Andreas Gryphius
Verlibtes Gespenste & Die gelibte Dornrose
Andreas Gryphius

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Der Ander Auffzug.

Cassander. Fabricius.

Cassand. Woher mon cher amy mit schauffeln / grabscheid / picken?
Fabric. Mein Herr steckt in dem Wahn sein Grab sey zu beschicken /
Sein Sarg und Todten-Kleid soll alles seyn gemacht /
Wo nicht so müss' er fort und noch vor diser Nacht.
Cassand. Voila bien les plus foux de tous les foux de monde.
Fabric. Die klügsten werden offt zu Thoren manche Stunde.
Cassand. Helas, was gibst du an? Fabric. Diß was mein Herr begehrt.
Cassand. Je crains daß dir der Kopff und ihm das Hirn verkehrt.
Fabric. Warumb? Vmb daß ich thu was er von mir wil haben?
Cassand. Ne raille point, amy? Wilst du ihn denn begraben?
Fabric. Nein! sondern emsig seyn daß man sein Grab bereit.
Cassand. He bien, si tu le veux; so hast du hohe Zeit.
Fabric. Zeit / daß ich (wo er stirbt) zu sterben mich bemühe.
Cassand. Des maux quil a souffert ton Ame est attendrie,
Fabric. Ja Mohn ist vor den Schlaf / les soufflets acht ich nicht.
Cassand. Quoy, vos ignoretz donc? Fabric. Ja Dunckel ist nicht Licht.
Cassand. Qu' entend i' ô Ciel? Fabric. Kein Tand / Cassand. Vous estes foux ensemble.
Fabric. Das beste sammlet man: Cassand. Ma foy, monsieur, je tremble.
Fabric. Kein trampeln gilt hir nicht kein Zittern vor den Tod.
Cassand. C'en est trop. Fabric. Ja ein Tropff fleucht in der letzten Noth.
Cassand. O Honte! Fabric. O Hund selb-selbst. Cassand. Il se faut eloigner
Ie ne voy pres d' un fou que des maux a gaigner.
Fabric. Jhn hätt ich anderwerts noch nicht von mir gebracht.
Er sprengt die Zeitung aus (was wett ich) eh es Nacht /
daß beyde Herr und ich von Witz und Sinnen kommen.
Vnd diß dint zu dem Werck das wir uns vorgenommen.

Flavia. Cassander.

Flavia. O Himmel! welch ergrimmte Schmertzen
Beschweren die geklämmten Hertzen;
Die in erhitzter Libe brennen.
Doch keine wider-Lib' erkennen.
Cassand. Mon ange! mein Licht und ma vie
Permettetz daß ich nider knie /
Et offre a vous mon coeur & Ame.
Die sich in euch tres haute Dame.
Flavia. Auff. Jch hab itzt nicht Zeit zu hören
Auff solchen Tand! Cassand. Bey meiner Ehren.
Je Iure. Flavia. Was? Jsts von der Huren!
Cassand. Ah! pure. Flavia. Jch weiß nichts von der Fuhren.
Man hat bey Thoren nie gewonnen.
Cassand. Vous estes ma Diane & Sonnen.
Flavia. Weg Thor! Cassand. Nenni, Fabrice wüttet.
Flavia. Was hör ich! Cassand. Sa teste ist zerrüttet.
Il parle von so tollen Sachen
s' macht une pierre darumb lachen.
Flavia. Wann hast du das von ihm vernommen?
Cassand. Ce méme heure als ich von ihm kommen.
Flavia. Jsts Falschheit? Glaub ichs. Cassand. Ouy, ich schwere /
Flavia. Verzeuch daß ich nach Haus' umbkehre /
Jch muß den Fall so zu beklagen?
Der Fraw und Jungfer stracks vortragen.
Cassand. Ha mort / das Glück ist nicht propice
Ell' ayme plus que moy Fabrice.

Cornelia. Chloris.

Jn dem Lust-Garten.

1. Chloris. Rinnt bittre Thränen rinnt!
Hat iemals wer ersinnt!
Daß eine Mutter könt ihr Kind so hindan setzen /
Vnd auff den Tod verletzen?
2. Wo ist diß je erhört /
Daß die so hoch versehrt.
Der ich das Leben hab / und was ich bin / zu dancken!
Kan Mutter-Treue wancken?
3. Ach! sie wanckt nur zu vil!
Die vor sich selbst diß wil.
Was das Verhängnüß mir hat einig ausersehen!
Jsts denn umb mich geschehen!
4. Ja freilich! ach ich sol /
(Auff daß der Mutter wohl)
Mich in das tiffste Weh und schwerste Leid versencken
Diß heist mit Gallen träncken!
5. Was ist es / werthe Fraw /
Das sie begehrt? Sie traw /
Jch bin bereit vor sie diß Seelchen hin zu geben!
Zu sterben vor ihr Leben!
6. Nur dieses kommt zu schwer!
Sie wüntscht was ich begehr.
Sie nimmt mir was ich lib und auff den Tod sie hasset!
O besser längst erblasset!
7. Wann der Sie schätzen könt;
Dem leider sie nicht gönt.
Was er so embsig sucht: Wolt ich mich überwinden.
Vnd in die Sache finden.
8. So aber / ach! so seh
Jch nicht wie uns gescheh /
Sie ehrt was vor ihr fleucht / umb was sie libt zu kräncken.
Wo soll ich hin mich lencken?
9. Gehorsam / Lib / und Ehr /
Bestreiten mich zwar sehr.
Doch Lib hat längst mein Hertz in den Besitz genommen.
Da die zu spat ankommen!
10. Halt an geschwinde Bach!
Laß von dem rauschen nach!
Biß ich die traute Schrifft noch einmahl übersehe
Vnd Nymphen euch anflehe:
11. Die jhr umb dises Thal
Die raue Libes-Qval
Vnd ungeheuren Zwang (so wie man mir gesaget)
Nicht einmal habt beklaget.
Sie setzet sich nider / liset und entschläft.
1. Cornelia. Forscht iemand wie in ein Gemütte /
Die strenge Macht der Libe wütte;
Der schau auff mich so wird er finden /
Wie sie die Sinnen könne binden /
Wie sie die Bande könn entschlissen.
Den anderswerts Wald / See und Lüffte folgen müssen.
2. Sie reitzet mich nach dem zu sehen /
Der ehr es schätzt mich zu verschmähen!
Sie zwänget mich nach allen Schätzen /
Auch selbst mein Blut hindanzusetzen!
Jndem / weil ich in ach verschwinde /
Jch leider eifern muß mit meinem libsten Kinde.
3. Cornelie kanst du denn leiden!
Kan dir das Hertze nicht durchschneiden?
Daß deine Tochter gantz verblühet /
Die Mutter nicht an Mutter sihet!
Weil du ihr diß zu nehmen ringest.
Wordurch du dich in Lust / sie ins Verterben bringest.
4. Wie! opffer ich mein Kind den Schmertzen /
Vor den / der mich schleust aus dem Hertzen?
Ach ja! er lern' hiraus erkennen /
Wie feurig dise Geister brennen:
Die alles / ja ihr Blutt auffsetzen
Vmb einig sich mit ihm auff ewig zu ergetzen.
5. Jch libe beyd / doch ich verstehe /
Daß eigne Libe voran gehe /
Drumb ich denn schuldig mich zu mühen /
Vnd meinem Kinde vorzuziehen.
Doch Chloris ist von mir gebohren;
Vnd wird vor den der frembd und mein nicht acht verloren!
6. Ach nein! sie hindert mein Verlangen!
Sie hat die Seele hintergangen /
Die / wann sie nicht von ihr bethöret /
Mein freundlichst locken längst gehöret!
Vnd solt ich dann vor Tochter schätzen /
Die jhre Mutter mehr denn feindlich kan verletzen?
7. Was schaw ich! ruht sie in dem Grunde?
Mit in die Schoß gesencktem Munde?
Die Wangen gantz betaut mit Thränen?
Wie still ich ihr betrübtes sehnen?
Was thu ich! ob ich sie erwecke!
Sie scheust auff! hört / was doch ihr träumend Geist entdecke.
Chloris. schlaffend. Traw fest! ich weiche nicht
Von der verschwornen Pflicht!
Last ja die Mutter sich in einen Tyger wandeln!
Vnd mich unmenschlichst handeln!
Cornelia. Weh mir! was unbesinnte Sinnen!
Kan Kindes-neigung so zerrinnen!
Was sorg ich vil denn zu betrachten /
Die mich nicht wil vor Mutter achten?
Doch straffe hab ich schon in Händen:
Wenn ich sein Liben kan von dir auff mich abwenden.
Chloris. schlafend. Ja könt es gleich geschehn /
Vnd Chloris müst es sehn:
Daß dich ein andre solt durch grösser Hold erwerben.
Doch wil ich dein ersterben.
Cornelia. Was rasen hör ich an / auff Chloris, Chloris auff /
Chloris. erwachend. Mein süsser Schatz / mein Hertz / gib dich nicht auff den Lauff /
Cornelia. Was Hertz! was Schatz! ist diß? Kennt man die Mutter nicht.
Chloris. Die Mutter leider ach / verkennt ihr Kind und Pflicht!
Cornelia. Jhr Kind! das weder Zucht noch Ruhm noch Mutter acht!
Chloris. Die Mutter acht ich stets / mein Ehr ist unverdacht.
Cornelia. Das zeigt der schöne Briff / der in dem Busen steckt.
Chloris. Durch solche Briefe ward kein keuscher Geist befleckt.
Cornelia. Hat man bey Keuschen wol von solcher Schrifft gehört?
Chloris. Sie kommt von diser Hand die selbst die Mutter ehrt.
Cornelia. Die Mutter die weit mehr was gutt / denn du / versteht.
Chlor. seit abw. Vnd leider nach dem Gutt / auff das ich hoffe / geht.
Cornelia. Du reuchst noch nach der brust! holt docken vor das Kind.
Chlor. seit abw. Ja Docken / die beqvem vors Kindes Mutter sind.
Cornelia. Jch zitter! wer gab dir den Briff in deine Hand!
Chloris. Jch weis nichts als daß ich ihn in der Cammer fand.
Cornelia. Jch bin in meinem Hoff verrathen und verkäufft.
Chlor. seit abwerts. Vnd ich in Leid und Angst und Thränen gantz verteufft.
Cornelia. Vnselig! daß ich dich je unterm Hertzen trug!
Chloris. Vnselig daß mich Lib aus ihrem Hertzen schlug.
Cornelia. Daß ich mit einem Kuß dich auff dem Arm empfing!
Chloris. Daß Gott nicht meinen Tod vor diser Zeit verhing.
Cornelia. Schaut was die Mutter nun aus ihrem Kind erzieh /
Chloris. Fraw Mutter / sie verzeih / sie zeucht nichts / ich verblüh.
Cornelia. Kein wunder / tolles Feur hat deine Krafft verzehrt.
Chloris. Das Feur das ihre Krafft durch meine Thränen nehrt.
Cornelia. Steht dises Töchtern an / sind solches Jungfern-wort /
Chloris. Spürt man ein Mutter-Wort und Hertz an disem Ort.
Cornelia. Nicht Mutter-Hertz / in dem ich vor dich sorgen wil.
Chlor. seit abwerts. Sie sorge wol für mich: Doch vor sich nicht zu vil.
Cornelia. Was zanck ich mich mit der die in der Brunst ergrimmt.
Chloris. Fraw Mutter sie verzeih der / die in Thränen schwimmt.


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