Hans Jacob Christoffel von Grimmelshausen
Galgen-Männlin
Hans Jacob Christoffel von Grimmelshausen

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CAPUT VII.
Beschluß des Simplicissimi Schreibens.

Drumb mein Sohn folg mir nach / und laß das Galgn-männl und sein gstohln Geld ein gut Jahr habn / wann dir villeicht eins an-gtragn wordn; wo nicht / so solst du nicht mehr mein Sohn seyn: Jch hoff abr du wirst dein Seel und ihr Heyl nächst Gott mehr als Geld liebn / dem ich dich in sein Schutz bfehl. Diß hab ich dir mit wörtern von einer Silb schreibn wolln / auff das du ab-nembst / wie läpsch es steh / wann man das an ihm selbst schön teutsch umb-gießn und ver-bessrn will / abr wedr schappl noch gbänd dar-zu hat / weil ich in deim Brieff gmerckt / daß du auch ein Sprach-held werdn wilst; steht mir abr dis wol an / so folg mir auch nach / wo nicht? so laß auch dein neu Teutsch im Schreibn und Redn seyn. Datum Hercinen den 29sten Julii 1673.

Dein trewr Vatr
Simp. Simplicissimus.

 
Anmerckung

Es wäre ein geringes / seinen Vater und das Erbgut so man in dieser Zeitlichkeit hoffet und gewärtig / zu entbehren / wann man dardurch mit guten Ehren von anderwerts her Gelds genug und aller Glückseligkeit und Wohlfahrt versichert wäre; aber wann man auch Gott darzu dardurch erzörnen / dessen Huld verschertzen und also das ewige Reich verlieren müste (wie dann ohn zweiffel durch Besitz- und Gebrauchung eines Galgenmännlins geschiehet) das wäre ja mehr als überflüssig / und weit über die Schnur gehawen. Man sagt mir viel von den Talismatibus oder denen Figuren die in gewissen constellationibus auff Edelgestein oder Metall gegraben werden / was vor wunderbarliche Krafft und Würckungen sie haben sollen! Aber woltestu dich wol überreden lassen / zu glauben / daß auß influentz der himmlischen Cörper die statua Memnonis in Egypten sich bewegt und geredet / oder wie Tacitus schreibet / ein Musicalische Harmoniam von sich geben / wann die Sonn darauff geschienen / keiner andern Ursach halber / als dieweil dasselbe Bildnuß zu einer gewissen Zeit / und aus darzu gehöriger Materi verfertigt worden? Nein; ich auffs wenigst glaubs nicht / sondern halte darvor / daß der Teuffel da sein Spiel gehabt die Menschen zu betriegen / also auch von dem Götzen der Veneris zu Papho / da es nimmer auff geregnet; von dem Palladio zu Troja; von den Schilden zu Rom / Amyles genant / welche des Reichs Glück conservirten; von den Haußgöttern Auerrunces genant (von welchen des Galgenmänlins Name (Alraun) geschicklicher als von der Jüdischen Bundslade hergeführet werden mag) die alles zukünfftige Unglück vom Haußstand abwendeten; von des Selani Bild der fortun, welches je ein Römischer Käyser dem andern erblich hinterlassen; von Virgilii ehrner Fliege und güldenem Blut-egel / wardurch kein Fliege in Neapolis kam und alle Blut-egel in den Strömen sturben; von dem Bildnus eines Storcks / so Apollonius zu Constantinopel auffgericht / und damit alle Störck vertrieb; wie auch von dem Bildnuß / womit er die Mucken von Antiochia verjagte; vom Scorpion zu Tripoli und Hampts in Arabia, der beyde Stätt vor allen gifftigen Thiren verwarte; von deß Giges, deß Alexandri und Caroli Magni jhrer beyden Concubinen Ringe / davon jener sich unsichbar: diese aber sich beliebt zu machen bedienet. Die ehrne Schlang in der Wüsten die durch Mosen aufgerichtet worden / möchte wohl auch unter die Talismata gerechnet werden / dann sie erhielte die jenige so sie ansahen vor dem biß der fewrigen Schlangen beym leben: Aber damit war es weit ein anders / dann sie wurde durch den Befelch GOttes dargestellt / seinem Volck die künfftige Erlösung am Creutz vorzubedeuten / gleichwie hingegen die Auffrichtung des güldenen Kalbs / eine grosse Abgötterey und teuffelische Sünd gewesen / weil es hingestellt ward die Hitz und dürre abzuwenden / so die Jsraeliten ausstehen musten / als damal Mars in einem feurigen Zeichen war.

Hieher könte auch gerechnet werden / was man von den Amuletis, Periaptis und dergleichen Dingen sagt / so wol als die fascinas oder præficines deren sich die alte Römer albereits gebraucht; und wer weiß / wo nicht auch die Waffensalb!

Es sind meines wenigen erachtens nur dreyerley Kräffte / durch welche die ungewöhnliche und seltzame Ding / die wir Wunder nennen / gewürckt und vollbracht werden. Die erste höchste und unfehlbahre Krafft ist die Allmacht Gottes / durch welche Moses seine Wunderwerck in Egypten verrichtet (dannenhero sie auch die Egyptische Magi den Finger Gottes genant) durch welche auch die heilige Freund GOttes Todten aufferwecket / Krancke gesund gemacht / Teuffel ausgetrieben und andere grosse Dinge gethan haben. Die andere ist die jenige / welche GOtt in die Geschöpff oder seine Creaturen / es seyen nun Elementa, Animalia, Gewächs / Metall / oder das Gestirn gepflantzt; welche der vernünfftige Mensch zum theil aus der Erfahrung erkundigt / zum theil an eines Dings signatur wahrnimmt / oder sie sonst entweder ohngefehr oder durch seine Nachsinnung entdeckt / als wann er etwan des einen oder andern dings antipathiam oder sympathiam observirt, &c. Wardurch er folgends so beschaffene Wunder verrichtet / die wir alsdann vor keine Wunder mehr halten / wann wir der Dinge Krafft und Würckung erfahren / dardurch solches vermeinte Wunder zu wegen gebracht worden. Die dritte ist die Macht des Satans / welcher durch Seinen fall nicht die gaben der Natur / sondern der Gnaden verlohren: dieser geschwinde Geist und tausend Künstler der gnugsame Erkäntnuß und Wissenschafften der natürlichen Dinge hat / bringt zwar so wohl durch der erschaffenen Dinge Kräfften und Würckungen / als durch seine anerschaffene unverlorne Geschwindigkeit / Stärck etc. viel dings zu wegen / daß in unsern Augen höchst-verwunderlich scheinet; sie sind aber eigentlich kein Wunderwerck zu nennen: Dann was wolts einem Geist vor ein Wunder seyn / wann Er durch natürliche allein ihme bekante Ursachen etwas verwunderlichs ausrichtet? oder wann Er aus Zulassung Gottes vermittelst seiner Stärck einen Thurn in einem Augenblick einwirfft / einen Menschen durch die Lufft an einen andern Ort führet? oder vermittelst seiner Geschwindigkeit in kurtzer Zeit ein frische Jndianische Frucht / oder eine Perle aus der tieffe des Meers herholet? GOtt allein ists / der Wunder thut. Zu dem kan der Satan ohnangesehen seiner Stärck / Geschwindigkeit / List und Wissenschafft ohne den Befelch oder die Zulassung Gottes im geringsten nichts verrichten; auch bisweilen nicht / er habe denn des Menschen eigentlichen consens darzu / als wann er durch seine Unholden andern Unglück zufügen will.

Weil es dann nun je vor ein groß Wunder zu halten wäre / wann eine Wurtzel unter einem Galgen gegraben werden könte / die wider die Natur aller andern Geschöpff so wunderbarlicher weiß ihrem Besitzer Geld von anderwerts herzubrächte / solches aber weder natürlicher weiß / noch durch die Göttliche Ordnung: viel weniger durch seine wunderhand extraordinari geschiehet / dann GOtt hat sonst tausenderley Mittel die Menschen mit seinem Segen zu überschütten / als daß man denselben unterm Galgen (pfuy der Schand) suchen müste. Sihe / so ist das Galgenmännlin nichts anders als ein Werck des leidigen Teuffels / dardurch er GOtt seine Ehr stielet und ihm zueignet: durch seine tausendkünstlerey und Geschwindigkeit das Geld anderswo stielet und dieser Wurtzel zulegt: also hiemit den armen Menschen in die Abgötterey (dann wo eines Hertz ist / da ist auch sein GOtt / und ob eines Geitzhalses Hertz nicht immer an seinem Galgenmännlin hänge / ist ohn noht zu fragen) die allerschrecklichste Sünd bringt / in dem er ihn zu seinem Anbetter macht / endlich aber zu sich in die ewige Verdamnus stürtzet. Und dis ist der wahre Nutz des Alräunigens / der auf dem Titulblat anzuzeigen versprochen worden. Vale!

 

Abgehandelt und an tag geben ist diese Meinung und unvorgreiffliche Erinner- oder Erläuter- und Anmerckung über Simplicissimi missiv;

ZV Der ZeIt / aLs nVn DIe WeLt /
    nVr aVfs GeLt
    netze steLt /
    trVtz Wers sCheLt /
aCh! WIe WohL es baLt VerfeLt /

durch des Lesers Diener

Israël Fromschmidt
von Hugenfelß.


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