Grimmelshausen
Der seltzame Springinsfeld
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Das XIV. Capitel.

Erzehlet Springinsfeld ferner
Glück und Unglück.

BEy diesem Corpo genosse ich des Pappenheimers Glückseligkeit / der nach diesem glücklichen Streich in Westphalen herum fuhr wie eine Windsbraut / und das war ein Leben vor mich / dergleichen ich mir vorlängst eines gewünscht hatte; Als er die Städte Lengau / Herforth / Bilefeld und andere um Geld schätzte / bestahl ich hingegen da und dort die Dörffer und Bauren auf dem Land; als wir aber Baderborn einnahmen / setzte es bey mir zwar keine Beut / aber da wir den Bannier mit seinen vier Regimentern überfielen / und Hertzog Georg von Lüneburg buzten / folgte das Glück meiner gewohnlichen Verwogenheit und schaffte mir desto mehr Raubs; vor Stade / alwo wir den Schwedischen General Todt hinweg schlugen / und es allerdings machten / wie hiebevor zu Magdeburg / bekam ich einen Rittmeister gefangen / und mit demselbigen ein göldene Kette von 300. Ducaten; darneben brachten ich vnd mein Knecht sovil Pferde zusamen / daß ich mich gar wohl vor einen Roß=Händler hette ausgeben dörffen; und dieweil sich mein Gelt und Glück zugleich mit vermehrte / fieng ich an zugedencken / ob ich nicht auch ein Officier abgeben würde.

Nirgenthin gelangten wir / da wir nit Siegten und Ehr einlegten / ausser daß wir die Holländer aus ihren Schantzen vor Mastricht nit schlagen kondten / den Hessen und den Bavadis berupfften wir gleichsam wie wir wolten / und den Lüneburger der Wolffenbütel einzunemmen sich bemühete / lehreten wir einen Sprung / daß er sich selbst under das Braunschweigische Geschütz in Schutz geben müste; nach dem wir aber Hildesheim bezwungen / eylete unser Pappenheimer zu dem Wallensteiner und künfftiger Schlacht vor Lützen wie zu einer Hochzeit / in welcher aber beyderseits allertapferste Helden und berühmteste Generalen ihrer Zeit gleichsam mitten in ihrem Glückslauff an statt der Lorbeer=Kräntze mit Mirren und Rauten bekrönet worden.

Nachdem nun daselbsten der grosse Gustavus Adolphus und unser berühmte Pappenheimer beyde ritterlich streitend / ihr Leben zu einer Zeit / in einem Flügel gelassen / wie dann der Graf kaum ein viertel oder halbe Stund länger als der König gelebt haben soll; sihe / da erhub sich ererst die wütende Grausamkeit beyderseits fechtender Soldaten; iedweder Seite stund vor sich selbst so vest als eine unbewegliche Maur / und was von der Battalia tod nider fiele / machte mit den entseelten Cörpern seiner standhafften Parthey eine Brustwehr bis an den Nabel; gleichsam als wann selbige Wahlstatt um willen sie mit zweyer so tapferer Helden Martialischen Blut angefeuchtet worden / eine sonderbahre Kraft und Würckung empfangen / beydes die auf sich habende Todte und Lebendige zu dem jenigen anzufrischen und zu entzünden / was ein rechtschaffner Soldat in dergleichen Occasionen zu leisten schuldig; massen beyde Theil in solcher Beständigkeit verharreten / bis die stockfinstere Nacht den übrigverbliebenen abgematteten Rest selbiger streitbaren Kriegs=Heer von einander sonderte.

Wie giengen noch dieselbige Nacht gegen Leipzig und folgends in Böhmen wie die Flüchtige / unangesehen unser Gegentheil die Kräfte nit hatte uns zu jagen; und da ichs beym Liecht besahe / wurde ich gewahr / daß ich in der Schlacht meinen Knecht: und bey der Pagage meinen Jungen samt allem was ich vermöcht verloren; den letztern Schaden zwar hatten mir unsere eigne Völcker zugefügt / und demnach solches auch andern mehr widerfahren / als seynd von den Thätern auch viel aufgeknüpft worden; wodurch ich gleichwol das meinig nit wieder bekam.

Diese Schlacht und darinn erlittener Verlust war nur der Anfang und gleichsam nur ein Omen oder præludium des jenigen Unglücks / das noch länger bey mir continuiren solte; dann nachdem mich die Altringische erkanten / muste ich wieder under dem jenigen Regiment ein Tragoner seyn / worunder ich mich anfänglich vor einen underhalten lassen; und solcher Gestalt hatte nicht allein meine Freyreuterschaft ein End / sonder weil ich auch alles verloren / ausser dem was ich am Leib darvon gebracht / so war auch die Hoffnung pritsch ein Officier zu werden.

Jn diesem Stand hab ich wie ein redlicher Soldat Memmingen und Kempten einnehmen: und den Schwedischen Forbus strigeln helffen / in allen diesen dreyen Occasionen aber kein andere Beut als die Pest an Hals bekommen / und zwar allererst / als wir mit dem Wallenstein in Sachsen und Schlesien gangen; unserer zween von meiner Compagnie verblieben an dieser abscheulichen Kranckheit zuruck / leisteten einander auch in unserm Elend getreue Gesellschafft; wann ich die erbärmliche Zufäll betrachte / denen ein Soldat underworffen / so gibt mich wunder daß dem einen und andern der Lust in Krieg zu ziehen nit vergehet! Aber viel ein mehrers verwundert mich / wann ich sehe / daß alte Soldaten die allerhand Unglück / leyden und Noth ausgestanden: vil erfahren / und zum öfftern ihrem Verderber kümmerlich entronnen / dannoch den Krieg nicht quittiren / es seye dann / daß er selbst ein Loch gewinne / oder ihre Persohnen nichts mehr taugen / ferners in demselbigen fortzukommen und auszuharren; nicht weis ich was vor eine Art einer sonderbaren unbesonnenen Unsinnigkeit uns behafftet; schätze wohl es seye eine Art der jenigen Thorheit damit sich die Hofleuthe schleppen / welche dem Hof=Leben; darwider sie doch täglich murren / nicht ehender resigniren, als bis sie solches mit ihres Printzen Ungnad auffgeben müssen; sie wollen oder wollen nicht.

Wir verharreten in einem Stättlein / welches auch mit unserer Contagion behafftet war / und zwar bey einem Barbirer der unsers Gelts gleich wie wir seiner Artzney Mittel bedörfftig / wiewohl beyde theil des jenigen so das ander mangelte / wenig übrig hatte; dann der Barbierer war arm / und wir waren nicht reich / derowegen muste meine göldene Kette / die ich hiebevor vor Stade erwischt / täglich ein Glaich nach dem andern hergeben / bis wir wider gesund wurden / und als wir wider zu reuten getrauten / machten wir sich auff den weeg / uns durch Mähren in Oesterreich zubegeben / alwo unser Regiment gute Winter=Quartier genosse.

Aber sihe kein Unglück allein wann es anfangt zuwüten; wir beyde schwache und noch halb Krancke wurden von einer Rott Räuber / die wir mehr vor Bauren als Soldaten angegriffen / abgesetzt / bis auff die nackende Haut ausgezogen und noch darzu mit Stössen übel tractirt, und kondten schwerlich unser aigen Leben und vor unsere Klaider etwas von ihren alten Lumpen von ihnen erhalten; uns vor der damahligen grausamen Winters=Kälte zubeschützen / welches aber nicht vil mehrers thät / als wann wir uns in zerrissene Fischergarn bekleidet gehabt hätten; weil gleichsam Stein und Bein zusamen gefroren war; Jch hatte noch etliche Glaich von meiner göldenen Ketten verschluckt / darauff bestund all mein übriger Trost und Hoffnung / aber ich glaub daß ihnen der Teuffel gesagt haben muß / dann sie behielten uns 2. Tag bey ihnen / biß sie solche alle aus dem Excrement bekommen / und muste ichs noch vor einen grossen Gewinn halten / daß sie mir den Bauch nicht auffgeschnitten / an statt daß sie uns endlich wider lebendig von sich liessen; Jn solchem ellenden Zustand / da uns zugleich Gelt / Klayder / Gewöhr / Gesundheit und bequem Wetter zu unserer Rais mangelte / bewegten wir kaum etliche Leuthe / daß sie uns mit Nachtherberg und einem stück Brodt zuhülff kamen / und war uns treflich gesund / daß ich / wie mein Camerad / kein Niemezy oder Niemey gewesen / der die Sclavonische Sprach nicht geköndt; sintemahlen ich durch solches Parlaren vom Mährischen Landmann beydes Essenspeis und alte Kleyder erbettelte / damit wir sich ob zwar nit ansehenlicher ziert / jedoch dicker wider die grimmige Winters=Kälte bewaffneten; Also armseelig haben wir Mähren allgemach durchkrochen / vil Ellend erlitten / und von dem Bauersmann / der dem Soldaten niemals hold wird / mehr spitzige Schmachreden als willige Steur und Allmosen eingenommen.


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