Andreas Gryphius
Verlibtes Gespenste & Die gelibte Dornrose
Andreas Gryphius

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Flavia. Chloris. Cornelia.

Flavia. O schwer Verhängnüs / kan das wütten
Der Sternen / solchen Grimm ausschütten /
Ausschütten auff so reine Seelen.
Komt diser Sturm aus Ditis Hölen.
Cornelia. Was klagen hör ich dort. Wie? Jsts nicht Flavie.
Chloris. Es sey auch wer es sey / es klagt mein herbes Weh.
Flavia. Sulpice sollst du so erblassen.
Fabrice du dich selbst verlassen.
Vmbirren sonder Witz und Sinnen.
Kan man den Himmel nicht gewinnen?
Cornelia. Sulpice. was ist diß / so nahe blasser Noth /
Chloris. Sulpice zeuch voran ich folge durch den Tod.
Cornelia. Stracks Flavie hiher / was weinst du / stracks sag aus.
Chloris. Entdecke beyder Fall / und Fall von disem Hauß.
Flavia. Sulpice weiß nichts mehr von wissen /
Vnd eilt den Rest der Zeit zu schlissen.
Fabrice rennt umb / sonder sinnen /
Jn rasend-thörichtem beginnen.
Beyde sehn einander als erstarret eine zeitlang an.
Corn. seit abw. O falsch gemischte Frucht!
O unbedachter Schluß!
Chlor. seit abw. Darzu die Tochter Faust und Nahmen leihen muß!
Flavia. abgewendet. Sie starren beyd als Marmelsteine.
Jch bins die nur von Hertzen weine!
Die trag ihr Leiden nur geduldig /
Die villeicht an dem Vnfall schuldig.
Cornelia. Wo kommst du mit der hochverfluchten Bottschafft her?
Chlor. seitabw. O Bottschafft längst gefürcht und leider mir zu schwer.
Flavia. Cassander der es erst entdecket /
Hat mit der Zeitung mich erschrecket.
O Zeitung darob Stein erzittern!
Vnd Berge möchten sich erschüttern!
Chloris. Man forsche wie es sey bewand in ihrem Hauß!
Cornelia. Cassanders Herr geht stets bey ihnen ein und aus!
Chloris. Levin kommt / hört! O hört! was man von ihm vernehm.
Corn. seit abw. Vernehm / worüber ich mich ewig gräm und schäm.

Levin. Cornelia. Chloris. Flavia. Cassander.

Levin. Jch wüntsche beyden Glück / O Sonnen diser Zeit.
Wie find ich sie bethränt in diser Traurigkeit?
Cornelia. Bethränt! Levin. bethränt! Sulpice ist Thränen werth!
Chloris. Sulpice der zu früh und vor der Zeit hinfährt!
Levin. Sulpice? werthe Fraw! das ist mir unbewust!
Cornelia. Rührt die Vnwissenheit aus unverfälschter Brust?
Chloris. Wie? weiß sein Diner mehr als er wol wissen wil.
Levin. Mein Diner? er steht hir! was ist diß vor ein Spil.
Cassand. Ja / ja Monsieur fürwahr! la feinte est inutile.
Jhr sagt nicht was man will / pour estre trop civile,
Fabrice branle starck mit taumelndem Gehirn.
Je lis trop clairement son malheur aus der Stirn /
Son maistre parle aussi tausend extravagances.
De tombeaux, de festins, von Hochzeit & de dances.
Ha quel mal heur mon Herr! Mes dames sie sind mort!
Es ist nicht autrement, ou je nie trompe fort.
Levin. Die Pflicht erfodert daß ich selbst das Werck ergründ
Corn. seit abw. Er gründe nicht zu sehr nach wolgemeynter Sünd
Chloris. O daß sein Anblick mir zu guter Nacht vergönt
Cornelia. O daß mit treuem Rath ich ihm beyspringen könt!
Levin. Sie gönn höchstwerthe Fraw daß ich ihn eilend seh.
Chloris. Nur keine Zeit versäumt! Fraw Mutter es gescheh!
Corn. seit abw. Was rath / daß meine Schuld bleib in Verschwigenheit?
Jch geb ihm / Herr Levin. wol selber das Geleit.
Levin. Vnd Chloris thut villeicht Jhr / Jhm und mir die Ehr.
Chloris. Fraw Mutter wo sie will (die Wunde schmertzt zu sehr.)
Levin. Wie schnell verschwinden wir! wie wechselt Glück und Zeit.
Corn. seit abw. O neue Seelen-Angst! O inner HertzensStreit.
Cassand. Ou pensez vous aller! ma foy ich wils nicht rathen.
Die rasende sont sots & thun meschante Thaten.
Sie gehn! passetz devant, wo es pericles gibt
Jst der un innocent der sich nicht selber libt.

Sulpice. Fabrice. Cornelia. Chloris. Levin. Flavia. Cassander.

Sulpic. Der Durchbruch ist bereit. Fabric. Ja / und nach Wuntsch verricht.
Sulpic. Der Will ist wol bey mir. Die Kräffte leider nicht.
Wir spilen mit dem Tod; ich fürcht er sey vorhanden.
Er komm' und löse mich aus Lib und Lebens-Banden!
Fabric. Mein Herr was Wahn ist dis! itzt ist es hoffens Zeit.
Sulpit. Mein hoffen fällt dahin vor dem gewüntschten Streit.
Fabric. Nur mutt mein Herr! ich hör jemand vor unser Thüren.
Sulpit. Sucht wol Cornelie ihr Traur-Spil auszuführen
Fabrice. Cornelie, Levin und Chloris selbst sind dar.
Sulpic. O Chloris, schönste Blum / auff meine Todten-Baar /
Ruff allen / doch gib mir von den verdachten Früchten /
Die grosse Citronat. Fabric. Was wil mein Herr anrichten?
Sulpic. Bekümmer dich darumb auffs allerminste nicht.
Geh eilends laß sie ein / O hochgewünschtes Licht.
Weg grimm erhitzte Seuch / ich schaw mein Heil ankommen /
Nur leider / leider / mir ist alle Macht benommen /

Die Personen kommen alle in Sulpicen Gemach.

Entgegen / wie ich wüntscht und solt / anitzt zu gehn
Was wird dis hohe Glück mich nicht vor Thränen stehn.
O Sonnen eurer Zeit seid tausendmal gegrüsset /
Vnd du mein Morgenstern / der du sie bringst / geküsset.
Cornelia. Sulpice geht sein starck betrüben /
Noch höher als mein stärcker Liben.
Was kan den hohen Mutt bewegen /
Vnd auff ein siches Bette legen.
Er leb' / er lebe der zu Ehren
Die vor ihr Leben schätzt / sein Wort nur anzuhören.
Chloris. Mein Trost / er schaw die an
Die nichts ersetzen kan:
Als wenn der Himmel ihm sein äuserstes begehren
Nach wüntschen wird gewehren /
Levin. Sulpice siht er nicht was ihm zu Trost erscheint /
Was umb sein Leiden traurt / umb sein beschweren weint.
Start noch vor disem Lentz der Winter seiner Schmertzen /
Wie / oder geht ihm nicht so hohe Gunst zu Hertzen?
Sulpic. Zu Hertzen ja / mein Tod ist numehr sonder Tod.
Das Leben steht vor mir / ich eile das Gebot /
Das Zeit und scheiden setzt / als sterblich / auszuführen.
Levin. Wie / soll ich libster Freund so schleunig ihn verliren?
Sulpic. Wo etwas von uns bleibt wenn nun der freye Geist /
Sich aus den Glidern macht und durch die Lüffte reist /
Wo nicht der gantze Mensch wird in die Grufft gestecket:
Wann lange Finsternüß und schwartze Nacht uns decket:
So glaubt; ich scheide nicht / ich werde bey euch stehn /
Ob mein verscharter Leib gleich wird in nichts vergehn.
Chlor. seit abwerts. O Himmel / was schaw ich in der so werthen Hand!
Corn. seit abw. Nun spür ich / er vergeht durch meiner Libe pfand.
Levin. seit abw. Laufft falscher Anschlag aus auff ein so herbes End?
Corn. seit abw. Wie? Wer entdeckt ihm mein verbrechen so behend?
Sulpice. Welch Angst beklämmt mein Hertz / auff / Charon rufft zu Port.
Er spannt die Segel schon / seht / seht / sie wollen fort.
Halt alter / halt was ein / ich folg / ich kom / ich eil /
Auff / fasst die Ruder frisch / ergreifft die harten Seil.
Jch schaw die Geister schon die in der andern Welt /
Das lib' Eliser-Feld in Myrten-Wäldern hält.
Ha Chloris! Chloris schaw / wie! bist du schon voran /
Sey tausendmal gegrüst / ich spring und lasse Kahn /
Vnd dise schwartze See / und knie vor deinem Fuß /
Beut numehr unverwehrt / den nicht verdachten Kuß.
Nim Charon dein Gebühr / wie / irr ich / ists ein Traum?
Er schmeist die Citronat hinweg.
Cassander. Mes Dames ecoutez, gebt nicht dem tollen Raum /
Fabrice. Schweig / du bist selbst ein Thor / eh man dich schweigen lehr.
Cassander. I' enrage gleich wie du / s' il me faut ecouter.
Levin. Wie ists mein werther Freund / siht er nicht / wo er sey.
Sulpice. Wo war / wie ward mir selbst / stehst du bis noch mir bey.
Cornelia sie siht / was sie bißher gelibt!
Warumb so sehr betrübt?
Sie schaut! ein wincken nur / die strenge Parce rufft /
Mich in die kalte Grufft!
Jch zeug' / und dises bey dem / der die Todten hört:
Daß ich sie stets geehrt!
Doch zwang auff andern Grund ein innerliches regen
Mein liben / mich / zu legen.
Cornelia. Ach ja. Jch steh es zu! die gröste Schuld sey mein!
An seiner rawen Pein!
O warumb soll ich nicht vor ihn die Qval ertragen?
Ja stracks dis Leben wagen!
Sulpice. Fahrt Chloris ewig wol! ob das geschwinde Zil /
Vns hir getrennet wil!
So wird die Libe doch / wo nichts als Lust zu finden /
Auff ewig uns verbinden!
Sie weine nicht / mein Licht: Jch scheid' aus diesem Jammer /
Jn meine Ruhe-Kammer!
Voll inniglicher Freud! umb / daß nach Angst und grauen /
Zu letzt ich sie kan schauen.
Brecht Augen! brecht! jhr könt hir doch nichts schöners sehen!
Es ist umb mich geschehen!
Nun gute Nacht Levin: Thu weil ich nun erbleiche /
Die Trew an meiner Leiche!
Cornelie umbsonst! es können keine Zehren /
Des Todes Pfeil abkehren.
Gilt ja mein bitten noch / so nehme sie in acht;
Jch sterbe! gute Nacht!
Levin. Sulpice! er ist dahin! O herber Trauer-Tag!
Cornelia. Er ligt in Ohnmacht! ach! ach! innre Hertzens-plag
Levin. Bringt Balsam! Narden! Myhrr! Fabric. Vmbsonst / ach er ist hin!
Chlor. seit abwerts. Ach! wer wird meinen Geist / nach deiner Seelen zihn!
Fabric. Mein Herr! Herr! Chloris rufft! er ist nur tod und kalt!
Cornel. seitabwerts. O Himmel! mich verklagt die bleiche Traurgestalt.
Cassand. Stickt avec une espingle ihn en son pied ou main.
Fabric. Du machst des dings zu vil. Cassand. Va! Va! tu n' es pas sain.
Levin. O Himmels-werther Freund / mein eine Lib und Lust!
Cornelia. Mein Hertz! ich bin zu vil mir meiner Schuld bewust!
Jch küsse deine Faust / und bitte dich! verzeih!
Flavia. Ach Chloris sinckt und fällt! Cassand. He! He! quant un Geschrey.
Cornelia. Ach Chloris libstes Kind. Chloris. Fraw Mutter ich vergeh!
Cornelia. O Jammer / ich verschmacht / in tausendfachem weh.
Auff Kind! Sulpice lebt! Chloris. Er lebt. Ja wo er sol!
Er lebt in meiner Brust / wo ihm unendlich wol.
Cornelia. Fabrice! daß die werthe Leiche /
Ja kein unwerthe Hand anreiche.
Daß sie kein ander Mensch berühre /
Bis Chloris sie zu letzt auszire /
Biß ich / die ihr so vil geschadet:
So bald der Tag anbricht / mit Thränen sie gebadet /
Chloris. Nim Thränen / nim den Kuß!
Noch nicht den Abschied-Gruß.
Kan was von deinem Geist' noch auff den Lippen schweben.
So laß es in mir leben!
Allzusammen. Ach aller Wuntsch / Heil und Verlangen!
Jst in dem Augenblick vergangen!
Ach / wie muß unser Thun und Sinnen!
Offt eh' mans innen wird / zurinnen.


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