Grimmelshausen
Der seltzame Springinsfeld
Grimmelshausen

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Das XXII. Capitel.

Türckenkrieg des Springinsfeld in
Ungarn / und dessen Verehligung mit
einer Leyrerin.

WAs ich mir gewünscht / das hab ich auch gefunden und erhalten / ohne / das ich nicht dem Serin sonder dem Röm: Kays: selbst gedienet; ich kam eben als etliche Freywillige Frantzosen sich eingefunden / ihrem König zugefallen wider die türckische Sebel Ehr einzulegen; derselbe Krieg gefiele mir nicht halber und ich hatte auch weder gantzes noch halbes Glück darinnen / weil ich mich anfänglich nicht darein richten: Oder den Brieff recht finden konte / zu lernen / wie mans machen müste / daß man sich auch reich und gros kriegte; doch schlendert ich so mit / und suchte jederzeit in den allerschärpffsten Occasionen entweder meinen Tod: oder Ehr und Beüten zuerlangen / verblieb aber allzeit in dem Pfad der mittelmas / und wann ich gleich zu Zeiten irgents eine Beüt machte / so hatte ich doch niemals weder das Glück / noch die Witz noch die Gelegenheit solchen zu meinem Nutz auff zuheben und zuverwahren; und solcher Gestalt brachte ich mich durch solche Biss in die aller letzte haupt Action / in deren die unserige zwar oben lagen / ich aber mein vortrefflich Pferd durch einen Schus verlohren / und under demselben ligen verbleiben muste mit gesundem Leibe / bis beydes Freund und Feind das Feld getheilt und sich etlich mal über mich hinüber geschwenckt hatten; da ich dann von den Pferden so elend zertretten worden / daß ich alle Kräffte meiner Sinne verlohren / von den Siegern selbst vor Tod gehalten und auch als ein Toder gleich andern Todten meiner Kleyder beraubt worden / in denen ich etliche schöne Ducaten verstept hatte.

Da ich nun wider zu mir selber kam / war mir nicht anders / als wann ich geradbrecht: oder mir sonst Arm und Bein entzwey geschlagen worden wäre; ich hatte nichts mehr an als das Hembd / und konte weder gehen / sitzen noch stehen / und weil jeder verbicht war / die Tode zuplindern und Beüthen zu machen / als liesse mich auch ein jeder ligen wie ich lag / bis mich endlich einer von meinem Regiment fande / und durch dessen Anstalt ich zu unserer Bagage gebracht: und da von disem: dort von jenem mit Kleidern und einem Feldscherer versehen wurde / der mich hin und wider mit seinem Oleum Bapolium schmirbte.

Da war ich nun zum aller elendesten Tropffen von der Welt worden / der Marquedender so mich führen / und der Feldscherer so mich curiren solte / waren beyde unwillig / und über das müste ich Hunger leyden umb einen geringen Pfenning / dann mit dem Commiss=Brod wurde meiner mehrmals vergessen / und bettlen zugehen hatte ich die Kräfften nicht; in dem ich mich nun allerdings darein ergeben hatte / ich müste auff dem Marquedender Wagen endlich crepirn / blickte mich wider ein geringes Glück an / daß ich nemblich mit andern krancken und beschädigten mehr / in die Steyrmarck muste / allwo wir verlegt wurden unsere Gesundheit wieder zu erholen; das wehrete / bis wir nach dem unversehenen Fridenschlus zum theil unseren Abschid kriegten / under welchen abgedanckten ich mich auch befande / und nach dem ich meine Schulden bezalt / weder Heller noch Pfenning / und noch darzu kein gut Kleid auff dem Leib behielte.

Uber das war es mit meiner Gesundheit auch noch nicht gar richtig / in Summa da war guter Rath teuer und bey mir bettlen das böste Handwerck daß ich zutreiben getraute / dasselbe schlug mir auch besser zu als der ungrische Krieg / dann ich fande ein faules Leben und süsses Brod / bey welchem ich bald wider meine vorige Kräffte eroberte / weil die jenige gehrn gaben / die bedachten / daß ich umb Erhaltung der Christenheit vormaur willen in Armut vnd Kranckheit geraten war.

Als ich nun meine Gesundheit wider völlig erhalten / kam mir drum nit in Sinn / mein angenommenes Leben wider zuverlassen und mich ehrlich zuernähren sonder ich machte vil mehr mit allerhand Bettlern und Landstörtzern gute Bekant: und Cammeradschafft; vornemblich mit einem Blinden: der vil bresthaffte Kinder: und gleichwol under denselbigen eine eintzige gerade Tochter hatte / die auff der Leyer spilte / und nicht allein sich selbst damit ernährete sonder noch Geld zuruck legte / und ihrem Vatter davon mittheilte; in diese verliebte ich mich Alter Geck / dann ich gedachte / dise wird in deiner angenommenen Profession ein Stab deines vorhandenen und nunmehr verwisenen Alters ein / und damit ich auch ihre Gegenlieb und also sie selbsten zu einem Weib bekommen möchte / überkam ich eine discant=Geige ihr zugefallen / und halff ihr beydes vor den Thüren und auff den Jarmärcken / Bauren Täntzen und Kirchweyhen in ihre Leyr spilen / welches uns treflich eintrug / und was wir so miteinander eroberten / theilte ich mit ihr ohne allen Vorthel; die allerweisseste Stücklein Brodt liesse ich ihr zukommen / und was mir an Speck / Eyer / Fleisch / Butter und dergleichen bekamen / liesse ich allein ihren Eltern / dahingegen ich bisweilen bey ihnen etwas warms schmarotzte / insonderheit / wann ich etwan da oder dort einem Bauren eine Henn abgefangen / die uns ihre Altmutter auff gut bettlerisch (das ist beym allerbesten) zusäubern / zufüllen / zuspicken und entweder gesotten oder gebraten zuzurichten wuste / und damit bekam ich so wohl der Alten als der Jungen ihre Gunst; Ja sie wurden so vertreulich mit mir / daß ich mein vorhaben nicht länger verbergen oder auffschieben kondte / sonder um die Tochter anhielte; darauff ich dann auch das Jawort stracks bekam / doch mit dem austrücklichen Geding und Vorbehalt / daß ich mich so lang ich sein Tochter hette / nirgendshin häuslich niderlassen: noch den freyen Bettlerstand verlassen: und mich under dem Namen eines ehrlichen Burgersmann irgends einem Herrn underthänig zumachen nit verführen lassen solte. Zweytens solte ich auch fürderhin des Kriegs müssig stehen / und drittens mich ieweils auff des Blinden Ordre mit seiner familia aus einem fridsamen guten Land in das ander begeben: dahingegen versprach er mir / mich auff solchen Gehorsam also zulaiten und zuführen / daß ich und seine Tochter keinen mangel leyden solten / ob wir gleich bisweilen in einer kalten Scheuer vorlieb nehmen müsten.

Unsere Hochzeit wurde auff einem Jahrmarckt begangen / da sich allerhand Landstörtzer von guten Bekandten bey fanden; als Puppaper / Seiltäntzer / Taschenspiler / Zeitungssinger / Hafftenmacher / Scheerenschleiffer / Spengler / Leyrerinnen / Meisterbettler / Spitzbuben / und was des ehrbaren Gesindels mehr ist; ein eintzige alte Scheuer war genug / beydes Taffel und das Beylager darinn zuhalten / in deren wir auff türckisch auff der Erden herum sassen / und gleichwohl auff alt teutsch herum soffen; der Hochzeiter und seine Braut muste selbst in Stroh verlieb nehmen / weil ehrlichere Gäste die Würthshäuser eingenommen hatten / und als er murren wolte / um daß sie ihre Jungfrauschafft nit zu ihm bracht / sagte sie / bistu dann so ein ellender Narr / daß du bey einer Leyrerin zufinden vermeint hast / daß noch wohl andere Kerl als du einer bist / bey ihren ehrlich geachten Bräuten nicht finden? Wann du in solchen Gedancken gewesen bist / so müste ich mich deiner Einfalt und Thorheit zu kranck lachen; sonderlich weil dessentwegen keine Morgengab mit dir bedingt worden; was solte ich thun / es war halt geschehen; ich wolte zwar das Maul um etwas hencken / aber sie sagte mir austrücklich / wann ich sie dis Narrenwercks halber / das doch nur in einen eitelen Wahn bestünde / verachten wolte / so wüste sie noch Kerl die sie nicht verschmähen würden.


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