäit, iez seig s fertig und usbsunne?

Zweiter Arbeiter. Wart nume, i wil em scho uf d Spur hälfe. Wäischt worum di de do äne, de Wirt, eso i de Fingere het? Wil er mit de Here dinnen am glyche Säil zieht! Hescht no nie gseh, wi si zuen em i d Herestube hocken und guete Wy trinke? Wägem Wy und wäg de Forälle? Näi, wäge dynen und dym elände Blätzli Land do. Das wer ene grad guet gnue für d Stroß i di neu Fabrik hindere, wo si wänd ufstelle. Loh si nume machen und Forälle frässe, de gsehsch es denn scho, wenn dr de Wirt dyni paar Tusigi chündt. Do holt de Bartli de Moscht, wenn d’s öppe nonig gwüßt hescht.

Robert. Wen i sträiken und s fehlt, so näme si mi erscht rächt i d Zange.

Erster Arbeiter. Wer säit, es fehli! We mr zämehänd und nid lugglöhnd, so wirscht gseh, wi si s schlucke. Aber nid en äinzige darf uf d Syte stoh. 115

Zweiter Arbeiter. Churz und guet, wit oder nid?

Robert. So gsprängt wirt s nid müesse sy? I han emel no nüt gsäit.

Zweiter Arbeiter. Gsäit hani nüt und gsäit wili denn nüt ha! Hescht d Mueter nonig gfroget, öb d dörfischt? Gang doch, spring, mr wänd warte.

(Man hört draußen Lärm und Gesang.)

Robert. Hinecht gsehnd’r denn, öb i chumen oder nid.

Erster Arbeiter. Dewäg chunscht is nid drus. Nimm Vernumft a, Robärt, und loh di ruehjig lo brichte. Lueg, i bi iez en vierzgjehrige Ma, ha Frau und Chind und wäis doch bigott au, für was i uf dr Wält bi. Hescht mi scho ghöre großi Wort mache? Aber was sy mues, mues sy und ewig cha s nid go, wi d Here wänd.

Robert (in Seelenqual). Rächt händ’r, tusigmol rächt — — aber i cha nid.

Zweiter Arbeiter. Denn wäm-mr dr zäige, was wir chöne. (Die Faust erhebend, drohend.) Lushund, Jo oder Näi?

Erster Arbeiter (den Kameraden zurückhaltend). Mach käini Faxen und heb Ruejh! (Zu Robert.) I chume morn no äinischt, denn wäm’mr eläigge rede.

Robert (leise, aber bestimmt). De bruchscht nümm z cho, Häiri, i sträike nid.

(Draußen erhebt sich Gejohle, ungeduldiges Rufen. Der zweite Arbeiter will sich auf Robert stürzen, wird aber vom ersten gehalten und aus der Türe gedrängt. Von außen klingt Geschrei und trotziger Gesang, ein Stein fliegt ins Fenster, dessen Scheiben klirrend ins Zimmer fallen. Robert bleibt zusammengesunken stehen, bis die Arbeiter abgezogen sind.)

Vorhang

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