Karl Gutzkow
Nero
Karl Gutzkow

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X.

Das brennende Rom.

Dachstube. Eine bescheidene Familie. Abend.

Vater. Nun, Kinder, tretet heran und faltet die Hände!

Mutter. Und betet euren Abendsegen. Der kleine Bruder schläft schon.

Erstes Mädchen. Wir danken dir –

Zweites Mädchen. Lieber Herrgott –

Erster Bube. Wir danken dir, lieber Herrgott, daß du uns wieder einen Tag hast leben lassen –

Zweiter Bube. Und uns genähret hast –

Erster Bube. Mit Speis' und Trank –

Alle. Nach dem Bedürfnisse unseres Leibes; aber himmlisches Brod und unvergänglichen Trank, Lehre, Vermahnung und Unterricht uns gegeben, daß wir leben lernen nach deinen Geboten und dereinst sterben in deiner Verheißung. Amen.

Mutter. Nun, ihr Großen, gebt auf die Kleinen Acht, daß sie nichts verkehrt thun, und sie endlich einmal lernen, sich selber aus- und anziehen. Vater hat genug daran zu thun, Euch auf den Leib was anzuschaffen.

Vater. O laß das! tauche die Phantasie dieser Lieben nicht zu früh ein in das schwarze Elend, wovon sie nie etwas ahnen sollten, so lange sie Reichthum und Armuth nicht von einander unterscheiden können. Sieh, wie schnell der Schlaf, der Zauberer aller Freuden, sie umfangen hat! Und in der Lage, die sie sich gegeben haben, wenden sie sich wie die Sonnenblumen unwillkührlich nach dir hin und träumen, nach dir die geschlossenen Augenkelche gerichtet, von Feen und vom Paradiese. Du bist ihre Sonne und ihr Mond.

Mutter. Wo nur die Große bleibt! Aus dem Sitzen in Sommernächten vor der Hausthür kömmt nichts heraus. Da gewöhnen sich die Mädchen an üble Nachrede über die Nachbarn und kommen selbst hinein. Und junge Bursche gesellen sich wohl gar zu ihnen und schneiden so viel schnakisches Zeug auf, daß die Mädchen in eins fort kichern und sich anstoßen über die dummen Bengel, sie wissen selbst nicht warum?

Vater. Was hilft's, Mütterchen? Liebe regiert die Welt. Wer hat's von uns besser gemacht? Sieh, da kommt sie; sag' ihr nichts, sie gleicht dir auf ein Haar, wie du früher warst; das Mädchen ist meine Freude.

Mutter. Wo steckst du denn so lange? Wie du aussiehst! Dein Gesicht glüht wie Feuer, deine Augen sind ganz närrisch; wo bist du gewesen? Kreatur, willst du uns unglücklich machen?

Vater. Mütterchen, laß doch nur! Sag einmal, Kind – was ich doch gleich sagen wollte, du bist ja so roth, so ängstlich: dir muß was geschehen seyn. Die Mutter grämt sich.

Das Mädchen weint. Ein junger Mensch stürzt herein und zu den Füßen der Alten.

Der junge Mensch. O Verzeihung! Ich bin an Allem Schuld. Ich liebe Ihre Tochter, und muß mich um's Leben bringen, wenn Sie mich nicht zu Ihrem Schwiegersohn nehmen. Hübscher Leute Kind bin ich und Horndrechsler ist mein Vater, und dieselbe Profession hab' auch ich. Bin jung und fleißig, und habe jezt einen Narren gefressen an Ihrer Jungfer Tochter; ach Gott!

Mutter. Ja, so kann Mancher kommen. Meine Tochter ist nicht so, wie man eine auf der Straße kennen lernt. Sie kann nähen, stricken, bügeln, weiß mit Putz- und feiner Handarbeit umzugehen, und kann auch wohl waschen (was Schade für die zarten Finger! daß du mir nicht gestohlen wirst!) Und wenn das Alles auch so wäre und sie auch was mitverdienen könnte für die Wirthschaft, so sind Sie uns doch ganz unbekannt, obschon sie ganz wie ihre Mutter ist; allein aber ich bin ihre Mutter, sehen Sie, und das ist ihr Vater und an die müssen Sie sich wenden und so einem unschuldigen Mädchen keine Fickfackereien in den Kopf setzen. Sehen Sie?

Der junge Mensch. Ach Gott! ach Gott! ich mein's ja ehrlich, sehen Sie!

Vater. Na, mach' doch dem jungen Menschen kein Herzeleid. Setzen Sie sich gefälligst! Ihr Herr Vater war ja auch immer ein sittsamer, feiner junger Mensch, früher; jezt freilich ist er alt, und mag auch sein Päckchen zu tragen haben. Es war heutigen Tags ein recht schöner Abend –

Der junge Mensch. O ja, recht sternenklar. Ja 's ist selten um die Jahreszeit. Da hab' ich so meine Beobachtung gemacht. Um Johannis herum, wenn die Nachtigall zu schlagen aufhört, sehen Sie, wo die Tage schon kürzer werden, da ist doch selten ein Abend, wo man nicht draußen sein Bett in's Freie setzen möchte. Ach Gott, Sie haben ja da eine Nachtigallenhecke.

Vater (verschämt). Ja, ich hab's einmal probirt. 'S kommt aber nix heraus.

Mutter. Ja, der mit seinen Vögeln! Kommen Sie nur darauf, dann hört er nicht wieder auf.

Der junge Mensch. Ach, es geht doch aber auch nichts über eine Nachtigall! Sonntags Morgens, wenn die Sonne noch nicht aufgegangen ist, bin ich im Frühjahr immer draußen. Sehn Sie, aber immer vor'm Mai muß man Nachtigallen fangen, sonst singen sie spottschlecht später im Bauer, und verdienen's Futter gar nicht. Wo ich eine gehört habe, da mach' ich dann in der Erde eine kleine Grube und lege Mehlwürmer hinein, und darüber leg' ich ein Bügelnetz aus zwei Bügeln, die mit Garn umstrickt und mit einem Stellholz wie ein Meisekasten aufgestellt sind. Nun geh' ich weg. Meine Nachtigall hat immer zugesehen, und dermaßen neugierig ist so ein dummes Vieh, daß es gleich heranfliegt, um zu sehen, was ich da gemacht habe. Und ich stehe hinter'm Busch und pfeife immer Witt-Krr! Witt-Krr! Oder ist's ein Sprosser: Hi! Glock-Urr! Hi! Glock-Urr! Nun sehen Sie, nun ist sie gefangen.

Vater. Mutter, was der Mensch erzählen kann; und die Worte sezt er so hübsch!

Der junge Mensch. Nun geht's aber erst recht an. Meine Nachtigall steck' ich in den Beutel, aber behutsam, daß der Schwanz keinen Schaden leidet. Denn sehen Sie, wie wunderbar, so ein Thier singt eigentlich mit seinem Schwanz! Nun gleich in den Bauer, und nun gleich Miereneier und Mehlwürmer und frisches Wasser, und nun ist das Spitzbubending trotzig und rührt nichts an. Dann aber gar keine Umstände gemacht und die Nachtigall gefaßt und ihr hineingestopft, was das Zeug hält, und manchmal des Tags, und so, bis sie's selbst lernt oder sie nicht mehr tückisch ist. Auch gekochtes Rinderherz, auf einem Reibeisen zerrieben, oder Mohrrüben, was die Gedärme geschmeitzig hält, auch gehacktes Rindfleisch; ich versichere Ihnen, eine Nachtigall frißt alles, wenn nur Fleisch drunter ist.

Vater. Mutter, doch ein gescheuter Kerl! Der hat schon was mitgemacht.

Mutter. Ich hab' auch gar nichts dagegen, hat er sein Auskommen –

Der junge Mensch. Ich sag' Ihnen, was Nachtigallen anlangt, da bin ich Meister. Aber wenn man ein ganzes Nest ausnimmt, das ist doch das Schönste, obschon es die Polizei nicht haben will. Sehen Sie –

Vater. Ach ne, Jungechen! Keine Nester nicht ausnehmen! Ne! ne!

Der junge Mensch. Ja was! ich nehme ja die Alten mit –

Vater. Ne wirklich – 's ist einmal – die Polizei will's nicht haben; aber besuchen Sie mich, gucken Sie nach meinen Hecken, wo's hier und da fehlt; es ist eine Dachstube, wir schlagen uns auch so durch die Welt; nun, du lieber Gott, satt essen können Sie sich auch noch des Abends, wenn's gerade Kartoffeln giebt. Gute Nacht, und das Uebrige wird sich schon finden; Sie sind kein gewöhnlicher Mensch, das seh' ich, und grüßen Sie Ihren Herrn Vater unbekannter Weise, oder wenn er sich noch meiner erinnern sollte; ich bin auf der Wanderschaft einmal in einem Städtchen gewesen, wo er drei Jahre früher gewesen hatte oder gewesen seyn soll. Und machen Sie keine Umstände, wir machen auch keine. Leuchte doch dem Herrn!

(Die Tochter und der junge Mensch gehen hinaus.)

Mutter. Mir fallen die Augen zu. Was d'raus werden soll! Hy–ah! ja – ich geh' zu Bette.

(Ab; die Tochter kehrt zurück.)

Vater (küßt sie). Kind, ich muß weinen. Es freut mich, daß man Freude an dir erlebt, und daß du dich nicht an so einen Windbeutel gehangen hast; sondern es ist ein ganz gesezter Mensch, und wenn er sich erst niederlassen wird, so wird der Segen auch nicht ausbleiben, und hör' einmal, sey nur immer hübsch allegro um die Mutter herum; du weißt, sie ist wunderlich; aber sie hat auch ihre Noth. (Ab.)

Tochter (auf den Knien). O Himmel, ich danke dir, daß du meinen Träumen endlich Erfüllung gegeben hast! Ach, ist es denn wahr, daß ich ihn lieben darf? Bin ich dieser Gnade werth? O ich fühle mich stark, ihm sein Leben zu versüßen. Ich will der Wink seines Auges, das erfüllte Echo seiner Wünsche und der Trost seines Mißgeschicks seyn. Nun weiß ich erst, warum ich auf die Welt gekommen bin. Ach, ich dummes Ding! Horch! er ruft unten –

Unten. Gute Nacht, süßes Herz!

Tochter. Gute Nacht! Gute Nacht! Auf Wiedersehen! (Sie schließt das Fenster.)

 

 

Auf der Straße.

Zwei Bürger.

Erster. Wenn ich nur wüßte, was in der Luft stäke!

Zweiter. Was soll drin stecken? Luft ist Nichts und Nichts in Nichts? Ha ha!

Erster. Nein, nehmen Sie mir nicht übel, es ist ein ganz verdammt pestilenzialischer Geruch, der Einem um die Nase spürt.

Zweiter. Hm, hm. Sollten die kapitolinischen Gänse schon wieder faule Eier gelegt haben?

Erster. Herr Jesus! da fuhr ein ganz blauer Lichtstreifen vor meiner Nase vorüber.

Zweiter. Müssen Sie denn Ihre Nase in Alles stecken?

Erster. Aber in die Luft werd' ich sie doch stecken können, Herr! und mit dieser römischen Luft, mit dieser mehr als gemäßigten, beinahe tropischen Atmosphäre ist etwas vorgegangen –

Zweiter. Ja, wahrhaftig –

Erster. Haben Sie's gesehen?

Zweiter. Ein ganz langer Lichtstreifen zog vor mir vorbei, wandte sich links, dann halb rechts, flammte auf und ist verschwunden. Dort alle Häuser leuchten blau. Was ist das für Luft? Ich ersticke –

(Sie verschwinden beide in den aus den Häusern schlagenden Flammen.)

Stimmen (aus der Dachstube von vorhin). Hilfe! Hilfe!

Von Unten. Ganz Rom geht in Feuer auf.

Von Oben. Hilfe! die Kinder!

Von Unten. Die Tiber hat sich in Feuer verwandelt.

Andere. Nein, sie ist abgeschüzt; man hat kein Wasser, um zu löschen.

Andere. Rettet! rettet!

Ein Bürger. Wonach soll man nur greifen in der Eile! Ich habe meine Uhr auf dem Tische liegen lassen! Ich muß –

Ein anderer Bürger. Mein Geld ist da, aber den Beutel ließ ich liegen; ich kann doch nicht ohne Beutel –

Ein Bube (weinend). Ich bin drei Stock herunter gesprungen; aber ich habe vergessen, die Kammerthür zuzumachen. Wie das brannte! Wenn meine Mutter nach Hause kömmt, und die Kammerthür ist offen und die Katze ist doch wieder in die Stube gekommen – und genascht habe ich auch und die Deckel nicht wieder auf die Teller gelegt – ich muß hinein –

(Alle stürzen, um das Versäumte nachzuholen, in die Flammen.)

Von Oben. Hilfe! Hilfe!

Der junge Mensch (von früher). Platz! Platz! Hier die Leiter heran! Es kommt schon – nur Geduld da oben – einen Augenblick! Es kommt –

Von Oben. Er ist's – schnell, schnell, wir ersticken –

Der junge Mensch. Die Leiter wird doch halten? Ich komme –

Von oben. Barmherziger Gott, die Leiter bricht ein –

Der junge Mensch (unten liegend). Das Genick zerbrochen – ach – ach –

(Oben Alles still. Die Flammen bedecken das Gemälde.)

 

 

Auf der Villa des Mäcenas
mit der Aussicht auf den Brand Roms.

Nero im Purpurmantel, mit einem Lorbeerkranz und die Lyra in der Hand; in der Nähe die Seinigen.

Nero. So loderte zusammen, was Homer beschrieb,
So stand ein Leib, der hundertfältig trieb,
Die welke Hekuba, am Thrazierstrand,
Und spähte weinend, wo einst Troja stand.
Wie schön, wie schön! Die gierigen Feuerzungen
Erzählen wieder, was die Zeit verschlungen;
Sie lecken, daß es funkt und sprüht,
Mir aus der Seel' ein Flammenlied.

Wälzt der Mäander diese Gluthen an?
Ist es Neptun, der, seinen Groll zu stillen,
Auf Troja's blumenreichen Plan
Dem Ocean läßt Pech und Brand entquillen?
Gewiß, das Roß, das täuschend leere,
Ward nur gezimmert ihm zur Ehre!

Und wie die Nacht die sammetweichen
Unheimlichschwarzen Flügel senkt,
Wird leis die Rippe ausgerenkt,
Und aus dem Holze sieht man schleichen
Das Eingeweide, diesmal Griechenfürsten,
Die nach dem Blut der Teukrer dürsten.

Wohl jenen Ersten, die im Schlaf
Der Stahl der Griechenrache traf!
Bald wird es laut, man hört die Thore stürzen
Und wie Gefechte sich zusammenschürzen
In Troja's Straßen, die sich bald erhellen
Von ringsum losgelass'nen Feuerquellen.

Nun sieht man, welche Waffen wüthen,
Die Helm und Schilde sind erkannt,
Die draußen sonst am Meeresstrand
Wie unter'm Schmiedeambos glühten:
Es sind dieselben, ja, die oft gehemmten;
Doch wo sind die, die sich entgegenstemmten?

Verzweiflung macht den überraschten Krieger
Schnell wählen, was er gerade fäßt;
Doch was ist selbst der aufgeschreckte Tiger,
Wenn man ihn rings nichts sehen läßt
Als Flammenbündel, die das Auge blenden,
Und Jäger gleich wie Schatten an den Wänden?

Hier ist kein Ausweg mehr; Troja ist reif,
Und dicht geschaart, ein einziger Sichelschweif,
Mähn ohne Aufenthalt die Myrmidonen;
Jezt ist es Zeit, mit Wucher zu verlohnen,
Daß einst die Schiffe, die am Ufer standen,
Durch Hektors Löwenmuth in Asche schwanden.

Hektor ist todt; ach, eine Thräne dem,
Der eben dort zum zweiten Male stirbt!
Denn seht, der um des Vaters Lorbeern wirbt,
Achilles Sohn, das Thier Neoptolem,
Stürzt den Astyanar, den Stab
Andromachens von einem Thurm herab!

Noch immer endet nicht die blutige Vehm,
Noch immer keucht Neoptolem,
Er klimmt hinauf auf Pergam's Zinnen,
Auf Troja's Königsburg, worinnen
Aus Weibermund Gebete quillen
Zu Göttern, die sich in des Idas Wolken hüllen.

Durch des Dardans uralte Mauern
Zieht noch allein ein fröstelnd Schauern,
Ein Ahnenruf und Priamus
Rafft sich noch einmal auf, die Nebel
Des Alters stößt er weg mit seinem Fuß
Das Auge zittert und er fäßt den Säbel!

Doch Pyrrhus lacht, wie die Hyäne lacht,
Und stößt sein Schwert, von dem Achill geerbt,
Dem Greise in die Brust, der Boden färbt,
Wie er ihn schleift mit blinder Wuth,
Sich aus der Adern altem Schacht
Weit mehr mit Wasser, als mit Blut.

Und daß man deutlich lese ihre Schrecken,
Hat eine Riesenflamme sich die Nacht,
Ein kolossales Opferbecken,
Rings für die Völker angefacht;
Der Stern ist überhellt, und wenn der Tag sich wendet
Wird selbst die Sonne hier geblendet.

Im fernsten Ocean, wenn diesen Brand
Der Schiffer sieht, glaubt er den Strand
Von Asien sich nahe, wenn auch gleich
Noch weit an Herkul's Säulen,
An der Numidier schwarzem Reich
Die Anker seines Schiffes weilen.

Die Fische tauchen auf im Meere weit,
Geblendet oben von dem rothgefärbten Himmel,
Und unten von dem glänzenden Gewimmel
Der Schätze aus versunkener Herrlichkeit,
Die bei den in das Meer geschnittenen Kerfen,
Jezt ihre diamantenen Lichter werfen.

O welch ein Tag! welch eine Nacht! wie selig
Wenn sich der Phönix aus sich selbst entzündet!
Ich fühle, wie den Lavaweg allmählig
Die Wonne der Vernichtung in mir findet.
Ich möchte sterben, möchte untergehn,
Am Winde wie der Staub verwehn.

Lebt, lebt die Poesie! und sterbt
Wenn Ihr um die Begeisterung werbt!
Verblutend an Eurer Helden Wunden
Müßt Ihr Euch selber zum Gedichte runden!
Ein Schwert herbei, deß scharfer Spiegel
In meinem Blute soll erblinden!
Auf Troja's Aschenhügel
Soll man mich nur als Asche finden.
(Die Sklaven weigern sich.)
Ihr zögert? Euch kann man
Den Weltkreis zünden an,
Ihr werdet bei der Flamme leuchten,
Das Kleine und Bedenkliche nur beichten.
Wo ist das Schwert, das, wenn mein Blut entquoll
Draus wie die Feuerlilie ragen soll?

Phaon (der Freigelassene tritt heran).

Phaon. Wer hätte Muth zu diesem Stoß?
Inzwischen wurde die Gefahr so groß,
Daß du durch dich weit besser untergehst,
Eh' als Gefangener du vor Galba stehst.

Nero. O Troja! o beweinenswerthe Stadt,
Die an das ewige Firmament,
Daß ihr Gedächtniß ewig brennt,
Sich unauslöschlich anschrieben hat!
O große Feuersäule
Nur einen Augenblick noch weile,
Daß ich mit deinen ewigen Ehren
Zugleich mich selber darf verzehren!

Phaon. O Herr, die Legionen brechen
Aus ihrem Lager, Julius Vindex zu rächen.
Sie nahn, umgehn die Burg im Ringe,
Ob Einer dich lebendig finge.

Nero. Aeneas mag in ferne Lande
Entflieh'n mit theurem Raub!
Ich will mit Troja's Sande
Vermischen meinen Staub.
Wem bin ich etwas werth?
Herbei ein Schwert! ein Schwert!

Phaon. Was thu' ich nur? Es schweifen
Schon lange Kriegerstreifen
Durch das Gebüsch – hier hilft nichts mehr –

Nero. Ein Mörder her!
Stoßt zu und werft dann mein Gebein
In Troja's Brand hinein!

(Phaon ersticht ihn.)

Hinter der Scene. Heil! Galba Heil!

Phaon. Er lacht im Tod – des Mundes Bogen
Ist süß und anmuthvoll gezogen!
Noch wie von Wollust schwillt
Ein jeder Zug an diesem Todtenbild!
Er streckt die matten Glieder
Wie im Bewußtseyn eines Sieges nieder.

Hinter der Scene. Heil! Galba Heil!

Phaon. Und immer matter die Todesfackel brennt,
Daß man von Rom die wenigen Reste,
Die Trümmer aus dem Flammenfeste,
Mit nassem Auge wieder kennt!
Hier lischt die Flamme, dorten bricht
Sie wieder an wie Höllenlicht;
Ein finstrer Qualm ist, wie ein Kragen,
Rings um die Glut herumgetragen.
Dort eine neue Säule, ha!
Was für ein Wunder zeigt sich da?
Ein Schlangenpaar mit rothen Adern
Auf grünem Grunde, wie bei Marmorquadern,
Steigt aus der Lohe auf,
Und an der einen Schlange Kopf und Knauf
Hat mit gigantischer Gewalt
Ein Riesenweib sich eingekrallt!
Wie sich die großen Zirkel winden,
Die Glieder bald zusammen binden,
Bald gierig durch die Lüfte schießen!
Wem gilt des Weibes Grüßen?
Dem Ungeheuer, das hier liegt
Und lachend sich im Tode wiegt?
Ist dieses Weib mit Schlangenhaare
Die Greisenmutter der Cäsare?
Sie winkt nach Afrika – o kehre nie
Mit deinem Gift und Wahnsinn wieder,
Daß endlich statt der leeren Phantasie,
Statt trügerischer Lieder,
Sich ans der bösen Zeit
Erbaue eine bessere Wirklichkeit!


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