Grimmelshausen
Der seltzame Springinsfeld
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Das X. Capitel.

Springinsfelds Herkunfft und wie
er anfangs in Krieg kommen.

NUn daß sey dann genug von den Weibern geredet / sagte Simplicius, seytemal ich sehe / daß ich dich doch nicht anders oder eine zuheuraten persuadirn können; hingegen aber möchte ich wohl von dir vernemmen / wo du gebürtig / wie du in Krieg kommen / und wie es dir bißhero darinnen ergangen / biß du auß einem so dapffern Soldaten zu einem solchen elenden Steltzer worden seyest? Springinsfeld antwortet / so du dich nit gescheuet hast / deinen aignen Lebenslauff aller Welt durch den offenen Truck vor Augen zulegen / so werde ich mich auch nit schämen / den meinigen hier im finstern zuerzehlen; vornemblich weil bereits offenbar seyn soll / was zwischen mir und der Courage vorgangen / die gleichwol uns beyde / wie ich vernemme / mit einander verschwägert; jetzt höre dann deines Schwagers Ankunfft.

Meine Mutter ist eine Griechin auß Peloponeso von hohem altem Geschlecht und grossen Reichthumben: Mein rechter Vatter aber ein Albanesischer Gauckler und Sailtantzer: Und darneben von schlechter Ankunfft und geringen Mitlen gewesen; als dieser mit einem zahmen Löwen und einem Tromedary in der gegend darinn meiner Mutter Eltern gewohnet / herumb zohe / und beydes dise Thier und seine Kunst um Gelt sehen liesse / gefiele besagter meiner Mutter / die damahl ein junges Ding von 17. Jahren war / dessen Leibs Proportion und Geradigkeit so wohl / daß sie sich gleich in ihn vernarrete / also daß sie mit Hülff ihrer Ammen einen Anschlag machte / ihren Eltern ein Stück Gelt auszufischen / und mit besagtem meinem Vatter wider ihrer Eltern wissen und willen darvon zuziehen; und solches hat ihr auch zu ihrem Unglück geglückt / unangesehen sie einander auffrecht geehlicht; also wurde meine Mutter aus einer seßhafften vornehmen Damen eine umschweiffende Comædiantin, mein Vatter ein halber Juncker und ich selbst die erste und letzte Frucht diser ersten Ehe; sintemahl mein Vatter da ich kaum geboren worden / von einem Sail herunder sturtzet und den Hals zerbrach / durch welchen laydigen Fall meine Mutter also zeitlich zu einer Wittib wurde.

Zu ihren erzörnten Eltern hatte sie das Hertz nit wider heimzukehren / ohne daß sie sich damaln auch über die hundert Meilen von den selbigen im Dalmatia bey einer Compagniæ Comoedianten befande; hingegen war sie schön / jung und reich / und hatte dannenhero under meines Vattern hinderlassenen Cammerathen vil Werber; von dem sie sich freyen liesse / der war eingeborner Sclavonier und der allerfärtigste in der jenigen profession die mein Vatter geübt hatte; diser zohe mich auff bis ich das elffte Jahr erraichte / und lehrete mich alle principia seiner Kunst; als Trompetn / Trommelschlagen / Geigen / Pfeiffen / beydes auff der Schalmey und Sackpfeiffen / auß der Taschen spilen / durch den Raiff springen und andere seltzame Auffzüg und andere närrische Affen Posturen machen; also daß ein jeder leichtlich sehen konte / daß mir das eine und das ander mehr angeborn als angeflogen oder durch fleissige instruction angewöhnet worden; dabey lernete ich lesen und schreiben; Griechisch reden von meiner Mutter / und Sclavonisch von meinem Vatter; So begriffe ich auch mithin in Steyr / Kernten und andern angräntzenden Teutschen Provintzen um etwas die Teutsche Sprach / und wurde in Summa Summarum in bälde ein solcher feiner kurtzweiliger Gauckler Knab / daß mich gedachter mein Vatter bey seinem Handwerck zumissen umb keine 1000. Ducaten verkaufft hätte / wann gleich alle Tag Jarmarck gewesen wäre.

Jn solcher meiner blühenden Jugend vagirten wir mehrentheils in Dalmatia, in Sclavonia, Macedonia, Servia, Wossen / Walasay / Sibenbürgen / Reüssen / Polen / Littau / Mährn / Böhmen / Vngarn / Steyr und Kernten herumber; und da wir in diesen Ländern vil Gelds aufgehoben hatten / und mein Stieff=Vatter willens war / seines Weibs Eltern auch zubesuchen (als vor denen zu erscheinen er sich nicht scheuete / weil er sich gar einen reichen Kerle zu seyn bedunckte und wie ein Graff auffziehen konte) sihe / so namb er seinen Weeg auß Histria in Croatiam und Sclavoniam von dannen führt ers durch Dalmatia und Albania per Græciam in Moream zugehen / alwo dann meiner Mutter Eltern sich befanden.

Als wir nun durch Dalmatiam passirten / wolte mein Vatter seine Kunst auch in der berühmten Stadt Ragusa sehen lassen / oder vielmehr dieselbige auch um einen guten Zehrpfenning schätzen / als welche damal in völligem Flor und Reichthum stunde; wir kehrten daselbst zu solchem Ende ein / und zwar nicht in der Kirchen / sonder unserer Gewonheit nach in dem allerbesten Wirthshause; und als wir blöslich eine Nacht ausgeruhet / gieng mein Stiefvatter hin um Consens anzuhalten / daß er beydes seine bey sich habende fremde Thier und seine Kunst um die Gebühr dem Volck möchte weisen; es wurde erlaubt; und ehe solche Erlaubnus kaum erbetten ward / wurde ich samt meinem Stiefbruder / der mir weder in dexteritet unserer Kunst noch in andern Stücken bey weitem nicht zu vergleichen / mit einem Reif / einer Gauckel=Taschen und andern Jnstrumenten geschickt / zu sehen / ob ich nicht auf den Schiffen die damals im Hafen lagen / ein Stuck Geld verdienen könte / ich gehorsamte gern / der Meinung dem Schif= und Wasser=Volck durch meine krumme und seltzame Luftsprüng Freud und Lust zu machen; aber ach! ich gelangte an ein Ort / das alles meines Jammers / Elends und eignen Unlusts ein Anfang war; dann nachdem etliche Schiffe ausser dem Hafen segelfertig auf der Reide lagen / die nur auf guten Wind warteten / etliche neugeworbene Völcker / darunter zwo Compagnien Albanesische Sperreuter waren / nach Hispanien zu führen; sihe / da geriethen wir unversehens auf dieselbe Schiffe / weil wir durch einen der ihrigen Nachen überredet worden waren / es wurde daselbst ein treflich Trinckgeld setzen; massen uns auch derselbe Nache mit überführte; wir hatten unsere Exercitia kaum angefangen / als sich aus Mitternacht ein Wind erhub / der bequem war / aus dem Adriatischen Meer in das Sicilianische zu lauffen / demselben vertrauten sie die Segel / nachdem die Ancker gelupft waren / und lehreten mich und meinen Bruder das schiffen wider unsern Willen erdulden / jener thät als wolte er verzweifeln / ich aber liesse mich noch trösten / nicht allein darum / weil ich von Natur alles gern auf die leichte Achsel nehme / sonder auch / weil mir der eine Rittmeister / der sich gantz in meine Gestuositet verliebt / gleichsam güldene Berge versprach / wann ich bey ihm bleiben und sein Page abgeben wurde / was solte ich thun? ich konte wol gedencken / daß kein Schif unserthalben wieder zuruck fahren: noch die Raguser zweyer entführten Gauckler=Buben wegen wann sie nicht gelifert wurden / diesen Schiffen nachjagen; und mit ihnen eine Seeschlacht angehen oder einen Krieg anfahen würden; derowegen gab ich mich nur desto gedultiger drein / genosse es auch besser als mein Bruder / welcher sich dergestalt kränckte / daß er starb / ehe wir wieder von Sicilia abfuhren / allwo wir noch einige Fußvölcker einnahmen.

Von dannen gelangten wir in das Mayländische und so fort zu Land durch Saphoiam / Burgund / Lotharingen / ins Land von Lützenburg und also in die Spanische Niderlande / allwo wir neben andern Völckern mehr under dem berühmten Ambrosio Spinola wider des Königs Feinde agirten; um dieselbige Zeit befande ich mich noch zimlich wol content; ich war noch jung / mein Herr liebte mich / und liesse mir allen Muthwillen zu; ich wurde weder durch strenges marchirn, noch andere Kriegs=Arbeiten abgemattet / so wuste ich auch noch nichts vom verdrüßlichen Schmalhansen / als welcher damals bey weiten noch nicht so bekant bey unser Soldatesca war / als er sich nachgehends im Teutschen Krieg gemacht hat / in welchem ihn auch Obriste und Generals Persohnen haben kennen lernen.


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