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Neunzehntes Kapitel.
Auf den Kaiserpalästen


In der ewigen Stadt Rom häufen sich Trümmer auf Trümmer. Nicht als ob wir dem geneigten Leser damit sagen wollten, es beabsichtige jemand, Ruinen anzulegen, wenn er die alten Schutthaufen ebne, um ihrer prachtvollen Lage willen dort mit neuen Marmorquadern seinen prächtigen Palast, oder mit alten Steinen, die er zufällig findet, sein bescheidenes Haus zu bauen. Nein, das kommt alles von selbst und ist einmal so der Lauf der Welt, daß aus dem Steine allerlei Moose und andere genügsame Kräuter entsprießen, daß diese zu Erde werden und nun einen besseren Grund abgeben, um kräftigeren Pflanzen zum nährenden Boden zu dienen, oder daß wir auf dem verschütteten Keller unseres Vorfahren ein neues Fundament legen, um unser Haus zu bauen, dessen Trümmer dann später für unsere Nachkommen wieder Steine liefern werden für neue Fundamentmauern.

Aber dieses Auf- und Uebereinanderbauen ist wohl nirgends so sichtbar und tritt wohl nirgends so malerisch schön vor unsere Augen, als hier in Rom, wo Generationen den Staub vergangener Generationen geathmet und nun selbst zu Staub geworden an den Fußsohlen anderer Generationen klebten, deren Staub dann wieder zwischen den Rädern unseres Wagens empor wirbelt.

Wer hörte nicht von den Cäsaren-Palästen und von den Thermen des kaiserlichen Roms? Nur einzelne Gebäude in der gewaltigen Stadt und doch wieder selbst Städte vom ungeheuersten Umfange! – Städte mit Spiel- und Uebungsplätzen aller Art, mit Sammlungen von Kunstwerken und Bibliotheken, den Reichen und dem Volke zu jeder Jahres- und Tageszeit alle Genüsse, Annehmlichkeiten und Belustigungen des raffinirtesten Lebens bietend, mit Bädern, mit unabsehbaren Säulenhallen zum Spazierengehen, alles das strahlend in grenzenloser Pracht, von Marmor, edlen Steinen und Metallen. – Und nun vergangen, zerfallen zu Schutt und Trümmern, zusammengestürzt und begraben unter Staub und Erde! Und die weiten Flächen, welche später wieder geebnet wurden, sahen neue Prachtbauten entstehen, zu denen man das, was die Erde aus alter Zeit bewahrte, als Steinbrüche benutzte, um neuere größere und kleinere Bauten aufzuführen.

Und so häuften sich gerade hier Trümmer auf Trümmer, und für den, welcher einmal hier oben stand, aus leicht begreiflichen Ursachen. Denn eine Fernsicht, wie sie sich hier dem Auge bietet, hat man nicht leicht von einem andern der sieben Hügel Roms. Da liegt die ewige Stadt vor uns, vom Capitol bis zu den Thermen des Caracalla, und über diese malerischen Ruinen hinweg schauen wir auf die prachtvoll gefärbte Campagna gegen das Meer hin und lassen südöstlich die entzückten Blicke auf den wunderbaren Formen der tiefblauen Albanergebirge ausruhen.

Ja, zum Ausruhen ist das Terrain hier oben wie geschaffen, zu einem süßen, seligen Ausruhen, wobei alles, was uns in den vergangenen Tagen geschmerzt und gequält, zurückweicht, sich höchstens zu einem angenehmen Weh gestaltet.

Die tausendjährigen Trümmer der Werke des mächtigen Volkes, die unter unsern Füßen begraben liegen, zürnen uns nicht; im Gegentheil, sie sind unsern neuen, gegen sie betrachtet kleinlichen, Anlagen günstig, und der uralte Boden, der früher die stolzen Marmorhallen trug, nährt nun freundlich dichte Lorbeerbüsche, Myrthen und Oleander und so zauberische Rosengärten, wie man sie nirgend wo anders sieht.

Schreiten wir dort durch Trümmer von Mauern und Pfeilern in ungeheuren Dimensionen, die umgeben sind von der frischen Vegetation neuerer Gärten und Weinpflanzen, – Trümmer aus röthlichem Gemäuer bestehend, das von dichtem Epheu umrankt ist, und umkränzt von zarten Rosen, die von einem weichen Lufthauche bewegt, uns wie träumerisch entgegennicken. Ein wohl unterhaltener, zierlich zwischen den Ruinen geschlungener Fußweg zeigt uns Spuren fleißiger Menschenhände. Folgen wir ihm und dem Rosengehege an seiner Seite, er wird uns freundlich führen. Dort sehen wir auch schon vor uns eine Gruppe dunkler Cypressen und daneben ein kleines Haus, so süß träumerisch versteckt liegend zwischen Orangenbäumen, Myrthen und blühendem Oleander. Wir umgehen leise das elegante Casino und kommen an den Hof desselben, der mit Benutzung alter Säulen und Trümmer so entzückend und malerisch angelegt ist, daß wir augenblicklich mit einem Ausruf der Ueberraschung stehen bleiben. Dieser Hof ist eine kleine Terrasse, deren Ende eine uralte steile Mauer bildet, mit einer neuen zierlichen Brüstung als Schutzwehr versehen. Die alten Säulen und Pfeiler, von denen wir so eben sprachen, sind zu einer der zierlichsten Veranden verbunden, über welche hellgrünes Weinlaub herabnickt, während sich vom Fuße der Steintrümmer blühende Rosenbüsche aufwärts schlingen.

So bildet das Grün der Weinlaube einen phantastischen Rahmen über die geöffnete Terrasse. Dort hinaus schauen wir in eine Fülle tiefgrüner Lorbeerhaine, zwischen denen schwarze Cypressen emporragen; da sehen wir lichte Gärten mit weißen freundlichen Gebäuden; da schauen halbversteckt aus dem lieblichen Grün blühender Orangenhaine die braunschwarzen, zerklüfteten Trümmer des Colosseums von der Tiefe zu uns empor. Da erhebt sich aus der Terrasse selbst eine leichte Marmorschaale in eleganten Formen und spritzt einen klaren Wasserstrahl in die warme, duftige Frühlingsluft. Da – –

Am Eingange des Casino's, im Schatten der Weinlaube, all' das unbeschreiblich Schöne vor sich, das wir mit schwachen Umrissen zu schildern versucht, steht ein alter Steintisch – es ist eine röthliche Marmorplatte auf einem weißmarmornen Capitäl – und an diesem Tische sitzt ein kleiner Mann, der den Kopf in beide Hände gestützt hat, aber nicht aus Müdigkeit oder Unlust, sondern weil er auf diese Art bequemer in einem Zeitungsblatt lesen zu können glaubt, welches vor ihm aufgeschlagen liegt.

Aus diesem Zeitungsblatte liest er einem Andern laut vor, der sich an der andern Seite des Tisches befindet. Wir kennen ihn wohl, den Andern, und wenn auch seine Gesichtsfarbe noch sehr bleich ist, so haben doch seine Augen jenes unheimliche Feuer verloren, womit er damals alle erschreckte, die er anschaute. Sein blondes Haar ist sorgfältig gescheitelt, er trägt einen einfach grauen Rock und einen grünen Kragen und hält seine feinen weißen Hände gefaltet auf den Knieen. Auch das Zucken um seine Mundwinkel hat sich verloren, und wenn sich diese hin und wieder bewegen, so bilden sie ein stillzufriedenes, wir möchten fast sagen, seliges Lächeln, das aber auch wohl seine wohlbegründete Ursache hat. Worin diese Ursache besteht, sollten wir den geneigten Leser eigentlich errathen lassen; da es uns aber schon so oft zum Vorwurf gewacht worden ist, wir liebten es, uns beim Schluß der wahrhaftigen Schilderungen einer unmotivirten Kürze hinzugeben, so wollen wir denn sagen, daß die Ursache dieses seligen Lächelns des Tannhäuser neben ihm an seinem Stuhle lehnt, daß sie sich ein Vergnügen daraus macht, von einem Orangenbaum duftende Blüthen abzubrechen, die sie auf ihn herabfallen läßt, und daß diese Ursache eine liebe Bekannte von uns ist, die wir als verschlossene Rosenknospe verließen, und die nun in voller Pracht aufgeblüht frisch und duftig in ihrer Liebe und Schönheit alles gehalten, was sie versprochen.

Der kleine Mann, der die Arme auf den Tisch gestemmt hat, wirft einen freundlichen Blick auf die Beiden hinüber, zuckt dann mit den Achseln und sagt: »Es ist wahrhaftig eine Freude für einen gewissenhaften Vorleser, sein Geschäft zu versehen, wenn er an euren Kindereien wahrnimmt, daß ihr doch nicht bei der Sache seid.«

Der Tannhäuser nickte begütigend mit dem Kopfe, worauf er zur Antwort gab: »Du hast recht, Wulf; aber ehe du anfingst vorzulesen, hast du uns ein Resumé des Ganzen gegeben, das wohl im Stande war, mich in angenehme Träumereien zu versenken, und das mir – verzeih, wenn ich die Wahrheit spreche – fast alles Interesse für die Einzelnheiten benommen.«

»Und ich bin leider einmal der gute Kerl, der dir immer Recht geben muß,« sagte der Andere lachend und damit patschte er mit der flachen Hand auf sein Zeitungsblatt. »Was kümmert uns auch eigentlich die Entrüstung manches ehrlichen Landsmannes, der all' seine Lobsprüche, die er dem Fremden vermiethet hat, auf dich gezwungener Weise übertragen muß. Aber etwas kann ich dir nicht erlassen,« setzte er mit dem bekannten Blinzeln seines linken Auges hinzu. »Paß einmal auf, was sie jetzt an den Bildern des so berühmten russischen Malers Potowski nachträglich noch für riesenhafte Schnitzer entdecken werden. – Sieh, darauf freue ich mich.«

»Und wenn sie etwas derartiges finden,« entgegnete Tannhäuser, »so will ich mir es zur Lehre dienen lassen.«

»Punktum,« sprach Wulf in sehr bestimmtem Tone, »der alte Gott lebt noch, und es wird auch noch manchen braven Mann geben, der sich darüber freuen wird, daß sich der russische Potowski in den deutschen Tannhäuser verwandelt.«

»– – – Ein Ritter gut,
Wollt Ehr' und Lieb' gewinnen,
Da zog er in das röm'sche Land –
Blieb all' sein Lebtag drinnen,«

rief der Tannhäuser mit dem herzlichsten Tone der Stimme und zog Franceska sanft an sich, die ihre blühende Wange mit verschämtem Blicke an sein Haupt drückte.

Recitir' Einer nur eine Zeile vom alten Tannhäuser,« rief laut lachend der kleine Maler, so hinkt gewiß was vom Uebel herbei. Ich hab' das schon so oft erfahren, daß ich mir fest vornahm, von jetzt an die ganze schauerliche Sage zu vergessen. Da kommt das Uebel.«

»Il vecchio Signor conte!« meldete der Gärtner der kleinen Villa, wobei er von der Seite der Rosenbüsche in die Veranda hereinblickte. Ihm folgte in der That auch auf dem Fuße der vecchio conte. Und wirklich, er war recht alt geworden, der alte freundliche Herr; so ungern er auch die lang entschwundene Jugendzeit aufgeben zu wollen schien, von manchen Emblemen derselben konnte er sich immer noch nicht trennen, obgleich sie zum Uebrigen so gar nicht mehr paßten, so das dichte Haar seiner Perrücke und seine glänzenden Zähne. Er gab sich recht Mühe, diesem sowie auch dem freundlichen Lächeln, das um seine eingefallenen Wangen spielte, Gang und Haltung anzupassen.

Aber es wollte nicht mehr gehen; seine schwachen Beine waren müde geworden beim Ersteigen des kleinen Hügels, auf welchem die Villa lag, und als ihm Wulf eine Strecke Weges weit lachend mit einem Stuhle entgegensprang, stützte er sich ebenfalls lachend auf die Schultern des kleinen Malers und sagte: »Wenn das alles auch keine wahre und ächte Freundlichkeit von Euch ist, so acceptire ich es doch. Ihr seid ein Schalk, aber ich habe schon lange gemerkt, daß es das Beste ist, auf Eure Späße einzugehen. Danke für den Stuhl – da sitz' ich.«

Der alte freundliche Herr ließ sich in der That an der Stelle nieder, wo Wulf den Stuhl hingesetzt hatte, und ruhte da ein paar Augenblicke aus, ehe er weiter schritt. Er war aber auch so bepackt, daß seine Müdigkeit verzeihlich war, wenn man dabei noch die große Anzahl Jahre bedachte, unter deren Last er gebückt ging. In der einen Hand trug er ein kolossales Blumenbouquet und daneben auf dem Arm noch ein ziemlich großes Paket, zu dem er ein Pendant in der andern Hand hielt, allerlei kleine Commissionen enthaltend, deren Besorgung er, so oft er ging, von Franceska sich zu erbitten nicht unterließ, was diese aber nur widerstrebend gewährte.

Und er kam und ging häufig, ja bei gutem Wetter fast täglich, der alte freundliche Herr, und keiner von den Betheiligten nahm den geringsten Anstoß daran. Er war nach und nach so ganz anders geworden, als er sich ehedem gegeben, und wenn hie und da seine Zunge den Versuch machte, einmal mit etwas Leichtfertigem umzugehen, so brauchte Franceska nur den Finger emporzuheben.

Nachdem er Blumen und Päcke abgegeben hatte und sehr lange Details an Franceska über die Besorgung der einzelnen Commissionen, die sie so freundlich gewesen, ihm zu ertheilen, ruhte er eine kurze Zeit aus unter dem Schatten der Weinlaube, indem er sich mit seinem Taschentuch Kühlung zufächelte.

»Daß ich zu euch Beiden eigentlich nicht komme,« wandte er sich darauf an Tannhäuser und an Wulf, »das brauche ich zum Gott weiß wie vielsten Male nicht zu wiederholen. Aber ich sehe meinen alten Freund Pisani nicht.«

»Ja, der ist nach der Stadt gegangen,« gab Wulf zur Antwort, »in großen Geschäften.« Damit zog er wichtig thuend seine Augenbrauen in die Höhe. »Vorbereitungen zu gewaltigen Feierlichkeiten, die in den nächsten Tagen hier stattfinden werden.«

»Aber meine Einladung!« wandte sich Graf Portinsky mit einiger Unruhe auf dem Gesichte gegen Franceska.

»Die bleibt nicht aus,« entgegnete die junge schöne Römerin lachend, worauf sie ins Haus zurücksprang.

Der alte freundliche Herr blieb eine Zeitlang in tiefe Gedanken versunken dasitzen, dann schlug er sich vor die Stirn und sagte: »An meiner Vergeßlichkeit merke ich es recht, daß ich alt werde, merkwürdig alt, ganz unangenehm alt, und daß ich bald zu nichts mehr gut bin, als weggelegt zu werden. Nun,« setzte er achselzuckend hinzu, »das ist ja das Ende aller Dinge.«

»Und die Vergeßlichkeit?« fragte lachend der Tannhäuser.

Der alte Graf fuhr mit der Hand über die Augen und versetzte dann, mit einem Male in seinem so geläufigen Redefluß stockend: »Nun – es betrifft nicht mich, geht auch nicht von mir aus, eine Bitte von – von – einer guten Bekannten, – einer liebenswürdigen Bekannten, da aus dem Norden. Eigentlich hat die Bekannte damit nichts zu thun, denn die Bitte zu erfüllen, mag sie kommen woher sie will, ist für einen braven Künstler Christenpflicht.«

»Ich bin wahrhaftig darauf begierig.«

»Nun denn, es betrifft einen Landsmann von mir, einen armen jungen Landsmann, der ein eminentes Malertalent hat und von – einer Bekannten, seiner Gönnerin, hieher geschickt wird, hieher nach Rom, wo er ziemlich schutz- und rathlos sein wird, wenn –

»Sich nicht irgend Jemand seiner annimmt,« unterbrach ihn Tannhäuser und setzte hinzu: »hoffentlich zweifeln Sie nicht daran, daß der von Ihnen empfohlene Landsmann uns herzlich willkommen sein wird. Sein Name?«

»Potowski,« erwiderte der alte Herr rasch, »wirklich Potowski, der Sohn seines Vaters, des alten Potowski.«

Der Tannhäuser schaute einen Augenblick vor sich nieder, dann sprach er: »Gut, er soll kommen, und wenn er Talent hat, werde ich mich seiner aufs beste annehmen.«

Wulf pfiff eine bekannte Melodie und der alte freundliche Herr umfaßte mit seinen beiden Händen die Rechte des Tannhäusers und sagte: »Dank! Dank! tausend Dank! es wird Freude machen, wenn ich das nach Norden in die Heimath schreibe.«

Einen Augenblick saßen hierauf alle drei, in tiefe Gedanken versunken, lautlos da; von der Stadt herauf tönte durch die klare, weiche Morgenluft der Klang einer Glocke. Der freundliche Herr bedeckte seine Augen mit der Hand und sprach dann nach einem tiefen Athemzuge: Die Glocke erinnert mich lebhaft an mein altes heiliges Rußland; sie hat denselben Ton wie eine Glocke dort, den ich auf dem Gute meiner Bekannten oft gehört, einer Glocke im Waldai'schen Kloster der iberischen Mutter Gottes. – Amen! – Und nun,« fuhr er plötzlich mit heiterem Tone fort, als wollte er gewaltsam seine ernsten Gedanken verscheuchen, »ihr habt's gut hier oben: während ich im Schweiße meines Angesichts den Berg hinaufsteige und mich abplage mit Paketen zum Nutzen eures Hauses, sitzen die hier und legen müßig die Hände in den Schooß. Ich hatte gehofft, euch fleißig bei der Arbeit zu finden.«

»Das sind wieder die ungerechtesten Vorwürfe, die ein Mensch ertragen kann,« sprach Wulf mit einem sehr gemachten Stirnrunzeln. »Wir sind in einer Kunstpause begriffen und waren schon ungeheuer fleißig.«

»Wovon ich mich überzeugen will.« erwiderte der alte Herr, während er aufstand und nach dem Atelier schritt, welches sich zur ebenen Erde des Casino's befand.

Nachdem er kurze Zeit verschwunden war, reichte Wulf die Hand über den Tisch hinüber seinem Freunde und sagte mit einer Bewegung, die man bei ihm selten zu hören gewohnt war: »Jetzt, wo sich drüben in der Heimath alles für dich so prächtig aufgeklärt hat, jetzt, wo das Phantom, welches dir deinen redlich erworbenen Namen arglistig stahl, wieder in die Nacht zurückgesunken ist, wohin es gehört; jetzt, wo das Bild der Madonna, das du zu malen gelobt, so herrlich seiner Vollendung entgegengeht, – jetzt erst spreche ich meinen Glückwunsch für deine Zukunft aus. Du bist ja in einen glückseligen Hafen eingelaufen, und was dich anbelangt – du hast recht, dies wunderbare Land hier, dies gotterfüllte Fleckchen Erde, auf dem du glücklich sein wirst, nicht mehr zu verlassen. – Du –«

Der Tannhäuser hatte mit seinen beiden Händen die Rechte des Freundes ergriffen, hatte sie herzlich gedrückt und sagte nun: »Warum betonst du das »Du« so auffallend? Ich hoffe doch, wir bleiben bei einander?«

Der kleine Maler schüttelte mit dem Kopfe und man sah es ihm an, daß er sich Gewalt anthat, um ein Lächeln auf seinen Zügen hervorzubringen. Auch wischte er sich affektirt die Augen und schlenkerte dann die Finger von sich weg, als wollte er auf diese Art seine Thränen entfernen.

»Laß gut sein,« sprach er nach einer Pause, »an einem schönen Morgen werde ich wieder einmal verschwunden sein; – ich muß doch,« setzte er sehr ernsthaft hinzu, »nach Becker und Krauß sehen und nach unserem ehemaligen Atelier. – An einem heitern Abend aber,« sagte er nach einer Pause lustig, »bin ich wieder da mit einem herzlichen felicissima notte

Der alte freundliche Herr kam aus dem Atelier zurück, wie mit großer Befriedigung den Kopf auf und ab wiegend. Er schritt auf den Tannhäuser zu, legte die rechte Hand auf dessen Schulter und sagte: »Das ist schön, das ist schön. Daß mich die menschlich wahren und doch so göttlichen Züge im Kopfe der Madonna anheimeln, versteht sich von selbst und will ich den Grund davon nicht läugnen. Wie Ihr aber, Tannhäuser, den Kopf des himmlischen Kindes träumen konntet, das ist mir rein unerklärlich.«

»Den habe ich auch nicht geträumt,« versetzte Tannhäuser, indem er vor sich niederblickte. »Ich habe ihn gesehen, gewiß und wahrhaftig vor mir gesehen.«

In diesem Augenblicke erschien Franceska wieder, sie lehnte an der Thüreinfassung, die Rechte über dem Kopfe erhoben, wie der kleine Maler, der ernst, fast traurig, nach ihr hinblickte, sie so oft damals unter der Veranda hatte stehen sehen. Warum sich plötzlich seine Augen umflorten, wollen wir nicht sagen; aber er zwang sich, unter dem eigenthümlichen Glanze, der dieselben erfüllte, zu lächeln, und rief, die Worte des Tannhäuser von so eben bekräftigend: »Ja, alter Herr, er hat es gesehen, gewiß und wahrhaftig gesehen. Aber es ist ein Wunder, und warum sollte es nicht ebensogut ein Wunder sein, wie so vieles, was mit dem Tannhäuser vorgegangen? Blicken wir um uns,« jubelte er laut hinaus, nachdem er die wehmüthige Stimmung, die sein Herz bedrückt, glücklich überwunden, »ist hier nicht alles wunderbar: Himmel, Erde und Menschen, ja sogar die Bäume? Denn Sie können es mir glauben, alter Herr, der kleine Lorbeerstamm hier – da sehen Sie – ist derselbe, den der Tannhäuser als Stab in der Hand trug, da ich ihn auffand. Jetzt grünt er, und da kommt Vater Pisani den Berg herauf, der grünt ebenfalls. Ich sehe wenigstens in seiner Hand einen grünenden und blühenden Orangenzweig, der uns ansagt, daß alle Schwierigkeiten überwunden sind. – Und so grünen wir alle mit einander in Jubel und Freude, ich auch, so wahr mir Gott helfe, und werden hoffentlich grünen in alle Ewigkeit.«

 


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