Grimmelshausen
Der seltzame Springinsfeld
Grimmelshausen

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Das XXIV. Capitel.

Was die Leyrerin vor lustige
Diebsgriff und an anderen Possen angestellt;
wie sie ein unsichtbarer Poldergeist: ihr Mann
aber wider ein Soldat gegen dem Türcken wird.

ALs ich nun mein leichtfertig Weib weder mehr hören noch sehen konte / schrye ich ihr gleichwohl nach / sie solt ihren Büntl oder Pack auch mitnehmen / welchen sie bey mir ligen lassen / dann ich wuste wohl daß sie kein Gelt darinnen / sonder unser Barschaft in ihre Brust vernähet hatte; demnach gieng ich den negsten Weeg gegen der Hauptstatt desselbigen Landes / und wiewol ihr Nam fast Geistlich thönet / so gieng ich doch hinein / meine Nahrung mit dem Thon meiner weltlichen Schallmey und Geigen darin zu suchen.

Damals fanden sich Venetianische Werber daselbsten / welche mich dingten / daß ich ihnen mit meinem Saitenspil und anderen kurtzweilig und verwunderlichen Gauckelbossen einen Zulauff machen solte; Sie gaben mir neben Essen und Trincken / alle Tag einen halben Reichsthaler / und da sie sahen / daß ich ihnen besser zuschlug als sonst drey Spilleut oder einige andere Lockvögel / die sie auff ihren Herd hätten wünschen mögen / andere zu fangen; überredeten sie mich / daß ich Gelt nam und mich stellete als wann ich mich auch hätte underhalten lassen; und dises machte / daß ich ihrer noch vil / die sonst nicht angangen wären / durch mein Zusprechen in ihre Kriegs=Dienste verstrickte; unser Thun und Lassen war nichts anders als Fressen / Sauffen / Dantzen / Singen / Springen und sich sonst lustig zu machen / wie es dann pflegt herzugehen / wo mann Volck annimbt. Aber dises Henckermahl bekam uns hernach in Candia wie dem Hund das Graß / der wol büsset was er gefressen.

Als ich einsmals gantz allein auff dem Platz daselbsten stund / das schöne Bild auff der Säulen allda betrachtete / und sonsthin nirgends gedachte / wurde ich gewahr / daß mir etwas schweres in Hosensack hinunder rollete / welches ein gerappel machte / daß ich daraus wol hören konde / daß es Reichsthaler waren / da ich nun die Hand in Sack steckte und ein Handvoll Thaler griffe / höret ich zu gleich meines Weibs Stimm / die sagte zu mir / du alter Hosenscheisser was verwunderst du dich über diß par dutzet Thaler? ich gib sie dir / damit du wissest / daß ich deren noch mehr habe / auff daß du dich zu grämen Vrsach habest / um willen du dich meines Glücks nicht theilhafftig gemacht / vor dißmahl gehe hin und verkauff dise / auff daß du deines Elends ein wenig vergessen mögest. Jch sagte / sie solte doch mehr mit mir reden / mir meinen Fehler vergeben / und Reguln vorschreiben / wie ich mich gegen ihr verhalten und die Versöhnung wider erlangen solte; aber sie liesse sich gegen mir ferners weder hören noch sehen / derowegen gieng ich in meine Herberg und zechte beides mit den Werbern und ihren Neugeworbenen im Brandwein biß in den Mittag hinein / bey welchem Jmbis wir von unserem Würth Zeitung bekamen / daß einem reichen Herren in der Stadt vil Gold und Silber von Gelt und Kleinodien außgefischt worden wären / darunder sich tausend Reichsthaler und tausend doppelte Ducaten eines Schlags befanden / ich spitzte die Ohren gewaltig / nam ein Abtrittel auffs Secret / als hätte ich sonst was thun wollen / beschaute aber nur meine Thaler deren 30. waren / und sahe ihnen an / daß mein Ehelichs Weib obbemeldten reichen Zug gethan; sahe mich derowegen wol vor / damit ich keinen darvon ausgabe / und mich nicht etwan selbst dardurch in Argwohn / Gefahr und Noth brächte; Aber was that mein Weib das junge Raben=Aas? sie hat nicht nur mir: sonder bey hundert Personen underschidlichen Stands von ihren gestohlenen Thalern hin und wieder dem einen drey / dem andern vier / fünf / sechs / auch mehr in die Säcke gesteckt; was nun reich / ehrlich und fromm war / das brachte das Geld seinem rechten Herrn wieder / was aber arm / gewissenlos und meines gleichen gewesen / hat ohne Zweifel / sowol als ich / behalten was es in seinem Sack gefunden; und ich kan nit ersinnen warum sie diß gethan haben muß / es habe sich dann diese Vettel mit so schwerem Geld nicht schleppen mögen; doch kan auch wol seyn / daß sie solches per Spaß gethan / um etwas anzustellen / darüber sich die Leuthe zu verwundern hätten; dann als es gegen Abend kam / da das Volck aus der Salve gieng und hin und wieder auf dem Platz stunde / seynd bey zweyhundert Thaler von oben herunder geworffen: von den Leuthen aufgelesen: und mehrentheils ihrem Herrn zugestellt worden; dieses verursachte / daß des Herrn unschuldig Gesind / welches des Diebstahl halber in Verdacht: und deswegen befäncknust war / wiederum auf freyem Fuß gestellt wurde; und hoffte der bestohlne Herr / seine doppelte Ducaten wurden auch wieder wie die Thaler wieder hervor kommen / aber es geschahe nicht / dann das holde Gold ist viel schwerer als das Silber / und Sol ist nicht so beweglich oder leichtveränderlich wie Luna.

Den andern Tag wurde bey einem grossen Herrn ein stattlich Panquet gehalten / darbey sich viel andere grosse Herren und ansehnlich Frauenzimmer befande / dise sassen alle in einem schönen grossen Saal / und hatten die vier beste Spilleut in der gantzen Stadt bey sich; da es nun bey dem Confect auch an einen Tantz gehen solte / liesse sich unversehens bey den Spilleuten auch eine Leyr hören / mit grossem Schrecken aller deren die im Saal waren; die erste die ausrissen / waren die Spilleut selbst / als welche das Geschnarr zunegst bey ihnen gehöret und doch niemand gesehen hatten; ihnen folgten die übrige mit grosser Forcht und ihr Geträng wurde desto hefftiger / weil sie in dem Winckel / darinn die Spilleute gesessen / ein gählings Gelächter noch mehrers erschreckte; also daß wenig gefehlet / daß nicht etliche under der Thüren ertruckt wären worden. Nachdem nun iedermäniglich den Saal erzehlter massen geraumt hatte / sahen etliche so vor der Thür stehen zu bleiben und von fernen in den Saal zu schauen das Hertz behalten / wie bisweilen ein par Sessel / bisweilen ein par silberner Tisch=Becher / Blatten und ander Geschirr mit einander herum tantzten; und obgleich diß Spiegelgefecht zeitlich ein End nam / so hatte iedoch noch lang niemand das Hertz in den Saal zu gehen / unangesehen man Geistliche und Soldaten geholet / das Gespenst entweder mit Gebett oder mit Waffen abzutreiben; den Morgen frühe aber / als man wieder in den Saal kam / und nicht ein eintziger Leffel / geschweige etwas anders von Silber=Geschirr nicht mangelte / ohnangesehen die gantze Tafel damit überstellet war / stärckte diese Begebenheit den Wahn des gemeinen unbesonnenen Pöfels dergestalten / daß die jenige lucke Klügling (die gestern wegen der seltzamen Geschicht mit dem gestohlnen Geld gesagt hatten / so recht / so muß der Hagel in die gröste Häuffen schlagen / damit das Geld auch wieder under den gemeinen Mann komme) anietzo sich nicht scheueten zu lästern und zu sagen / also muß der Teufel einen Spilmann abgeben / wo man der Armen Schweiß verschwendet.

Noch eins muß ich erzehlen / das meine andere und vil ärgere Courage als die erste Unholde / meines darvorhaltens aus lauter Rach angestellt; sie hatte kurtz zuvor einer Abtissin auf einem grossen und reichen Stifft zu gefallen ihre Leyr gestimmt / um derselben ein Liedlein: und zwar ein geistlichs / aufzuspiln / der Hoffnung / etwan einen halben oder gantzen Creutzer zur Verehrung zu erhalten; aber an Statt daß diese hören; und ihre milde Hand aufthun solte / thät sie etwas zu streng und scharf den Mund auf / und liesse hingegen mein guts Weibgen eine Predigt hören die ihr eben so verdrüßlich als unverdaulich fiele; dann sie war eines solchen Jnhalts / damit man die allerleichtfertigste Weibs=Personen zu erschrecken und zur Besserung ihres Lebens zu zwingen und anzufrischen pflegte; ach die gute Abtissin mags wol gut gemeinet / und ihr etwan eingebildet haben / sie hätte irgends eine Leyen=Schwester zu capiteln vor sich! ach nein / sie hatte ein ander Tauses! eine Schlang oder wol gar einen halben Teufel / deren Zung ich öffters schärpfer als ein zweyschneidig Schwerd befunden habe; Potz herget Gnad Frau / sehet ihr mich dann vor eine Hur an? antwortet sie ihr; ihr müst wissen daß ich meinen ehrlichen Mann habe; und daß wir nicht all Nonnen oder reich seyn: oder unser Brod bey guten faulen Tägen essen können; hat euch Gott mehr als mich beseeligt / so danckt ihm darum / und wolt ihr mir seinet willen kein Allmosen geben / so last mich um übrigen auch ungestigelfritzt; wer weiß / wann villeicht nicht sovil Allmosen gegeben worden wären / ob nicht mehr Leyrerin als Nonnen gefunden wurden / &c. mit solchen und mehr Worten schnurret sie damals darvon; ietzunder aber hatte man auf dem Land und in der Stadt von sonst nichts zu sagen als von der Abtissin und einem Poldergeist / der sie so Tags so Nachts unaufhörlich plage; welches sonst niemand als mein Weib war; das erste das sie ihr that / war / daß sie ihr die Ring des Nachts von den Fingern: und die Kleider vom Beth hinweg nahm / und solches in die Pfisterey trug / dem Becken steckte sie die Ring an seine Finger / und legte der gnädigen Frauen Habit zu dessen Füssen / ohne daß sie dieselbe Nacht iemand gehöret oder gemerckt hätte; und solches hat sie ohn Zweifel durch den Haupt=Schlüssel zuwege gebracht den sie beym Kopf kriegt / weil er ungefehr um dieselbe Zeit verloren worden; was nun hierdurch gleich in der erste der guten Abtissin vor ein Verdacht zugewachsen / kan man leicht erachten; man redete noch von vilen Sachen / damit sich das Gespenst mit der Abtissin vexirt / worwider weder Weywasser / Agnus Dei noch andere Sachen nichts helffen wolten / darvon man aber die Warheit ausserhalb dem Closter nicht wol erfahren konte.

Jndessen hatten meine Werber die Anzahl ihrer Mannschaft zusammen gebracht / und indem ich vermeinte ich dörfte zuruck bleiben / sihe / da befand sich der Betrieger selbst betrogen / und muste der gute Springinsfeld eben sowol als die andere um die Candische Gruben springen / die er andern durch sein zusprechen gegraben hatte; doch daß ich die Stelle eines Corporals zu Fuß bedienen solte.


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