Grimmelshausen
Der seltzame Springinsfeld
Grimmelshausen

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Das XVII. Capitel.

Springinsfeld bekombt Succurs,
und wird widerum ein reicher Tragoner.

JCh erlebte zwar auff meinem Tach den lieben Tag wiederumb / ich sahe aber drum nichts / daraus ich einige Hoffnung zu meiner Erlösung hette schöpffen mögen; sonder hatte vilmehr Ursach gleichsam gar zuverzagen / dann ich war müd / matt / schläfferig und noch darzu auch hungerig; ich beflisse mich sonderlich / mich des Schlaffens zuenthalten / weil die geringste Einnickung der Anfang meines ewigen Schlaffs gewesen wäre / sintemal ich alsdann entweder erfrieren oder über das Tach herunter burtzlen müssen; indessen bewachten mich die Wölffe noch immer fort / ob zwar bisweilen deren etliche die Stiege auff und ab spatzirten; nach den jenigen die oben im Hause underm Tach verblieben / warff ich zwar ohne underlas mit Zieglen / ob ich sie villeicht vertreiben möchte; es nutzte mir aber zu nichts anders / als daß ich mich durch dasselbige Exercitium des Schlaffs erwehrte / und mir den Schatten oder eine Copey einer geringen Wärme in die Glider schaffte; Vnd dergestalten brachte ich bey nahe den gantzen Tag zu.

Gegen Abend aber / da ich mich schier allbereit in mein gäntzliches Verderben ergeben hatte kamen fünff Kerl in sachtem Kalopp daher geritten / welchen ich gleich an fertighaltung ihres Gewehrs ansahe / daß sie zu recognoscirung deß Dorffs vorhanden; den letzten kante ich am Pferd / daß es ein Wachtmeister vom Sporckischen Regiment war / der mich gar wol kennet / die erste wurden meiner von fernen gewar / und sahen mich anfänglich vor eine Schiltwacht: und da sie sich besser näherten / vor einen Bauren an / befahlen mir derowegen auch als einen Bauren / ich solte herunder steigen oder sie wolten mich herunder schiessen; als ich aber gedachten Wachtmeister mit Namen nennete / mich damit zu erkennen gab / und darneben versicherte / daß in 24. Stunden kein vernünfftige Seele im Dorff gewesen / sintemal ich so lange auff dem Dach Schiltwacht gehalten; erzehlet ich ihnen auch zu gleich mein Geschäffte und was vor Creaturen mich in meinem beschwerlichen Arrest hielten; hierauff folgte gleich der Obriste Sporck selbsten mit einem starcken Trouppen / und als er meine Beschaffenheit vernam / liesse er alsobalden zehen Reitter mit ihren Carbinern absteigen: in das Haus gehen und sonst das Haus umstellen / auch Schiltwachten ausserhalb dem Dorff auffführen; als nun jene ins Haus gestürmbt / wurden 8. Wölff so erschossen als sonst nidergemacht / und im Keller fünff Menschliche Cörper gefunden / von welchen sie auch so gar etliche Gebein auffgefressen hatten; vermög eines Gesteck Messers / eines Stahels / zweyer Paßzedel / vnd eines Wexelbrieffs der nach Vlm lautet / wie auch eines Gürtels darinnen Ducaten vernehet waren / ist ein Mezger under diesen gewesen / der die Thonau hinunder gewolt / etliche Vngar Ochsen zu kauffen / und ohne dise fünff Menschen=Köpffe / fanden wir auch Aas von andern Thieren / also daß es in disem Keller einer alten Schindgruben ähnlich sage.

Gedachter Obriste war mit 500. Pferden aus / vmb Rothweil zu erkundigen / was die Weymarische im Sinn hetten / und da er solcher gestalten von mir erfuhr was deß Rose Intention wäre / befahl er alsobalden in demselbigen Dorff zu füttern / das ist / den Pferden zu fressen zu geben / was ieder von kurtzem Futter hindersich führte: dann in demselbigen Dorff war nichts verhanden / daß die Pferde geniessen konden / als das Stro auff etlichen Dächern / und alsdann füetterte auch ein ieder sich selbsten / mich aber deß Obristen kalte Kuch / von deren mir mildiglich mitgetheilt wurde / als dessen ich damals auch trefflich vonnöthen.

Der Obriste hielte die Begegnus mit den Wölfen vor ein gut Omen, noch ferners ein unverhoffte Beut zu erhalten. Er gedachte auf Bahlingen zu gehen / und mit Zuziehung unserer daselbst ligenden Tragoner dem Rosa einen Streich zu versetzen; ich wurde auf ein Hand=Pferd gesetzt den richtigsten Weg zu weisen; aber ehe wir gar zwo Stund in die Nacht marchirt hatten / krigten wir Kundschaft / daß Rosa sich zwar bey Balingen sehen lassen / aber nicht der Meinung die Tragoner auszuheben / sonder den Ort / den er vor leer gehalten / zu besetzen; weil er aber zu spat kommen / hätte er sich in das Dorf Geislingen logirt / um über Nacht daselbst ligen zu bleiben; hierauf ändert der Obriste alsobald seinen Anschlag / und nam seinen Weg gerad auf Geislingen zu / allwo wir auch unversehens um eilf Uhr ankamen / und den Rose mit bey sich habenden vier Regimentern gar unseuberlich aus dem ersten Schlaf weckten; bey 300. Reutern setzten ins Dorf / die übrige aber hielten darvor haussen / und zündeten es an vier Orten an / darauf wurden gleichsam in einem Augenblick diese 4. Regimenter zerstöbert und ruinirt; 200. wurden gefangen ohne die Officir / und sonst viel schöne Beüten gemacht; und demnach ich von dem Obristen erhalten / daß ich auch in das Dorf lauffen und mich um eine Beut umschauen möchte / als durchschliche ich die Häuser zu eusserst am Dorf und zunegst an einem Ort da es brante / und bekam drey schöne gesattelte Pferd mit aller Zugehör und einem Jungen / dessen Herr sich mit samt dem Knecht entweder zu Fuß darvon gemacht: oder sich sonst versteckt hatte / weil er das niderbixen unserer im Feld gehaltenen Reuter geförchtet / als die gemeiniglich nur den Flüchtigen zu Pferd zusetzten.

Des Morgens frühe liesse mich der Obriste mit meiner Beut wiederum nach Balingen reiten / unserm Commendanten und seinen Tragonern die Bottschaft seines glücklich verrichten Einfalls zu bringen; ich war willkommen / nicht allein der Bottschafft die ich brachte / sonder auch wegen der guten Recommendation=Schreiben / die mir der Obriste beydes meines wolverhaltens und meiner ausgestandenen Gefahr halber mitgetheilet hatte; der Commendant hatte mir ein Dutzet Thaler versprochen / wann ich zu meiner Wiederkunfft die Bottschafft recht ausgerichtet haben würde; weil ich aber ietzt so wol heim kam / verehrte er mir deren zwey und machte mich noch drüberhin zu einem Corporal / derowegen versilberte ich das eine Pferd / und mondirte mich und einen Knecht aus dem erlösten Geld desto stattlicher / machte auch abermal hohe Gedancken / ob ich nicht noch mit der Zeit ein Kerl von æstimation abgeben wurde; eben auf denselbigen Tag daran ich so gros worden / gieng Rothweil an den Guebrian über / aber die Weimarische haben dise Stadt nicht viel länger behauptet / als bis die Tuttlinger Kirchmes gehalten worden (auf deren ich zwar wenig Beuten einkramen könden weil ich als ein Under=Officir anders zu thun hatte) dann nachdem solche vorüber / nahm sie unser General von Mercy mit Accord wieder hinweg; und weil ich damals auch etwas von der ausziehenden Pagage angepackt / wäre ich beynahe / wie andern Mausern mehr widerfuhr / harquebusirt oder wol gar / als ein Corporal der andern abwehren sollen / aufgehenckt worden / dafern mich mein gutes Pferd nicht beyzeiten aus der Gefahr getragen: und zehen Thaler die ich den Nachjagenden spendirte / aus den Händen des Profosen und Steckenknechts errettet hätte.

Gleich hierauff bekamen wir gute Winter=Quartier; vnd ob gleich Herr Corporal Springinsfeld anfänglich in denselbigen eine herbe Haupt=Kranckheit überstunde / also / daß ihm auch kein Härlein Heu auf der obern Bühne übrig verblibe / so schlug es ihme dannoch hernach so wol zu / daß er mitten im Krig einen solchen fetten Kopf überkam / wie ein Dorf=Schultheis mitten in Friedens=Zeiten.


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