Alexander Xaver Gwerder
Gedichte
Alexander Xaver Gwerder

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Die Mauer

        Unten, am Eingang eines normalen Gartens, beginn ich,
und jäh brech ich ab
vor den Giraffenhälsen zweier Türme,
die aufsteigen aus der gespreizten Idee
ohne Bedeutung . . . Ich lästere! Noch ist's
das Münster, das in den schwärenden Schoß mir
seine Schatten wirft und jenen Wind
in Stücke zerteilt, der nie sonst die Öde
meiner Buchten erreicht –
                                          jene Verstecke,
die plötzlich die Harmlosen sich entpuppen lassen –
wo die Vulkane geheimer Laster
und hemmungsloser Heuchelei zerplatzen.

Bürgerlichkeit! – Oh Spucke – graugelbe Flechten
schwindsüchtiger Armut, voll zweifelnder Himmel
ohnmächtigen Ausdrucks. Ich,
die Gezeichnete vom Aussatz jener,
die nicht sind – Oh Dauer – das Tagebuch
meiner Erniedrigungen:
                                      Briganten ihrer Ehre,
schleichenden Schrittes vorbei am scheckigen Schrei
meiner Offenbarungen . . . und ihr Gefolge: die Knechte,
die Sklaven, die Sklaventreiber
und die Masken. Besoffene freilich
und Hunde hab ich am liebsten.
Bei diesen ist's eindeutig.
Und das Schwanken im Fieber der Betäubung, die Flucht
vor dem Grauen und seiner Wiederkehr
sind echt. Auch die zitternden Flanken
genießerischer Notdurft...
Einfach ist auch das Tagebuch meiner Regen,
die die Reiche dieser Vor-Sintflut durchrieseln: Es gibt
keine Hügel, keine Erhebungen, von Gebirgen
gar nicht zu reden –
nur das offensichtliche Sinken
gegen Abgründe, die vielleicht brennen,
wenn man nicht hinsieht . . .
                                            Gewiß
sind die Sonnstunden Blumen
meiner verachteten Stille. Und abends, gegen fünf Uhr,
wühlt sich die erste Kühle
im Staub unter mir. Aber im Dunste der Frühnacht
belauern die Liebenden
bereits wieder die Trauerwüsten versammelten Auswurfs,
geschändeter Moose und des trostlosen Auf und Abs –
Nichts
ist dann strahlender, als die Wendungen reinen Blonds
unter den Angriffen spanischer Schwärze
oder die zärtliche Schmiegsamkeit jenes Vergessens,
dem andre Welten wiegend entspringen,
zu spüren . . .

So
bin ich denn Hintergrund für diese Tragödie,
die alle absehen könnten, außer
den Mitspielern –

 


 


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