Alexander Xaver Gwerder
Gedichte
Alexander Xaver Gwerder

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Die Weise vom Kriterium eines Heutigen

I

    «Reiten, reiten, reiten» – das konnte der Dichter
neunzehnten Jahrhunderts
mit Wolken und Mond noch. Uns
blieb der Ritt in Stahl und Benzin; besser:
dazwischen. Es bleibt kaum Tag
für den Fischzug der Bazare, und nächstens
werden persönliche Bedürfnisanstalten sowie
Selbstbedienungskrematorien
verabfolgt.
Paradiese sind selten. Dreizehn Meter
über den Straßen
beginnt schon der Himmel. Anschließend
– Kaugummi – spult sich der Tag wieder
rückwärts – Radio – und später
knallen die gelben und blauen Taxis
den Rest vor die Haustür.

Den Rest –: Die Lippen,
die zückenden Zungen, die Wasserstoffblonden,
und wieder den Rest – was dann bleibt: Blumen
vielleicht – Scharteken, und schmal
auch so weiße
empfindliche Bändchen – (man sollte
die Hände sich waschen
vor Versen).

Auch jenes schwarzweiße Zwiegespräch
mit dem Ausdruck von Tiefsee und Stratosphären
hat zum Hintergrund kleine Mustersongs
von Missouri-Banditen.
Darling – vielleicht – wir reisen
bei Ebbe – wir wagen die älteste Stromfahrt.
Im Innern der Insel – tat twam asi – wer weiß,
was für Oasen dort
                                brennen.

 
II
Episoden im Treppenhaus
haben plötzlich Bedeutung –: Fielen
nicht Worte wie Datteln
den Liftschacht hinunter?

«Sie trinken Milch
aus den Schläuchen Unbekannter, und
ihre Eselinnen bläst ein Samun
über achtzehn Etagen...»
                                        «Sie treiben
die roten Igel aus Eisen
durch die faulen Kanäle der Stadt,
und wenn sie sich abends umarmen,
im Schneegestöber und unter der Sonne
Siziliens, denken sie gleichwohl: Es soll
noch leben wo
im Gestänge Leviathans . . .»

«Gratis den Traum, die Gesteinsart fremder
Planeten, eingesprengt in die Tartufferie
allgemeiner Bildung . . .»
                                          und gratis auch:
«Schritte, die ahnen lassen, was der Azur
von uns hält –»
                        Was es auf sich hat
mit dem täglichen Parnaß, mit dem
Land über Dächer.

 
III
In Kentucky soll eines Morgens
der Gekreuzigte Samba
getanzt haben –: was natürlich schwer
schadete seinem Ruf. Aber: Rufen
wir denn nicht
immer? Ja, schreien
denn nicht alle Maschinen nach Meer?
Die Vögel nach Propellern
und der neue Nash
nach Unsterblichkeit?
                                  Herrlich
wie am ersten Tag – oh Margaret-Rose –:
Purpur über indischen Balkonen, Bananen auch,
sozial und Suez und schlußendlich
doch die Daunen. Vieles
endet der Schlaf, vor allem vorher, nur
die Mistel grünt standhaft
durch den Dezember . . .

                                      Da hilft
keine Story weiter als bis in das Tal
des Todes (Texas, Dixieland), kein Festspiel,
kein zweiter Wahlgang –
                                    Hier
baut der Geist seine Sphinxen! Denn niemand
denn die Legion
hat die Brunnen vergiftet. Fata morgana?
Nein! Poesie des Bösen: Mord
auf Distanz.

 


 


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