Karl Gutzkow
Nero
Karl Gutzkow

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II.

Nacht.

Vorzimmer eines Balkons, welcher offen steht und die Aussicht nach dem bedeckten Monde gibt. Nero und Poppäa auf zusammengehäuften Polstern. Attitüde. Nero spricht träumerisch, phantasirend, sylbenzählend.

Nero. Welche Zeit ist's?

Poppäa.                         Mitternacht der Wächter ruft.

Nero. Die Hähne schrei'n: sie wittern's in der Luft,
Daß sich ein Dieb schleicht um des Hofes Thor;
Die Nacht hat Augen nicht, doch scharfes Ohr.

Welch' Zeit ist's?

Poppäa.                     Ein Uhr nach Mitternacht.

Nero. Der Schatzgräber hat jezt sein Werk vollbracht.
Horch, wie der Maulwurf gräbt und hackt,
Schatzgräbers Spaten bracht' ihn in den Takt.
So ein altes Fell ist blind, und sieht
Doch mit dem Ohre Alles, was geschieht.

Welche Zeit ist's?

Poppäa.                       Nach Mitternacht zwei Uhr.

Nero. Vom Himmel ein Stern herunterfuhr.
Die Welt schläft nicht, der Himmel schläft.
Die alten Heroen, die ihr Laternengeschäft,
Als Sterne ersten und zweiten Rangs besorgen,
Sind Götter freilich, doch vorm Schlafe nicht geborgen.
Wenn so ein alter invalider Heroe als Stern ein Stück
Von sich herunter fallen läßt, so ist's aus Ungeschick
Und Schläfrigkeit doch nur –

                                              Die Dinge
Drehn wahrlich sich in einem andern Ringe.
Was sind wir? Warum sind wir? Sprich,
Du frommes Beichtkind, kreuz'ge dich!
Ihr guten Leute, wenn's erlaubt,
'S ist vieles Thorheit, was Ihr glaubt.

Denn sind wir dem Gotte nicht ein Bedürfniß?
In seinem eignen Seyn das atheistische Zerwürfniß?
O Gott; er läßt uns tief im Koth, im Trüben,
Und verlangt noch, ihn zu lieben.
Man spricht vom Unterschied des Guten und des Bösen,
Und Jeder müsse sich durch sich selbst erlösen,
Das nennt man die einstige Vergeltung,
Als wäre der Mensch nicht Gottes eigne Verweltung,
Als wär' es göttlich, uns entstehen lassen,
Und dann zulezt uns bei Wort und That zu fassen.
Es wäre doch, wie man Komödie spielt,
Wenn uns der Himmel deßhalb hätt' erzielt,
Daß wir gleich Puppen machen unser Wesen,
Und dann hingingen zur Belohnung des Guten und Bösen.
Warum erschuf er uns? Wer bat ihn drum?
Ich nicht – du nicht – Niemand im Publikum.

Man ist so eingepfercht in alte Lügen,
Daß man's für Sünde hält, sich selbst nicht zu betrügen –
Das Leben wäre Glück? O frommer Dunst!
Das Leben ist die schwerste Kunst;
Und eine Kunst, die ohne Freude ist.
Drum, wer sich müht, daß sich zum Guten Alles wende,
Arbeitet Gottes Trägheit in die Hände.
Denn nehmt doch nur, was ließe Gott nicht zu!
Wo er zu helfen hat, drückt ihn der Schuh.
Treibt's nur auf's Aergste, paralysirt
Ihm Alles, was geschieht, so wird
In seiner Noth er endlich sich erklären müssen.

Du schwärmst, mein Kind, in diesen Finsternissen,
Wie sich der Mond dort hinter Wolken legt,
Der Wind im Wald das Laub aufregt,
Und nimmst dies allgemeine Flimmern wie ein Wagen,
Der dich zum Himmel solle tragen.
Nein, Liebe, denke dir ein Viergespann,
Je ein Pferd nach den vier Winden,
Und in der Mitte einen Mann,
Von dem im Nu fünf Stücke nur zu finden.
Nimm Folter, Pestilenz und jede Noth
Nimm noch das Beste, nimm den Tod –
O könnt Ihr schwärmen, dichten, lieben?
Könnt Euch bemühn, kein Wasser nicht zu trüben?
Was ist schon Alles in der Weit gewesen!
Man kann es in dem Blick der Enkel lesen,
Was schon geklagt, geweint, gelitten worden:
Und unsrer Scherze Orden
Ist Staub vom Schmetterling, ein bunter Käfer,
Wir haben uns und thun wie blöde Schäfer!
Fluch diesem ungereimten Dichten,
Wie Gott zusammenstellt der Welt Geschichten!
Ich hasse Gottes Thron, dies Weltregieren,
Dies stummpagodenhafte Scepter führen,
Dies Schlichten, Richten, diese Sage
Von Wiegen, Wägen, Wucht und Wage.
Wann hab' ich auf der Straße Ruh'?
Verfluchter Tand, wer deckt dich zu?
(Schläft ein.)

(Poppäa entringt sich seiner Umarmung, nimmt eine Ampel und leuchtet ihm in's Gesicht.)

Poppäa. Graunhaftes Bild! Im Schlafe sieht
Er schrecklicher, als wenn am Tage
Dies Aug' Hyänenblicke sprüht!
Und ich, Unglückliche, ich trage
In meinem Arm den Fluch der Welt!
Poppäa! Ist denn jeder Weg verstellt,
Das Thor verloren, Alles hin,
Daß ich vermählt mit einem Tiger bin?
Wie schwer er athmet! Zerspringen
Will ihm die Brust von ungeheuren Dingen,
Die schlangenhaft schon zittern
Unter des Auges verschlossenen Gittern.
Weh! an diesem fiebrisch zuckenden Munde,
An der Menschheit klaffenden Wunde,
An diesem Sammelplatz der Grausamkeit
Muß ich hängen, immer bereit,
Mein grollendes Herz zu zähmen
Und Blutiges für Scherz zu nehmen!
O wär' er Mann! Wären diese Plagen
Doch wenigstens von Tapferkeit ihm zugetragen!
Was liebt das Weib am Mann? Nicht, daß er gut
Nein, daß er, was er thut, nur männlich thut.
Doch Nero stellt in seinem Wahn
Sich zu Allem wie ein Knabe an.
Hätt' er als Mann ein bös Gewissen,
Gern ließ' ich's ruhn auf meinem Busenkissen.
Denn eine liebende Braut
Ist auch dem Frevel ihres Mannes angetraut.
Sie hört ihn doch, und in der Nacht
Wenn er gespenstisch aus dem Schlaf erwacht,
So kann sie seine Träume deuten.
Sie zeigt, wie er, sich vor den Leuten.
Und wenn sie da erschrickt, wo er erblaßt,
Wenn sie, wo er nicht bleibt, nicht bliebe,
So ist dies doch Vertraulichkeit und Liebe –

O arge Schmach! Poppäa, hast
Du dich verstrickt so tief?
War's dies, was in des Mädchens Herzen schlief,
Daß eine Bosheit in Systemen
Dir lieber ist, als von der Bosheit nur ein Schemen?
Vom Augenblicke nehm' ich meine Lehre,
Von dem, was ist, und was ich trage, meine Ehre.
Die Liebe macht uns anders so und so:
Beim Blonden in dem betrübt, worin beim Braunen froh.
Wie hätte Alles anders kommen können!
Mein Julius! Mein schwer verrathner Freund!
Mein Auge feuchtet sich nicht mehr; Poppäa weint
Nicht mehr – ich kann ihm nichts – selbst Thränen nicht mehr gönnen.
(Geräusch am Balkone.)
Horch! welcher Ton! Man rief mich? Nicht?

Stimme (von draußen).                                           Poppäa!

Poppäa. Ist dies die Nacht, die zu mir spricht?

Stimme (von draußen).
O ahnest du, Poppäa, wessen Hauch
Die Säulen des Portales feucht beschlägt?
Vergaßest du der Liebe frühern Brauch,
Wie ein behender Sprung mich zu dir trägt?
Ich sehe deines Schleiers Segel ausgespannt,
Das landen muß an meiner Lippen Strand.
Nimm wahr, Poppäa, wen dir eine Sommernacht
Aus fernen Zonen hat zurückgebracht!

Julius Vindex tritt auf.

Poppäa. Ihr ewigen Götter! Du – du, Julius?

Julius Vindex. Nimm zum Willkommen diesen Kuß!
Nimm die Umarmung meiner Treue
Nimm Alles wieder hin auf's Neue,
Mein Leben, meines Pulses Schläge!
Dein Auge werde wieder das Gehäge,
Das mich umstricke, und den armen Thoren
Das zu vergessen lehre, was er verloren!

Poppäa. Wie bliebst du nur so lange fort?

Julius Vindex. Das Meer ist arg, die Welt ein großer Ort.
Ich eilte nicht, die Segel einzureffen,
Ich ahnte so, mein Kind, dich anzutreffen,
Wie du verändert vor mir stehst!
Das Haar in üppige Locken aufgelöst,
Verführerisch, die Hüfte stark und rund,
Verlockend eingekerbt der Mund,
Man sieht an deiner Glieder glatten Wellen,
Wie sie dem Brautbett schon entgegenschwellen.

Poppäa. Wie keck! Wie dreist, du lieber Junge!
Nie lagen soviel Wort' auf deiner Zunge.

Julius Vindex. Ach, über Trümmern, Schutt und Leichen
Konnt' ich die Heimath nur erreichen:
Doch nun mir's ward, dich wieder zu schauen,
Verzweifl' ich nicht, meine Sachen aufzubauen;
Du gehst mit Liebe mir zur Hand?

Poppäa. Gleich hab' ich dich doch wieder erkannt,
Julius –

Julius Vindex.   Was ist? du stockst?

Poppäa.                                               Ich bin vermählt.

Julius Vindex. Man hat's auch mir erzählt.
Ich glaub' es nicht; du willst mich prüfen.

Poppäa. Ach, wenn, die du begrubst, so wenig schliefen,
Wie das gewiß ist, was ich sagte –

Julius Vindex. Poppäa? Wie? So tagte
Nur trügerisch die Nacht, die mich umgab?
So gähnte überall in Rom das Grab?
Poppäa? Ach, so kalt!
Nicht einen Blick? Im Schmerz so ungestalt,
So ohne Reue? Wie? dies bleiche Lächeln,
Derweilen Todesgeister mich umfächeln?

Poppäa. Mein lieber Freund, wir Weiber siegen
Doch immer nur durch Unterliegen.
Wohl wahr; du lehrtest mich das Band zu weben,
Woran die Liebe Löwen führt,
Doch als ich es vollendet, hat dich eben
Mein Auge nirgends wieder aufgespürt.

Julius Vindex. So sind die Schwüre hin? O Gott,
Klingt deine Rede nicht wie Spott!

Poppäa. Mein Guter, die Natur –
Gab sie dem Weib doch nur
Das Kleinste, einen kurzen Rausch,
Einen unbewußten Zärtlichkeitentausch,
Nichts, als ein Frühlingswehen,
Von der Ewigkeit einen Faden, kaum zu sehen,
Vom Sichvergessen einen leisen Hauch,
Indessen Philomel' im Rosenstrauch
Ob einem Weib, das erst wohl mit dem Manne rang,
Von ihrem Lied fünf süße Strophen sang.

Julius Vindex. Weh mir! Wie der Verführung Schlange
Aus deinen Mienen lacht!
Du gleichst der Dirne, die am Fange
Sich freut, den ihr gelockt die Nacht.
Dies sind Geberden, trunken, wie wenn kein Genuß
Dich mehr als ungenossen drücken muß!

Poppäa. O schmähe nicht. Wenn du doch klüger wärst!
Glaube mir, daß Liebe erst
Dann glücklich macht, wenn sie in fremden Armen
Den Grad erprobt, zu welchem sie erwarmen,
An fremder Lipp' erlernt den Kuß,
Wie er nach Regel gefügt seyn muß!
Ich kenne, Theurer, was der Liebe fehlt,
Wenn sie nicht weise Ort und Stunde wählt,
Wenn sie mit kindisch-ungeseztem Tappen
Nach noch unreifer Frucht will schnappen,
Wie sich da Nichts zusammenreimt
Und man das Beste stets versäumt.
Jezt kann ich lieben, jezt beglücken,
Jezt mit der Seele Vollentzücken
Von dir empfangen, was die schönste Gabe,
Und das gewähren, was ich selber habe.

Julius Vindex. O sprich, in welchen Schulen
Lernt man die Kunst, so frech zu buhlen?
Sank deine Tugend, Unschuld, Liebe in den Staub?
Wo bist du hin, du reizendes Verzagen,
Als ich der Liebe ersten Raub
Von deinem Munde wagte abzujagen?

Poppäa. O Theurer, den ich lieben werde
Jezt erst mit göttlicher Geberde!
Julius, reich' mir die Hand!
Jezt weiß ich erst, wie man der Liebe Scherz,
In der Liebe ein gedankenloses Herz
An Aphroditens Muschelwagen spannt.
Einst war's die Schönheit, die dich machte heiß;
Doch Schönheit ziehet nur den Zauberkreis,
Worin sich andre Künst' entfalten müssen,
Will man den Zauber runden und genießen!

Julius Vindex (Nero erblickend).
Wie? Täuscht mein Aug' mich nicht?
Der dorten aus den Polstern liegt,
Ist Nero – er schläft – mit enger Kehle:
Hier kam ich in des Tigers Höhle?
Poppäa –

Poppäa.           Himmel, er erwacht –
Fort, Julius, birg dich in die Nacht!
Mach meines Lebens Schiff nicht leck;
Er regt sich – rege dich hinweg –
Zu unserm Tode rückt der Weiser an –
O Julius, lieber, theurer Mann! –

Nero (auffahrend).
Was ist es, das mir Morpheus schickt?
Was steiget aus dem bunten Kelch des Mohns?
Bin ich erwacht? Nein, traumbeglückt
Bin ich ein Bild Endymions.
O, wem die Phantasie,
Doch ihre Farben lieh,
Der weiß, den Traum zum Tage aufzuraffen,
Und Träume aus der Wirklichkeit zu schaffen.

Julius Vindex. Ich bin erstarrt. Sind das noch Worte,
Die passen für des Lebens Pforte?
Wach ist sein Augenlied
Er muß mich sehen,
Und glaubt doch, was geschieht,
Sey nur im Traum geschehen.

Nero. Todt seyn, ist schlecht;
Doch schön, im Tode sich zu wissen.
Wer wünschte nicht, sich recht
Dereinst in Grabesfinsternissen
Zu fühlen, auszukosten und zu lesen,
Was es denn heißt, in Nichts verwesen,
Im Augenblick des Sterbens zu belauschen,
Wie am Bewußtseyn sanft
Die sterbenden Sinne vorüberrauschen,
Und unter des Grabes Ranft
Noch nachzufühlen ohne Sinne,
(Nur weil man der Sinne Gewöhnung inne)
Wie Alles ineinanderfließt: –
Von diesem Gefühl genießt
Mein Auge einen Schatten; denn ich träume,
Und fühle doch wie wachend diese Räume.
Leibhaftig seh' ich zwei Gestalten,
Die doch im Traume nur als wahr zusammenhalten.

Poppäa. Flieh! noch umgaukelt ihn ein Nebelgrauen!

Julius Vindex. Ich bleibe; denn ich will durchhauen
Diese Nebel, die um seine Sinne liegen,
Will seine Täuschung dreist bekriegen.
Sieh her, Tyrannenmolch,
Heut' kam ich unbewehrt, dafür
Schärft besser sich mein Rachedolch
Dereinst im Korn und im Visier.

Poppäa. O Julius, daß ich dich und mich verliere!
Der Henker winkt schon an der Thüre.

Nero (sich aufrichtend).
Wie deutlich diese Schatten sprechen!
Was willst du, blasser Knabe, an mir rächen?
Bin ich denn selbst nicht Euer Eins
Und diene Euerm Reich des Scheins?
Ich leb' in Euch: hier in den Erdrevieren
Lass' ich mein thierisch Theil nur vegetiren.
Ich diene Euch: zu Eurer Macht
Hat es mein Thron noch nicht gebracht.

Julius Vindex. Er redet irr; vergebene Mühe!
Ich zittr' an meinen Gliedern,
Ich kann die Tollheit nicht erwidern.
Ich werde feig, ich fliehe! (Ab.)

(Nero kehrt in die schlafende Stellung zurück)

Poppäa. Er schweigt! O wenn er Worte hätte!
Was war das alles? Diese Stätte
Brennt unter mir; was soll ich thun?
Darf ich bei diesem Schweigen ruhn?
Er nahm das alles wie ein Bild,
Als hätte nur der Traum mit ihm gespielt;
Doch beim Komödianten sind die Züge
Von dem, was sie dir zeigen, nur die Lüge.
Er regt sich, richtet sich nach Mond und Wettern,
Ich seh' ihn noch auf Dächern klettern.

Nero. Komm, liebes Kind, ich will dir sagen,
Was mir scheint gräßlich zu ertragen.
Ein Narr, der Gottes Fluch
Mit unheimlicher Geberde trug,
Obschon er von seines Denkens falschen Sachen
Nie anders konnt', als lachende Meldung machen,
Erwachte einst aus tiefem Schlaf.
Und siehe, die Finsterniß, die ihn traf,
Der Wahn, in den seine Sinne gebunden,
Sein ganzer Aberwitz war im Traume verschwunden.
Es träumt' ihn, daß seine Augen
Die Dinge richtig zu sehen wieder taugen,
Es wickle sich in aller Stille
Von seinen Sinnen die täuschende Hülle,
Er könne wieder verständig und klar
Nachdenken, was wird, ist und war.
O wie jauchzte das erlöste Herz!
Wie leuchteten seine Blicke himmelwärts!
Er sank im Traume auf die Knie,
Und rief zu Gott inbrünstig: »Ach! verzieh
Denn endlich deine Huld mein Wesen?
Soll sich die Nebelbinde lösen?
Hast du eine zweite Geburt mir geschenkt?
In seine Fugen meinen Verstand wieder eingerenkt?
O Sonne, Luft, Licht, Leben,
Die Welt ist mir zum zweiten Mal gegeben!
Und wie ich Eins aus dem Andern habe geschlossen,
Da brechen nicht des Nachdenkens Sprossen,
Die ganze Leiter der Begriffe, das Erwägen
Geht stufenweis auf glatten Wegen.«
Er weint' im Traum – da reißt der Wind
Eine Thür im Haus' auf; doch so geschwind
Erwacht' er nicht von seinem Glücke.
Erst mit der Sonne Morgenblicke
Weckt ihn der Wärter – er fährt empor;
Da tönt es wieder wirrsam an sein Ohr,
Der Wahn kömmt wieder angekrochen,
Des Geistes schwarzer Staar war nicht gestochen.
Er fabelt wieder in aberwitzigem Wesen:
Der Arme war im Traume nur genesen.

Tigellinus, der Mohr, an der Thür.

Tigellinus. Just schlug es vier!
Ew. Majestät,
Der Wagen steht
Schon vor der Thür.

(Nero richtet sich auf und schleicht unheimlich hinaus.)

Poppäa. Welch Blendwerk! Welches Gaukelspiel!
Vernunft und Wahnsinn, Traum und Wachen
Muß hier zu gleichem Ziel
Gleich weite überdachte Schritte machen!
Wenn in der Rede so die tollen,
Wahnwitzigen Räder rollen,
Und auch ein Wort, das, gutgestellt,
Dem Lauf' erst in die Speichen fällt,
So wird es doch gleich, krumm gebogen,
In den Mänadenzug hineingezogen.
Und ich, nicht was ich bin, auch was ich war,
Muß wild, mit aufgelöstem Haar,
Mich an das kleine Bret anklammern,
Das uns gemeinsam, er wie ich so schlecht,
Von alter Noth zu neuen Jammern
Wie zwei Schiffbrüchige trägt!
Und nun kömmt der, den ich verriet –
Mein Herz besinnt sich auf ein altes Lied;
Die liebe Schüchternheit der Jugend,
Verschämtheit, Witz und Tugend,
Das ganze Spiel der ersten Liebe
Sucht, wo ihm noch ein Plätzchen in mir bliebe.
Er darf nicht fliehn, darf dieses Herz nicht hassen,
Ich lock' ihn in die dunkeln Gassen
Des Kaiserlichen Parks, wenn morgen,
Als Weib gekleidet, vor aller Welt
Sich Nero auf die Bühne stellt.
Begonnen hat das Spiel, das tolle:
Ich übernehme hier des Mannes Rolle.


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